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SZ Sächsische Zeitung
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Sigmar Salzburg
01.03.2018 20.51
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Der Schriftsteller Eugen Ruge

Sächsische Zeitung
sz-online.de

Montag, 26.02.2018

Warum stirbt das Deutsch aus?
Der Schriftsteller Eugen Ruge nimmt seine Dresdner Rede zum Anlass für eine Liebeserklärung an seine Zweitsprache und für einen polemischen Abgesang.


Von Karin Großmann

Es war eine Nachricht im Morgenradio, die Eugen Ruge aufhorchen ließ. Ein angesehener Wissenschaftler äußerte die Vermutung, die deutsche Sprache könnte in zwei-, dreihundert Jahren eine ausgestorbene Sprache sein. Dieses Schicksal ereilt sie nicht allein. Schon heute sind achtzig Prozent aller noch existierenden Sprachen bedroht, und etwa jede Woche wird eine zu Grabe getragen... Mit englischen Begriffen aus dem Online-Wörterbuch führte der Autor vor: Es ist nicht dasselbe, ob einer das schöne Wort „Zubrot“ verwendet oder von „extra income“ spricht...

Sein unaufgeregtes Nachdenken setzte den Schlusspunkt in der diesjährigen Reden-Reihe, die gemeinsam von Staatsschauspiel und Sächsischer Zeitung veranstaltet wird. Vor ihm standen die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali, der CDU-Politiker Norbert Lammert und der US-Soziologe Richard Sennett am Pult...

„Deutsch ist für mich im Grunde eine Fremdsprache oder doch zumindest eine Zweitsprache“, sagt Ruge auf der Dresdner Bühne. Seine Familie kam 1956 nach Ostberlin. „Es war das Russische, was ich zuerst gehört und gesprochen habe.“ Er erinnert sich an Gutenachtgeschichten und Kinderlieder. Vergessen aber sind die Koseworte, mit denen ihn die Mutter bedachte. Vielleicht, meint Ruge, ist es gerade das, was ihn hellhörig und empfindsam macht für den Verlust einer Sprache. Denn damit sind auch Identität, Kultur und Selbstverständnis gefährdet...

Ruges These: Das Deutsch stirbt aus, weil die Deutschen ihre Sprache nicht lieben. Sie geben sie gedankenlos oder absichtsvoll preis. Dafür bringt der Redner überzeugende Argumente. Da wird etwa das Deutsche immer häufiger eingetauscht gegen das Englische...

Eugen Ruge zitiert den FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der Englisch als Amtssprache in Deutschland einführen will – weil das auch der „beschäftigungsorientierten“ Zuwanderung nütze. ... Warum, fragt der Redner, sollten Migranten dann noch Deutsch lernen? „Eine Familiensprache haben sie schon, sie brauchen keine zweite.“ ...

Gerade weil er die Katastrophen hautnah in der eigenen Familie erlebt hat, bezieht er sie in das Nachdenken über die deutsche Sprache ein. „Deutsch ist, ob man will oder nicht, die Sprache Hitlers und Eichmanns. Die Sprache der Bürokraten des Todes.“ Eugen Ruge nimmt den Dresdner Romanisten Victor Klemperer als Verbündeten, wenn er von vergifteten Wörtern spricht...

Wenn der Autor über die Gründe nachdenkt, die zum Verschwinden der deutschen Sprache führen, gehört für ihn der Nazismus dazu – ein Nazismus, der dieser Sprache bis heute Wunden zufügt und sie entstellt, so Ruge. Er äußert Verständnis dafür, dass sich die aufklärerischen Eliten des Westens nach dem Krieg in Richtung USA orientierten. Weniger verständlich findet er, dass diese Orientierung anhält ... Der Realist Ruge ahnt, dass selbst Donald Trump manche Deutschen nicht davon abhalten wird, die US-amerikanische Kultur und Sprache blind zu verehren...

