Reformpioniere in der Krise
Der Woche der Zeitung also, die vor 5 Jahren so stolz darauf war, die erste in neuer Rechtschreibung zu sein geht es schlecht. Das liest man natürlich gern. Hier deshalb der neueste Bericht zur Lage der Woche in voller Länge aus der FAZ vom 12.12.2001.
»Hamburger Dauerregen
Sparen ohne Chefredakteur: Die Woche spannt den Schirm auf
Von Jörg Thomann
Bei der Woche läuft fast alles wie gewohnt. Soeben ist die Zeitung wieder einmal für ihr Design ausgezeichnet worden: Beim Wettbewerb Europe's Best Designed Newspaper erhielt sie Preise in den Kategorien Visualisierung und Infografik. Würde man Zeitungen als Dekorationsobjekte betrachten und sich ihre Seiten als Schmuckstücke an die Wand hängen, so wäre die Woche von ihrem Start 1993 an ein Renner gewesen. Da aber die Leute eine Zeitung in erster Linie kaufen, um sie zu lesen, sieht es für die Woche weniger gut aus. Die verkaufte Auflage von gut 130 000 Exemplaren reicht längst nicht aus, um die Kosten zu decken. So wohlvertraut wie die Tatsache, daß das Blatt Jahr für Jahr Millionenverluste macht, sind auch die Gerüchte, daß sein Verleger Thomas Ganske dem Ganzen irgendwann doch ein Ende setze und die Woche verkaufe, womöglich doch an die WAZ-Gruppe, deren künftige Führungskraft Bodo Hombach an der traditionell SPD-nahen Wochenzeitung durchaus Interesse haben könnte.
Wie gesagt: Es läuft alles fast normal bei der Woche. Aber eben nur fast. Am Freitag, einen Tag vor seinem fünfzigsten Geburtstag, hat der Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges seine Kündigung bekanntgegeben, wegen so die offizielle Verlautbarung unterschiedlichen Vorstellungen über Besetzung und Organisation der Redaktion. Mit Jörges verläßt jemand die Woche, der von Anfang an mit dabei war, der als Vertrauter des Herausgebers Manfred Bissinger gilt und letzterem vor etwa einem Jahr nachfolgte, als er das Amt des Chefredakteurs aufgab. Bis zum Freitag arbeitete Jörges noch an dem demnächst anstehenden Relaunch der Zeitung, deren Etat fürs nächste Jahr noch nicht bewilligt ist; fest steht, daß wie derzeit überall gespart werden muß. Bestimmte Prozesse in diesem Zusammenhang, so Jörges, habe er nicht mitverantworten wollen; seine Kündigung sieht er als Appell an die Geschäftsführung, das Projekt namens Woche nicht zu gefährden. Einen Nachfolger für Jörges will Bissinger im nächsten Jahr präsentieren.
Jörges' Widersacher in dieser Geschichte ist ein Mann, der kurios genug ebenfalls schon gekündigt hat: der Geschäftsführer Kurt Breme, der seinen Posten Mitte 2002 räumt. Breme kann weder die Demission des Chefredakteurs verstehen noch dessen Beweggründe: Bislang jedenfalls, so Breme, seien die Planungen einvernehmlich abgelaufen und nicht einmal drastische Sparmaßnahmen vorgesehen. Vor allem sei der Verlag betroffen sowie der Bereich Werbung und Marketing, weniger die Redaktion. Die sei mit vierundvierzig Redakteuren und sechzehn Pauschalisten unter den Verhältnissen der ,Woche' gut ausgestattet und werde das auch bleiben: Es gibt keine Pläne für Entlassungen. Breme macht kein Hehl daraus, daß er Jörges' Verhalten unkooperativ findet: Wenn's härter wird, müssen alle den Schirm aufspannen und da kann keiner sagen: ich nicht.
Manfred Bissinger, der Gründer und Herausgaber der Woche, stand gestern für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Jörges' Kündigung, so hört man aus der Redaktion, muß ihn freilich schwer getroffen haben obgleich der Chefredakteur mit Bissingers Intimus Gerhard Schröder unsanfter umging, als der es von der Woche gewohnt ist: Schwere Fehler nicht nur in der Afghanistan-Politik warf Jörges dem Kanzler vor, dem wohl der Tunnelblick der Macht die Einsicht verstelle. Für Schröder, der die Woche gern als Sprachrohr nutzt, wird Jörges' Abgang kein Verlust sein; die Zeitung trifft er, da nicht nur finanzielle, sondern auch konzeptionelle Veränderungen bevorstehen, zur ungünstigsten Zeit. Solange der vakante Posten nicht wieder besetzt ist, dürften sämtliche Reformen von Redaktions- und Blattstruktur auf unbestimmte Zeit verschoben sein.
Dabei bräuchte die Woche nichts dringender als Ideen, wie sie endlich publizistisch an Bedeutung gewinnen könnte. Die unter Jörges forcierten Versuche, mit meinungsstarken Titelstorys (Der Spitzel-Staat, Springers neue Macht) Beachtung zu finden, wirkten hilflos, manche Rubriken verstaubt, etwa die überraschungsarmen Porträts auf der dritten Seite wo jüngst das fünfte Angela-Merkel-Porträt binnen zwei Jahren erschien. Statt den Pressemarkt zu verändern, wie es dem zeitgleich gestarteten Focus gelang, muß die selbsternannte moderne Wochenzeitung jetzt mitansehen, wie altehrwürdige Tageszeitungen durch ausgebaute Hintergrundberichterstattung in ihrem Revier wildern und hat dagegen kein Rezept gefunden. Immerhin hat der Verleger Ganske, dies die gute Nachricht der vergangenen Woche, der Redaktion versichert, an der Woche festzuhalten und sollte er dies nicht ernst meinen, so Geschäftsführer Breme, dann müßte er ein besserer Schauspieler sein als Yul Brynner. «
__________________
Jörg Metes
|