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Dritter Bericht
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Pedro Schwenzer
17.02.2003 17.18
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Ich meinte das ja auch mehr scherzhaft und habe micht nicht extra bemüht, nachzusehen, ob das jetzt wirklich alles getrennt wird oder nicht. Mir ging es um die Sinnentstellung an sich und die Übertreibung der Worttrennung, die so gar keine feste Regel mehr befolgt. Es ist ja nicht das gleiche, etwas „zusammen zu bringen“ oder „zusammenzubringen“, usw. Die Entfremdung der Wortherkunft geht mit der Entfremdung der Gesellschaft einher.

Ein Beispiel am Rande: In London fiel mir kürzlich auf, daß dort – soweit ich das so wahrnehmen konnte – noch kultureller Halt vorhanden ist, wie auch in Spanien, die Sprache wird ja z.B. auch nicht durch „Germanismen“ oder „Latinismen“ aufgeweicht. Man spúrt noch eine natürlich und historisch gewachsene Gesellschaft. Selbst die Zuwanderer sind ja eigentlich englischsprachig und weichen die gesellschaft sprachlich nicht auf.
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Pedro Schwenzer

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Wolfgang Wrase
17.02.2003 16.13
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zusammenkommen

Auch nach den neuen Regeln schreibt man „zusammenkommen“ usw. zusammen. Aber Ihr Beispiel, Herr Schwenzer, ist dennoch berechtigt, weil plötzlich alle Welt meint, ebensolche Wörter getrennt schreiben zu müssen. Überall in Zeitungen und Zeitschriften begegnet man diesem über die neuartige Regel hinausschießenden Getrenntschreibungswahn. Und wenn wir die Reform kritisieren, dann meinen wir genau dies: nicht, was die Reformväter sich dabei ursprünglich Schönes und Edles dabei gedacht haben mögen, sondern was konkret dabei herauskommt. Dazu gehört ohne Zweifel die von Ihnen aufgegriffene Getrenntschreibung auch bei der Verbzusatzkonstruktion „zusammen + Verb“. Aktuelles Beispiel aus „Spiegel Online“, und zwar unter
http://www.spiegel.de/politik/europa/0,1518,236644,00.html

Brüssel war der Versuch, zusammen zu bringen, was eigentlich gar nicht zusammen zu bringen ist ...

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Pedro Schwenzer
17.02.2003 14.46
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"tief greifend" als Lagebeschreibung

tief greifend

Ich halte das für eine wirklich sehr zeitgemäße Wortschöpfung:

„Tief greift die Regierung den Bürgern in dieTasche“
Also sind Reformen tief greifend.

Und angesichts der Lage in Deutschland wird sie wohl immer tiefer greifen müssen, aber tiefgreifende Reformen gibt es nicht, geht ja „worttechnisch“ nicht mehr. Da versteht man doch, warum es keine umfassenden Reformen gibt, die in die Tiefe versunken sind und nach etwas zu greifen versuchen, das es gar nicht gibt.

Vielleicht ein Beispiel, wohin uns die Zerstörung der sprachlichen Struktur bringen kann. Eine amputierte Sprache hindert die Menschen am Begreifen komplexer Strukturen oder Problemstellungen.

Wenn wir jetzt nur noch zusammen kommen (wohin oder woher?), ist sowieso nichts mehr zu machen, wir verstehen uns nicht mehr, jeder geht seinen Weg. Wir werden nur noch Worte zusammen bringen (iregndwohin), aber zusammen passen sie nicht mehr. Das ist wie das Lösen der Schrauben an einer Maschine, und hier haben die Reformer so ziemlich alle gelöst. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die Maschine auseinanderfällt.



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Pedro Schwenzer

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Theodor Ickler
23.02.2002 18.32
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Zustimmung

Brief von A. K. (Auszug):

„In der SZ vom Freitag las ich mit Vergnügen und unter mehrfachem Kopfnicken Ihren Artikel zur aktuellen Rechtschreibreform.

Als Lehrer (Volksschule, Hauptschule) bin ich von den Auswirkungen der Reform natürlich betroffen und als Buchautor war ich noch früher von deren Wehen und Wirren erfasst.

Ihre Ausführungen über die Geheimniskrämerei bei der Gestaltung der Reform und vor allem die weniger bekannten
Hintergrundinformationen über den Zeitdruck bei der plötzlichen Einführung haben mich beeindruckt.

Ich unterrichte in diesem Schuljahr erstmals Kinder, die von Anfang an nach der neuen Rechtschreibung zu schreiben
gelernt haben (6. Klasse). Mein Eindruck ist nicht, dass deren Rechtschreibung schlechter wäre als die ihrer Vor-Schüler – aber auch nicht besser. Dies bestätigt natürlich Ihre Aussage, dass die Reform unnötig war/ist.

Die Verlage (hier ein Schulbuchverlag) hatten m. E. gar keine Wahl, da sich das Inkrafttreten der Reform als unausweichlich am Horizont abzeichnete.

