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Vier Viertel Rosso nach Mitternacht
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Reinhard Markner
05.03.2001 12.11
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Nun ja, auch wenn die Definitionsfragen nicht ganz uninteressant sind, so wollte ich letztlich schon wieder auf die Lemmatisierungstechnik zurückkommen. (Das war auch der Hintergrund meines Hinweises auf »Ap(p)art(e)ment«, ich verstand das »aber« nicht, und auch mein »Wahrig« von 1986 half mir nicht weiter, der erklärt beide Schreibungen nämlich für Synonyme.) Solange Sie an der Auffassung festhalten, es handele sich um zwei verschiedene Wörter, können Sie keine meist/selten-Angabe machen. Eine solche wäre aber jedenfalls dem vorreformatorischen Sprachgebrauch allemal angemessen gewesen.
Bei der Aussprache kann ich, sofern man nicht das Vom-Blatt-Lesen meint, keinen Unterschied zwischen den beiden Schreibungen erkennen. Aber die Aussprache ähnelt eher der von »Kunststoff« als der von »Abstand«, so argumentierte ja auch der Grimm-Autor.

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Theodor Ickler
05.03.2001 04.57
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Danke für den ergänzenden Befund! Wir treiben hier ein Stückchen Philologie und Areallinguistik, auch nicht schlecht.
Die Frage, ob ein oder zwei Wörter, scheint mir jetzt ausgereizt, weil es letzten Endes um Definitionsfragen geht. Sie wissen ja, daß manche Linguisten Übereinstimmung von „Ausdrucks- und Inhaltsseite“ fordern, und je nach Entscheidung wird dann ein Wort mit x Bedeutungen oder eben x Wörter mit je einer Bedeutung gefordert usw. usf. – Die einzige interessante Folge ist die Lemmatisierungstechnik in Wörterbüchern.
Mir scheinen die Wörter selbständig und selbstständig wegen der Unterscheidbarkeit der Aussprache und – für den geschulten Blick – auch der Bildungsweise (Stämme) verschiedene Wörter zu sein. Daß sie normalerweise (aber es wäre zu überprüfen!) nicht im selben Text vorkommen, ließe sich durchaus erklären. Sie gehören eben verschiedenen Idiolekten an, wie übrigens viele Synonyme, die man gleichwohl rezeptiv als solche erkennt. Daß „eine Sprache viele Sprachen“ ist (Wandruszka), betrifft ja vor allem die rezeptive Seite, d. h. die vielen einander überlappenden Subsysteme werden weniger aktiv verwendet als verstanden (wozu ebenfalls Wandruszka geschätzt hat, daß das Verhältnis von Benutztem zu Verstandenem etwa im Bereich 1:1000 liegen dürfte).
Also ich sehe insgesamt jetzt nicht mehr, was über die Aufklärung des besonderen Falles hinaus noch dabei herauskommen sollte, wenn ma die Frage „ein Wort oder zwei?“ weiterverfolgt.
Betrüblich ist natürlch, daß wir jetzt hier und in anderen Fällen keinen emprischen Befund mehr erheben können, der nicht durch die Reform systematisch verzerrt wäre. Auch mir fiel auf, daß Radiosprecher beim Ablesen von der neuen Getrenntschreibung beeinflußt sind, zum Teil ganz ungewöhnliche Betonungen setzen usw.
Für mich selbst ist ein wenig mißlich, daß ich erstens gegen die Reform bin, zweitens für die Existenzberechtigung von „selbstständig“, drittens seit je wahrheitsgemäß behaupte, daß die Reform überhaupt nichts mit „selbstständig“ zu tun hat, sondern daß diese Lemmatisierungsentscheidung nur beiläufig im Zuge der Erstellung des Wörterverzeichnisses getroffen wurde, wobei viertens die Reformer zwar zu Unrecht ein Sternchen setzten, aber gewissermaßen auch wieder mit Recht, weil es durchaus eine Neuerung gegenüber der früheren Staatsorthographie, wenn auch keine orthographische Neureung ist ... Das versteht natürlich keiner (außer Ihnen).

