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Vor einem Jahr erreichte die Auseinandersetzung um die Rechtschreib-Reform noch einmal einen Höhepunkt. Am 1. August 2000 kehrte die Frankfurter Allgemeine Zeitung als einziges Printmedium Deutschlands zur alten Rechtschreibung zurück. Dazu bietet dpa nachfolgend ein Themenpaket an:
Zusammenfassung Rechtschreibreform: Gegner und Befürworter bleiben unnachgiebig
Korr-Bericht Rechtschreibreform ein Jahr nach FAZ-Umstellung weiter umstritten
dpa-Gespräche
- Duden-Redaktion: Aufregung um Rechtschreibreform hat sich gelegt
- FAZ-Literaturchef: FAZ steht uneingeschränkt zu alter Schreibweise
Hintergrund Stichwort: Rechtschreibreform
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Rechtschreibreform: Gegner und Befürworter bleiben unnachgiebig
Frankfurt (dpa) Ein Jahr nach Rückkehr der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) (1. August) zur alten Rechtschreibung ist die Rechtschreibreform weiter umstritten.
Die FAZ will, obwohl seit ihrer teils heftig kritisierten Entscheidung keine Zeitung nachzog, bei der alten Rechtschreibung bleiben. Die Reform sei heute nicht besser oder durchdachter als damals, sagte FAZ-Literaturchef Hubert Spiegel der dpa in Frankfurt. Duden-Redaktionsleiter Matthias Wermke erwartet dagegen, dass sich die Reformgegner nicht durchsetzen.
Der Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung, Klaus Heller, ist der Ansicht, dass die von der FAZ ausgelöste Diskussion viel Lärm um nichts war. Er sei zuversichtlich, dass die FAZ ihren Beschluss wieder revidieren werde. Auch die FAZ wird eines Tages wieder umstellen, wenn sie nämlich merkt, dass die, von denen sie gelesen wird, sich umgestellt haben.
Die Kommission will zum Jahresende einen Bericht über die Umsetzung der Reform vorlegen. Heller zeigte sich zufrieden mit dem bisherigen Verlauf.
Der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, bekräftigte seine ablehnende Haltung gegenüber der Reform. Sie habe zu chaotischen Verhältnissen geführt, sagte der Reformkritiker mit Blick auf die nicht einheitliche Umsetzung.
Spiegel meinte, die Diskussion über die Neuregelung sei keineswegs vorbei, nur werde nicht mehr öffentlich darüber debattiert. Nach Ansicht von Duden-Redaktionsleiter Wermke hat sich die Aufregung allerdings doch gelegt. In unserer Sprachberatung spüren wir von einer allgemeinen Kritik an der Reform praktisch gar nichts mehr.
Die 1996 nach langen Beratungen von Ländern des deutschen Sprachraums beschlossene Rechtschreibreform sollte die gröbsten Missstände der alten Schreibregeln beseitigen und die Rechtschreibung vereinfachen. Für Ämter und Schulen wurden die neuen Regeln endgültig am 1. August 1998 verbindlich.
Die deutschsprachigen Medien übernahmen ein Jahr später weitgehend die neuen Schreibweisen. Die FAZ sorgte für viel Aufsehen, als sie am 1. August 2000 im Alleingang wieder zur alten Rechtschreibung zurückkehrte. dpa cy eee nh
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Rechtschreibreform ein Jahr nach FAZ-Umstellung weiter umstritten Von Nicola Prietze, dpa
Frankfurt/Main (dpa) Die Rechtschreibreform erhitzt nach wie vor die Gemüter. Zwar sind die öffentlichen Diskussionen darüber mittlerweile verstummt, doch Reformgegner wie -befürworter verteidigen nach wie vor eisern ihre Standpunkte.
Mit dem Entschluss, zum 1. August 2000 wieder zur alten Schreibweise zurückzukehren, hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor einem Jahr die Debatte neu entfacht. Die Zeitung blieb jedoch ein einsamer Rufer in der Wüste. Weitere Blätter folgten ihrem Beispiel nicht, sondern behielten die neuen Regeln bei. Zum Jahresende will nun die Zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung einen Bericht über die Umsetzung der Reform in Deutschland vorlegen.