Auf alle Fälle wünsche ich Ihnen die Kraft und die Lust, weiterhin gegen die Deform anzukämpfen.“


Brief von Dr. M. G. zu „Rückbau“ (Auszug):

„Na, das is'n Ding. Einigen Leuten dämmert es, daß die deutsche Orthographie nicht grundlos so ist, wie sie war. Daß die Kultusminister das nicht wußten, mag ich noch glauben; daß die Sprachsachverständigen, die hinter der vermaledeiten sog. Rechtschreibreform stehen, überrascht sind, daß häufig Getrennt- und Zusammenschreibung mit gravierenden Bedeutungsunterschieden einhergeht, will mir nicht in den Kopf. Es erhärtet sich mir der Verdacht, daß die gesamte Rechtschreib-Änderung allei wirtschaftlichen Interessen dient; und zwar weit raffinierter, als der kleine Mann sich das vorstellen konnte.

Nicht nur, daß Millionen von neuen Wörterbüchern gedruckt und unter die Leute gebracht werden mußten; nein, jetzt stellt sich heraus, daß es künftig zwei Ausgaben geben muß – Deutsch für die Denker und Deutsch für die Dummen.

Wer zieht denn endlich mal einen Schlußstrich unter diese Miß-Reform? Ist es denn so schwierig, einen Fehler zuzugeben?“




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Th. Ickler

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Theodor Ickler
23.02.2002 11.07
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Kommentar (Fortsetzung 4)

Zuerst möchte ich darauf hinweisen, daß ich die dritte Fortsetzung meines Kommentars (hier weiter unten) noch um einige Beobachtungen ergänzt habe. Jetzt geht es hier weiter.

Auf S. 15 lassen die Reformer durchblicken, daß sie nach wie vor an ihrem eigentlichen Hauptziel aus den siebziger Jahren, der Substantivkleinschreibung, festhalten. Selbstverständlich haben sie dafür vor allem von Grundschullehrern Zustimmung erhalten, denen die Reform „nicht weit genug geht“. (Sie geht, genauer gesagt, gerade in die entgegengesetzte Richtung.)

DIESE Reformer werden jedenfalls ihr Ziel „Kleinschreibung“ niemals aufgeben, und man konnte ja schon früh vermuten, daß die exzessive Großschreibung nur ein besonders raffiniertes Mittel ist, um schließlich die Kleinschreibung als Erlösung anpreisen zu können. Denn von der weitergehenden Großschreibung war ugst ja nie überzeugt, vgl.

„Ein anderer Versuch von Erich (sic! Eugen) Wüster lief darauf hinaus, durch vermehrte Großschreibung eine weniger problematische und einsichtigere Grenzziehung zwischen Groß- und Kleinschreibung zu erreichen. Eine seiner Regeln lautete: entweder groß und auseinander oder klein und zusammen. Hugo Moser hat jedoch in einer umfangreichen Studie – wiederum mit großen Wortlisten – nachgewiesen, daß auch diese Grenzziehung Ungereimtheiten in Kauf nehmen muß, daß eine Grenzziehung grundsätzlich nicht möglich, da die Wortart 'Hauptwort' nicht zu fixieren ist.“ (Augst in Augst, Gerhard (Hg.): Rechtschreibung mangelhaft? Heidelberg 1974:44)

Wie hieß es doch in der Dudenbroschüre von 1994?

„Es ist ein Anfang gemacht worden, weitere Vereinfachungen und Verbesserungen können sich zu einem späteren Zeitpunkt anschließen.“ (S. 7)

Und schon in der Abschlußerklärung von 1986 sagten dieselben Verfasser: „Erst in einem zweiten Schritt soll die umstrittene Groß- und Kleinschreibung in Angriff genommen werden.“


Aufschlußreich ist, wie im 4. Abschnitt des ersten Teils die Nachrichtenagenturen abgehandelt werden. Einzelne Kommissionmitglieder und besonders Heller haben versucht, die Agenturen auf Vordermann zu bringen, weil natürlich die dezidierte Abweichung besonders bei der Groß- und Kleinschreibung von Nominationsstereotypen ein ständiges Ärgernis bleibt. dpa-Chef Herlyn und sein Mitarbeiter Nürnberger wurden kräftig bearbeitet (wovon mir übrigens Herr Nürnberger einmal stöhnend erzählte). Am Schluß rühmt sich die Kommission, die Agenturen schon fast in die Knie gezwungen zu haben: nur noch zwei Dutzend fester Begriffe wollen sie groß schreiben. Daraus wird natürlich nichts werden, weil die Tendenz zur Großschreibung von Nominationsstereotypen eine der stärksten und begründetsten ist.
Aber abschließend sprechen die Kommissionäre die Erwartung aus, daß die Agenturen sich noch vollständig unterwerfen werden. Absurderweise weicht die Kommission ja gleichzeitig diese verordnete Kleinschreibung unter dem Deckmantel der „Fachsprachlichkeit“ wieder auf.