Die Zukunft sieht nicht viel besser aus, glaubt man Eugen Ruges jüngstem Roman „Follower“. Die Geschichte spielt an einem Tag im China des Jahres 2055 ... In dieser Zeitsatire treibt Ruge auch den Reinigungswahn von Sprachpolizisten auf die Spitze.

In seiner Dresdner Rede führt er dazu absurde Beispiele an. Das reicht von der Politikerin, die von „Flüchtlinginnen“ redet, bis zur Tilgung des „Negerkönigs“ im Kinderbuch von Astrid Lindgren. Die neue Sauberkeit der deutschen Sprache, meint Ruge, trägt zu ihrer Verunstaltung, zu ihrer Verumständlichung, zu ihrer Sterilisierung“ bei.

Was sonst noch zu retten war, hat die Rechtschreibreform erledigt, wie Ruge mit hübschen Musterstücken fehlerhafter Getrenntschreibung belegt. „Die Rechtschreibreform bedroht nicht die deutsche Sprache“, sagt er. „Aber sie ist ein Symptom, und zwar dafür, dass die Deutschen ihre Sprache nicht lieben.“ Ans Ende setzt der Schriftsteller die Einladung, sich an der deutschen Sprache zu erfreuen, solange es sie noch gibt.

sz-online.de 25.2.2018 (stark gekürzt)

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Sigmar Salzburg
03.02.2015 12.28
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Satire [in der Sächsischen Zeitung]

Lieber Alexis Tsipras!
Offener Brief an den neuen griechischen Regierungschef und Ultra-Linken.


... Wir Sachsen finden auch, dass man das mit links und rechts nicht so ernst nehmen sollte. Sie als Oberlinker machen’s doch jetzt auch mit den Rechtsradikalen. Richtig so, es muss um die Sache gehen, und nicht um altes Schubladendenken! Im Grunde wurde ja auch Pegida von der Lügenpresse immer falsch dargestellt, als angeblich rechtes Bündnis. Dabei geht es doch längst nicht nur um den Islam, sondern um viel grundsätzlichere Probleme: Rundfunkgebühren, Flutschutzmaßnahmen, Autobahnmaut, Rechtschreibreform, böse Wölfe, doofes Wetter und schlechter Sex – alles eher klassische Themen der Linken. Sind Sie gar eine Art griechischer Lutz Bachmann? ...
Ihr Marcus Krämer

sz-online.de 30.1.2015

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Norbert Lindenthal
31.07.2006 13.59
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Grass & Co. sind nicht dabei

Chemnitzer Morgenpost Montag, 31. Juli 2006

Neue Rechtschreibung: Grass & Co. sind nicht dabei

BERLIN – Ab morgen ist die ganz neue deutsche Rechtschreibung verbindlich. In den Schulen ist sie Grundlage des Unterrichts. Viele deutsche Schriftsteller, wie Günter Grass und Martin Walser, stellen sich aber immer noch quer.

„Bei uns sind es neben Grass zum Beispiel auch Botho Strauß und der in Bulgarien geborene Illja Trojanow, die Wert auf die alten Rechtschreibregeln legen“, sagt Christine Heinrich, Sprecherin des dtv-Verlags. Man beuge sich den Wünschen der Autoren und folge „ihrer“ Rechtschreibung. „Nur im Bereich Jugendliteratur und auch bei den Sachbüchern wird die neue Rechtschreibung konsequent angewandt“, sagt Christine Heinrich.

Ähnlich verfahren andere Verlage, zum Beispiel der Rowohlt Verlag. Dort legt u.a. der 79-jährige Walser Wert auf die alten Regeln. Ansonsten verlassen jedoch rund 98 Prozent der neu erscheinenden Bücher den Verlag in neuer Orthografie.

