Landtag des Saarlandes, 24. 10. 1995
Landtag des Saarlandes
11.Wahlperiode
14. Sitzung
am 24. Oktober 1995
Wir kommen zu den Punkten 4 und 6 der Tagesordnung:
Beschlußfassung über den von der CDU-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend Aussetzung der Rechtschreibreform (Drucksache 11/452),
Beschlußfassung über den von der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend Verabschiedung der Rechtschreibereform (Drucksache 11/456).
Zur Begründung des CDU-Antrages erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Schreier das Wort.
Abg. Schreier (CDU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Deutschen sollen in Zukunft anders schreiben. Wenn es nach dem Willen der Kultusminister geht, werden sie eine bisher der Bevölkerung praktisch unbekannte Rechtschreibreform am 30. November dieses Jahres beschließen. Für den 15. November ist in Wien die Unterzeichnung des Abkommens von Vertretern Österreichs, der Schweiz und Deutschlands geplant. Verantwortlich hierfür und für die Neuregelung auf deutscher Seite ist neben der Kultusministerkonferenz das Bundesinnenministerium.
Eine internationale Kommission von Wissenschaftlern hatte sich jahrelang mit der Reform der Orthographie beschäftigt und sich auf neue Rechtschreibregeln geeinigt, die zum 1. April 1997 eingeführt, aber erst zum Jahr 2001 verbindlich werden sollen.
Bei dieser wichtigen Diskussion, meine Damen und Herren, ist bisher eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit unterblieben. Nur ganz wenige Experten wissen, worum es bei dieser Rechtschreibreform eigentlich geht.
Wenn die neuen Regeln so beschlossen werden, wie die Experten sie sich vorstellen, würde es statt einer Vereinheitlichung und einer Vereinfachung eine allgemeine Verunsicherung größten Ausmaßes geben, um nicht von einer Katastrophe zu reden, die man in Zukunft übrigens mit f schreiben soll.
(Beifall bei der CDU.)
Meine Damen und Herren, niemand soll glauben, daß mit dieser Reform die komplizierte deutsche Rechtschreibung vereinfacht würde. Nein, sie wird verkompliziert mit der Folge, daß diejenigen, die bisher richtig geschrieben haben, in Zukunft größte Probleme haben werden, nicht falsch zu schreiben.
Meine Damen und Herren, nur durch die Initiative der Kultusminister der unionsregierten Länder und der CDU-Fraktionsvorsitzenden ist bei dieser Rechtschreibreform die Notbremse gezogen worden und ein ganz klein wenig von dem an die Öffentlichkeit gedrungen, was demnächst auf die Deutschen, auf die Österreicher und auf die Schweizer zukommen soll.
Meine Damen und Herren, diese Initiative der Fraktionsvorsitzenden der Union hat Gott sei Dank Bewegung in die Diskussion gebracht, und daß tatsächlich dort Bewegung hineingekommen ist, zeigt, daß die Ministerpräsidenten eine Kommission eingesetzt haben, die sich mittlerweile mit einer Nachbesserung zumindest der widersinnigsten Ausarbeitungen beschäftigt. Zumindest in diesem Punkt hatte die Initiative schon Erfolg, und wir hoffen, daß noch weiterhin nachgebessert werden kann.
Ich will an einigen wenigen Beispielen einmal den Unsinn dieser Rechtschreibreform und der neuen Regeln dokumentieren. Logisch noch am unproblematischsten ist der zukünftige Umgang mit dem scharfen S. Nach kurzem Vokal darf man in Zukunft nur noch Doppel-S schreiben. Also, der Fluß verliert sein scharfes S, ebenso wie der Kuß und auch der Schluß. Das scharfe S behält nachdrücklich der Fuß. Aber wer kommt nicht in Zweifel, wenn er in Zukunft er aß und sie isst schreiben soll, schlussfolgern und Ladenschluss, aber schließen und schlossen, Ruß, Rost, Ross und Russe?
Meine Damen und Herren, scharfes S bei daß, eines der großen Probleme für Schülerinnen und Schüler in der deutschen Rechtschreibung, wird zukünftig entfallen. Aber nicht, daß es einfacher würde. Nein, das scharfe S beim daß wird in Zukunft in zwei s umgewandelt. Ich sage, wer heute nicht den Unterschied zwischen einem Relativpronomen, das mit einem weichen S, und einer Konjunktion, die mit scharfem S geschrieben wird, weiß, wird es auch in Zukunft nicht wissen und auch in Zukunft falsch machen.
(Sprechen und Unruhe.)
Meine Damen und Herren, wußten Sie, daß das h am Ende zum Beispiel bei dem Wörtchen rauh entfällt? Rauh und Rauhreif werden in Zukunft so geschrieben, wie Johannes Rau sich schreibt. Vielleicht ist das ein kleines Zugeständnis an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, der sich im übrigen auch dafür eingesetzt hat, daß diese Rechtschreibreform ausgesetzt wird
(Zuruf des Abgeordneten Schoenen (CDU))
und in ein vernünftiges Maß gebracht werden muß. Das, was Sie von der SPD heute fordern, steht im totalen Gegensatz zu dem, was der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen gefordert hat.
Meine Damen und Herren, das Känguruh verliert ebenfalls sein h; dafür schreibt man aber dann Roheit mit zwei h in der Mitte, Zäheit auch, aber Hoheit weiterhin mit einem h in der Mitte. Frevel schreibt man in Zukunft mit f in der Mitte, genauso wie Asphalt und Delphin.
(Abg. Klimmt (SPD): Ja, das habe ich immer schon so geschrieben. – Heiterkeit.)
Herr Kollege Klimmt, Sie können ganz beruhigt sein. Die Rechtschreibreform umfaßt nicht alles. Wer bisher schon nämlich mit h geschrieben hat, wird weiterhin als dämlich gelten.
(Lachen.)
Meine Damen und Herren, auch phantastisch soll mit f geschrieben werden. Phantastisch, werden einige sagen. Aber sie werden gleich einen Dämpfer bekommen, weil sie Philosophie – was ja ein schwieriges Wort ist – auch in Zukunft zweimal mit ph schreiben müssen, genau wie Rhetorik mit h nach dem R, aber Rhythmus – ein schwieriges Wort – gänzlich ohne h, ebenso wie Rheuma, das bisher nicht nur durch seine Schreibweise die Menschen gequält hat, ebenso wie Asthma. Und es ist wirklich erträglicher, Asthma zu haben, wenn man es ohne h schreibt, genauso wie Katarrh.
Das sind nur ein paar Beispiele, die die Probleme bei der neuen Schreibweise eher noch größer machen als kleiner und bei der Umstellung eher das Chaos fördern werden als die Rechtschreibkompetenz. Übrigens schreibt man künftig Paket mit ck, Greuel mit äu und Thron ohne h und die Eigenschaftswörter bei Erste Hilfe und Schwarzer Peter klein, dagegen Erster Bürgermeister weiterhin groß. Man schreibt Heiliger Vater klein, aber Gott sei Dank Weißer Sonntag noch groß.
(Zurufe der Abgeordneten Beck (CDU) und der Ministerin Granz.)
Die Apotheke, Frau Ex-Kultusministerin, soll künftig ohne h geschrieben werden können. So sollen es jedenfalls die Kinder am Anfang lernen. Pädagogisch total unsinnigerweise sollen sie dann später, in der Oberstufe, Apotheke nicht mehr ohne h schreiben, sondern richtigerweise mit th. Meine Damen und Herren, einen solchen Unsinn können nur Professoren am grünen Tisch erfinden.
(Beifall bei der CDU.)
Das alte Sprichwort ,,Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr'' gilt im besonderen Maß für dieses Lernen in Etappen. – Herr Kollege.
Abg. Dr. Bauer (CDU):
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage. Ist es richtig, daß dann in der Oberstufe der Gesamtschulen Deutsch als Fremdsprache unterrichtet werden soll?
Abg. Schreier (CDU):
Möglicherweise wird man dann in Saarbrücken Deutsch als Fremdsprache einsetzen müssen.