Im Großen und Ganzen fällt das Urteil der Reformer positiv aus. Bislang sei die Kommission sehr zufrieden mit dem Grad der Umsetzung in so kurzer Zeit, sagt Geschäftsführer Klaus Heller. An den Schulen, in den Lehrbüchern und zu einem großen Teil auch in der Kinder- und Jugendliteratur seien die neuen Regeln längst etabliert.
Und auch in den privaten Korrespondenz gehe die Tendenz zur neuen Schreibweise. Eine Untersuchung von Original-Leserbriefen an deutsche Zeitungen habe ergeben, dass bereits die Hälfte der Absender die neuen Regeln befolge. Das ist in unseren Augen viel, schließlich braucht es Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat.
Das sieht Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und scharfer Reformkritiker, ganz anders. Er würde am liebsten die Reform komplett kassieren, die zu chaotischen Verhältnissen geführt habe. Die unterschiedlichen Schreibweisen in Zeitungen und Zeitschriften, Schulbüchern und belletristischen Büchern sind ihm ein Dorn im Auge. Auch im privaten Schriftverkehr hätten sich die neuen Regeln keineswegs durchgesetzt.
Die FAZ-Redakteure seien froh gewesen, dass sie zur vertrauten Schreibweise zurückkehren konnten, sagt der Literaturchef der FAZ, Hubert Spiegel. Wir haben ein Jahr lang versucht, uns der Reform zu fügen. Aber diese Reform wird ihrem selbst gesteckten Ziel, die Rechtschreibung zu erleichtern, nicht gerecht. Sie stiftet nur Verwirrung.
Auch die Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Anja Pasquay, ist nicht überzeugt von der Reform: Die Zeitungen haben die Rechtschreibreform mit großen Bauchschmerzen mitgemacht, weil sie überflüssig wie ein Kropf ist.
Das lässt Schreib-Reformer Heller nicht auf sich sitzen. Die FAZ hat sich mit großem journalistischen Getöse ein Jahr lang bemüht, alle zu Wort kommen zu lassen, die nur im Entferntesten irgendetwas gegen die neue Rechtschreibung sagen konnten, sagt er. Die von der FAZ ausgelöste Diskussion war viel Lärm um nichts. Da haben sich viele Leute profilieren wollen.
Die von Reformgegnern immer wieder kritisierten Punkte wie Getrennt- und Zusammenschreibung will die Kommission nach Angaben Hellers überprüfen und gegebenenfalls noch leicht verändern. Aber wenn sich noch etwas verändert, sind das nur Kleinigkeiten, die nach und nach mit den neuen Auflagen der Wörterbücher umgesetzt werden.
Die Akademie für Sprache und Dichtung will im Herbst einen Kompromissvorschlag machen. Als für alle tragbare Lösung soll er Konzessionen an die neuen Regeln machen, aber gleichzeitig sinnvolle Regelungen der alten Schreibweise aufleben lassen, sagt Meier. Wenig diplomatisch fügt er hinzu, die Akademie arbeite mit den besten Sprachwissenschaftlern Deutschlands zusammen, während an der Reform ziemlich minderwertige Wissenschaftler beteiligt gewesen seien.
Reformer Heller ist überzeugt, dass auch bei der FAZ das letzte Wort noch nicht gesprochen sei: Auch die FAZ wird eines Tages wieder umstellen, wenn sie nämlich merkt, dass die, von denen sie gelesen wird, sich umgestellt haben. dpa np eee nh
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FAZ-Literaturchef: FAZ uneingeschränkt für alte Schreibweise
Frankfurt/Main (dpa) Die Frankfurter Allgemeine Zeitung steht nach Darstellung ihres Literaturchefs Hubert Spiegel uneingeschränkt zu ihrer Entscheidung, wieder nach den alten Regeln zu schreiben.