Mit den Anhängen des Berichtes wollte ich mich eigentlich gar nicht befassen. Sie haben so etwas Eklig-Klebriges. Wenn ich einen anderen beim Schummeln erwische, fühle ich mich irgendwie mitbesudelt. Aber es ist wohl nicht ganz zu vermeiden.

Als Anlage 1 ist dem Bericht der schon bekannte Text „Immer wieder falsche Beispiele“ angefügt, der seit 2000 auch auf der Internetseite der Kommission steht. Zur Kennzeichnung der Vorgehensweise will ich einmal drei aufeinander folgende Beispiele herausgreifen. Ich füge der Gegenüberstellung von „Falschmeldung“ und „Richtigstellung“ jeweils meinen Kommentar hinzu:

Falschmeldung:
"[...] der Staat [...] überschreitet seine Kompetenz, [...] indem er meint, diktieren zu können, [...] daß Schneuzen von Schnauze kommt.“ (Appell der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, FAZ vom 4.8.2000)
Richtigstellung:
Ein Blick in die einschlägigen etymologischen Wörterbücher belegt die Verwandtschaft von Schnauze und schnäuzen. Vgl. Kluge, 23. Aufl. 1995, S. 735 ff. und Pfeifer (Hrsg.), München
1997, S. 1228 ff.
Kommentar: Die Wörterbücher sagen sachlich richtig, daß die beiden Wörter verwandt sind, nicht aber, daß schneuzen (mhd. sniuzen) von Schnauze abgeleitet ist. Mehr hatte auch die Akademie nicht behauptet.
Falschmeldung:
„Und verbläuen ist nicht mit blau verwandt.“ (K. Reumann, FAZ vom 10.8.2000; S. 3)
Richtigstellung:
„Zerbläut ihn! Schlagt! / Sein Maul soll jedes Wort entgelten!“ (aus einem Gedicht Friedrich von Hagedorns, 1757, in der FAZ vom 9.8.2000 (!); S. N 6)
Kommentar: Es ist nichts Neues, daß manche Menschen verbleuen, einbleuen usw. mit blau in Verbindung bringen. Das mag auch Hagedorn so empfunden haben – dessen Text allerdings aus einer orthographisch ungefestigten Frühzeit stammt und nur begrenzt solche Rückschlüsse zuläßt. Dennoch ist es nicht damit verwandt, und die von der Reform verordnete, nunmehr allein gültige volksetymologische Schreibweise ist damit nicht zu rechtfertigen.
Falschmeldung:
„Die Kultusminister haben ... gesagt, die Neuerung schaffe kein einziges Wort ab. Aber das ist nicht die Wahrheit; denn so dumm sind die Minister nicht, daß sie nicht wüßten, welch ein Bedeutungsunterschied zwischen schwer fallen und schwerfallen besteht.“ (K. Reumann, FAZ vom 10.8.2000)
Richtigstellung:
Er ist schwer gefallen und es ist ihm schwer gefallen sind syntaktisch ganz unterschiedliche Konstruktionen. Auch wenn schwer fallen jetzt – wegen der Steigerbarkeit des Adjektivs – in beiden Fällen getrennt geschrieben wird, geht keine Bedeutung verloren, sondern allenfalls ein Wörterbucheintrag. Im Kontext ist schwer fallen immer eindeutig. Das Gleiche gilt für leicht fallen, heilig sprechen usw.
Kommentar: „Bedeutungen“ gehen freilich nie verloren, denn man kann sie in jeder beliebigen Sprache und Schrift ausdrücken. Verloren geht durch die obligatorische Getrenntschreibung eine Unterscheidungsschreibung, die bisher gegeben war und hier sogar durch unterschiedliche Betonung gestützt wurde. Durch die Reform gehen Wörter insofern verloren, als sie aus den Wörterbüchern verschwinden, z. B. sogenannt.

In allen Fällen „widerlegen“ die Reformer etwas, was gar nicht behauptet worden ist, und „beweisen“ etwas, was niemand bestritten hat. Was ist von Wissenschaftlern zu halten, die sich einer solchen eristischen Dialektik bedienen?
– geändert durch Theodor Ickler am 25.02.2002, 04.43 –
__________________
Th. Ickler

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Jörg Metes
22.02.2002 12.30
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Steigerbarkeit

Ich sehe die Dämme nun wirklich brechen. Der dritte Bericht gibt die neue Getrenntschreibung verloren. Um die Wiederzulassung von Zusammenschreibungen wie zufriedenstellend zu begründen, führt er – Herr Ickler hat die Stelle bereits zitiert – ein Kriterium an, das in diesem Zusammenhang im Regelwerk einfach nicht vorkommt:

Die Variantenschreibungen zufriedenstellend und nichtssagend entsprechen zwar der amtlichen Regelung, sind im amtlichen Wörterverzeichnis aber nicht ausdrücklich genannt. Entsprechend der unter 1. gegebenen Begründung (Steigerbarkeit) wäre es richtig, die zusammengeschriebenen Formen bei einer Neuauflage des Duden (der jetzt schon ein zufriedenstellenderes Ergebnis verzeichnet) zu berücksichtigen.