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Reinhard Markner
04.03.2001 23.09
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Das ausgezeichnete Online-Archiv der Wiener »Presse« streikt leider bei mehr als 500 Treffern, also habe ich den Zeitraum noch einmal eingegrenzt und bin schließlich auf ein Verhältnis von 373:15 zugunsten von »andererseits« gekommen. Das bewegt sich also in einem ähnlichen Bereich wie bei den bundesdeutschen Zeitungen.
Billy Wilders herrlicher Film „The Apartment“ wurde 1960 in deutscher Synchronisation als »Das Appartement« herausgebracht. Das war dann offenbar falsch, denn es geht ja um eine Wohnung! Unerhört.
Bliebe aber immer noch die Frage, ob nicht das mögliche Nebeneinander von Synonymen in einem Text notwendige Bedingung dafür ist, sie als eigenständige Wörter anzuerkennen. Ich meine weiterhin : ja. Mißtrauisch stimmt mich zudem, daß es sich bei »selb(st)ständig« und »ander(er)seits« um wirklich vollkommen synonyme Varianten handelt, will sagen : sie sind noch weitaus synonymer als beispielsweise »lila« und »violett«.

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Theodor Ickler
04.03.2001 17.31
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Schöne Befunde! Ich füge hinzu:

SZ 1995: anderseits 47mal, andererseits 1978mal

In Hermann Pauls Wb. steht auch „anderseits – heute bes. schweiz. österr.“

War mir bisher nicht bewußt, vielen Dank für die Anregung!
__________________
Th. Ickler

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Reinhard Markner
04.03.2001 16.45
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Helvetismus ?

NZZ, Zürich
anderseits 469
andererseits 219

Die Welt, Berlin
anderseits 94
andererseits 3996

Die Presse, Wien
anderseits 142
andererseits > 500

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Reinhard Markner
04.03.2001 16.30
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Geltung

Daß »anderseits« nicht als zulässig »gelte«, meinte ich natürlich nicht im Sinne irgendeiner verbindlichen Regelung, sondern im Hinblick auf mein Sprachgefühl, und zwar vor dem Hintergrund eines konkreten Vorfalls : Einem Schweizer Autor habe ich mal »anderseits« in »andererseits« korrigiert, und der regte sich daraufhin auf und meinte, man schreibe ja auch nicht »einererseits«. Darauf antwortete ich ihm, man schreibe aber nun mal der »eine« und nicht der »einere«. Ich hatte seine Schreibweise schlicht für einen Tippfehler gehalten und fragte dann noch ein wenig in meiner Umgebung herum. Allen kam »anderseits« ungebräuchlich vor, und ich habe daraus geschlossen, daß es sich vermutlich um einen Helvetismus handele.

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Walter Lachenmann
04.03.2001 14.57
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Ich warte schon viele Viertel Stunden...

Lieber Herr Ickler,

Wenn das Mobbing rum ist, soll es mich freuen.

mit Ihnen zu diskutieren bereitet ein eigentümliches Vergnügen. Sie bringen es fertig, in einen einzigen Atemzug vernichtendsten Widerspruch und beglückendste Bestätigung unterzubringen. Das muß man nur merken. Als Wunderknabe merke ich es natürlich, im Gegensatz vielleicht zu anderen.


Bessere Fragen sind: Wie gebraucht man das? Wo kommt das her? Was ist der Unterschied? (Quelle est la différence – die klassische Frage der Synonymik!) Usw. – und die typische Reaktion muß werden: Wie interessant! – statt Wie denn nun?)

Sie haben gespickt! Das wollte ich als nächstes sagen. Das haben Sie bei mir abgeschrieben! Ich könnte Ihnen den Zettel noch zeigen, wenn er nicht weg wäre. Also, nichts wie ran: Aber bei selbstständig vs. selbständig finde ich so eine Frage nicht beantwortet.

Aus einem Rechtschreibwörterbuch wird man nie besonders viel lernen können

Kopfnuss!

schon eher aus einem „Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten“. Ein solches plane ich ja
ebenfalls ...


