Leserbrief SZ vom 4. 8. 2005
Der König ruft zum Beifall auf
Rat für Rechtschreibung: Die Würde des Möglichen / SZ vom 18. Juli
Der geneigte Leser sollte sich einmal die Zeit nehmen, die Publikationen zu lesen, die Professor Peter Eisenberg (Universität Potsdam), der Autor des SZ-Beitrages, mit Bezug auf die Getrennt- und Zusammenschreibung erarbeitet hat. Bei der Anhörung in Bonn im Jahr 1993 stellte Eisenberg ein Modell vor, das auf Regeln in dem zur Diskussion stehenden Bereich generell verzichtete und daher als Gegenmodell zu dem Vorschlag des internationalen Arbeitskreises verstanden werden sollte. Gleichsam parallel zu dieser Fundamentalkritik gab Eisenberg einen Kommentar zum Neuregelungsvorschlag des internationalen Arbeitskreises für Lehrerinnen und Lehrer heraus die Reform in Acht und Bann tun, aber an ihr verdienen. Eine noble Haltung!
Als Eisenberg aus der Kommission für die deutsche Rechtschreibung aus Protest austrat, weil er für seine Vorstellungen in dem Gremium keine Mehrheit gefunden hatte, erklärte er vor den Mitgliedern der Kommission feierlich, er werde sich fortan aus der Reformdiskussion heraushalten. Kurze Zeit später tauchte Eisenberg als Motor eines Vorschlags der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt auf bedauerlich für Eisenberg, dass auch diese seine Aktion, die im Widerspruch zu seinem der Kommission für die deutsche Rechtschreibung gegebenen Versprechen stand, wiederum den erhofften Erfolg nicht brachte. Folgerichtig zierte er sich zunächst, der Berufung in den Rat für deutsche Rechtschreibung Folge zu leisten. Erst als er merkte, dass die Post ohne ihn abzugehen drohte, verließ er seine Gastrolle und wurde Mitglied des Rates.
Und plötzlich mutierte der Sprachwissenschaftler Eisenberg zum Laudator des Neuregelungsvorschlags des Rates! ". . . ließ sich die Akademie in die Pflicht nehmen so garniert Deutschlands Supergrammatiker seine eigene Rückkehr aus dem Schmollwinkel. Eisenberg kann nur einen Vorschlag von Eisenberg als angemessen akzeptieren. Es gab den erwarteten Widerstand gegen eine am Sprachgebrauch und an den Regeln des Sprachbaus orientierte Neufassung der Regeln. Die Neuorientierung setzte sich durch, weil jeder sehen konnte, wie man ein so fundiertes Regelwerk gegen Angriffe fast jeder Art verteidigen kann.
Nachdem Eisenberg sein erstes Ziel erreicht hat Zeichensetzung und Silbentrennung werden folgen, wobei er die Groß- und Kleinschreibung und die Laut-Buchstaben-Beziehung offenbar vergessen hat , ruft der König seine Untertanen auf, Beifall zu spenden: Der Rat braucht . . . die Unterstützung der Öffentlichkeit . . . (da) kein politisches Gremium seine schützende Hand über ihn (= den Rat)" hält. Indirekt fordert der oberste Grammatiklehrer der Nation seine Kritiker auf, tunlichst den Mund zu halten. Peinlich nur, dass Reformgegner Theodor Ickler den Beschluss des Rates, an dem er mitgewirkt hat, in einem Sondervotum bereits verrissen hat und sein neues Evangelium verkündet: Nach den Erfahrungen von mehr als 100 Jahren sollte der Staat am besten ganz darauf verzichten, diesen Bereich zu regeln.
Prof. Dr. Hermann Zabel, Hagen
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.178, Donnerstag, den 4. August 2005 , Seite 31
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Hier schlagen Reformer und ehemalige Reformer aufeinander ein. Unabhängig von der Stichhaltigkeit, der Relevanz oder der Wahrheit des hier Dargestellten frage ich mich immer, wieso 'ehemalige' Reformer sich nun als Antireformer allerorten einen Namen machen dürfen: Auch Eisenberg war ja einer derjenigen, denen damals ein p am Tip nicht genügte.
In diesem Zusammenhang: Noch weniger verstehe ich die Lobeshymnen, die auf Zehetmair gesungen werden. Ja, er ist Politiker. Das merkt man aber weniger an seiner fehlenden Ahnung als an seinem fehlenden Format. Er war doch einer derjenigen, denen nichts Leid tat! Einer, der diese und schlimmere geistige Großtaten dem ganzen Volk aufs Auge drückte. Aber anstatt sich nun verschämt und tief gebückt davonzumachen, sich zu entschuldigen und andere dranzulassen, die nicht vorbelastet sind, badet er selbstverliebt in seiner Rolle als Retter der Nation, als größter Hoffnungsträger nach Jürgen Klinsmann. Und unsere Sprachkoryphäen, auch die ‘guten’, bestärken ihn in seinem Heldentum und jubeln ihm zu.
Nein, der Zweck, unsere Sprache zurückzureparieren, heiligt das Mittel Zehetmair und, wie mir scheint, auch das Mittel Eisenberg nicht. Aber in meinem Deutschland, so kommt's mir vor, sind die Vorstellungen darüber, was richtig und gerecht und sauber und angemessen ist, sowieso bisweilen etwas pervertiert.
Karl-Heinz Isleif
Tokyo, Japan
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