(Lachen.)
Welch ein pädagogischer Unsinn, Schülern beibringen zu wollen, wie man zuerst falsch und dann richtig schreibt! Meine Damen und Herren, Leichtkost für Anfänger ist der falsche pädagogische Weg und ist ebenso unsinnig wie Primitivschreibungen bei Eindeutschungen. Hören Sie genau zu. Portemonnaie – ein französisches Wort – soll in Zukunft Portmonee geschrieben werden. Da sträubt sich einem nun wirklich die Feder, und ich sage Ihnen: Wer Portemonnaie nicht richtig schreiben kann, soll Geldbeutel schreiben.
(Heiterkeit und Beifall.)
Die Alternative zu einer einfachen, primitiven Eindeutschung von Wörtern ist nicht die Primitivschreibung des Fremdwortes, sondern die Verwendung des deutschen Wortes.
(Zuruf: So ist es. – Beifall.)
Im übrigen halte ich auch diese Eindeutschung für pädagogisch falsch. In unseren Schulen sind wir stolz darauf, daß unsere Kinder und Jugendlichen schon sehr früh Französisch lernen. Nun haben sie endlich gelernt, daß man restaurant mit au schreibt. Sie sollen es aber zukünftig im Deutschen mit o schreiben. Sie haben gelernt, daß man catastrophe mit ph schreibt, und müssen es auch weiterhin im Französischen so schreiben. Im Deutschen sollen sie in Zukunft aber Katastrophe mit f schreiben. Es ist ein Unsinn, Leuten Fremdsprachen beibringen zu wollen, sie dann aber zweigleisig schreiben zu lassen.
(Beifall bei der CDU.)
Ich könnte Ihnen zu Ihrer Belustigung noch mehr Beispiele liefern. Ich befürchte für unsere Fraktion, daß am Schluß keiner mehr weiß, wie man etwas richtig schreibt, und daß die wenigen, die heute richtig schreiben, in Zukunft falsch schreiben werden, und die vielen, die falsch schreiben, sich sowieso nicht um die Rechtschreibreform kümmern werden.
(Erneuter Beifall bei der CDU.)
Meine Damen und Herren, die Rechtschreibreform ist nicht ausreichend vorbereitet. Etwas Genaues darüber weiß niemand. Im Gegensatz zu Österreich. Dort werden seit langer Zeit die Lehrerschaft, aber auch die Menschen, die umlernen müssen, über Trainingsprogramme auf diese Reform hingewiesen.
(Anhaltendes Sprechen.)
In Deutschland insgesamt – auch im Saarland – Fehlanzeige, was die Vorbereitung dieser Reform betrifft. Wie wenig die Deutschen auf ihre Sprache Wert legen, sehen Sie zum Beispiel daran, daß die neuen Postleitzahlen mit einer Werbekampagne in einer nie gekannten Größenordnung eingeführt worden sind, daß man aber eine Rechtschreibreform praktisch dadurch einführt, daß man den Duden neu druckt. Das ist eine Diskrepanz, die so nicht bleiben kann.
(Beifall bei der CDU.)
Wir meinen: Die Rechtschreibreform ist nicht hinreichend vorbereitet; sie muß deshalb ausgesetzt werden.
Zweitens. Die Risiken und die Nebenwirkungen dieser Reform sind zu groß. Wenn man eine Reform 1997 einführt, im Jahr 2001 aber erst verbindlich macht, bedeutet das, daß Sie eine ganze Grundschulgeneration im unklaren darüber lassen, wie etwas richtig und wie etwas falsch geschrieben wird. Ich meine, das können wir unseren Kindern nicht zumuten. Kinder haben ein Recht darauf, ja es ist unsere pädagogische Pflicht, daß sie Schulbücher bekommen, aus denen sie am ersten Tag erkennen können, wie etwas richtig geschrieben wird, damit sie es nicht falsch schreiben.
Aber allein die Umstellung der Schulbücher wird einen immensen Kostenaufwand nach sich ziehen, den wir noch gar nicht berechnen konnten. Es ist meines Erachtens wichtig, daß dies einmal angedeutet wird. Es muß für einen Schüler Verlaß sein auf das, was in einem Schulbuch steht und wie es dort geschrieben wird.
Meine Damen und Herren, die Reform wird in der Tat mehr kosten, als sie bringen wird. Auch deshalb meinen wir: Wenn wir schon eine Reform machen, bedarf sie dringend notwendiger Nachbesserungen.
Ein dritter Gesichtspunkt, der auch das saarländische Parlament nachdrücklich interessieren sollte: Der Rechtschreibreform fehlt bisher die demokratische Legitimation.
(Beifall bei der CDU.)
Wir reden so viel von Eigenständigkeit und Selbstbewußtsein der Regionen, der Länder; gestern haben wir darüber gesprochen. Ihren besten Ausdruck findet die Eigenständigkeit der Länder in ihrer Kulturhoheit. Wenn wir aber Kulturhoheit der Länder haben und wenn wir die Kulturhoheit der Länder wollen, kann eine solch weitreichende Reform wie die Rechtschreibreform nicht auf dem Erlaßwege durch den Bundesinnenminister geregelt werden.
(Beifall bei der CDU.)
Sie kann auch nicht im Halbdunkel der Kultusexekutiven geregelt werden. Sie kann nicht an den Länderparlamenten vorbei geregelt werden, sie muß in diesen Parlamenten geregelt werden, weil sie nicht nur für die Schüler eine große Bedeutung hat, sondern auch für die Millionen Menschen, die umdenken und umlernen müssen, wenn sie sich in Zukunft beim Schreiben nicht blamieren wollen.
Meine Damen und Herren, seit dem Deutschen Juristentag vor zirka zehn Jahren diskutieren wir darüber, ob nicht Inhalte und Lernziele auch Gegenstand der parlamentarischen Beschlußfassung sein sollten. Um so mehr müßte es doch Gegenstand parlamentarischer Beschlußfassung in den Ländern sein, wenn die Menschen in diesen Ländern nachher diese Rechtschreibreform vollziehen müssen. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wir stellen diese Forderung nicht nur deshalb, weil wir etwa parlamentarisch auf dem hohen Roß säßen. Nein, eine solche Beschlußfassung in den Länderparlamenten würde auch dazu beitragen, daß die Öffentlichkeit mit dieser Frage dann in einem wesentlich größeren Maße befaßt würde, als dies heute der Fall ist. Deshalb kann diese Reform nicht per Erlaß, sondern sie muß per Staatsvertrag zwischen den Ländern geregelt werden.
Meine Damen und Herren, wir sind nicht gegen eine Reform der in der Tat komplizierten deutschen Rechtschreibung. Wir treten ein für eine vernünftige und für eine gemäßigte Reform der deutschen Orthographie. So wie sie jetzt auf dem Tisch liegt und wie sie jetzt durchgesetzt werden soll, ist die Rechtschreibreform jedoch – ich fasse zusammen – nicht ausreichend vorbereitet. Die Verunsicherung, die Risiken und die Nebenwirkungen werden erheblich sein.
(Abg. Beck (CDU): Dazu gibt es dann eine Packungsbeilage!)
Die Kosten werden den Effekt bei weitem übersteigen. Ihr fehlt die demokratische Legitimation, eine ländergesetzliche Regelung ist dringend geboten. Sie darf deshalb nicht so und nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt in Kraft treten. Es bedarf einer breiten inhaltlichen Diskussion in der Öffentlichkeit. Es bedarf der gezielten Vorbereitung, und es bedarf erheblicher Nachbesserung. Dies, meine Damen und Herren, ist bisher nicht gewährleistet. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag auf Aussetzung stattzugeben.
(Beifall bei der CDU.)
Vizepräsident Meyer:
Zur Begründung des SPD-Antrages erteile ich das Wort dem Abgeordneten Reiner Braun.