Hurra!
Oder, in der Sprache der Linguisten: HOURRA s.a. HURRAH – quelle est la différence?

Das eine tun, das andere nicht lassen.

Und immer noch hat mir keiner gesagt, was an »Sie wartete eine Viertel Stunde« falsch ist.

So langsam geht der Rosso aus.

__________________
Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
04.03.2001 14.12
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Nein und nochmals nein!

Lieber Herr Lachenmann,
während ich Herrn Markner schrieb, haben Sie ebenfalls etwas verfaßt, und ich will auch Ihnen antworten. Den Wunderknaben nehme ich Ihnen gern ab, aber als Vox populi sehe ich Sie nicht an. Und bitte merken Sie sich ein für allemal: Geld spielt bei uns überhaupt keine Rolle, wir haben's ja! Und vor böswilliger Kritik habe ich sowieso keine Angst.
Und was wollen Sie denn immer noch mit Ihrem Gejammer über Mobbing usw. – wo wir doch schon lange wieder ganz friedlich am Tisch sitzen und beide Hände auf der Tischkante haben!

Nun zur Sache: Wirklich bescheuert käme ich mir vor, wenn ich auf die Frage „Was ist denn nun richtig – selbständig oder selbstständig, anderseits oder andererseits?“ antworten würde: dies ist richtig, jenes falsch – ja wenn ich auf eine so bescheuerte Frage überhaupt nur eingehen würde. Man müßte dem Fragesteller liebreich entgegnen: Mein Freund, du weißt nicht, wovon du sprichst. Unsere Mutter Sprache hat viele Wohnungen. Dem deutschen, lexikographisch zurückgebliebenen Volk die dämliche Untertanenfrage „Wie denn nun?“ abzugewöhnen ist eine der dringendsten volkspädagogischen Aufgaben. (Bessere Fragen sind: Wie gebraucht man das? Wo kommt das her? Was ist der Unterschied? (Quelle est la différence – die klassische Frage der Synonymik!) Usw. – und die typische Reaktion muß werden: Wie interessant! – statt Wie denn nun?)

Aus einem Rechtschreibwörterbuch wird man nie besonders viel lernen können, schon eher aus einem „Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten“. Ein solches plane ich ja ebenfalls – habe ich das hier schon mal erwähnt? Es heißt ganz klassisch „Antibarbarus“ (Arbeitstitel). Das Programm habe ich schon lange in der Schublade, auch schon mal vor sehr langer Zeit veröffentlicht. Meine Studenten werden mir diesen Sommer behilflich sein, das Konzept weiter auszuarbeiten.

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Theodor Ickler
04.03.2001 13.51
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Nochmals zu "selbst" (und "ander")

Lieber Herr Markner,
es freut mich, daß Sie nun schon halb überzeugt sind (andere Quellen, vor allem eine Bestandsaufnahme des Mündlichen, würden noch besser wirken). Es ist, wie auch die historischen Wörterbücher (auch der GRIMM, aus dem ich ja nur auszugsweise zitierte) berichten, einfach si, daß der alte Stamm „selb-" nicht mehr für Neubildungen verwendet wurde, sondern die Weiterentwicklung „selbs-", dann „selbst“. (Ein bißchen merkwürdig und kaum vorhersagbar, aber so ist der Mensch nun mal.) Ähnlich beim Stamm „ander-"; an seine Stelle trat die flektierte Form „anderer“ in „andererseits“ – deutliches Merkmal jüngerer Bildungen. Die regionalen Beschränkungen, die Sie erwähnen, kenne ich bisher nicht, sie sind auch im Duden (Bd. 1 ud Bd. 9) nicht erwähnt, sondern es gilt beides als austauschbar. Aber nun, lieber Herr Markner, kriegen Sie eine Lachenmannsche Kopfnuß: Was meinen Sie denn mit „gilt als“? Referieren Sie damit irgendeinen Dudenband (der, sofern er nicht die Orthographie betrifft, ja nicht einmal im KMK-Sinne verbindlich ist, geschweige denn im Sinne der hier versammelten Gemeinde freier Menschen)? Oder beschreiben Sie eine Ihnen anderweitig zugängliche Norm? Ich denke, wir müssen uns grundsätzlich von solchen Einstellungen befreien, womit ich natürlich nicht die Existenz von Normen und Geltungen leugnen will. Aber man müßte sie jeweils erst ermitteln. Manches ist klar: man sagt nicht „Scheißhaus“ oder „pissen“, wenn man in gesitteter Gesellschaft nach der Toilette fragt. Anderes ist fraglicher. Bei „anderseits“ sind erhebliche Anstrengungen vorhersehbar. Ich schaue später mal in die Zeitungs-CDs.
Was die „Apartments“ (engl.) und „Appartements“ (frz.) betrifft, so werden sie heute manchmal verwechselt, wie auch der Duden Bd. 9 richtig feststellt, aber für viele Menschen ist der Unterschied immer noch klar: „gut ausgestattete kleine Mietwohnung“ vs. „Hotelsuite“.