Im Regelwerk wird Steigerbarkeit aber ausschließlich als Begründung für Getrenntschreibung (von Verbindungen aus Adjektiv und Verb) herangezogen (§34 E3(3)).

In der Ausgabe des Duden von 1996 waren nur die getrennten Schreibungen aufgeführt, allerdings stets mit dem Verweis auf R 40 (= Richtlinie 40), die – in Ubereinstimmung mit dem amtlichen Regelwerk – Zusammenschreibung fordert, wenn der zweite Bestandteil gesteigert ist.

Im Regelwerk werden Richtlinien gleich welcher Nummer nirgends auch nur erwähnt.

Vor drei Monaten noch hat mir die Bertelsmann-Sprachberatung ausdrücklich geschrieben, daß etwa tief greifend nur so und nicht anders zu schreiben sei, der Komparativ tiefgreifender dagegen zusammen (siehe Strang Radio und Fernsehen).
Man kann ja wohl davon ausgehen, daß ich nicht der einzige war, der sich speziell mit dieser Fragestellung an die Bertelsmann-Sprachberatung gewandt hat. Man kann davon ausgehen, daß es sich hier nicht um die Privatmeinung einer einzelnen Mitarbeiterin handelte. Noch im November 2001 war den Rechtschreibungsexperten von Bertelsmann von einem Kriterium der Steigerbarkeit, das hier anzuwenden wäre, nichts bekannt.
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Jörg Metes

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Theodor Ickler
19.02.2002 14.49
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Kommentar (Fortsetzung 3)

Der dritte Bericht hat am 31. Januar/1. Februar 2002 der Amtschefskonferenz der Kultusministerien vorgelegen. Sie hat ihn zustimmend zur Kenntnis genommen. Die nächste KMK-Sitzung ist am 28. Februar/1. März, aber der Bericht steht nicht auf der Tagesordnung. Der Beirat wird erst 2003 wieder zusammentreten, um den nächsten Bericht der Kommission zu beraten. Es ist also nicht zu erwarten, daß sich in der nächsten Zeit offiziell noch etwas bewegt. Genau wie nach der Mannheimer Anhörung werden heimlich beschlossene Änderungen in die nächsten Auflagen der Rechtschreibwörterbücher, die im Laufe des Sommers erscheinen werden, eingeschleust werden. Keiner der verantwortlichen Auftraggeber ist fähig oder auch nur willens, die Vereinbarkeit der Veränderungen mit dem amtlichen Regelwerk zu überprüfen.

Das ganze Verfahren ist darum so dubios, weil niemals Kritiker eingeladen werden, die den Bericht doch in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen könnten. Der Bericht hat das Hauptziel, die politischen Auftraggeber zu beruhigen. Es ist grotesk, wie sehr er die Wirklichkeit verfälscht. Zum Beispiel im Kapitel über Deutsch als Fremdsprache. Kein Wort zum elenden Zustand der umgestellten Lehrwerke. Von den Auslandsgermanisten kommt ein ungarischer Kollege zu Wort, der die Reform nicht ablehnt. Die vielen Kritiker erwähnt der Bericht natürlich nicht, auch nicht die sonstigen üblen Folgen der Reform. – Die linguistischen Erörterungen kann kein Politiker oder Amtschef durchschauen, wenn sie ihm nicht von einem Fachmann erläutert werden; aber als Experten waren immer nur hundertprozentige Reformbetreiber beteiligt.

Es ist also unsere Aufgabe, alle diese schäbigen Tricks der Reihe nach zu entlarven.

Warum tagt die Kommission, tagt der Beirat nicht öffentlich? Aber dann besteht die Gefahr, daß die Betroffenen selbst sich melden und die tödliche Frage stellen, warum man eine solche Reform nicht einfach beendet. Aus diesem Grunde wurde schon die Mannheimer Anhörung unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt und die Handvoll dennoch erschienener Journalisten kurzerhand des Saales verwiesen, obwohl Platz genug für eine ganze Reihe zweifelhafter Gestalten war.

Intolerables aus dem Bericht:

„In den Schulen und darüber hinaus sollte stärker als bisher die Einsicht in die Dynamik der Sprache deutlich gemacht werden. Diese Dynamik erscheint synchron als Varianz und diachron als Sprachgeschichte. Die Veränderung der Rechtschreibung könnte damit trotz (amtlicher) Normierung als etwas der Rechtschreibung Wesengemäßes verstanden und toleriert werden. Damit könnten Varianten akzeptabler und Veränderungen tolerabler werden.“ (S. 112)

Ein schönes Beispiel für die rhetorischen Verschleierungsversuche der Kommission. Dem Wort Veränderung sieht man nicht an, ob es von verändern oder sich verändern kommt. Mit dieser Zweideutigkeit spielen die Reformer hier und an vielen anderen Stellen. Es ist aber ein Riesenunterschied, ob die Sprache sich (im Gebrauch) verändert, oder ob man sie durch einen machtbewehrten Eingriff verändert. Das Ganze verbunden mit der Aufforderung, die arglosen Schüler durch solche Wortspiele zu verwirren. Solche Schamlosigkeit ist nicht tolerabel.