Abg. Braun (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vortrag des Kollegen Schreier zeugt davon, daß die CDU immer noch einige Defizite hat, wenn es um die aktuelle Diskussion der Rechtschreibreform geht, offenbar ein Defizit, das Sie schon seit Jahren mit sich schleppen. Auch heute haben Sie wieder Beispiele angeführt, die zeigen, daß Sie nicht auf dem neuesten Stand sind. Zum Beispiel wird Paket – so ist es vorgesehen – nach wie vor so geschrieben werden, wie es derzeit geschrieben wird, nämlich mit einem k. Dann verweisen Sie auf Rhythmus ohne jedes h. Sie müssen allerdings wissen, daß die Rechtschreibreform vorsieht, daß die alte Schreibweise, die eher konservative Schreibweise nach wie vor erste Priorität hat.
(Abg. Schreier (CDU): Um so schlimmer!)
Das ist doch nicht schlimm! Sie kennen doch die Praxis als Lehrer. Wie viele Schüler schreiben denn Rhythmus wirklich mit h? Es geht doch nur darum zu erlauben, daß Rhythmus auch ohne h geschrieben werden kann. Das ist doch keine Katastrophe, auch wenn die Katastrophe spätestens nach der Rechtschreibreform auch ohne ph und mit f geschrieben werden kann, aber nicht geschrieben werden muß. – Bitte schön.
Abg. Schreier (CDU):
Wenn ich Ihre Ausführungen wörtlich nehme, muß ich Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, daß man alles nur so lange falsch schreiben muß, bis es endlich richtig wird.
Abg. Braun (SPD):
Diese Frage stellt sich doch gar nicht. Es stellt sich ganz einfach die Frage, ob die jetzigen Regelungen im Duden Sinn machen bzw. ob eine Neuregelung dessen, was im Duden steht, dazu führt, daß für viele die Rechtschreibung vereinfacht wird. Vorhin sagten Sie, es führt zu einer Katastrophe, weil kein Mensch mehr richtig schreiben kann. Die Praxis ist doch heute die, daß die meisten Schüler – viele Lehrer übrigens auch – nicht in der Lage sind, komplizierte Diktate einigermaßen fehlerfrei zu schreiben.
Ein weiterer Widerspruch. Sie reden davon, daß diese Reform immense Kosten verursacht. Auch da streiten sich die Experten. Die einen reden von mehreren Milliarden, die anderen reden von 300 Millionen, und diejenigen, die offenbar Ahnung haben, reden davon, daß das mehr oder weniger kostenneutral durchgesetzt werden soll. Es wird folglich über die Medien viel Unsinn verbreitet. Desgleichen behaupten immer noch viele Medien, Philosophie wird mit f geschrieben. Dabei ist nach wie vor vorgesehen, daß Philosophie mit ph geschrieben wird. Man kann auch Desinformation betreiben und damit eine Reform in Frage stellen.
Ich will jetzt zur Begründung unseres Antrages kommen, der vorsieht, daß die Rechtscheibreform zügig verabschiedet werden soll. Die bis heute für alle gültige Rechtschreibreform ist Ergebnis der Zweiten Orthographischen Konferenz, die 1901 in Berlin stattfand. Um damals sehr rasch zu einer für das gesamte deutschsprachige Gebiet einheitlichen Rechtschreibung zu gelangen, hat man zunächst auf das damals schon vorhandene Anliegen verzichtet, die Rechtschreibung zu vereinfachen. Aber statt dieses Anliegen in den Folgejahren konsequent aufzugreifen, zeichnen sich die jeweiligen Dudenneuauflagen dadurch aus, daß die ohnehin schon komplizierten Regelungen des Jahres 1901 aufgebläht und ihre Erlernbarkeit erschwert wurden. Mangelnde Systematik, spitzfindige Ausnahmeregelungen und Ausnahmen von Ausnahmen kennzeichnen das aktuelle Dudenwerk.
Eine Vereinfachung ist daher mehr als überfällig. Es kann doch nicht sein, daß sich einem der Sinn mancher Festlegung erst nach langem Nachdenken erschließt und selbst am Ende langen Nachdenkens die Logik mancher Festlegung rätselhaft bleibt. Welche Logik steckt dahinter, daß man zueinanderfinden zusammenschreibt, zueinander passen aber nicht? Eine Frage, die sich ebenso bei dem zusammengeschriebenen Zusammenschreiben und dem getrennt geschriebenen Getrenntschreiben stellt. Wer kann schon einsehen, daß man klein und zusammen radfährt, während man groß und getrennt Auto fährt?
Eine deutsche Wochenzeitung hat vor einigen Jahren die Probe aufs Exempel gemacht und ein zehn Sätze und dreizehn Worttrennungen umfassendes Diktat zusammengesetzt, zugegeben gespickt mit Schwierigkeiten der deutschen Rechtschreibung. Nur ein Beispielsatz aus diesem Diktat: ,,Man stand Schlange und kopf, lief Ski und eis, schob Kegel, sprach Englisch, und wer diät gelebt und hausgehalten hatte, hielt jetzt hof.'' Deutschlehrer machten in diesem Diktat – zehn Sätze, 13 Worttrennungen – 39 Fehler, Durchschnittsschreiber 44 und Korrektoren immer noch 16 Fehler. Die Beispiele ließen sich fortführen.
(Zuruf der Abgeordneten Beck (CDU).)
Die Silbentrennung ist unsystematisch. Tut es wirklich weh, wenn man st trennt, wie das Schülern seit Jahrzehnten eingebleut wird, die dennoch keinen körperlichen Schmerz empfinden, wenn sie Weste genauso wie Wespe und Kasten genauso wie Kasko trennen, was künftig endlich erlaubt sein soll? Daß die Kommasetzung vor Infinitiv und vor nebengeordneten selbständigen Sätzen im Duden drei Regelungen umfaßt, kein Problem, durchaus erlernbar. Aber was ist mit den vierzehn Ausnahmeregelungen, die es dazu gibt? Ich kenne keinen Deutschlehrer, der nicht zum Duden greifen muß, wenn er in einem Diktat mit allen vierzehn Ausnahmen konfrontiert wird. Warum eine solche Zumutung für Schüler aufrechterhalten? Hören wir auf, Schülerinnen und Schülern Dinge anzukreiden, über die sich Experten jahrelang den Kopf zerbrechen.
(Beifall bei der SPD.)
Versuche, die deutsche Rechtschreibung, mit der selbst Konrad Duden im Jahre 1901 nicht zufrieden war, zu vereinfachen, gab es immer wieder. Das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim legte 1988 im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesinnenministeriums ein sehr umfangreiches und weitgehendes Reformwerk dar, so weitgehend, daß es gründlich unter die Räder geriet. Die Sprachwissenschaftler aus den damals noch zwei deutschen Staaten, aus Österreich und der Schweiz, zeigten großen Reformeifer und propagierten die Kleinschreibung. Darüber hinaus wollten sie die sogenannte Laut-Buchstaben-Beziehung systematisieren, mit anderen Worten, sie wollten dem Kaiser nehmen, was des Kaisers ist und ihn ebenso wie leise, Pein und Geier mit ei schreiben. Der Aufschrei in den Medien war allerdings – ob berechtigt oder unberechtigt – so groß, daß dieser Reformvorschlag zum Scheitern verurteilt war. Die KMK jedenfalls lehnte ab. Die Reformer unternahmen daraufhin einen zweiten Anlauf, der sich durch größte Behutsamkeit auszeichnet und der, so hatte es bis vor kurzem den Anschein, der erste einer Vielzahl von Reformversuchen sein würde seit 1902, dem auch Erfolg beschieden ist.
Bereits 1992 wurden die Vorschläge zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibereform in Buchform veröffentlicht. Der zuständige Arbeitskreis meiner Fraktion hat sich mit diesem Buch befaßt. Kein CDU-Landespolitiker hat sich im Jahre 1992, als dieses Buch erschienen ist, geregt. Nachdem diese Reformvorschläge in einer Arbeitsgruppe der KMK beraten wurden, änderten die Sprachwissenschaftler aufgrund des Beratungsergebnisses ihre Vorschläge erneut ab, so daß ein Entwurf für die dritten Wiener Gespräche zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vorlag, der die grundsätzliche Zustimmung der KMK erhielt. Kein CDU-Landespolitiker regte sich. Im November 1994 fand dann in Wien eine Konferenz statt mit Vertretern aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und einigen europäischen Staaten, in denen Deutsch eine Minderheitensprache ist. Selbst der bayerische Kultusminister lobte das Ergebnis der Wiener Gespräche als maßvoll. Kein CDU-Landespolitiker regte sich.
