Manfred Bissinger / Herausgeber
Persönliche Erklärung
WOCHE-Mitbegründer Manfred Bissinger zur Einstellung der Wochenzeitung
Die WOCHE war ein journalistisches Projekt. Kein Nischenprodukt und auch keine Marketing-Idee. Natürlich
wollten alle (Verlag und Redaktion) mit ihr auch Geld verdienen wir glaubten an gute Auflagen und damit
auch an ein gutes Anzeigengeschäft. Vor allem aber waren wir uns sicher, dass so ein Blatt notwendig wäre und
von den Leserinnen und Lesern auch gesucht würde.
Als wir starteten hatten wir unendlich viele gute Ideen. Nachträglich gesehen, haben wir uns vielleicht zu viel
vorgenommen. Eine Zeitung als Quadratur des Kreises. Womöglich zu gewöhnungsbedürftig für den Markt.
Stil bildend wollten wir sein und waren es dann auch im Auftritt, in den Inhalten, in der Freude, eigene
Meinungen zu haben. Auch bei der Aufbereitung von Artikeln konnten wir mit extremer Leserfreundlichkeit
neue Maßstäbe setzen.
Farbig wollten wir daherkommen für Zeitungen mit seriösen Inhalten zum Zeitpunkt unserer Geburt 1993 ein
völlig ungewohntes Outfit. Heute ist er längst selbstverständlich. Ohne Farbe lebt keine Zeitung mehr. Dem
Journalismus hat dies wie so oft befürchtet nicht geschadet.
Personen interessierten uns oft mehr noch als die Strategien. Mit der Seite 3 schufen wir das Porträt der
Woche eine Institution, wie sie keine andere Zeitung zuvor verwirklicht hatte.
Im Zweifel bekannte die Zeitung sich auch zu Menschen, gelegentlich selbst zu Politikern. Roman Herzog war
für uns der richtige Präsident, für ihn setzten wir uns ein; auch für Gerhard Schröder, als Mann, der Helmut
Kohl ablösen könnte.
Als Darstellungsform war vieles gewünscht und erlaubt: Die Analyse, der Kommentar, der Leitartikel, die
Reportage, der Report, das Gespräch und das Interview. Selbst den Comic als Ausdrucksmittel unserer Zeit
führten wir ein. Manchen unserer Leser ging das zu weit. Der Comic wurde nach heftigen Protesten fallen
gelassen. So ändern sich die Zeiten: Heute pflegt ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Wir waren immer so um die 50 Menschen, darunter viele herausragende Journalisten und Kolumnisten. Mit
ihrer Leistung schufen wir schnell eine angesehene Marke. Wir liebten unsere Arbeit; sie erwies sich als extrem
befriedigend. Allen, die die Jahre mit uns gegangen sind, bin ich zu Dank verpflichtet. Vor allem auch der
letzten Chefredaktion unter Sabine Rosenbladt. Sie hat in schwierigster Phase das Blatt übernommen und
dennoch kräftige neue Impulse gesetzt.
Unser journalistisches Projekt ist jetzt zu Ende gegangen. Der Markt hat DIE WOCHE nicht wirklich akzeptiert,
zwar waren die 135.000 Exemplare und über 600.000 Leserinnen und Leser pro Ausgabe für uns eine stolze
Zahl, aber es reichte nicht, um das journalistisch so ehrgeizige Blatt noch länger zu finanzieren.
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Th. Ickler
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