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Walter Lachenmann
04.03.2001 13.42
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Widerrede

Lieber Herr Ickler, lieber Herr Markner, lieber Herr Riebe (alphabetische Reihenfolge)

Die Diskussionen über selbst-ständig usw. finde ich ja auch sehr interessant. Ich möchte solche Diskussionen auf diesen Seiten gar nicht missen, auch wir nicht Nichtlinguisten lernen viel dabei. Unerfreulich ist dabei die Begleitmusik persönlicher Art. Überall lauern Mobbing, Konspiration, Diffamierung – das ist doch Quatsch und hat hier nichts zu suchen. Und wo die Gefahr solcher Animositäten besteht, kann man sie schüren oder dämpfen, also einfach Vernunft walten lassen.

»Nicht so wichtig« – wenn auch interessant – sind solche sprachlichen Details, über die man offensichtlich trefflich streiten kann, für denjenigen, der sich schlichtweg gegen die Zerstörung der gewachsenen Sprache und deren Schreibung wehrt.

Problematisch an einer neuen Darstellung der gewachsenen Schreibordnung (Rechtschreibung ist vielleicht in vielen Fällen ein unpassendes Wort) scheint mir zu sein, daß einerseits eine wissenschaftliche Unbeflecktheit geleistet werden will, andererseits der unwissenschaftliche Schreibende in einer solchen Darstellung schnell und ohne große weitere Fragestellungen Rat und Antwort finden soll.

Insofern bin ich mit Herrn Riebe weitgehend einig, ohne mich in sprachwissenschaftliche Argumentationen einlassen zu wollen, denn davon verstehe ich nichts. Aber das Beispiel

selbständig s.a. selbstständig
bzw.
selbstständig s.a. selbständig

ist auch nach meiner Ansicht unbefriedigend.

Das mag man vom Konzept her begründen können, aber für den Nutzer wirkt das bescheuert. Die Frage drängt sich auf: Na was denn nun? Und wer solche unbefriedigenden Auskünfte öfter bekommt, findet das Buch schlecht und sucht sich ein »besseres« – was auch immer das dann sein mag.

Die Frage »Na was denn nun?« drängt sich bei Icklers Wörterbuch auch an anderen Stellen auf, und hier wird sich die Kritik, gerade die böswillige, mit Wonne einhaken. Ich wiederhole hier auch nochmals meine ganz energischen Zweifel an der Sprach- und Schreibmündigkeit, die Herr Ickler freundlicherweise bei den Deutschen für gegeben hält, und die seinen liberalen Ansatz tatsächlich rechtfertigen würde, wenn er recht hätte.