Erst als Zehetmair in einem Spiegel-Gespräch vor einigen Wochen mit einigen Details der Rechtschreibereform konfrontiert wurde, über die man durchaus streiten und die man ohne großen Aufwand im Konsens korrigieren kann, befand er, daß offenbar Ketzer am Werk waren, zumal künftig das Adjektiv heilig – das ist schon erwähnt worden – in der Verbindung Heiliger Vater klein geschrieben werden soll. Jetzt regten sich plötzlich CDU-Landespolitiker, nachdem mehrere Nationalstaaten in langwierigen Verfahren Einigung erzielt hatten. Der Verdacht liegt nahe, daß man die Verlautbarungen der KMK-Konferenzen nicht zur Kenntnis nahm oder aber lange Zeit glaubte, daß dem letzten Versuch zur Rechtschreibereform das gleiche Schicksal blühen werde wie seinen vielen Vorgängern. Jetzt fanden sich die interessantesten Koalitionen: Der CDU-Bildungspolitiker mit dem altachtundsechziger Oberstudienrat, der Juso mit seinem Ortsvereinsvorsitzenden und was es sonst noch an Unvereinbarem geben könnte, sie alle stehen im Verdacht, zu wollen, daß bleibt, was immer war, die Rechtschreibung anno 1901.
Auch wenn man die Kulturhoheit der Länder vorschiebt und beteuert, die Reformen nicht verhindern zu wollen, so hätte ein Erfolg der CDU-Initiative eine Verhinderung der Reform möglicherweise um Jahre zur Folge. Natürlich ist die Kulturhoheit der Länder ein hohes Gut. Aber wer hat denn jemals die CDU in diesem Parlament gehindert – spätestens seit 1992 –, die Landesregierung über die Beschlüsse der KMK im Ausschuß berichten zu lassen und eventuell auch schon 1992 diese Debatte hier zu führen?
(Beifall bei der SPD.)
Wer hat Sie denn daran gehindert, mit den Sprachwissenschaftlern in einen Dialog einzutreten?
(Zuruf der Abgeordneten Beck (CDU).)
Ganz einfach deshalb, weil wir uns erstens intensiv mit der Rechtschreibereform befaßt haben und weil wir zweitens nach vollziehen konnten, was dort vorgesehen war. Hätten wir das nicht tun können, hätten wir selbstverständlich das Parlament mit dieser Frage befaßt. Sie als Ausschußvorsitzende erhalten ja die Protokolle der KMK.
(Zuruf.)
Gut, dann war es eben jemand anderes, der diese Protokolle bekommen hat. Jedenfalls haben Sie ganz offenbar die Diskussion um die Rechtschreibereform verpennt.
(Beifall bei der SPD.)
Jetzt beklagen Sie eine weitreichende Veränderung der deutschen Sprache, wo es sich doch letztlich, gemessen an schon einmal diskutierten Reformvorschlägen, um ein Reförmchen handelt. Sie fordern die Zustimmung der sechzehn Länderparlamente und den Abschluß eines Staatsvertrages. So ernst ich den Föderalismus im allgemeinen und den Kulturföderalismus im besonderen nehme, wage ich zumindest zu bezweifeln, ob es Sinn macht, daß jedes einzelne der sechzehn Parlamente seine Zustimmung geben muß. In Klammern sei einmal angefügt, daß die Franzosen seit dem 17. Jahrhundert mit der Académie française eine zentrale Instanz in Sachen Sprache haben. Nachdem sich einige wenige Nationalstaaten nach jahrzehntelangen Verhandlungen endlich geeinigt haben, übrigens unter Beteiligung der deutschen Kultusminister, sollen nun sechzehn Parlamente Einigkeit erzielen. Ihr Kollege Gölter – den kennen Sie sicher – meint dazu: Wer die Reform jetzt anhält, weiß, daß sie nicht kommt. Das Thema ist erledigt, ich bedauere das wegen der Kinder. – Der Kollege Gölter hat das gesagt.
(Zuruf des Abgeordneten Schreier (CDU).)
Ich rede jetzt nicht über Herrn Rau. Ich rede über die Position der SPD-Landtagsfraktion, möglicherweise auch die Position, die diese Landesregierung – so hoffe ich – vertreten wird, und rede davon, was der Kollege Gölter Ihrer Auffassung entgegenzusetzen hat. – Bitte schön, Frau Beck.
Abg. Beck (CDU):
Herr Kollege Braun, können Sie mir in einfachen Worten erklären, wie Kinder, die unter dem Aspekt der europäischen Einigung Fremdsprachen verstärkt lernen sollen, in Zukunft damit umgehen sollen, daß sie im Grunde dasselbe Wort, aus derselben Sprachwurzel stammend, im Deutschen verkehrt und im Französischen oder aus dem Griechischen kommend richtig schreiben? Erklären Sie mir das, wie Sie das Kindern beibringen wollen. Hier ist doch eine Unsystematik, die Sie mit Ihrem biographischen und beruflichen Hintergrund doch sicher gar nicht nachvollziehen können.
Abg. Braun (SPD):
Wenn Sie aufmerksam zugehört haben, habe ich davon gesprochen, daß es durchaus Details gibt, über die man streiten kann, und daß diese Details sehr einfach, so sagen es mittlerweile alle Kultusminister, im Konsens zu lösen sein werden. Meine Forderung ist u.a. die – aber darauf wäre ich später noch zu sprechen gekommen –, daß man mit diesem Unsinn aufhört, daß man einerseits auf Fremdsprachenkompetenz in allen Bundesländern setzt und andererseits dann die Schüler dazu zwingen will, in der Herkunftssprache anders zu schreiben als in der deutschen Sprache. Das kann korrigiert werden, das ist überhaupt gar kein Problem.
(Beifall bei der SPD.)
Sie würden besser einmal das beherzigen, was der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Gerhard Stickel, zur Verzögerungstaktik der CDU äußerte. Er sagte, es gehe schließlich nicht darum – das haben Sie vorhin ja auch behauptet –, 100 Millionen Menschen in den deutschsprachigen Ländern unter Zwang zu stellen. Der Staat könne nur die Rechtschreibung in Schulen und im öffentlichen Dienst verbindlich vorschreiben. Im übrigen betonte Stickel, selten sei über eine Frage – das ist auch mein Eindruck, vielleicht lesen Sie nicht die Zeitungen, die im deutschsprachigen Raum zur Verfügung stehen – der Sprache in den Medien und wissenschaftlichen Publikationen so ausführlich informiert worden wie über die Rechtschreibereform. Wenn Sie zum Beispiel den gestrigen ,,Spiegel'' aufschlagen, können Sie noch mal sehr umfangreich – –
(Zurufe. – Sprechen und Lachen.)
Spätestens seit 1988 schreibt der ,,Spiegel'' immer wieder über die Fortschritte bzw. über die Stillstände, die es im Rahmen dieses Reformbemühens gibt.
(Zuruf der Abgeordneten Beck (CDU).)
,,Niemand'', so hat Stickel fortgeführt, ,,könne sich darauf berufen, die Allgemeinheit sei nicht ausreichend unterrichtet, worum es gehe.'' Ich kann nur hoffen, daß das Einlenken der Staatskanzleichefs am 6. Oktober Bestand haben wird, als man sich darauf einigte, das Reformwerk nicht in Frage zu stellen, sondern nur noch Detailfragen durch die KMK prüfen zu lassen. Zu denen hätte sicherlich auch die geplante – jetzt wäre ich dazu gekommen, kann mir das aber sparen – Eindeutschung von Fremdwörtern gehört. Es ist eine ganz klare Forderung von uns, mit diesem Unsinn aufzuhören. Wer den Stellenwert der Rechtschreibung richtig einzuschätzen weiß – und das ist die Relativierung –, sie als Mittel betrachtet, uns die schriftliche Verständigung zu erleichtern, der wird sicher kein Problem darin sehen, daß es einer mal nicht ganz so mit dem Griechischen hält und Metapher statt mit ph auch einmal mit f schreibt. Übrigens schreiben die Italiener fisica und filosofia längst mit f, ohne dadurch eine Nation von Banausen geworden zu sein.