Die Reform sei heute nicht besser oder durchdachter als damals, sagte Spiegel in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Frankfurt. Insofern haben wir gar keine Veranlassung, unsere damalige Entscheidung zu revidieren. Die FAZ war am 1. August 2000 zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt.
Dass in der gedruckten FAZ damit anders geschrieben wird als im Internet-Auftritt http://www.faz.net, nimmt Spiegel zähneknirschend hin. Das ist uneinheitlich, ich bin darüber auch nicht sehr glücklich. Ich habe mich überzeugen lassen von den Verantwortlichen, dass es im Internet nicht anders geht. Wenn wir vor einem Jahr schon eine Internet-Ausgabe gehabt hätten, hätte die Sache vielleicht anders ausgesehen, dann hätten wir alles einheitlich auf die alte Schreibweise gebracht.
Nun aber findet der Surfer unter http://www.faz.net die reformierte Schreibweise, während unter http://www.faz.de Artikel aus der aktuellen Print-Ausgabe in der alten Schreibweise stehen.
Die Leser und Autoren hätten die Entscheidung begrüßt, sagte Spiegel. Unvergessen der Satz von Günter Grass: Die FAZ darf weiter allen Unsinn über mich behaupten, Hauptsache, sie tut es nach den Regeln der alten Rechtschreibung. Spiegel ist überzeugt, dass sich die Mehrzahl der Menschen im privaten Schriftverkehr weiter an die alten Regeln hält.
Die Diskussion über die Reform sei keineswegs vorbei, nur werde nicht mehr öffentlich darüber debattiert. Ich glaube, dass die Leute nach wir vor viel darüber reden, dass beispielsweise Eltern sich nach wie vor darüber ärgern, wenn sie ihren Kindern Regeln erklären sollen, die sie selbst nicht verstehen. Aber man kriegt das nicht mehr so mit, weil es in den Medien nicht mehr thematisiert wird.
Darüber, dass keine anderen Zeitungen dem Beispiel gefolgt sind, sei er schon ein wenig enttäuscht. Ich hätte das den Lesern der anderen Zeitungen gewünscht. Wenn andere Zeitungen auch umgestellt hätten, wäre auch der Druck auf die Schulbuchverlage größer geworden, die natürlich ökonomisch argumentieren, dass eine erneute Umstellung zu teuer wäre.
Einem Kompromissvorschlag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung oder der Rechtschreib-Kommission würde sich die FAZ jedoch nicht verweigern, sagte Spiegel. Wenn es einen neuen Entwurf geben sollte, der das Positive der Reform bewahrt, aber die Schwächen ausmerzt, müssten wir uns nochmal Gedanken machen. Die FAZ sei schließlich nicht reformfeindlich per se. Wir wollen nicht jede Reform torpedieren, weil wir unbedingt das Alte bewahren wollen, darum geht es uns überhaupt nicht. dpa np eee nh
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Duden-Redaktion: Aufregung um Rechtschreibreform hat sich gelegt
Mannheim (dpa) Fünf Jahre nach der Entscheidung für die Rechtschreibreform hat sich die Aufregung nach Ansicht von Duden- Redaktionsleiter Matthias Wermke gelegt.
In unserer Sprachberatung spüren wir von einer allgemeinen Kritik an der Reform praktisch gar nichts mehr, sagte Wermke in einem dpa-Gespräch. Die Fragen sind die gleichen, die uns auch schon vor der Reform gestellt wurden Kommasetzung, Getrennt- und Zusammenschreibung. Die Gegner der Reform würden sich nicht durchsetzen.
Bei der Duden-Sprachberatung gehen nach Wermkes Angaben täglich etwa 180 Anrufe ein, von denen zwischen 50 und 60 Prozent der Rechtschreibung gelten. In der heißen Phase in den Jahren 1995 und 1996 hatten wir durchaus einen Zuwachs der Anrufe verzeichnet, die dezidiert der neuen Rechtschreibung galten.