Aber die Schubladen werden ja noch aufgeräumt. Und die Idee mit den farbigen Bögchen würde ich als Verleger sofort aufgreifen, die ist absolut genial. Dann bekäme das Buch auch Farbe und Leben, die Farbe könnte man auch für andere Hilfestellungen nutzen, und so könnte das zu einem richtigen Beschäftigungsbuch werden, in dem man gerne schmökert und dabei vieles über die Sprache lernt und mit ihr bewußter und freudiger umgeht. Kosten spielen keine Rolle, behaupte ich einfach so. Gesponsert werden muß das Unterfangen vermutlich sowieso, und ein farbenfrohes, unterhaltsam gestaltetes Buch verkauft sich allemal leichter als das jetzige brave, aber auch leicht fade »Rechtschreibwörterbuch«, da kommt das Geld dann wieder herein.

Der neue Duden hat ja einen Schönheitspreis bekommen, aber daß sich mit dem Monstrum jemand gerne beschäftigt, ist kaum vorstellbar. Dem kann man aber doch etwas entgegenhalten! Und wenn die Bevölkerung tatsächlich so vehement gegen die neuen Regeln ist, wird sie sich auf ein neues Wörterbuch, das die vertrauten Regeln darstellt und auch noch eine vergnügliche Lektüre ist, regelrecht stürzen.



__________________
Walter Lachenmann

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Reinhard Markner
04.03.2001 12.31
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Lieber Herr Ickler,

da wir in der »Sprachwelt«, zweifellos zum Mißvergnügen von Herrn Lachenmann, augenscheinlich immer weiter in die rechte Ecke getrieben wurden, mache ich an dieser Stelle weiter.
Was das Vorkommen von »selbstständig« angeht, so haben Sie mich überzeugt ; es scheint häufiger zu sein als ich gedacht hätte. Daß es vor 1901 gängig war, wußte ich. (Übrigens habe ich mir die 2001-CD auch besorgt und dort letztens den Beleg für »Zeitlang« bei Schopenhauer gefunden. Aber Vorsicht ! Die meisten Texte auf der CD entstammen nicht historisch-kritischen, sondern lediglich kritischen Ausgaben.)
Daß hier der Schreibung mit den beiden »st« ein Unrecht widerfahren ist, sehe ich ein. Es handelt sich offenbar um den Fall eines Verbozids. Daß diese eliminatorische Linguistik nie völlig obsiegt hat, kann einen ja hoffnungsfroh für all die von Augst, Zabel und Co. für inexistent erklärten Wörter stimmen.
Was nun aber den gewissermaßen selbständigen Wortstatus von beiden Varianten angeht, so haben Sie mich (noch) nicht überzeugt, auch nicht mit dem Hinweis auf »ander(er)seits«. Ein sorgfältiger Schreiber wird auch in diesem Falle zwischen einer der beiden Schreibungen wählen müssen (wobei die Wahl nicht ganz frei ist, denn außerhalb der Schweiz gilt »anderseits« nach meinem Eindruck als unzulässige Haplo[lo]gie).
Ich sehe, um das noch nachzutragen, auch keinen so eindeutigen semantischen Unterschied (ehrlich gesagt sehe ich gar keinen), daß die Verwendung von »Apartment« und »Appartement« in einem Text denkbar wäre (zum Beispiel in der Anzeige eines Maklers : »Häuser, Apartments und Appartements zu vermieten«). Die Wortbildung ist unterschiedlich, in diesem Falle in etymologischer Hinsicht, aber das Ergebnis kann (muß ?) man trotzdem als Schreibvarianten betrachten.

Lieber Herr Lachenmann,

so unwichtig ist das doch nicht !
Es geht immerhin um die Fragen
-- wann ist ein Wort ein Wort ?
-- wann ist ein Wort obsolet ?
-- welche Wörter / Schreibungen verdienen einen Eintrag im »Ickler«, und wie soll das Verweissystem aussehen (»s.«, »s. a.«, »(vgl.) aber« u. s. w.) ?
-- welche Macht haben Lexikographen ?
Die Diskussion mit Frau Dr. Menges ist / war nicht völlig uninteressant, da haben Sie recht, aber Sie ist / war fruchtlos, da habe ich recht. Keine Widerrede !