Oben auf der Nachrichtenseite ist gerade noch einmal die Frage aufgeworfen worden, wer der Neuregelung folgen „muß". Wie Horst H.Munske schon vor einigen Jahren dargelegt hat, sind das sehr viele Menschen. Also außer den Schülern zum Beispiel der gesamte öffentliche Dienst. Aber auch Journalisten können zwar wie gewohnt schreiben (und tun es), aber sie müssen dulden, daß ihre Texte in die möglicherweise von ihnen abgelehnte Neuschreibung überführt werden. Auf längere Sicht kann sich kein Journalist widersetzen.

Es trifft sich, daß im dritten Bericht folgende aufschlußreiche Stelle zu finden ist:

„In sehr kleinem Umfang machen manche Schreibende, die nicht durch die Regelungsvollmacht des Staates gezwungen sind, der neuen Rechtschreibung zu folgen, von ihrer Freiheit Gebrauch, Teile der Neuregelung nicht zu vollziehen oder partiell Änderungen vorzunehmen.“ (S. 108)

Regelungsvollmacht – Zwang – Freiheit ...

Hier noch etwas anderes, unter dem Titel „Verunsicherungen“:
Nachdem die Kommission erwähnt hat, daß auch unter Sprachwissenschaftlern unterschiedliche Meinungen über die RSR bestehen, geht sie sogleich zu den „Verunglimpfungen“ über, denen sie ausgesetzt sei, verunglimpft aber ihrerseits Birken-Bertsch und Markner, indem sie deren Buch wahrheitswidrig als „Auftragsarbeit“ für den Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung bezeichnet. Anschließend kriegen diese Akademie und besonders ich etwas ab, und nur Dieter E. Zimmer findet ein wenig Gnade. Die eigentlich sprachwissenschaftliche Kritik, also mein wissenschaftlicher Kommentar, die vielen kritischen Beiträge von Bierwisch, Suchsland, Munske usw. kommen überhaupt nicht in den Blick.

Natürlich ist den Amtschefs, die dieses Papier „zustimmend zur Kenntnis“ genommen haben, ein völlig verzerrtes Bild der wirklichen Lage vermittelt worden. Aber etwas anderes wollten sie wohl auch gar nicht.


In der Einleitung heißt es:

„Beiden Beiräten wurde der vorläufige Bericht Anfang August 2001 zugesandt. Der bundesrepublikanische Beirat hat am 25. und 26. September über diesen Bericht mündlich verhandelt. Am ersten Tag haben der Vorsitzende und der Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission beobachtend an der Beratung teilgenommen, am zweiten Tag auch die übrigen Mitglieder der Kommission. Als Gäste nahmen auch einige österreichische und Schweizer Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission sowie der Vorsitzende des österreichischen Beirats, Ministerialrat Dr. Fritz Rosenberger, Leiter der Gruppe V/E. BMBWK (Wien) teil.“

Diese Angaben haben etwas Verwirrendes. Zuerst heißt es, auch „die übrigen“ Mitglieder der Kommission hätten an der Beratung teilgenommen, also insgesamt alle zwölf, aber dann ist plötzlich davon die Rede, einige österreichische und Schweizer Mitglieder seien „als Gäste“ dabeigewesen. Dahinter verbirgt sich also wieder der peinliche Umstand, daß nur die sechs deutschen Mitglieder der Kommission sich überhaupt von dem selbstausgesuchten deutschen „Beirat“ beraten lassen. Die österreichischenhaben ihren eigenen Beirat, und die Schweizer sind freischwebend dabei, wenn es ihnen paßt.

Übrigens wird der deutsche Beirat ständig als „bundesrepublikanischer“ bezeichnet, obwohl Österreich ebenfalls eine Bundesrepublik ist. Manchmal heißt es auch „bundesdeutsch“, als ob die DDR noch existierte, der die deutschen Reformer allerdings innerlich immer noch sehr verbunden sind. So etwas schleift sich natürlich ein, zumal die Ostdeutschen Nerius, Heller und Herberg ja immer noch der Kommission angehören.


