Wenn der oberste Souverän gesprochen hat, dann ist das eine äußerst wichtige Sache
Wiesbadener Kurier 17.8.2007
Bürger wollen endlich ernst genommen werden
Hamburger Initiative will Verbindlichkeit von Volksentscheiden durchsetzen / Verfassungsreform von unten
Vom 17.08.2007
Von Markus Klemm
HAMBURG Wenn sie nur dran denken, packt sie die Wut. Da fassen mehrere Hunderttausend Hamburger einen Entschluss, doch die CDU beschließt trotzdem das Gegenteil und zwar mehrfach, schimpfen Angelika Gardiner und Gregor Hackmack. Nicht nur deshalb opfern die Journalistin und der Politikwissenschaftler momentan einen Großteil ihrer Zeit nur einem Ziel: dem Volksentscheid. Als Vorstände des Vereins Mehr Demokratie möchten sie bis zum 14. Oktober die Hamburger zu etwas mobilisieren, was es in Deutschland bislang nicht gegeben hat eine Verfassungsänderung von unten.
Die Hürden sind hoch. Es müssen zwei Drittel derjenigen zustimmen, die ihre Stimme abgeben, mindestens aber die Hälfte der Wahlberechtigten. Das sind exakt 607 468 Hamburger. Gardiner und Hackmack rechnen sich gleichwohl Chancen aus. Beim Volksbegehren hätten bereits rund 40 000 Hamburger mehr unterschrieben als nötig. Und das, obwohl sich die CDU alle Mühe gebe, es dem Initiatorenbündnis aus Vereinen, Verbänden, Parteien und Gewerkschaften so schwer wie möglich zu machen.
Hamburg hat die Volksgesetzgebung 1996 als letztes Bundesland in der Verfassung verankert und 2001 mit den Stimmen der damals noch in der Opposition sitzenden CDU reformiert. Es wurde jedoch darauf verzichtet hineinzuschreiben, dass Volkes Wille auch gilt. Aber da ist auch niemand in Hamburg auf die Idee gekommen, dass es jemals einen Senat und eine Bürgerschaftsmehrheit geben würde, die sich nicht an das Ergebnis eines Volksentscheids halten, sagt Gardiner.
Mit Ausnahme eines Volksentscheids in Schleswig-Holstein zur Rechtschreibreform ist das in Deutschland auf Landesebene auch noch nicht vorgekommen. Selbst in Bayern, wo die CSU momentan sogar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament ausgestattet ist, haben Volksentscheide Bestand. Wenn der oberste Souverän gesprochen hat, dann ist das eine äußerst wichtige Sache, sagte denn auch Bayerns künftiger Regierungschef Günther Beckstein (CSU) in Hamburg.
Gardiner und Hackmack werden jedoch den Verdacht nicht los, dass dies in der Hansestadt anders ist. So hatten parallel zur Bürgerschaftswahl 2004, bei der die CDU die absolute Mehrheit errang, rund drei Viertel der Hamburger gegen einen Verkauf der städtischen Krankenhäuser gestimmt. Wenig später entschied sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mit Hinweis auf die hohen Schulden trotzdem für eine Veräußerung.
Doch damit nicht genug: Ebenfalls 2004, diesmal parallel zur Europawahl, entschieden sich die Hanseaten wieder in einem Volksentscheid für ein neues Wahlrecht, das den Wählern mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments ermöglichen sollte. Es wurde zwar Gesetz. Aber bevor eine Wahl anstand, wurde es 2006 von der CDU mit ihrer absoluten Mehrheit wieder geändert. SPD, Grüne und die Volksentscheids-Initiatoren zogen vor Gericht und verloren. Das Hamburger Verfassungsgericht gab der CDU Anfang 2007 weitgehend recht und verweigerte den Initiatoren zudem das Klagerecht.
Die CDU-Führung hat in der Vergangenheit stets die Behauptung zurückgewiesen, zu tricksen, mutwillig Volksentscheide zu missachten oder zu behindern. Eine Verfassungsänderung kommt für sie jedoch nicht in Frage. Hier geht es darum, dass die repräsentative Demokratie auf den Kopf gestellt werden soll, sagte zuletzt Bürgermeister von Beust, und der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Bernd Reinert, forderte: Hände weg von der Verfassung. Gardiner hält das für groben Unfug. Wieso denn? Es ist ja 1996 auch die Volksgesetzgebung reingeschrieben worden.
|