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Forum > Rechtschreibreform und Gruppendynamik
Die Jungen
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Karl-Heinz Isleif
24.09.2005 08.59
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Die Jungen

Es gehe bei der Rechtschreibreformdebatte nicht um das Schreiben, sondern um das Lesen, so die oft gehörte Stellungnahme der Gegner. Nicht nur beim “ss”, aber besonders da, sei das Lesen erschwert, derartige Neuerungen seien deswegen abzulehnen. Danach gehen die Argumente in Richtung Semantik. Die Bedeutung dessen, was gesagt wird, gehe durch die neue Mode der Getrenntschreibung verloren: “Deutsch ist eine der meist gesprochenen Sprachen...” (Werden die anderen meist gesungen?) Weiter richtet sich der Vorwurf auf offensichtlich grammatikalisch Falsches: Leid tun, der 80-Jährige, Pleite gehen, etc. Und schließlich sind da noch die Etymogeleien wie Glimmstängel, aufwändig, sowie die ohne erkennbaren Anlaß verunstalteten Gämsen, Delfine, Kängurus usw.

All diese Vergehen (mehr gegen den Verstand als gegen die Grammatik) sind erschöpfend kategorisiert, analysiert, und Argumente dagegen sind zigmal vorgebracht worden.

Daß sich der Neuschrieb dennoch bis hierher (und so weit) durchgesetzt hat, wurde ebenfalls in verschiedensten Ansätzen thematisiert und ”erklärt”: Die Lobby der Schulbuchverlage, der Stolz der Beamten in den Kultusministerien, das Versagen der Germanisten, die feigen Politiker, die uneinsichtigen Journalisten...

Man sieht aber sofort: hier sind wir Reformgegner in unseren Erklärungen weniger “erschöpfend”. Die Gründe klingen zwar groß, doch wirken sie gleichzeitig auf seltsame Weise mager. Es muß andere Faktoren gegeben haben, die dem Coup zum Erfolg verhalfen.

Mir ist niemand unter vierzig persönlich bekannt, der sich gegen den Neuschrieb ausspräche. Der Protest ist offenbar nur etwas für Betagte. Meine Bekannten schreiben in ihren Briefen “du”, wenn sie mich meinen; niemand zwingt sie dazu, sie verzichten freiwillig auf diese seltene Gelegenheit des Deutschen, den Ausdruck mit zusätzlichem Respekt und zusätzlicher Höflichkeit zu würzen. Sie sind alle in deutschsprachigen Ländern zur Schule gegangen und wissen daher genau, was es mit dem großgeschriebenen “Du” auf sich hat. Warum machen sie trotzdem mit?

Die Antwort, mit der ich diese Frage für mich beantworte, lautet: Mode. Es ist “fortschrittlich”, Neuschrieb zu verwenden. Wir, die Reformgegner, sind und gebärden uns – alt, altmodisch, besserwisserisch. Aber wir sind nicht nur alt und deshalb nicht mehr modern, wir kommen auch “rechtslastig” daher und merken es nicht. Man sehe sich doch nur die Medien an, die herkömmlich schreiben. Wem da nicht die Tränen kommen. DAS ist das bedauerlichste Element der ganzen Reformgegnerschaft. Wenn es uns nicht gelingt, dieses Image abzulegen, werden wir scheitern, egal, wie gut unsere fachlichen Argumente sein mögen.

Es gibt noch einen Aspekt, der nicht genügend Beachtung gefunden hat (oder ich habe es nicht bemerkt):

Die Orthographie ist nicht das wichtigste Element geschriebener Sprache. Wir Gegner der Rechtschreibreform überschätzen den Einfluß der korrekten Schreibweise. Sie ist zweitrangig. Weit vorher kommen ausdrucksvolles, unterhaltsames, inhaltsvolles, spannendes, informatives, überzeugendes, “ästhetisches” und prägnantes Schreiben. Niemand kauft ein Buch, weil es orthographisch korrekt ist. Ich fange nicht morgen an, Bildzeitung zu lesen, weil mir die SZ mit ihrem schlimmsten Reformdeutsch aller deutschen Zeitungen “stinkt”.

Selbst das Argument der Lesbarkeit ist relativ: Im Japanischen etwa werden alle Wörter ohne Zwischenraum aneinandergeschrieben; der Leser muß entscheiden und herausfinden, wo ein Wort aufhört und das nächste anfängt. Das gilt nicht etwa nur für die chinesischen Schriftzeichen im Japanischen, nein, auch für die beiden Silbensysteme, die zwischen den Schriftzeichen verwendet werden. Trotzdem hat dieses teuflische Konzept die Lesewut der Menschen hier nicht gedämpft. Ich bin überzeugt, daß Japaner “zehnmal mehr” lesen als Deutsche (meine Erkenntnis stützt sich auf die statistisch unumstrittene Methode der Beobachtung von Fahrgästen in U-Bahnen...). Ich möchte keinesfalls die bessere Lesbarkeit des Eszet in Frage stellen, aber ich möchte das Gewicht dieses Arguments in der Diskussion relativieren.

Aus dem oben Gesagten ergibt sich: Fachliche Einwände, mögen sie auch zurecht erhoben werden, sind so gut wie wirkungslos im Kampf gegen die Reform.

Was 1996 geschehen ist, dafür hat das Deutsche das vorzügliche Wort Frechheit. Unaufgefordert pfuschten Unqualifizierte unnötig in unsere Sprache hinein. Unerhört. Ich versuche immer, das Unerhörte und Unnötige an dem Vorgang in meinem Protest in den Vordergrund zu stellen. Das hat mir Zugang zu den Jüngeren aber leider auch nicht verschafft. Wenn wir nicht Wege, Argumente und Methoden finden, mit denen man junge Leute (ich meine die unter fünfzig!) erreichen kann, wenn wir es nicht schaffen, daß herkömmlich zu schreiben “modern” wird, werden die anderen gewinnen.

Karl-Heinz Isleif
Tokyo, Japan

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