(Beifall bei der SPD.)
Der eher konservativen Schreibweise – Beispiele: Rhythmus mit Rh und th, Katastrophe mit ph, Athlet mit th – soll eh eine gewisse Priorität eingeräumt werden – das haben Sie unterschlagen –, indem sie in den Wörterbüchern vor der neu-alternativen Schreibweise aufgeführt wird, also Rhythmus ohne jedes h usw. usf. Entscheidend wird sein, daß die neu-alternative Schreibweise auch in Schularbeiten toleriert wird.
Die eigentliche Notwendigkeit, die Rechtschreibreform zügig zu verabschieden, beschreibt der Leiter der Dudenredaktion, Professor Günther Drosdowski so: ,,An den Schulen wurde die Rechtschreibung häufig unkritisch vermittelt. Vieles, was der Vereinheitlichung dienen sollte oder nur als Orientierungshilfe gedacht war, wurde zur starren Norm erhoben, jede Abweichung von der Norm mit dem Rotstift geahndet und so vielen Menschen für ihr ganzes Leben die Angst vor der Blamage beim Schreiben eingeflößt.''
Ich fasse zusammen. Mit der einheitlichen Festlegung der deutschen Rechtschreibung im Jahre 1901 war noch keine hinreichende Systematik beschlossen. Ausnahmen, Sonderreglungen, Einzelfallregelungen und was es an Absonderlichkeiten bei lebenden Sprachen sonst noch gibt kennzeichnen den aktuellen Duden. Die vorgesehene Rechtschreibreform beabsichtigt wichtige systematische Änderungen. Sie vereinfacht erstens die Silbentrennung; sie vereinfacht zweitens die Zeichensetzung; sie beseitigt drittens Ungereimtheiten und Inkonsequenzen; sie regelt viertens die Frage scharfes S, Doppel-S; sie vereinfacht fünftens die Schreibung von Fremdwörtern; sie regelt sechstens die Zusammen- und Getrenntschreibung neu; und sie regelt siebtens die Groß- und Kleinschreibung neu.
Zu Punkt 7 noch eine persönliche Anmerkung. Daß die letzte Wiener Konferenz eine modifizierte Großschreibung vorsieht, die insgesamt zu einer leichten Vermehrung der Großschreibung führt, ist darauf zurückzuführen, daß die ursprünglich von den Sprachwissenschaftlern vorgeschlagene Kleinschreibung der Substantive keine Mehrheit fand. Die Abschaffung der Großschreibung von Substantiven wäre ein Schritt gewesen, mit dem man der beabsichtigten Reform Konsequenz hätte bescheinigen können. So bleibt Deutsch die einzige Schriftsprache, die die Besonderheit der Großschreibung von Substantiven aufweist. Die letz ten, die das abgeschafft haben, waren die Dänen. Es hat sich gezeigt, daß sechzig Prozent der Rechtschreibfehler mit dieser Maßnahme vermieden werden können. Auch die Erfahrung deutscher Deutschlehrer ist die, daß man in Diktaten vornehmlich Probleme mit der Großschreibung von Substantiven hat.
Geblieben ist also ein Reförmchen, das man aber unverzüglich umsetzen sollte, da es sinnvolle Vereinfachungen enthält. Für die nahe Zukunft und möglicherweise darüber hinaus sollte neben der neuen auch die alte Schreibweise toleriert werden. Recht hat die Dudenredaktion, wenn sie meint: ,,Normgetreues Schreiben an sich ist kein Selbstzweck. Richtig geschriebener Unsinn bleibt Unsinn.'' Sorgen wir dafür, daß schriftsprachliche Kommunikation in unserer Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert erlangt. Helfen wir dabei, daß die psychologischen Barrieren, die viele Menschen wegen ihrer Rechtschreibschwäche gegenüber schriftsprachlicher Kommunikation aufgebaut haben, überwunden werden. Vermeiden wir, daß funktionaler Analphabetismus durch eine Reformblockade ungewollt eine Ausweitung erfährt. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der SPD.)
Vizepräsident Meyer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Herrn Dr. Andreas Pollak.
Abg. Dr. Pollak (B 90/Grüne):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute eine Diskussion, die wir im Jahre 1992 hier hätten führen müssen. Im Jahre 1992 gehörte unsere Fraktion – leider, wie man jetzt sieht – diesem Hohen Hause noch nicht an.
(Abg. Hartz (SPD): Gott sei Dank!)
Sonst hätten wir diese Diskussion wohl im Jahre 1992 geführt. Herr Schreier, Sie sind spät dran. Sie haben trotzdem in manchen Punkten durchaus recht. Sie kommen, wie man im Saarland sagt, daher, wie die ald Faasenachd, nachdem die ganze Sache gelaufen ist.
(Zuruf von der CDU: Aber immerhin! – Weitere Zurufe und Sprechen.)
Auf der anderen Seite muß ich Ihnen, wie gesagt, einfach in bestimmten Punkten recht geben. Wenn wir über eine Rechtschreibreform reden, so ist es einfach wichtig festzustellen: Niemand hat etwas gegen Vereinfachungen; aber Vereinfachungen müssen logisch sein, sie müssen strukturell aufgebaut sein. Wir haben Beispiele gehört von Ihnen, Herr Schreier, und auch von Ihnen, Herr Braun, welche Probleme es bei einzelnen Wörtern und bei einzelnen Zusammensetzungen in der Vergangenheit gegeben hat. Diese Probleme werden auch in Zukunft nicht weg sein. Man wird sich in einem Jahr, in zwei Jahren wieder hier hinstellen können und genauso Beispiele anführen können, die einfach unlogisch sind. Sprache ist im Fluß, und das alles ist schwierig.
Für uns stellt sich jetzt die Frage: Was tun mit den beiden Anträgen? Ich sage das ganz offen.
(Abg. Vogtel (CDU): Verweisen an die Wiener Konferenz!)
Die SPD schreibt: ,,Die Landesregierung wird aufgefordert, sich in der Kulturministerkonferenz für eine rasche Verabschiedung der Rechtschreibereform einzusetzen.'' Punkt! Da sage ich, wir hätten vorher im Landtag, allerdings nicht heute, sondern damals, als es nötig war, wirklich einmal darüber reden sollen. Es ist tatsächlich so, daß wir hier Kulturhoheit haben und daß wir uns einfach über bestimmte Sachen hätten unterhalten müssen. Zu einer Reform gehört unserer Meinung nach eben auch demokratische Transparenz.
(Beifall der Abgeordneten Bozok (B 90/Grüne).)
Dieser Landtag in seiner Gesamtheit – seinerzeit CDU und SPD; ich glaube, da gab es noch eine dritte Partei, die gibt es nicht mehr –
(Lachen)
hat das einfach verschlafen. Das können wir heute nicht nachholen.
(Abg. Vogtel (CDU): Wir haben mit der Diskussion auf Sie gewartet.)
Ich bin auf Grund der fehlenden Diskussion vor drei Jahren nicht bereit, dem SPD-Antrag zuzustimmen. Ich muß allerdings auf der anderen Seite bei dem CDU-Antrag genauso sagen, daß man jetzt einfach zu spät dran ist. Die ganze Sache läuft. Ich bin im Endeffekt auch dafür, daß es eine Aussetzung gibt. Das könnte man durchaus tun, man könnte sich über Einzelpunkte noch unterhalten. Da könnte es allerdings auch ausreichend sein, wie Herr Braun gesagt hat, wenn man nur noch die schlimmsten Sachen rausnimmt. Es ist einfach ein Dilemma, in dem wir uns befinden. Ich erkläre unsere Fraktion in diesem Punkt ganz einfach für nicht zuständig. Das Ganze hätte vor drei Jahren passieren müssen; da waren wir aber noch nicht hier. – Bitte, eine Zwischenfrage.