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Norbert Lindenthal
21.08.2004 20.24
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SZ Sächsische Zeitung

Sächsische Zeitung
Samstag, 21. August 2004


Unverwechselbar gelb: Einbände für die neue Ausgabe des orthografischen Wörterbuchs aus dem Mannheimer Dudenverlag Foto: Markus Proßwitz 

In sz-online
Länder überwiegend für Rechtschreibreform
„Focus“: Nur Niedersachsen, das Saarland und Sachsen-Anhalt gegen die weitere Umsetzung

Der Frisör altert sichtlich
Trotz erregter Debatten um die Rechtschreibreform: In der nächsten Woche wird ein neuer Duden herauskommen – Ein Besuch in der Mannheimer Wörterbuch-Redaktion
Von Karin Großmann

Nicht einen Augenblick lang, sagt Matthias Wermke, nicht eine Sekunde lang habe er daran gedacht, die neue Ausgabe des Dudens zu verschieben. Standhaft wie der Kanzler im hartzigen Montagswind steht der Verleger. Unbeirrbar. Dass vermeintliche und tatsächliche Oberhirten der deutschen Sprache seit Wochen zornig die Fäuste ballen, dass Bildungsminister klagend den Untergang des Abendlands prophezeien, dass der Kulturkampf ums Doppel-S die Bevölkerung erregt wie bisher nur das Dosenpfand – es ficht ihn nicht an. Denn erstens gibt es Streit um die Rechtschreibung, seit es Rechtschreibregeln gibt. Also seit der Zeit jenes weißhaarigen Herrn Konrad, der dem Verleger mild von der Wand auf den Schreibtisch blickt. Zweitens gehört es zur Tradition des Dudens, das zu veröffentlichen, was amtlich gewollt und in den Schulen gelehrt wird. Also jetzt das Regelwerk von 1996 samt den Änderungen vom letzten Juni. Drittens, sagt der Verleger, soll man die Kirche dort lassen, wo sie hingehört. Also im Dorf.

Sprache lebt, doch zurzeit lebt sie etwas heftig

Was er damit meint, beschreibt Matthias Wermke gern am Beispiel von Martin Walsers Novelle „Dorle und Wolf“. Der Literat ist Reformgegner. Das macht ihn als Beispiel geeignet. Beim Lesen zumindest des ersten Novellenkapitels hat Wermke die Wörter angestrichen, die jetzt anders geschrieben werden müssten: 33 von 1 614. Die meisten sind betroffen, wenn ss das ß ersetzt. Der Rest hat mit Getrennt- und Zusammenschreibung zu tun. Ach, und ein Stengel kommt noch drin vor, weil Walser dieses Wort lieber benutzt als Stiel.

Und so, sagt Matthias Wermke, sei es mit allen Texten: Es ändern sich kaum mehr als zwei Prozent der Wörter. Zwei Prozent? Am Schreibtisch kommt einem das ganz anders vor. Sprache lebt, ist schon richtig, doch zurzeit lebt sie ein bisschen heftig. Bei jedem dritten Satz muss man nachgucken. Weil man Steine umdreht, die man früher nicht umgedreht hätte, sagt Verlagssprecherin Angelika Böhm, weil man sensibilisiert ist. Mancher sieht sich wohl eher irritiert. Da tröstet es leider gar nicht, wenn der Dudenchef prophezeit, dass die Getrennt- und Zusammenschreibung vielleicht nie endgültig zu regeln sein wird.

Der weißhaarige Herr an der Wand muss so was geahnt haben. In weiser Voraussicht nahm Konrad Duden solche Regeln gar nicht erst in sein Wörterbuch auf. Er pfiff auch auf Interpunktion. Und deshalb kam von Jahr zu Jahr, von Auflage zu Auflage mal die eine Regel und mal die andere ins Buch. Da war es nur vernünftig, sagt Matthias Wermke, für Systematik zu sorgen. Gleich hört man den Aufschrei von der gegnerischen Tribüne. Systematik??? Anarchie! Chaos! Wirrwarr! „Spiegel“-Chef Aust spricht von „staatlich verordneter Legasthenie“. Protestwellenreiter wie er fordern nicht mehr nur die Rückkehr zur alten, sondern zur „klassischen“ Rechtschreibung.