Seitdem nehme die Zahl dieser Anrufe wieder ab. Auch in anfangs von Kritikern heftig gescholtenen Bereichen der Reform gebe es keine Häufung der Anrufe etwa bei den Änderungen in Getrennt-und Zusammenschreibung. Von einem anhaltenden Unbehagen bemerken wir nichts.
Nach wie vor werde häufig nach einzelnen Wörtern gefragt. Manche Anrufer, vermutet der Duden- Redaktionsleiter, seien einfach zu faul, im Wörterbuch nachzuschlagen. Zugenommen habe hingegen in den vergangenen zehn Jahren der allgemeine Sprachberatungsbedarf. Wir werden beispielsweise auch gefragt, wie man den Bundespräsidenten in einem Brief anspricht.
Während Medien und Behörden die Rechtschreibreform bereits umgesetzt hätten, hinkten manche Firmen noch hinterher, sagte Wermke. Dies werde sich aber spätestens ändern, wenn die ersten Schüler, die nach den reformierten Regeln schreiben gelernt hätten, in die Betriebe kämen. Ohnehin sei es unmöglich, eine unwiderruflich gültige Schreibung für alle Zeiten festzulegen. Die Rechtschreibung unterliegt immer dem Wandel, völlig unabhängig von jeder Normierung. dpa ch eee nh
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Stichwort: Rechtschreibreform
Hamburg (dpa) Die 1996 nach langen Beratungen von Ländern des deutschen Sprachraums beschlossene Rechtschreibreform sollte die gröbsten Missstände der alten Schreibregeln beseitigen und die Rechtschreibung vereinfachen.
Für Ämter und Schulen wurden die neuen Regeln endgültig am 1. August 1998 verbindlich. Die deutschsprachigen Medien übernahmen ein Jahr später weitgehend die neuen Schreibweisen.
In der vereinbarten Ûbergangs- und Erprobungszeit sind bis zum Jahr 2005 alte und neuen Schreibweisen gleichermaßen gültig. Der Umsetzungsprozess der neuen Regeln wird von der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Sprache begleitet, die schon seit 1997 an der Präzisierung einiger umstrittener Regelungen arbeitet und der Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angehören.
Ziel der von Gegnern weitgehend erfolglos bekämpften Reform ist es, die Schriftsprache logischer und leichter erlernbar zu machen. Um das seit der letzten Rechtschreibreform des Jahres 1902 von zahlreichen Ausnahmeregelungen aufgeblähte Regelwerk zu lichten, wurden aus den bisherigen 212 Rechtschreibregeln jetzt 112, von 52 Kommaregeln blieben neun übrig.
Grundsätzlich wird nach den neuen Regeln eher getrennt als zusammen und mehr groß als klein geschrieben. Auffälligste Änderung ist die Auflösung von "ß" nach kurzem Vokal zu ss (aus daß wird dass). Nach kurzen Vokalen wird öfter gedoppelt: nummerieren statt numerieren und Tipp statt Tip. In Wortzusammensetzungen bleiben dreifache Konsonanten nach den neuen Regeln erhalten: Balletttänzer, Flanelllappen. Bei der Eindeutschung von Fremdwörtern sind wahlweise Spaghetti mit Thunfisch und Spagetti mit Tunfisch möglich.
Die vorgesehenen Wahlmöglichkeiten allerdings machen die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen und die meisten Printmedien nicht mit. Sie ließen Varianten aus Rücksicht auf die bei der elektronischen Datenverarbeitung erforderliche eindeutige und einheitliche Schreibweise nicht zu.
Als eine der größten deutschen Zeitungen kehrte im August 2000 die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zur alten Rechtschreibung zurück. Wie die FAZ bezweifeln auch andere Kritiker den Nutzen der Reform und beklagen, dass die Einheitlichkeit der Rechtschreibung verloren gegangen sei. Die Vielzahl der nach der Reform entstandenen Varianten habe zu Missverständnissen und Fehlern geführt. dpa hz eee nh
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