Eine Einzelheit wie selbstständig sachgerecht durchzudiskutieren und dabei auch geschichtliche Hintergründe ans Licht zu heben,die merkwürdig genug sind, scheint mir durchaus sinnvoll. Nicht hier, sondern unter sprachwelt habe ich mich nach langer Geduldsprobe zu ein paar deutlicheren Worten aufgerafft, weil es auf die Dauer wirklich nicht zu ertragen ist, von immerhin namhaften und wertgeschätzten Mitstreitern in nachlässigster Weise falsch zitiert und dann bekrittelt zu werden. Aber nun soll es damit sein Bewenden haben.
(Nachwort für Herrn Lachenmann: Ihre pastoralen Bemühungen sind zwar wie immer amüsant zu lesen, aber trotzdem ein bißchen daneben. Wahrscheinlich liegt das an der fixen Idee unserer Zeit, eine Diskussion ohne Moderator sei gar nicht möglich. Man müßte einmal untersuchen, wie es dazu gekommen ist. Jedenfalls führt es dazu, daß am Ende außer Spesen nix gewesen ist. So ging auch die Rechtschreibreform aus allen allzu ausgeglichenen Debatten ungeschoren hervor und wurde weiter durchgesetzt. Zum Beispiel gleich der ziemlich staatstragende Blumenorden hier in Nürnberg: hat mehrmals drüber reden lassen und auch selbst salbungsvoll geredet, und getan wurde nichts tolle Sprachpfleger! Wo es ruhig und gelassen zugeht, siegt am Ende immer der Ungeist, hinter dem Macht und Geld stehen. Kurzum, wir brauchen keinen Friedensstifter, sondern schlagen und vertragen ganz ohne.)
Zur allgemeinen Erbauung möchte ich die neue Woche mit zwei Zitaten aus einem Aufsatz unseres Freundes Wilfried Kürschner beginnen, der ja die RR nicht nur befürwortet, sondern auch vermarktet.
Nach einer harschen Kritik an der Inkonsequenz von Haupt- und Nebenvarianten-Zuordnung im amtlichen Regelwerk faßt er zusammen:
Die technisch-handwerkliche Schlampigkeit der Ausführung des Wörterverzeichnisses (und in Teilen auch des Regelteils) des amtlichen Regelwerks bedürfte einer gesonderten Darstellung. Sie sind auf jeden Fall kein Ruhmesblatt germanistischer Lexikografie.
Freilich nicht, aber man sollte auch die Ursache nennen: Die Reformer, besonders Klaus Heller, waren ja längst mit dem Abfassen privater Reformschriften beschäftigt, während sie auftragsgemäß das amtliche, immer noch nicht veröffentlichte Regelwerk redigieren sollten.
Gegen Ende seines Aufsatzes macht Kürschner weitergehende Vorschläge:
Vereinheitlichende Regelungen sind nicht nur bei Fremdwortschreibungen vonnöten, sondern auch bei Variantenschreibung einheimischer Wörter wie z.B. Stendel(wurz)(Hf.)/Ständel(wurz)(Nf.), Schenke/Schänke. Hier empfehle ich, dem Prinzip der Stammschreibung zu folgen und z.B. Ständel(wurz) zu schreiben (Ständel gehört zu Ständer). Wenn das Prinzip der Stammschreibung zu keinem eindeutigen Erebnis führt Schenke stellt sich zu (aus)schenken, Schänke zu (Aus)schank , empfehle ich, einem Prinzip, das ich Deutschschreibung nenne, zu folgen: Die Schreibung mit dem Umlautbuchstaben ä ist typisch(er)deutsch, also sollte Schänke bevorzugt werden.
(Wilfried Kürschner: Fremdwort-Variantenschreibung. in: Sprachspiel und Bedeutung. Fs. für F. Hundsnurscher zum 65. Geb. Tübingen 2000)
Leider äußert sich Kürschner nicht näher über das bekannte Problem, daß Hunderte von weiteren Wörtern darauf warten, mit ä geschrieben zu werden. Spängler (von Spange), Häu (von hauen) usw. War es wirklich vonnöten, Stendelwurz zu ändern, ein sehr seltenes Wort, das kaum jemand und gewiß kein Schüler je schrieb und daher auch nicht falsch schrieb? Irgendwann muß Augst auf die pikante Tatsache gestoßen sein, daß man nach dem Genuß dieser Pflanze nach mittelalterlicher Volksmedizin einen Ständer bekommt (wie heute von Viagra), und das war der einzige Grund, in diesem entlegenen Bereich des Wörterbuchs tätig zu werden.
Gegen die Schreibweise Schänke habe ich nichts einzuwenden (natürlich nur als Variante), aber nicht wegen des Prinzips der Deutschschreibung, sondern weil es seit Jahrzehnten an ländlichen Gasthäusern zu lesen ist.
Das Prinzip der Deutschschreibung regt zu mancherlei Phantasien an. Das "ä" ist zwar wie alle Umlautbuchstaben ziemlich deutsch, aber die tyische Wiedergabe des kurzen ä im Deutschen ist zweifellos e. Stammschreibung wird zu Recht als systematischer Verstoß gegen diese Grundregel (aus der Schicht der Laut-Buchstaben-Zuordnung) eingeführt. Kürschner setzt sich auch für Fonem, Biografie usw. ein, aber mit dem Argument, solche Entsprechungen griechischer Buchstaben seien in der ganzen Romania (außer Frankreich) üblich. Nun, aber typisch deutsch war bisher gerade gegenüber der Mehrzahl der europäischen Sprachen (aber wie im Frz. und Engl.) die Beibehaltung von th und ph in Wörtern griechischer Herkunft. Je deutscher, desto weniger deutsch ... Na, wie gesagt, das sind bloß so Randbemerkungen. Vielleicht sollte man diese Woche zur Woche der Deutschschreibung erklären, um das Problem einer Lösung näherzubringen.[Geändert durch Theodor Ickler am 05.03.2001, 10:39]
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