Abg. Schreier (CDU):
Hinsichtlich der Nichtzuständigkeit würde ich Ihnen nicht zustimmen. Aber Sie haben in der Tat recht, dieses Parlament beschäftigt sich relativ spät mit dieser Frage. Ich weise aber darauf hin, daß sich bisher auch kein anderes Landesparlament mit dieser Frage beschäftigt hat, was dafür spricht, daß diese Frage wirklich sozusagen im Geheimen angegangen worden ist.
Nur, stimmen Sie mir nicht zu, daß allein die Tatsache, daß im allerletzten Moment bisher schon durch eine Initiative noch Veränderungen möglich waren, Hoffnung gibt, die Widersinnigkeiten
(Abg. Klimmt (SPD): Wo bleibt die Frage?)
noch entfernen zu können? Wenn wir jetzt sagen, es ist eh zu spät, können wir nichts mehr bewirken. Wenn wir aber jetzt noch einiges einbringen, können wir noch etwas bewirken. Was noch nicht verabschiedet ist, hat auch noch keine Rechtskraft.
Abg. Dr. Pollak (B 90/Grüne):
Gut, Herr Schreier, ich gebe Ihnen in Teilbereichen recht. Es ist ganz einfach die Frage, ob wir nicht letztlich dadurch allein zu einer Verschleppung kommen und dann überhaupt keine Reform haben, was natürlich auch wieder keiner will. Aus diesem Grunde kann ich für meine Fraktion nur sagen, wir werden beiden Anträgen nicht zustimmen, wir werden uns bei beiden Anträgen enthalten. Dann wollen wir einmal sehen, wie es weitergeht. – Vielen Dank.
(Beifall bei B 90/Grüne.)
Vizepräsident Meyer:
Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Schoenen.
Abg. Schoenen (CDU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Reform muß es um eines gehen, Herr Minister Breitenbach, um die Kinder von heute und die Generationen von morgen. Unabhängig davon, wenn wir Transparenz in dieser Frage einfordern, um Irritationen zu vermeiden, muß unser Blick in diese Richtung gehen. Ich nehme dann auch Irritationen und Reibungsverluste hin unter der Prämisse, daß sich die deutsche Rechtschreibung vereinfacht.
Jetzt muß ich einen Satz aus der Erfahrung desjenigen sagen dürfen, der versucht hat, Erstklässlern Rechtschreibung beizubringen, und der Abituraufsätze korrigiert hat und das Elend der deutschen Rechtschreibung miterlebt hat. Meine Erfahrung war die, daß die größten Probleme bestanden haben in der Groß- und Kleinschreibung und in der Getrennt- und Auseinanderschreibung und gar nicht so sehr auf den Nebenkriegsschauplätzen, ob Philosophie mit ,,f'' oder mit ,,ph'' geschrieben wird, und in der Zeichensetzung.
Dann lese ich, daß die Zielsetzung auch heißt: Es soll mehr groß als klein geschrieben werden. Wenn Sie dazu nachher einen Satz sagen, das kann ich nun absolut nicht verstehen. Ich hatte immer den Eindruck, daß bei einer Rechtschreibreform die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung käme, die Großschreibung also nur noch bei Eigennamen bliebe und bei den sogenannten Dingwörtern, wie man früher gesagt hat ,,der Baum'' zum Beispiel, aber nicht ,,Beim Schwimmen kann man untergehen''. Das hätte ich im Grunde erwartet, denn dort sind die größten Probleme. Schreibe ich ,,im voraus'' klein oder schreibe ich es groß? Das sind die Dinge, und dann die Willkürlichkeit bei der Zeichensetzung. Es soll ja mehr Freiheit in der Zeichensetzung kommen.
Außerdem ist eine Prämisse, wir wollen eine Mehrangleichung des geschriebenen an das gesprochene Deutsch. Da hätte ich gerne einmal gewußt, was dahintersteht. Wir schreiben nämlich völlig anders, als wir sprechen. Nichts ist falscher als die Regel: Schreibe, wie du sprichst. Das ist absoluter Blödsinn. Denn dann muß ich ,,sprechen'' mit s-c-h-p schreiben, sonst heißt es ja s-p-r-e-c-h-e-n usw.
(Zuruf von Ministerin Granz.)
Nicht im Saarland. Also da sind einige Dinge im unreinen. Ich sage es noch einmal. Unsere dringende Bitte ist nicht die, eine Reform zu verhindern, auch nicht die, ein Reförmchen zu machen – das ist ja auch Unsinn –, sondern wenn eine Reform kommt, daß sie wirklich zur Vereinfachung führt. Ich habe hier einen Text aus dem ,,Spiegel'', der nur mit diesem Reförmchen verändert ist. Das ist ein völlig fremder Text, das kann man kaum noch lesen.
Herr Minister, erlauben Sie, man hatte beim Korrigieren auch sehr viel Freude. Wenn nämlich die Kommasetzung falsch war, gab es sehr oft ganz tolle Mißverständnisse. Da möchte ich bei allen Irritationen – der Humor soll in diesem Hause ja auch nicht zu kurz kommen – in die Zukunft schauen müssen und etwa folgende Geschichte sich ereignen sehen.
Ein junger Bürgermeister muß einen Gemeinderatsbeschluß umsetzen, daß streunende Hunde künftig direkt erschossen werden. In seiner totalen Verunsicherung ob der Rechtschreibreform macht er einen kurzen Satz ohne Zeichensetzung und schreibt: Ich verkünde: ,,Wer seinen Hund frei laufen läßt wird erschossen.'' Die ganze Gemeinde lacht.
In seiner Not kommt er zu Ihnen und Sie sagen ihm: Das geht nicht ganz ohne Komma, das müssen wir klarer machen. Du schreibst: ,,Wer seinen Hund frei laufen läßt, wird erschossen, der Hund.'' Jetzt lacht das ganze Saarland. In Ihrer Not gehen Sie zum Ministerpräsidenten, und er sagt: Das muß klarer sein, da meint man ja, der Hund wäre der Hundehalter. Es wird geschrieben: ,,Wer seinen Hund frei herumlaufen läßt wird erschossen: Nicht der Hund!'' Die ganze Republik lacht, und alle treten zurück, und spätestens jetzt merken Sie, daß die Geschichte frei erfunden ist.
(Beifall bei der CDU.)
Vizepräsident Meyer:
Ich erteile das Wort Herrn Minister Professor Diether Breitenbach.
Minister Prof. Dr. Breitenbach:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß der Humor heute nicht zu kurz kommt bei dieser wichtigen Angelegenheit.
(Zurufe von der CDU.)
Der Landtag des Saarlandes, Kollege Gehring, ist sicherlich eine Versammlung von sehr gebildeten Menschen. Ich biete dem Landtag des Saarlandes an, daß ich ihm einen Einseitentext gebe und sage, die 51 Abgeordneten machen auf dieser einen Seite alle zusammen mindestens 500 Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler – nach geltenden Regeln.
(Abg. Schreier (CDU): Sie machen aber mit!)
Ich mache gerne mit, Herr Schreier – –
(Abg. Schreier (CDU): Weil Sie dem Landtag nicht angehören.)
Nein, nein, ich rede ja von der Versammlung der Gebildeten. Die Kultusminister haben das schon über sich ergehen lassen und sind kläglich gescheitert. Das muß ich dazusagen.
(Abg. Schreier (CDU): Auch nach der Rechtschreibreform?)