Was übrigens Herr Kürschner so schreibt, ließe sich mit Herrn Riebe als »Beliebigkeitsdenken« charakterisieren.[Geändert durch Reinhard Markner am 05.03.2001, 13:34]

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Walter Lachenmann
04.03.2001 08.58
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Von Foppern und Mobbern

»Wer sich zur Gemeinde Jesu Christi zählt, der kann nicht anders, als sich offen zu seinem Glauben zu bekennen, falsche Gerüchte zurückzuweisen, sich vor den abgekanzelten Kollegen zu stellen.«


Dies war das Wort zum Sonntag.

Jetzt ist Montag. Mir wurde von einem guten Freund ein Zettelchen zugesteckt mit der Frage, warum ich denn den Diskussionsstrang angefangen habe, wenn ich ihn gleich wieder mit »Schluß jetzt« abwürgen wolle.

Da wurde etwas falsch verstanden. Die Diskussion über »selbständig« oder »selbstständig« fand ja an einer andern Stelle statt. Sie ist auch bis zu einem gewissen Grade ganz interessant. Aber das Thema »Vier Viertel Rosso« wollte diese Diskussion nicht an einer neuen Stelle weiterführen, sonst hätte das Thema anders gelautet.

Herr Markner hat das zurechtgebogen. Es geht um den Diskussionsstil. Auch um den Sinn einer solchen Diskussion. Und natürlich kann man auch mit Frau Menges diskutieren, warum nicht? Für mich ist dabei immer interessant, daß man in die Köpfe hineinschauen kann. An anderer Stelle habe ich das schon einmal gesagt: Es ist gut zu wissen, aus welchen Motivationen heraus die Menschen so oder so denken, warum etwa Frau Menges für eine Reform ist. Wenn dann diese Begründungen nicht überzeugend sind, dann gibt das umso mehr Sicherheit für die eigene Position, und das Formulieren der eigenen Position schärft die Gedanken, denn etwas schlüssiger und auch formal schöner möchte man ja doch argumentieren, als so manch einer.

Andrerseits, und damit wären wir beim »Wort zum Sonntag«, kann man sich auch aufeinander einschießen und damit nicht aufhören wollen, auch wenn man inzwischen selbst gemerkt haben muß (denn im hier angesprochenen Falle handelt es sich doch um 2 – in Worten zwei – intelligente Menschen – Ruhe jetzt, Ihr beiden; doch, der andere ist auch ganz intelligent!), die im Grunde fast dasselbe sagen, nur in Details, die aufs Ganze gesehen gar nicht so wichtig sind, unterschiedliche Ansichten haben. Mir fallen hier wieder meine beiden bockigen Töchter ein, die Älteren unter uns wissen noch, wovon ich rede. Die eine sagt: »die X tut sich immer so dicke«, die andere sagt: »die Y ist immer so frech und haut mich immer«. Die eine sagt: »X will einfach nicht kapieren, was ich meine, und dreht mir das Wort im Munde herum«, die andere sagt:» Y will mich mobben, ich bin ein abgekanzelter Kollege, ich bekenne mich zu meinem Glauben, und ein rechter Christ muß sich vor mich stellen.«

Kinder, Kinder!

Ich kann es nur wiederholen. Wenn ich als Laie das Anliegen sowohl der einen als auch der anderen Seite verstehe, dann müßte es doch den beiden Kontrahenten, die sicherlich in der Sache kompetenter sind als ich, mit etwas gutem Willen möglich sein, so miteinander so reden, daß die Positionen ohne persönliche Verletzungen deutlich werden. Dann könnte auch deutlich werden, wo die Meinungsunterschiede bleiben, damit kann man unter vernünftigen Leuten ja leben, und wo man sich ohnehin soweit einig ist, daß es nur um die Formulierung oder die praktische Umsetzung geht.

Und wenn man das nicht kann, dann ist es das beste, man geht sich für eine Weile aus dem Weg, damit man sich wieder vertragen kann, wenn es darum geht, die doofen Jungs aus der Mannheimer Straße zu verprügeln.