Die Übergangsphase wird noch Jahre dauern

Das ist die Stelle, an der Matthias Wermke in ein höhnisches Lachen ausbricht. Was denn damit gemeint sei, fragt er, ob womöglich an Goethe gedacht sei, der in Sachen Rechtschreibung weiß Gott nicht als kompetent gelten könne, und wie bitte das geregelt werden solle, was in der angeblich klassischen Rechtschreibung nicht geregelt war. Ob man zurück bis 1902 wolle? Alles bloß Trara.

Kritiker der Kritiker reden von Medienmacht-Demonstration und von bewusster Ablenkung. Oder welchen Grund sollte es sonst geben für das neue Aufflammen der Debatte? „Da kann ich nur spekulieren“, sagt der Dudenchef. Er spekuliert dann aber doch nicht. Der sonst so beredte Mensch schweigt. Nach einigem Nachdenken wagt er sich vor bis zur Feststellung: „Ich denke, wir haben auf dem Bildungssektor weit wichtigere Probleme, als ob man Känguru mit oder ohne h schreibt.“

Auch die neue Duden-Ausgabe wird das Tier in beiden Schreibweisen springen lassen – und all die lieben Wörter kennen wie sogenannt und hierzulande, ebensogut und übriglassen, die 1996 schnöde auseinander gerissen worden waren. Auseinandergerissen. Eben. Den Neuschrieb macht der neue Duden wie bisher kenntlich mit roter Schrift. Die Übergangsphase, meint Wermke, werde noch Jahre dauern. So lange herrscht Variantenvielfalt. Mit der Zeit soll sich die Vielfalt von selbst reduzieren. Auf diese Weise setzte sich das Telefon gegen das Telephon durch. Der Frisör altert sichtlich. „Sprache funktioniert nach dem Ökonomieprinzip“, sagt Matthias Wermke. „Nichts wird mitgeschleppt, was umständlich ist. Varianten sind umständlich.“

Das dürfte auch jene freuen, die bei Zweifelsfällen in der Duden-Redaktion anrufen. Sie sind nicht am hohen Gut der Wahlfreiheit interessiert, sondern wollen bloß wissen, ob es des Autors oder des Autoren heißt. Rund 200 Anfragen registrieren die Damen und Herren Sprachberater in ihren Glaskastenbüros im Mannheimer Stadtteil Käfertal täglich. Wörterbücher tapezieren den Beratungsraum in der Mitte zwischen den Büros. Die Bücher versammeln Redewendungen und Zitate, Synonyme und Fremdwörter, Schülerwissen und Korrekturhilfen, überhaupt alles, was mit Sprache zu tun hat. Dort am runden Tisch streiten zwölf Mitarbeiter der Redaktion bei viel schwarzem Kaffee und Zigaretten erbittert über kleine und große Buchstaben. So denkt man sich das. Irrtum. Die Buchstaben sind verteilt, jeder verantwortet ein Stück vom Alphabet. Lebenslänglich die L-M-N-Frau sein. Das ist mal eine feine Spezialisierung.

Anders geht es wohl nicht. „Rechtschreibung ist ein Thema, bei dem alle mitreden, aber nicht jeder Recht hat“, sagt Matthias Wermke. Eine Volksbefragung dürfte kaum dazu führen, für alle Details der Rechtschreibreform einen gemeinsamen Nenner zu finden. Zumal jene draußen blieben, die sie direkt betrifft, die Schüler. Bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bleiben sie sowieso draußen. Deren Seite „Jugend schreibt“ wird von Schülern in neuer Orthografie verfasst und von der Redaktion auf alt getrimmt.

