Guten Morgen Herr Lindental,
Danke für die ausführliche Antwort, auf die ich gerne eingehe. Sie schreiben:Zwar bin auch ich zuweilen ein Freund von Vergleichen; zur Frösche/Pillenknick-Geschichte jedoch nur soviel: Wenn beide, was sich zeigen läßt, eine gemeinsame Ursache haben (nämlich die Kommerzialisierung von Landschaft und Menschen), dann ist eine Betrachtung der gemeinsamen Ursachen durchaus angezeigt.
Es gibt hier wohl gemeinsame Ursachen, aber keine kausalen Verknüpfungen, und das war meine Kritik. Die falsche Verknüpfung von Fakten zu einer kausalen Kette von Argumenten ist aus meiner Sicht eine Irreführung der geneigten Leser. Ich muss aber eingestehen, dass ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe. Ich hatte mit meinem Beispiel angedeutet, dass die Gründe für die Defizite von Jugendlichen heute andere Ursachen haben als die Rechtschreibung ansich. Diese liegen eindeutig in gesellschaftlichen, pädagogischen und schulischen Gründen, aber eben NICHT kausal in der RS. Um es noch einmal zu sagen: Die RSR hat nicht ihre Ursache in der katastrophalen RS der Jugendlichen!
Ich will mich auch nicht echauffieren über die Sachlichkeit der Diskussion, über die Argumente (ich bin kein Linguist!) oder alle anderen Einwände. Aber auf einen Punkt möchte ich noch einmal eingehen. Wenn ich das richtig beurteile, ist die katastrophale RS vieler unserer Mitbürger(innen)NICHT die Ursache für die RSR; die Ursache für die RSR ist die Entwicklung von Sprache ansich. Ich vermute, dass die RSR von 1901 die gleichen Reaktionen hervorgerufen hätte, wenn damals Technologien (Email) und Medien so vorhanden gewesen wären wie heute. Sprache entwickelt sich, verändert sich, ebenso wie auch heute biologische Evolution stattfindet. Aber Veränderungen machen Menschen Angst. Wir propagieren Lebenslanges/lebensbegleitendes Lernen, aber die Wirklichkeit zeigt uns, dass genau dies den Menschen schwer fällt.
Ich bin mir sicher, dass alle Argumente um Sinnhaftigkeit der Veränderungen der RS, Begründungen dafür und dagegen nur Scheingefechte sind auf einem Feld von wachsenden Unsicherheiten, denen sich Menschen im Allgemeinen nicht gewachsen fühlen.
Der Widerstand JETZT allerdings ist mir völlig unverständlich. Wenn Verlage erst nach 4 Jahren wissen, dass diese Reform falsch ist, dann stellen sie sich ein Armutszeugnis aus. Jemand, der jeden Tag mit Worten und Sätzen arbeitet, könnte aus meiner Sicht auch nach einem Jahr wissen, ob der Weg, den man eingeschlagen hat, richtig ist oder falsch.
Ich bin weder Gegner noch expliziter Befürworter der RSR. Aber ich weiß um Veränderungen von Sprache und um die psychologischen Probleme, die mit Veränderungen einher gehen. Deshalb ist das für mich ein ganz normaler Vorgang, der mir keine Angst bereitet. Ich weiß auch, dass meine eigenes Wertesystrem auf Sprache begründet ist, aber nicht davon abhängt, wie ich Worte trenne, ob das "ß" weiter existiert etc.
Die Probleme unserer Gesellschaft sind wirklich ganz andere und von erheblicherem Kaliber als die RSR.
Ich hoffe, dass ich damit keine Nebelkerzen in die Diskussion geworfen habe. Ich wollte nur zeigen, dass aus meiner ganz subjektiven Sicht hier eigentlich andere Gefechte ausgetragen werden als die RSR.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag
Dieter Schulze
|