Nun stellt sich die Frage: Warum ist das heute so? Warum machen wir alle soviel Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler? Das hat etwas mit der Geschichte unserer Sprache zu tun. Wir haben einmal eine Rechtsverordnung des Deutschen Reiches beschlossen – 1902 veröffentlicht und in Kraft getreten. Diese sah so um die zweihundert Regeln vor, in sich nicht in einem systematischen Zusammenhang stehend. Und seit 1902 hat sich die deutsche Sprache wie jede andere Sprache natürlich auch weiterentwickelt.
Die Weiterentwicklungen wurden von Jahr zu Jahr im Dudenlexikon durch Entscheidung des Dudeninstitutes – und das hatte wahrhaftig keine demokratische Legitimation – fortgeschrieben. Die Kultusminister haben 1954 gesagt: Deutsche Sprache ist das, was im Duden steht, wie immer das auch in den Duden reingekommen ist. Wir wissen natürlich, daß eine ganze Reihe von Interessengruppen, die an Sprache interessiert sind, Einfluß auf den Duden genommen haben, so daß sich die Regeln vermehrt haben, aber nicht systematischer und plausibler geworden sind – mit dem Ergebnis, daß wir heute 212 Regeln haben mit zahlreichen Ausnahmen, davon allein 52 Kommaregeln.
Nun stehen wir vor der Aufgabe, zwei Ziele miteinander zu verbinden. Wir wollen einmal die Tradition der deutschen Schriftkultur und die Lesbarkeit deutscher Texte erhalten. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, Herr Kollege Schoenen, und deshalb – wegen der Tradition der Schriftkultur – haben sich die Kultusminister 1988 gegen die volle Kleinschreibung gewandt. 1988 hat es, wie Sie wissen, eine lebhafte Diskussion gegeben. Aber wir müssen auch das Ziel verfolgen, die geltenden Rechtschreib- und Zeichensetzungsregeln zu vereinfachen und zu systematisieren.
(Abg. Schreier (CDU): Wenn es denn so wäre, wäre es ja gut. Aber es ist leider nicht so!)
Das heißt, wir müssen einen Kompromiß schließen zum einen zwischen sprachgeschichtlich, sprachwissenschaftlich begründeten Regelungen, die von den Wissenschaftlern vorgetragen werden und die zu den Veränderungen geführt haben, die heute in der Debatte von Herrn Schreier im wesentlichen beanstandet worden sind. Die Wissenschaftler haben versucht, einen Zusammenhang mit dem Stamm der Worte herzustellen. Das heißt, sie sind sprachgeschichtlich vorgegangen und haben von daher wesentliche Veränderungen vorgeschlagen, die von den Kultusministern schon 1988 so nicht akzeptiert worden sind.
Es gibt dann ganz sicherlich Interessen der Gebildeten, die ihre Sprache nicht verändern wollen. Dazu gehören sehr viele Menschen. Wenn Sie wollen, haben Sie heute eine schweigende Mehrheit, die gegen jede Reform ist, weil sie alles beim alten belassen will.
Sie müssen die Interessen derjenigen berücksichtigen, die Probleme mit der deutschen Sprache haben, die Interessen derjenigen, die die deutsche Rechtschreibung und Zeichensetzung als Kinder erst erlernen müssen, das heißt die Interessen der künftigen Generation miteinbeziehen und auch die Interessen derjenigen, die als Ausländer in einem immer enger werdenden Europa die deutsche Sprache lernen wollen und verzweifeln an den Rechtschreibungs- und Zeichensetzungsregeln.
Das, was die Reform bezwecken wird, ist eine Reduktion der 212 Regeln um etwa die Hälfte. Allein bei den Kommaregeln wird von 52 auf neun reduziert, wobei ich gestehen muß, die Kommaregeln sind zum Teil in keiner Hinsicht erklärlich, weder logisch noch sprachgeschichtlich. Daß man hier zu wesentlichen Vereinfachungen kommen muß, liegt doch auf der Hand.
Die Kultusminister haben 1984 den Schulausschuß der Kultusministerkonferenz beauftragt, die schon damals vorliegenden Vorarbeiten zusammenzufassen und zu einem einheitlichen Regelwerk zu kommen. Der Schulausschuß der Kultusministerkonferenz hat sich dann mit dem Bundesinnenminister, der für die Amtssprache zuständig ist, zusammengetan und beide haben 1987 das Institut für die Deutsche Sprache beauftragt, auf der Basis von rund zwanzig Jahren Vorarbeiten – so lange läuft die Sache schon – einen Vorschlag zu erarbeiten. Der ist 1988 in die Kultusministerkonferenz gekommen, mit all dem beladen, was Herr Schreier für die heutige Diskussion aus meiner Sicht zu Unrecht beklagt, aber damals zu Recht hätte beklagen können, mit einer Fülle von nur sprachgeschichtlich erklärbaren Änderungsvorschlägen. Dieser Vorschlag ist von der Kultusministerkonferenz abgelehnt worden.
Wir haben einen Länderausschuß gebildet, der die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit begleitet hat. Es hat sehr früh Abstimmungen mit Österreich und der Schweiz, die sich an dieser Reform mitbeteiligen wollen, gegeben. 1992 hat es auf der Ebene der Fachleute einen ersten Vorschlag gegeben, der auf dieser Fachebene international akzeptiert und veröffentlicht wurde. Er liegt seit 1992 als gedrucktes Buch vor. Man hätte das damals schon nachlesen können.
Es ging dann in der Diskussion weiter. Österreich und die Schweiz haben inzwischen die im November 1994 erarbeiteten Regelungen durch Kabinettsbeschlüsse akzeptiert. Sie warten noch auf die Bundesrepublik. Auch in der Bundesrepublik wurden die Vereinbarungen, die 1994 auf Expertenebene getroffen wurden, zunächst von allen akzeptiert. Selbst der bayrische Kultusminister hat Mitte dieses Jahres per Erlaß die Schulen angewiesen, die neue Rechtschreibung, wie sie im November 1994 vereinbart worden sei, bereits vor Inkrafttreten in den Schulen auszuüben. Das, was der bayrische Kultusminister im September gemacht hat, ist für mich der erstaunlichste Schwenk, den man sich überhaupt vorstellen kann: Zunächst die Schulen anzuweisen, schon vor Inkrafttreten diese Regelung einzusetzen, und sich dann von ihr zu distanzieren, da muß ich sagen, das ist schon eine wirklich außerordentliche Sache.
Nun zur Frage der Information. Es gibt eine ganze Reihe von Broschüren, die zum Preis von fünf Mark seit Dezember 1994 in allen Buchhandlungen liegen, etwa die Broschüre des Bertelsmannverlags ,,Reform der deutschen Rechtschreibung'' oder eine entsprechende Broschüre des Dudenverlags. Alle diese Broschüren berichten in sehr einfacher Form über die wesentlichen Bestandteile dieser Rechtschreibreform.
Die Kultusministerkonferenz hat gesagt, wir wollen diese Sache erst im einzelnen prüfen. Wir haben den Schulausschuß damit beauftragt. Wir haben die Amtschefkommission beauftragt, und natürlich ist dies auch in allen Ministerin im einzelnen geprüft worden mit dem Ergebnis, daß auch nach der jüngsten Konferenz der Amtschefs am 18. Oktober 1995 alle Länder, auch die CDU-regierten Länder, dafür sind, diese Rechtschreibreform am 1. Dezember zu verabschieden und dann zu einer gemeinsamen Vereinbarung mit Österreich und der Schweiz zu kommen, die das alle längst vereinbart haben.
Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der Landtag des Saarlandes wegen der Kulturhoheit der Länder sich stärker mit kulturpolitischen Fragen, auch mit Fragen der Kultusministerkonferenz, befassen solle. Ich will dazu noch einmal das sagen, was ich hier 1985 schon gesagt habe. Ich bin daran interessiert, daß sich der Landtag des Saarlandes mit allen Themen befaßt, die die Kultusministerkonferenz diskutiert. Aus diesem Grunde habe ich seit 1985 den Landtag des Saarlandes entweder über den Präsidenten oder den oder die Ausschußvorsitzende regelmäßig über das informiert, was in der Kultusministerkonferenz läuft, jedesmal mit dem Anerbieten, hier im Detail darüber zu informieren. Ich sage das auch für diejenigen, die jetzt andere Themen haben, obwohl Sie eben genau dieses beanstandet hatten, Herr Pollak.
