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Karl Eichholz
13.09.2001 15.48
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Kultuspolitische Katastrophe

Zitat:
In Wirklichkeit wäre es nur eine Katastrophe für die Kultusminister gewesen, aber was haben die mit Kultur zu tun?

Der Volksmund weiß dazu noch besseres:

Wer nichts wird, wird Wirt, wer gar nichts wird, wird Bahnhofswirt, wer überhauptnichts wird, wird Kultusminister.

(Wirte und Bahnhofswirte, bitte verzeiht mir! Ihr habt doch Humor?)

Denjenigen Ministeraspiranten, welche sonst zu nichts einsetzbar sind, vertraut man liebevoll die Zukunft unserer Nachfolgegeneration an.

Und daß die Kultur nicht aus dem Kultusministerium trieft, wie der Sirup vom Butterbrot: das weiß eigentlich jedes Kind. Was wir dazulernen müssen: Doch ist aber das, was aus dem Kumi kommt, genauso lästig, klebrig, allgegenwärtig und schwierig wieder zu entfernen wie der Sirup. Vielleicht sollte man es dort auch einmal mit viel Wasser versuchen?

fragt
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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz

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Theodor Ickler
13.09.2001 15.20
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Als im Herbst 1995 einige Politiker, darunter der bayerische Kultusminister Zehetmair und der Ministerpräsident Stoiber, ihr Mißfallen an dem beschlossenen Regelwerk bekundeten, mußten sie sich von dem Journalisten Hermann Unterstöger fragen lassen „Auch schon wach?“ (SZ 28.10.1995) Unterstöger schrieb u.a.:
„Was haben die Herrschaften eigentlich getrieben all die Jahre, während derer die Rechtschreibreform mit einem öffentlichen Echo sondergleichen ins Werk gesetzt wurde? (...)Vor sieben Jahren, im September 1988, wurde der Reformvorschlag präsentiert, 236 Seiten dick und 700 Gramm schwer schwer – doch weit und breit kein Stoiber, der sich damals unserer Befindlichkeit angenommen hätte.“
In Wirklichkeit war der Entwurf von 1988 ein ganz anderer als der von 1995, und daß „die“ Rechtschreibreform all die Jahre über „ins Werk gesetzt“ worden sei, ist auch reichlich unbestimmt ausgedrückt. Eine Handvoll Reformwilliger bastelte eben seit Jahrzehnten an Reformplänen, aber es gab keinen dringenden Grund für Außenstehende, sich darum zu kümmern.
Ein Jahr später verhöhnte der bayerische Kultusminister seinerseits die Unterzeichner der „Frankfurter Erklärung“, sie hätten geschlafen oder kämen wohl von einem längeren Auslandsaufenthalt zurück. Diesmal stimmte Unterstöger ihm zu.

Dudenredakteur Werner Scholze-Stubenrecht (in Eroms/Munske S. 205) stellt fest, daß es trotz der Übergangsfristen in Wirklichkeit für die Verlage keinen zeitlichen Spielraum gab.

Der Reformer Horst Sitta in Eroms/Munske 219:
„Ich beteilige mich nicht ohne Zögern an einem Buch, das den Titel trägt: Die Rechtschreibreform – Pro und Kontra. Die Rechtschreibreform ist von den politisch zuständigen Stellen beschlossen; man möge nicht so tun, als könne es noch um pro und kontra gehen. Gehen kann es allenfalls um die Frage, wie die beschlossene Neuregelung realisiert werden kann und wie diese Realisierung wissenschaftlich zu begleiten ist.“
Nachdem der Dudenautor und Reformgewinnler Sitta die Sache unter Dach und Fach hat, möchte er jede Diskussion darüber als illegitim hinstellen. Er bestreitet auch, daß die Kommission Reparaturen durchführen dürfe. Das sei durch ihren Auftrag nicht gedeckt (ebd. 222). Vgl. dagegen die gegenwärtig angekündigte „Reform der Reform“ in meiner Schrift „Regelungsgewalt“.

Klaus Heller wendet sich in einem Brief an die Herausgeber der ZGL (23, 1995) gegen einen kurzen Beitrag von Fuhrhop/Steinitz/Wurzel in derselben Zeitschrift, in dem sehr bedeutsame Einwände gegen den 1994 in Auszügen bekannt gewordenen Entwurf vorgetragen worden waren. Heller weigert sich, auf den Inhalt einzugehen, denn die Diskussion ist seiner Ansicht nach abgeschlossen. Wer das „Angebot“, sich zu den 1992 vorgelegten Vorschlägen zu äußern, nicht wahrgenommen habe, könne jetzt nicht mehr gehört werden. Seit 21 Jahren seien „Forschungsergebnisse, Überlegungen und Vorschläge zu diesem Gegenstand ständig publiziert und zum Teil ausgiebig diskutiert worden“. Heller übergeht, daß der 1994 vorgelegte Entwurf in dieser Form noch nie zuvor veröffentlicht worden ist und daher auch nicht diskutiert werden konnte. Übrigens wurde er kurz darauf doch noch einmal abgeändert, allerdings nicht aufgrund wissenschaftlicher Bedenken, sondern durch Machtspruch der Politiker, deren Autorität auch Heller ermöglicht, gleichsam ex cathedra zu sprechen. Nebenbei erfährt der Leser, daß der kritische Kommentar zuvor dem „Sprachreport“ des IDS angeboten und von der Redaktion abgewiesen worden war. Das IDS hat überhaupt nie reformkritische Stimmen zu Wort kommen lassen, auch nicht in der Zeitschrift „Deutsche Sprache“. (Heller spricht übrigens von „unserer Zeitschrift ´Sprachreport´", womit er noch einmal die Identifikation des IDS mit den Reformern hervorhebt.)
Aus Hellers Brief geht hervor, daß der Protest der Schriftsteller usw. nicht erst 1996 zu spät kam, sondern auch zwei Jahre vorher, unmittelbar nach der Dritten Wiener Konferenz, zu spät gekommen wäre, weil eine Diskussion des endgültigen Reformplanes überhaupt nie ins Auge gefaßt worden war.
Interessant sind auch die weiteren Angaben. 1974 also hätte man sich in die Reformdiskussion einschalten müssen, lange vor der staatlichen Beauftragung des Internationalen Arbeitskreises. Aus dieser Äußerung spricht auch der Expertendünkel eines Wissenschaftlers, der ein Vierteljahrhundert nichts anderes als Orthographieforschung getrieben hat.

Peter Eisenberg, inzwischen als heftiger Reformkritiker bekannt, schreibt 1996 gleichwohl:
„Die Orthographiereform ist beschlossene Sache, der Streit um das Für und Wider hat vorerst ein Ende. Es kommt jetzt darauf an, den Übergang auf die neue Orthographie im Alltag des Schreibens zu sichern, ihn so unaufwendig wie irgend möglich zu machen.“
Bei der Mannheimer Anhörung, kurz vor seinem Austritt aus der Kommission, sagte er, eine Rücknahme der Reform wäre eine kulturpolitische Katastrophe. In Wirklichkeit wäre es nur eine Katastrophe für die Kultusminister gewesen, aber was haben die mit Kultur zu tun?


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Th. Ickler

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