Nicht jeder Anglizismus muss für immer bleiben

Leicht haben es die Kids nicht. Das lässt Wermke gelten. Unter soziologischen Gesichtspunkten, sagt er, sind Kids eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen. Es müsse aber nicht jeder Anglizismus dauerhaft im Deutschen verankert bleiben. „Solange mir meine Marktfrau sonnabends nicht mit englischen Halbsätzen kommt, ist mir um die deutsche Sprache nicht bange.“

Saugfähig war sie schon immer, die Sprache. Austausch gehört zur menschlichen Natur und schließt den Austausch von Wörtern ein. Die meisten lieh sich das Deutsche aus dem Lateinischen. Manches bleibt, anderes verschwindet wieder. Der Parapluie, den die Urgroßmütter ganz selbstverständlich bei Regen benutzten, gehört zu den aussterbenden Arten. Hinter solchen Parapluies steht im Duden: veraltet. Nicht mehr lange, und sie verschwinden, eingesargt im Historischen Wörterbuch.

Das ist das Schwerste, sagt Wermke, Wörter zu streichen. Aber wer neue aufnehmen will, muss Platz schaffen. Sonst schlägt die Herstellung Krach. Mehr als 1 156 Seiten sind nicht zu kriegen. Und die Neuen drängeln. Rund 5 000 Wörter. Sie zeigen, wie es dieses Land so herrlich weit gebracht hat mit Billigflieger, Minijob und Genmais, mit Ich-AG, Sars und Passivhaus. Auch ein paar Anglizismen sind wieder mit vorn. Hilft Nordic Walking bei hohem Body-Mass-Index oder doch lieber Slowfood? Ein Mitspracherecht haben aber die Engländer in Mannheim noch nicht.

Germanisten jagen neuen Wörtern nach

Die Schweiz darf Vorschläge machen. Österreich auch. Die Fisolen, Paradeiser und Eierschwammerln haben es längst in die Wörterbücher geschafft. Neu ist der Blitzgneißer. Herzlich willkommen. Dieser österreichische Schnellmerker bucht den Urlaub zwischen Feiertag und Wochenende und nennt, was dazwischen liegt, Zwickeltag. Österreichische Pensionen nehmen den Gast vermutlich am Brückentag auch.

Es dauert eine Weile, bis ein Blitzgneißer auf die Kandidatenliste gerät. Ein einmaliger Auftritt in der Werbung genügt nicht. Das neue Wort, erklärt Dudenchef Wermke, muss Teil der Allgemeinsprache und eine gewisse Zeit nachweisbar sein. Im besten Fall gehört es einmal zum „Leitprofil einer Zeit“ – so wie der Mauerspecht zum Beispiel. Die Germanisten des Hauses und freie Sprachforscher jagen den Neulingen nach. Sie durchkämmen Romane und Kochrezepte, Fachbücher und Packungsbeilagen, Gebrauchsanleitungen und Regierungspapiere. Sie beobachten grammatische Phänomene oder veränderte Bedeutungen. Die Fundstücke kommen in die Sprachkartei: über drei Millionen Belege. Den Rest besorgt der Computer. Er wird übrigens immer häufiger Rechner genannt. Auch solche Veränderungen registrieren die Duden-Leute.

Fast ein Jahr lang haben sie an der neuen, der 23. Auflage getüftelt. Sie kommt am 28. August in den Handel. Der Chef des Hauses rühmt die logistische Leistung. Alle Buchhandlungen werden bis zum Verkaufsstart beliefert. Die Höhe der Auflage will Matthias Wermke nicht nennen. Hoch. Das muss genügen. Die Buchhändler hätten erfreulich vorbestellt. Auch da keine Verunsicherung, kein Abwarten? Nein, sagt Matthias Wermke. Und ja, er hält es für unwahrscheinlich, dass die Ministerpräsidenten die Reform kippen. Aber weiß man bei Regierungschefs, womit man zu rechnen hat?