(Beifall bei der SPD.)
Ich bin bereit und will dies noch einmal als Angebot wiederholen, den Landtag im zuständigen Ausschuß oder auch im Plenum, wenn es erforderlich ist, jederzeit über alles frühzeitig zu informieren, was in der Kultusministerkonferenz besprochen wird.
(Zurufe des Abgeordneten Dr. Pollak (B 90/Grüne) und der Abgeordneten Beck (CDU).)
Herr Kollege Pollak, ich bin gerne bereit, Sie über den Stand der Beratungen in der Kultusministerkonferenz zum Berufsakademiegesetz aufzuklären.
Nun will ich noch ein Zweites sagen. Ich vertrete die Länder im europäischen Bildungsministerrat. Das heißt, ich habe kein Mandat dieses Landtags, sondern ein Mandat des Bundesrats. Aber auch die Themen des europäischen Bildungsministerrats sind in der einen oder anderen Hinsicht für unser Land von Bedeutung. Wir haben gestern beispielsweise über Schulmitbestimmung und gesellschaftliche Beteiligung an Schulen gesprochen mit höchst interessanten Ergebnissen aus den einzelnen europäischen Ländern. Ich bin gern bereit, auch hierüber den zuständigen Ausschuß und das Parlament zu informieren, wenn dies gewünscht ist.
Herr Kollege Schreier hat in seinem Beitrag neben den humoristischen Einlagen versucht, so etwas wie eine Verschwörung zu formulieren. Er hat – ich zitiere – vom Halbdunkel der KMK gesprochen. Er hat davon gesprochen – ich zitiere wieder –, daß die KMK im Geheimen verhandele. Es gibt keine Ministerkonferenz, die so stark das Interesse der Öffentlichkeit sucht und sich freut, wenn sich die Öffentlichkeit einmal für ihre Angelegenheiten interessiert, wie die Kultusministerkonferenz. Herr Kollege Schreier, ich finde es auch nicht gut, wenn Sie zum Schluß in Ihrem Beitrag versucht haben, Angst zu erzeugen vor unabsehbaren Folgen, die sich hier einstellen, Folgen etwa im Bereich der Kosten.
Natürlich haben wir mit den Schulbuchverlagen gesprochen und haben mit den Schulbuchverlagen eine kostenneutrale Regelung erreicht. Denn diese Regelung, die jetzt beschlossen wird, soll zum 1. August 1998 in Kraft treten mit einer Übergangszeit bis zum Jahre 2005. Und bis zu diesem Zeitpunkt brauchen weder amtliche Formulare neugedruckt zu werden noch Schulbücher nur wegen der Rechtschreibreform. Schulbücher werden demnächst wie bisher auch in Neuauflagen erscheinen und dann ab 1998 in der Neuauflage nach der Rechtschreibreform. Also hier kommen keine Zusatzkosten hinzu.
Was die sonstigen Ängste betrifft – Herr Kollege Schreier, bitte nehmen Sie doch auch Rücksicht auf diejenigen, die heute die deutsche Sprache erlernen müssen, auf unsere Kinder und auf die kommenden Generationen, und vor einem unübersichtlichen Regelwerk stehen. Dieses Regelwerk wollen wir jetzt im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger vereinfachen. Dies ist das wesentliche Ziel.
Herr Kollege Schoenen hat die Frage nach der Großschreibung gestellt. Herr Kollege Schoenen, ich schlage vor, daß ich auf Ihre drei Fragen, die Sie fachlich gestellt haben, anschließend oder im Ausschuß kurz eingehe. Es gibt für alles gute Gründe, es gibt pragmatische Gründe, und ich hoffe, daß Ihnen nach der heutigen Debatte ein wenig die Angst vor der Rechtschreibreform genommen und ein wenig Vertrauen gegeben worden ist, daß wir hier etwas erreichen im Interesse künftiger Generationen und auch im Interesse der deutschen Sprache. – Ich bedanke mich.
(Beifall bei der SPD.)
Vizepräsidentin Meyer:
Zu einer kurzen Erwiderung erteile ich das Wort Herrn Kollegen Jürgen Schreier.
Abg. Schreier (CDU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Breitenbach, Sie unterstellen der CDU, daß wir – aus welchen Gründen auch immer – die deutsche Rechtschreibung kompliziert halten wollen. Ich kann Ihnen sagen, der Grund unserer Initiative zielt auf das genaue Gegenteil. Wir wollen vermeiden, daß die deutsche Rechtschreibung noch komplizierter wird, als sie ohnehin schon ist.
(Beifall bei der CDU.)
Meine Damen und Herren, wir wären die ersten, die Sie unterstützen würden, wenn all das, was jetzt geplant ist, zu einer Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung führen würde. Wir wären die ersten, die Sie unterstützten. Es führt aber nicht zu einer Vereinfachung, es führt im Gegenteil zu einer Komplizierung. Und deshalb sollten Sie unsere Initiative begrüßen. Sie sollten nicht sagen, ihr kommt zu spät. Man kommt nie zu spät, solange etwas noch nicht Recht und Gesetz ist. Es ist noch nicht entschieden. Das heißt, wir haben noch die Chance, Verbesserungen im Interesse der Schülerinnen und Schüler und aller Menschen, die mit der deutschen Rechtschreibung umgehen müssen, durchzusetzen. Einiges haben wir bereits durchgesetzt, und ich hoffe, daß es noch besser wird.
Ein zweiter Punkt, Herr Minister, auch dieser nur ganz kurz. Sie beklagen, daß die Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen so viele Fehler schreiben. Sie sagen, dies liege am Regelwerk. Dazu zwei Anmerkungen von mir. Ich glaube nicht, daß es allein das Regelwerk ist. Denn frühere Generationen von Schülern haben bei gleichem Regelwerk nicht in dem Maße Rechtschreibschwächen gehabt, wie die Schüler sie jetzt haben. Es muß also an etwas anderem zusätzlich liegen. Ich meine, es liegt an zwei sehr wichtigen Dingen. Ich denke, die Schülerinnen und Schüler und die Kinder von heute lesen nicht mehr in einem Maße, wie die Kinder früher gelesen haben.
(Beifall bei der CDU.)
Das Lesen, meine Damen und Herren, ist aber die Voraussetzung für ein besseres Schreiben und eine bessere Orthographie.
Und das zweite – das gilt Ihnen, Herr Minister –: Die Kinder in den Schulen üben auch zuwenig. Sie haben in den Schulen nicht mehr die Zeit zur Verfügung, mit ihren Lehrern Diktate zu üben, wie es früher in den Schulen geübt worden ist. Sie haben eigens die Diktate in den Grundschulen in der Zahl herabgesetzt, und Sie legen als Kultusminister auf eine ordentliche Rechtschreibung nicht mehr den Wert, den Sie eigentlich darauf legen müßten. Wenn wir das ändern, dann haben wir eine bessere Voraussetzung, plus eine Rechtschreibreform, die ordentlich und vernünftig sowie gemäßigt ist und Unsinn vermeidet. Damit können wir eine bessere Rechtschreibung unserer Kinder in die Wege leiten.
(Beifall bei der CDU.)
Vizepräsident Meyer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 11/452, das ist der Antrag der CDU-Fraktion. Wer für die Annahme der Drucksache 11/452 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, daß der Antrag Drucksache 11/452 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den SPD-Antrag, Drucksache 11/456. Wer für die Annahme der Drucksache 11/456 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, daß der Antrag Drucksache 11/456 mit Stimmenmehrheit angenommen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt 12.40 Uhr. Wir haben uns bei den für den nächsten Tagesordnungspunkt vorgesehenen Rednerinnen und Rednern vergewissert, daß sie ihre Redebeiträge knapp und prägnant halten wollen. Wir wollen deshalb den letzten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung auch noch vor der Mittagspause abhandeln.
(Beifall.)
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