„Wenn die Übergangszeit und die Fehlertoleranz beendet sind, wird sich auch ein stärkerer Anreiz zur Fehlervermeidung ergeben.“ (S. 8)

Das klingt ziemlich bedrohlich. Anscheinend soll dss Ende der Spaßpädagogik eingeleitet werden. „Mut zur Erziehung“ ist gar nichts dagegen. Interessant, wo die GEW-Genossen inzwischen angelangt sind.
– geändert durch Theodor Ickler am 24.02.2002, 12.02 –
__________________
Th. Ickler

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Theodor Ickler
19.02.2002 13.42
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Entschuldigung,

Herr Wagner, aber wenn man seit Jahren fast täglich solche Ermunterungen zu lesen und zu hören bekommt, dann wird man wohl ein bißchen überempfindlich und fragt sich: Warum machen die Leute es nicht erst einmal selbst und berichten dann über den Erfolg? Freut mich zu hören, daß Sie schon aktiv sind. Nichts für ungut (demnächst wohl Ungut – wegen der noch weiter gehenden „Systematisierung“)!
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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
19.02.2002 09.51
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Re: Man sollte ...

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Entweder man tut es, oder man läßt es bleiben. Aber solche Absichten hier öffentlich zu verkünden, damit andere sich an die Arbeit machen, ist wohl nicht sonderlich geschickt.

Hiermit möchte ich um Entschuldigung für meine Wortwahl bitten; dies war lediglich als ein Vorschlag gedacht und nicht als dringende Mahnung. Was wissen Sie darüber, Herr Ickler, was ich mache und was nicht? Halten Sie meinen Vorschlag für hilfreich bzw. brauchbar oder nicht? Und wenn irgend jemand ihn für sinnvoll hält, dann kann er/sie doch immer noch selber entscheiden, ob und wie er/sie das wirklich macht. Oder man hält meinen Vorschlag für dummes Geschwätz und macht dann das damit, was man mit allen Diskusionsbeiträgen dieser Art macht (solange das ungefährlich ist): man ignoriert's.
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
19.02.2002 09.40
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Zur 'Vechtaer Konvention'

(genauer: „Vechtaer Variantenempfehlung [VVE]"):

http://www.orthografiereform.de/buch/auszuege/auszuege.html

– geändert durch J.-M. Wagner am 22.02.2002, 10.55 –

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Reinhard Markner
19.02.2002 02.09
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Aussitzer

Die Reformer spielen auf Zeit. Das ist nicht neu, aber selten war es so deutlich zu sehen wie in dem zitierten Anschreiben.

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Matthias Dräger
18.02.2002 19.23
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Kann man Augst und Heller noch beim Wort nehmen?

Würde ein Ingenieur in leitender Stellung für ein von ihm zu verantwortendes Projekt vom Kaliber der Rechtschreibreform nach geraumer Zeit hierüber das sagen, was die Herrn Gerhard Augst und Klaus Heller in ihrem Bericht schreiben:

„(...) und da unter (2) belegt wird, dass bisher vorgeschlagene Alternativen a l l e* ihr Für und Wider haben, (...)“



dann würden in einem gesunden Unternehmen diese Leute, noch bevor der kleine Zeiger auf der Uhr einmal rum ist, ein Schriftstück in der Hand halten mit etwa dem folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Augst,
(und ein gleichlautendes Schreiben erhielte auch ein Herr Heller)
wegen Ihrer Leistungen bei der Vorbereitung und dem Versuch der Durchführung des Projektes xy sehen wir uns leider gezwungen, Sie mit sofortiger Wirkung von Ihren Aufgaben zu entbinden. Wir möchten Sie bitten, Ihren Schreibtisch bis 14:00 zu räumen und alle weiteren Fragen schriftlich mit Herrn ... über unsere Personalabteilung abzuwickeln. Wir danken für Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Deutschland GmbH“



Da die Leistungen der Herren Augst, Heller & Co in den einschlägigen Kreisen längst bekannt sind, sagt die Tatsache, daß diese Leute ungestört weiterwurschteln dürfen, eigentlich nicht mehr viel über sie selbst als vielmehr über das Management der Deutschland GmbH aus.


* Hervorhebung durch md

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Theodor Ickler
18.02.2002 19.18
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Man sollte ...

Entweder man tut es, oder man läßt es bleiben. Aber solche Absichten hier öffentlich zu verkünden, damit andere sich an die Arbeit machen, ist wohl nicht sonderlich geschickt.

Übrigens ist der Befund für zufriedenstellend eindeutig: Duden 2000 hat die Zusammenschreibung noch nicht wieder eingeführt, wohl aber Duden Universalwörterbuch 2001. Die „Beratung“ durch die Kommission hat also schon gewirkt. Der neue Rechtschreibduden von 2002 wird nachziehen.
__________________
Th. Ickler

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J.-M. Wagner
18.02.2002 18.23
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Belege!

