Südhessen aktuell 3.7.2006
Echo-Eck
Wir Oberlehrer
Rauchen ist ungesund. Deshalb sind nicht wenige Deutsche dafür, es grundsätzlich zu verbieten, wie Umfragen zu entnehmen. Alkohol trinken kann höchst ungesund sein, auch wenn es anfangs die Stimmung hebt. Deshalb sind ebenfalls einige dafür, es grundsätzlich zu verbieten. Zuviel essen ist ungesund, Radfahren kann ungesund sein, Skilaufen ausgesprochen gefährlich, Bergsteigen dito. Viele, die ihre Gesundheit fest im Auge halten, würden bei derlei Aktivitäten, vernünftig wie sie sind, nie mitmachen. Selbstlos, wie viele Menschen sind, würden sie das selbstverständlich auch gerne allen ihren Mitmenschen verbieten: Wenn die leider so unvernünftig sind, muss man sie eben vor sich selbst schützen. Und die Gemeinschaft vor den Kosten, die auf sie zukommen könnten.
Die Neigung, andere zu bevormunden und zu belehren, ist dem Menschen eigen. In gewisser Weise sind wir alle Oberlehrer, was einem ja auch der Straßenverkehr jeden Tag demonstriert, wenn Autofahrer einander zuvorkommend anhupen oder mit der Lichthupe dreiste, unerhörte und – vorsichtig ausgedrückt – unverschämte Verstöße gegen die Korrektheit im Allgemeinen und die Straßenverkehrsordnung im Besonderen auf der Stelle ahnden. Auch das Deutschlandlied, die Nationalhymne der Deutschen, ist so ein Verstoß gegen die internationale Korrektheit, die der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft am Herzen liegt. Der Text der Hymne sei ein „furchtbares Loblied auf die deutsche Nation“, befindet die GEW. Mit der Musik würden viele den Text der ersten Strophe verbinden, den die Nazis betont hätten: „Deutschland, Deutschland über alles“. Eine neue Nationalhymne müsse her.
Diesen Vorschlag ausgerechnet in den Tagen der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land wieder aufs Tapet zu bringen, wenn die deutschen Stadien im fröhlichen Schwarz-Rot-Gold-Rausch sind und alle Nationen ihre Hymnen lautstark grölen, könnte zwar den Eindruck erwecken, dass hier ein paar Miesepeter dem Land die Party-Stimmung verderben wollen.
Andererseits könnte man auch sagen, der Vorschlag geht noch nicht weit genug. Da die Nazis, soweit wir wissen, das Deutschlandlied in Deutsch gesungen haben, sollten die Deutschen völlig auf ihre Sprache verzichten. Das kann ihnen ja nicht schwer fallen, da Englisch in Deutschland sowieso in ist. O.K.?
Bei dieser Gelegenheit sollte man im Englischen auch gleich eine überfällige Rechtschreibreform exekutieren und von vornherein alle Kommas abschaffen. Wenn es keine Kommas gibt, können Schüler schließlich keine Kommafehler machen, müssen erstens nicht nachsitzen und bleiben zweitens überhaupt nicht sitzen.
Englisch ist entschieden verbesserungsfähig. Deutsch sein, heißt gründlich sein. Ihr Angelsachsen– wir kommen. Gutes Englisch ist künftig deutsches Englisch.
Jürgen Diesner
3.7.2006
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