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Norbert Lindenthal
19.08.2004 04.38
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SZ-online Sächsische Zeitung

Sächsische Zeitung
Donnerstag, 19. August 2004

Notiert

Österreichische Autoren fordern eigenes Deutsch

Wien. Österreichische Autoren fordern ihre Regierung auf, sich aus der Debatte um die Rechtschreibreform auszuklinken, keine weiteren Mittel mehr dafür zur Verfügung zu stellen und Österreichisch als eigenständige Sprache anzuerkennen. Dabei gehe es nicht um Nationalismus oder Provinzialismus, hieß es, sondern um die Anerkennung einer über Jahrhunderte gewachsenen Sprache. Der Autor Robert Schindel begründete den Vorstoß damit, dass sich das Österreichische vom Hochdeutschen nicht nur in einigen Vokabeln, sondern auch in Syntax und Sprachmelodie unterscheide. (dpa)

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Norbert Lindenthal
11.08.2004 07.15
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SZ Sächsische Zeitung

Sächsische Zeitung



Dienstag, 10. August 2004

Beliebter Pferdewechsel
Professoren fordern Volksentscheid zur Orthografie

Von Karin Großmann

Einige Großverlage beschlossen am Freitag die Rückkehr zu alten Rechtschreibregeln. Zahlreiche Bundesländer und auch Kanzler Schröder lehnen das ab. Neue Protestgruppen formieren sich.

Der Anglerverband schweigt. Die Patchworkgilde hält sich bedeckt. Auch der Verein christlicher junger Männer hat sich noch nicht geäußert. Sonst aber nimmt das Pro und Kontra zur Rechtschreibreform irritierende Ausmaße an. Es ist wie beim Fußball. Da weiß auch jeder, was die deutsche Nationalmannschaft rettet. Das ganze Land ein Expertenteam. Inkompetent sind immer die anderen.

Das jüngste Kompetenzbündel bilden siebzig Professoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Professoren fordern eine Volksbefragung – obwohl das Grundgesetz eine solche nicht vorsieht. Die Professoren halten das Volk für besonders betroffen – obwohl es von Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform und Bahnreform wesentlich betroffener sein dürfte. Die Professoren sprechen den Kultusministern die Entscheidungsbefugnis über die Rechtschreibreform ab – obwohl das Bundesverfassungsgericht 1998 diese Befugnis erteilte. Aber alles das können die siebzig nicht wissen. Sie sind Rechtsprofessoren. (Über die Sprache der Juristen sei nachsichtig der Mantel des Schweigens gelegt.)

Inzwischen hat auch jeder Politiker seinen Meinungsobolus brav entrichtet; die SPD-geführten Länder sind mehrheitlich für ein Beibehalten der neuen Regeln, die CDU-geführten stimmen – mit einigen Ausnahmen – für die alten. Schon aus Prinzip. Jedes Mittel ist gut für einen Angriff auf die Regierung, ob Dosen-Pfand oder Doppel-S. Aber der Bundeskanzler lässt aus dem Urlaub wissen, dass ihn die Diskussion gar nichts angeht. Die Regierung denke nicht an eine Rücknahme der Reform. Der Rechtschreibkonflikt ist Ländersache. Das dürfte den Kanzler ungemein freuen.

Faszinierende Einblicke in die deutsche Seele

Allein Doris Ahnen bewahrt im lautstarken, profilierungsneurotischen Hin und Her die Ruhe. „Zur guten Demokratie gehört Verlässlichkeit“, sagt die Präsidentin der Kultusministerkonferenz. „Wir können nicht alle drei Tage die Pferde wechseln.“ Behutsame Änderungen der Regeln schließe das nicht aus. Ein Rat aus Schriftstellern, Journalisten und Sprachwissenschaftlern soll im Herbst über solche Änderungen befinden.

Das Ergebnis wird auch vom Altersdurchschnitt des Rates abhängen. Die Veränderungslust ist bei Älteren kleiner, das Beharrungsvermögen größer. Die Debatte um die Rechtschreibreform liefert nebenbei faszinierende Einblicke in die Seelenlage der Deutschen.

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