Da der 3. Bericht offiziell noch nicht offiziell ist, sich aber abzeichnet, was an „Korrekturen“ vorgenommen werden wird, sollte man die Gelegenheit nutzen und sich – ganz im Sinne des Ausrufs von Herrn Ickler: »Wer hätte nach den ersten Jahren des Umgangs mit der Reform gedacht, daß zufriedenstellend dem Regelwerk entspricht!« – jetzt noch (auf geschickte Weise!) bei den Sprachberatungen von Bertelsman, Duden und dem IDS darüber vergewissern, daß diese Schreibungen nicht regelkonform sind! Wie schön man sie dann wohl in ein paar Monaten in's eigene Messer wird laufen lassen können ... denn die Regeln sollen ja nicht geändert werden!
__________________
Jan-Martin Wagner

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Theodor Ickler
18.02.2002 14.00
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Kommentar (Fortsetzung 2)

Von jetzt an beziehen sich meine Kommentare, wenn nicht anders vermerkt, auf die endgültige Fassung des dritten Berichts, die mir seit heute vorliegt. Übrigens ist diese Fassung, wie ich auf dem Nachrichtenbrett schon gesagt habe, als VERTRAULICH gekennzeichnet. Der erste Bericht trug den Vermerk „Nicht zur Veröffentlichung bestimmt“. So ist das heute in Deutschland: Die Rechtschreibreform ist geheime Verschlußsache, ja Staatsgeheimnis. Das Volk, das sich ja immerhin dieser Neuregelung und allen weiteren orthographischen Entscheidungen der Kommission unterwerfen soll, bekommt nur die letzten Ergebnisse vorgesetzt, aber auch nur dann, wenn es die jeweils neuesten Wörterbücher der Großmächte Bertelsmann und Duden kauft.

Hier nun das Wichtigste aus dem Anschreiben der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung an das KMK-Sekretariat (15. 12. 2001):

(...)

„Dieser Bericht hat in einer Entwurfsfassung den nationalen Beiräten Deutschlands und Österreichs vorgelegen. Die Stellungnahmen sind im Anhang des Berichts abgedruckt, ferner sind Vorschläge, Hinweise und Bewertungen in die Endfassung des Berichts mit eingegangen.
Gerade die Einschätzung der beiden Beiräte hat die Kommission in ihrer Grundeinsicht bestärkt, in diesem Bericht
(1) die Einführung der neuen Rechtschreibung in allen Schreibbereichen genau zu untersuchen und darzulegen (Teil 1) und
(2) die inhaltlichen Hauptkritikpunkte ausführlich zu erörtern und in einem Pro und Kontra vorgeschlagene Alternativlösungen zu diskutieren (Teil 2).
Da der Befund unter (1) zeigt, dass die Einführung der neuen Rechtschreibung noch nicht abgeschlossen ist, und da unter (2) belegt wird, dass bisher vorgeschlagene Alternativen alle ihr Für und Wider haben, hat die Kommission sich entschlossen in diesem Bericht keine Vorschläge zur Veränderung zu machen.
Sie möchte
(1) die Entwicklung weiter beobachten und
(2) die möglichen Veränderungen sorgfältig mit den Beiräten und der Fachwissenschaft wie der Fachdidaktik diskutieren.
Der nächste Bericht Ende 2003 wird dann, falls notwendig, explizite Vorschläge enthalten. Den staatlichen Instanzen bleiben damit bis zum Ende der Übergangszeit (31. Juli 2005) eineinhalb Jahre Zeit, um sich mit den Vorschlägen der Kommission zu befassen und sie ggf. rechtzeitig in Verordnungen umzusetzen.
Bezogen auf den jetzt eingereichten Bericht möchten wir Ihnen noch die Empfehlung des deutschen Beirats weitergeben, den Bericht öffentlich zu machen. Wir möchten unsererseits dazu raten
- dies im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und Schweiz zu tun und
- eine eigene bewertende Einschätzung bzw. mögliche Konsequenzen hinzuzufügen, um so die zu erwartende öffentliche Diskussion zumindest am Anfang zu steuern.“
(...)
(Unterzeichnet von Augst und Heller)


Man achte hier besonders auf den latenten Kampf zwischen dem Beirat, der den Bericht veröffentlichen will, und der Kommission, die das am liebsten verhindern möchte, aber wenigstens die zu erwartende Diskussion „steuern“ (d. h. in gewohnter Weise manipulieren) will. Ein abgekartetes Spiel der Reformer mit der Staatsmacht, wie seinerzeit von Leo Weisgerber ins Auge gefaßt. Mit „gesteuerten Diskussionen“ haben ja auch die Reformer Nerius und Heller aus DDR-Zeiten beste Erfahrungen. Das ist nicht demokratisch und steht auch in krassem Gegensatz zum Votum des Bundestages: „Die Sprache gehört dem Volk.“



Aus der „Stellungnahme“ des deutschen Beirats zum Entwurf des 3. Berichts (Anlage 5):

„Der Beirat versteht sich als beratendes Gremium, das vom Standpunkt der Praxis aus die Vorschläge der Kommission im Hinblick auf Praktikabilität und Akzenptanz überprüft.
Auf der Basis einer fünfstündigen Diskussion des Berichtsentwurfs und unter Einbeziehung zweier schriftlicher Voten gelangt der bundesrepublikanische Beirat zu nachstehender Stellungnahme:

Der bundesrepublikanische Beirat setzt sich mit Nachdruck dafür ein,

1. dass keine grundlegende alternative Regelung von zentralen Komplexen des amtlichen Regelwerks vorgenommen wird, sondern dass die vorhandenen Regeln präzisiert werden.
Diese Präzisierungen sollen ausschließlich auf der Basis des amtlichen Regelwerks erfolgen. Eine 'Reform der Reform' ist weder sachlich begründet noch aus der Sicht der Schreibenden sinnvoll. Trotz der in einigen Punkten divergierenden linguistischen Ansichten darf nicht übersehen werden, dass das Regelwerk in weiten Bereichen eine deutliche Systematisierung vornimmt (z. B. generelle Getrenntschreibung von Infinitiv und Verb). Aufgabe kann es daher nur sein, die vorhandenen Regeln erforderlichenfalls zu präzisieren.

2. dass vor dem Ablauf der Übergangszeit aufgrund unzureichender Erfahrungen keine Präzisierungen am amtlichen Regelwerk vorgenommen werden.
(...)

3. dass langfristig eine behutsame Weiterentwicklung in Richtung auf eine noch stärkere Systematisierung der Regln anzustreben ist.

Ausnahmen erschweren die Erlernbarkeit der Rechtschreibung. Insofern die Sprachgemeinschaft die interiorisierten Regeln per Analogiebildung auf bestehende Ausnahmen ausweitet, ist das Regelwerk an den beobachteten Sprachgebrauch anzupassen. Entsprechende Tendenzen zeichnen sich z. B. bei der Schreibung von Zahladjektiven wie *der Eine, *der Andere und *die Meisten ab.“

Anmerkungen von Th. I.:

Der Beirat ist hauptsächlichen mit denen besetzt, die aus wirtschaftlichem Interesse an der Durchsetzung und Beibehaltung der Reform interessiert sind. Wie schon bei der Mannheimer Anhörung dürften die Statisten vom Deutschen Institut für Normung usw. kaum den Mund aufmachen. Bertelsmann und Duden zeigen, wo es langgeht. So erklärt es sich, daß der Beirat auf jeden Fall verhindern möchte, daß die gesamte Neuregelung noch einmal überdacht und gegebenenfalls zur Disposition gestellt wird. Auch brauchen die Verlage die Zeit bis 2005, damit die gewaltigen Kosten der Umstellung sich amortisieren. Unter diesem Aspekt wird die grotesk anmutende Fiktion aufrechterhalten, es habe bisher noch keine „Präzisierungen“, d. h. Veränderungen gegeben.
Von linguistischem Unverstand zeugt zum ersten der Hinweis auf die Getrenntschreibung von Infinitiv und Verb, denn gerade diese Festlegung beruht auf der unsinnigen Behauptung, zwischen kennenlernen und schwimmen lernen gebe es keinerlei grammatischen Unterschied. Vom selben Schlag ist die Behauptung, die bisherige Kleinschreibung der Zahladjektive sei eine „Ausnahme“. Hier wird in längst überholter, gerade auch vom Reformarbeitskreis zurückgewiesener Weise die Artikelfähigkeit als Kriterium der Wortart Substantiv und damit der Großschreibung zugrunde gelegt.

Der Beirat regt ferner an, den Begriff der Fachsprachlichkeit so auszuweiten, daß es der Sprachgemeinschaft freigestellt ist, die Rote Karte usw. auch wieder groß zu schreiben, ohne daß die Regeln geändert werden müßten.

In dieselbe Richtung zielt der Vorschlag des österreichischen Beirats für Sprachentwicklung (Anlage 6). Er sieht

„in der Frage der Groß- und Kleinschreibung von Nominationsstereotypen nach der Art S/schwarzes Brett die praktikabelste Lösung darin, dass grundsätzlich Kleinschreibung des ersten Bestandteils (Adjektiv) vorgesehen wird, dass es aber keinerlei 'Fehler' sein soll, wenn betroffene Personen (etwa Mitglieder bestimmter Vereine, Interessensvertretungen) ihre jeweiligen Anliegen (z. B. Offenes Lernen, Lebensbegleitendes Lernen, Gelbe Karte) durch Großschreibung kennzeichnen wollen. Das Regelwerk muss sich dazu nicht unbedingt äußern.“

Ebenso möchte der österreichische Beirat „dem Toleranzgedanken, namentlich im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, mehr Raum geben“.

Dies kann man wohl als typisch österreichische Lösung bezeichnen, die den Kenner und Freund unseres Nachbarlandes mit nicht geringer Heiterkeit erfüllen dürfte.

Fazit: Man schreibt in diesen umstrittenen Bereichen wieder so wie früher, tut aber so, als sei alles mit der Neuregelung verträglich. (Wenn bloß die Sternchen – für „neu“ – im amtlichen Wörterverzeichnis nicht wären!)
– geändert durch Theodor Ickler am 20.02.2002, 06.26 –
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Th. Ickler

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