[Geändert durch Walter Lachenmann am 05.03.2001, 10:02]
__________________
Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
04.03.2001 08.03
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Eine Einzelheit wie „selbstständig“ sachgerecht durchzudiskutieren und dabei auch geschichtliche Hintergründe ans Licht zu heben,die merkwürdig genug sind, scheint mir durchaus sinnvoll. Nicht hier, sondern unter „sprachwelt“ habe ich mich nach langer Geduldsprobe zu ein paar deutlicheren Worten aufgerafft, weil es auf die Dauer wirklich nicht zu ertragen ist, von immerhin namhaften und wertgeschätzten Mitstreitern in nachlässigster Weise falsch zitiert und dann bekrittelt zu werden. Aber nun soll es damit sein Bewenden haben.

(Nachwort für Herrn Lachenmann: Ihre pastoralen Bemühungen sind zwar wie immer amüsant zu lesen, aber trotzdem ein bißchen daneben. Wahrscheinlich liegt das an der fixen Idee unserer Zeit, eine Diskussion ohne Moderator sei gar nicht möglich. Man müßte einmal untersuchen, wie es dazu gekommen ist. Jedenfalls führt es dazu, daß am Ende außer Spesen nix gewesen ist. So ging auch die Rechtschreibreform aus allen allzu „ausgeglichenen“ Debatten ungeschoren hervor – und wurde weiter durchgesetzt. Zum Beispiel gleich der ziemlich staatstragende Blumenorden hier in Nürnberg: hat mehrmals drüber reden lassen und auch selbst salbungsvoll geredet, und getan wurde nichts – tolle „Sprachpfleger“! Wo es „ruhig und gelassen“ zugeht, siegt am Ende immer der Ungeist, hinter dem Macht und Geld stehen. Kurzum, wir brauchen keinen Friedensstifter, sondern schlagen und vertragen ganz ohne.)

Zur allgemeinen Erbauung möchte ich die neue Woche mit zwei Zitaten aus einem Aufsatz unseres Freundes Wilfried Kürschner beginnen, der ja die RR nicht nur befürwortet, sondern auch vermarktet.

Nach einer harschen Kritik an der Inkonsequenz von Haupt- und Nebenvarianten-Zuordnung im amtlichen Regelwerk faßt er zusammen:

„Die technisch-handwerkliche Schlampigkeit der Ausführung des Wörterverzeichnisses (und in Teilen auch des Regelteils) des amtlichen Regelwerks bedürfte einer gesonderten Darstellung. Sie sind auf jeden Fall kein Ruhmesblatt germanistischer Lexikografie.“

Freilich nicht, aber man sollte auch die Ursache nennen: Die Reformer, besonders Klaus Heller, waren ja längst mit dem Abfassen privater Reformschriften beschäftigt, während sie auftragsgemäß das amtliche, immer noch nicht veröffentlichte Regelwerk redigieren sollten.

Gegen Ende seines Aufsatzes macht Kürschner weitergehende Vorschläge:

„Vereinheitlichende Regelungen sind nicht nur bei Fremdwortschreibungen vonnöten, sondern auch bei Variantenschreibung einheimischer Wörter wie z.B. Stendel(wurz)(Hf.)/Ständel(wurz)(Nf.), Schenke/Schänke. Hier empfehle ich, dem Prinzip der Stammschreibung zu folgen und z.B. Ständel(wurz) zu schreiben (Ständel gehört zu Ständer). Wenn das Prinzip der Stammschreibung zu keinem eindeutigen Erebnis führt – Schenke stellt sich zu (aus)schenken, Schänke zu (Aus)schank –, empfehle ich, einem Prinzip, das ich „Deutschschreibung“ nenne, zu folgen: Die Schreibung mit dem Umlautbuchstaben ä ist typisch(er)deutsch, also sollte Schänke bevorzugt werden.“

(Wilfried Kürschner: „Fremdwort-Variantenschreibung“. in: Sprachspiel und Bedeutung. Fs. für F. Hundsnurscher zum 65. Geb. Tübingen 2000)

