Der Moment
Wiesbaden, ehemaliges Hertie-Warenhaus. Ich gebe Reißverschlüsse zurück. Über den Lautsprecher erinnert die Geschäftsleitung an Norbert Blüm, der sein zweites Kinderbuch vorstellt.
Soll ich, oder soll ich nicht? (Mal fragen, wie man es mit der Demokratie hält.) Ich also hoch in den 5. Stock. Hinten im Café sitzt Norbert Blüm und hält Signierstunde. An der Kasse vorne größere Stapel von Büchern. In der Schlange stehen 5 Gäste. Die Dame an der Kasse wird von Personal nach der verkauften Stückzahl gefragt. 25. Ich nehme mir ein Buch, das Herr Blüm geschrieben hat – seine Vorlesestunde ist wohl gerade vorbei – und lese selbst. Von vorne bis hinten. Eine Freundschaftsgeschichte zwischen Safrana, dem Schmetterling, und dem Bären. Zeichensetzung stimmt. Aha, ss-Schreibung; dann auf der 4. Seite: „Oh, das tut mir Leid“.
Ohne Buch stelle ich mich auch in die Schlange, zwei vor mir, eine Frau hinter mir, die dann aber unruhig wird und ihr Buch nochmal austauscht. Jetzt stehe ich vor Norbert Blüm. „Guten Tag, Herr Blüm!“ „Guten Tag.“ „Ich möchte gerne nach der Rechtschreibung und nach der Demokratie fragen. Sie schreiben in Ihrem Buch ‚das tut mir Leid‘“. „Weiß ich nicht.“ „Zu der Frage gibt es einen Volksentscheid in Schleswig-Holstein.“ „Weiß ich nicht, dafür habe ich mich bisher nicht interessiert, ach ja, da oben.“ „Und die CDU ergriff die Initiative, den Volksentscheid zu kippen.“ „Weiß ich nicht, ist mir nicht wichtig. Wenn Kinder verhungern, ja dann! Aber ‚es tut mir Leid‘, das ist mir egal.“ Herr Blüm schaut nach der Frau neben mir, die nun ein sauberes Buch signiert haben möchte. „Ich frage, weil es immerhin einen Volksentscheid gegeben hat, und die CDU kippte ihn.“ „Kann sein. Das habe ich nicht so mitgekriegt.“ „Schöne Weihnachten“ wünsche ich. „Ebenso.“
Naja, und jetzt sitze ich hier und schreibe nach 3 Tagen aus der Erinnerung auf. Keine Tonbandaufnahme. Herr Blüm möge mir verzeihen, wenn ich anders hörte, als er sich erinnert. Ich war ja von diesem kurzen Gespräch auch sehr überrascht.
Wir, Herr Blüm und ich, können hier ja nochmals das Thema vertiefen.
Und dann ging ich in die Bücherabteilung im Erdgeschoß und machte noch ein paar Bilder.
So zu lesen auch schon im Eingang, aber wie soll ich ahnen, daß er gerade jetzt vorliest und nicht nur Karstadt das Buch verkaufen will.
Kommasetzung in Ordnung, wie immer. 25 Mark. Oh, das tut mir Leid.
„Hab ich mich für nich interessiert“
Und jetzt denke ich, wenn von da oben wirklich nichts kommt, dann möchte ich hier die Technik immer wieder ein klein wenig, oder manchmal mit großen Sprüngen, verbessern.
Die sich wiederholenden Argumente könnten gesiebt, aber dann doch in Listenform zu finden sein.
Wer würde denn mitmachen, diesen Schärfungsvorgang hier öffentlich in der Gruppe vorzunehmen? Der Knotenrechner ist ja nichts anderes, als eine gemeinsam zugängliche Festplatte. Was wir auf dieser Festplatte gemeinsam machen, entwickelt sich mit Ideen und technischem Verständnis.
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Norbert Lindenthal
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