Leider äußert sich Kürschner nicht näher über das bekannte Problem, daß Hunderte von weiteren Wörtern darauf warten, mit ä geschrieben zu werden. „Spängler“ (von Spange), „Häu“ (von hauen) usw. War es wirklich „vonnöten“, „Stendelwurz“ zu ändern, ein sehr seltenes Wort, das kaum jemand und gewiß kein Schüler je schrieb und daher auch nicht falsch schrieb? Irgendwann muß Augst auf die pikante Tatsache gestoßen sein, daß man nach dem Genuß dieser Pflanze nach mittelalterlicher Volksmedizin einen „Ständer“ bekommt (wie heute von Viagra), und das war der einzige Grund, in diesem entlegenen Bereich des Wörterbuchs tätig zu werden.
Gegen die Schreibweise „Schänke“ habe ich nichts einzuwenden (natürlich nur als Variante), aber nicht wegen des Prinzips der „Deutschschreibung“, sondern weil es seit Jahrzehnten an ländlichen Gasthäusern zu lesen ist.
Das Prinzip der „Deutschschreibung“ regt zu mancherlei Phantasien an. Das "ä" ist zwar wie alle Umlautbuchstaben ziemlich deutsch, aber die tyische Wiedergabe des kurzen ä im Deutschen ist zweifellos „e“. Stammschreibung wird zu Recht als systematischer Verstoß gegen diese Grundregel (aus der Schicht der Laut-Buchstaben-Zuordnung) eingeführt. Kürschner setzt sich auch für „Fonem“, Biografie“ usw. ein, aber mit dem Argument, solche Entsprechungen griechischer Buchstaben seien in der ganzen Romania (außer Frankreich) üblich. Nun, aber typisch deutsch war bisher gerade gegenüber der Mehrzahl der europäischen Sprachen (aber wie im Frz. und Engl.) die Beibehaltung von th und ph in Wörtern griechischer Herkunft. Je deutscher, desto weniger deutsch ... Na, wie gesagt, das sind bloß so Randbemerkungen. Vielleicht sollte man diese Woche zur „Woche der Deutschschreibung“ erklären, um das Problem einer Lösung näherzubringen.[Geändert durch Theodor Ickler am 05.03.2001, 10:39]

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Reinhard Markner
04.03.2001 01.05
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Produktivität

Man kann über »selb(st)ständig« auch streiten, ohne aufeinander rumzuhacken. Wenn es nur darum ginge, gegen die RR zu sein, bräuchten wir ja gar keine Diskussion. Allemal fruchtloser ist der Streit mit intellektuell unterbelichteten Leuten wie Frau Dr. Menges.

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Matthias Dräger
03.03.2001 13.17
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Bitte beim Thema bleiben!

Ich möchte dem freundlichen „Ordnungsruf“ von Herrn Lachenmann beipflichten: Gegen eine produktive Auseinandersetzung ist nichts einzuwenden, wir sollten aber achtgeben, uns nicht allzusehr im Detail zu verlieren. Es kommt doch auf die große Linie an – schließlich wollen wir in erster Linie die Rechtschreibreform beenden, oder?
Und in diesem Zusammenhang: Ich wäre Herrn Riebe dankbar, wenn er irgendwie dafür sorgen könnte, daß das Material über die Zunahme der Feher selbst bei Lehramtskandidaten (Tonbandmitschnitt des Vortrags von Prof. Marx bei der Mitgliederversammlung des VRS in Aschaffenburg) uns zugänglich machen könnte. Ich war mir schließlich auch nicht zu schade, die teilweise nicht gerade knappen Ausführungen von Prof. Bierwisch und Dieckmann von der Pressekonferenz in Berlin am 1. 9. 2000 vom Band abzuschreiben (die hochinteressanten Beiträge stehen im Nachrichtenarchiv).
Ich sage das nicht ohne Grund: Wir können diese Unterlagen sehr gut gebrauchen, u. a. für die Berufungsverhandlung vor dem OVerwG Mainz (siehe auch unter Dokumente, Gerichtsurteile, mein Beitrag von heute).[Geändert durch Mädchenfüralles am 05.03.2001, 11:36]

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