Neuregelung der Volksabstimmung S-H
Kieler Nachrichten 20.1.2004
Schwere Kost bietet die Tagesordnung für die erste Sitzung des Landtages in diesem Jahr. Zum Auftakt am Mittwoch befasst sich das Parlament zunächst mit dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein….. Neben dem neuen Volksabstimmungsgesetz und der Reform der Finanzämter wird es während der dreitägigen Tagung auch um eine Änderung des Rundfunkgesetzes geben… std
Dazu
http://www.spd.ltsh.de/
Pressemitteilung
Neuregelung der Volksabstimmung: Ein Beitrag zu mehr Bürgerbeteiligung
von Klaus-Peter Puls (SPD) und Irene Fröhlich (Bündnis90/Die Grünen)
Die Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen haben einen Entwurf zur Neuregelung des Volksabstimmungsrechts vorgelegt, der die bisherigen Erfahrungen mit der direkten Demokratie in Schleswig-Holstein berücksichtigt und die aufgetretenen Probleme bei der Anwendung und Umsetzung des geltenden Rechts beseitigt. Klaus-Peter Puls und Irene Fröhlich: „Wir wollen die Attraktivität der Bürgerbeteiligung an der schleswig-holsteinischen Landespolitik erhöhen und die direkte Demokratie in unserem Land weiter ausbauen“.
Die nach dem Regierungswechsel im Jahr 1988 durch eine Verfassungsreform 1990 geschaffenen Regelungen der Bürgerbeteiligung an der Landesgesetzgebung sind durch das Volksabstimmungsgesetz von 1995 bereits ausgesprochen bürgerfreundlich ausgestaltet worden: Die Landesverfassung selbst sieht mit einer Mindestbeteiligung von nur 5 % aller Stimmberechtigten für die Einleitung eines Volksentscheids durch Volksbegehren schon jetzt eine vergleichsweise niedrige Hürde vor. Dabei soll es auch bleiben. In der Praxis hat sich aber das Instrument des Volksentscheids gleichwohl als nicht immer leicht zu handhaben erwiesen. Formaljuristische Anforderungen und bürokratische Verfahren wurden häufig als Behinderung empfunden. Mit der Aufhebung des erfolgreichen Volksentscheids gegen die Einführung der neuen Rechtschreibung durch den Landtag ist außerdem der Eindruck entstanden, das Parlament könne sich jederzeit und ohne weiteres über einen Volksentscheid hinwegsetzen. Puls und Fröhlich: „Aus diesen Erfahrungen wollen wir die nötigen Konsequenzen ziehen.“
Ziel der von den Regierungsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen ist es,
- die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden durch Verfahrensvereinfachungen zu erleichtern,
- die Information der Bevölkerung über die Möglichkeiten des Verfahrens und den Inhalt eingebrachter Abstimmungsvorlagen zu verbessern,
- während des gesamten Verfahrens mit Zustimmung der Volksinitiative Änderungen des ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurfs zu ermöglichen und
- die Verbindlichkeit des Ergebnisses einer erfolgreichen Volksabstimmung verfassungsrechtlich zu verankern.
Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen zum Teil die Landesverfassung und zum Teil das Volksabstimmungsgesetz. In der Ausschussberatung hat sich die CDU dem Änderungsantrag für das Volksabstimmungsgesetz weitgehend angeschlossen, die FDP hat sich enthalten. Änderungen der Landesverfassung insbesondere zur Verbindlichkeit eines erfolgreichen Volksentscheids wurden bisher von beiden Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Klaus-Peter Puls: „Wir wollen, dass jeder erfolgreiche Volksentscheid ein verfassungsrechtlich abgesichertes Haltbarkeitsdatum erhält. Für eine verfassungsändernde 2/3 Mehrheit im Landtag brauchen wir insbesondere die CDU-Fraktion. Wir appellieren an beide Oppositionsparteien, ihre Blockade-Haltung gegenüber der vorgelegten Verfassungsänderung bis zur Landtagsbeschlussfassung am kommenden Freitag noch einmal zu überdenken.“
Und Irene Fröhlich: „Wir bedauern, dass die Opposition bisher nicht bereit ist, mit uns den Weg zu gehen, der wachsenden Distanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Politik insgesamt durch rechtlich abgesicherte, verbesserte und attraktivere Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten zu begegnen.“
Im einzelnen sieht der rot-grüne Gesetzentwurf die folgenden Neuerungen vor:
Artikel 1 Änderung der Landesverfassung
a) Nachträgliche Änderung des Gesetzentwurfs einer Volksinitiative:
In Zukunft soll es möglich sein, dass der Landtag einer aufgrund öffentlicher Diskussion mit Zustimmung der Initiatoren geänderten Gesetzesvorlage zustimmt und dadurch der Volksentscheid entfällt. Bisher löst ein erfolgreiches Volksbegehren zwingend den Volksentscheid aus, auch wenn sich zwischenzeitlich ein möglicher sachlicher Kompromiss abzeichnet oder sich Einzelformulierungen des Entwurfes auch aus Sicht der Initiatoren als nicht sinnvoll herausgestellt haben.
b) Einführung einer Bestandsklausel für erfolgreiche Volksentscheide:
Künftig soll das Ergebnis eines Volksentscheides für die Dauer von 2 Jahren nur in zwingenden Ausnahmefällen durch erneuten Volksentscheid oder eine 2/3 Mehrheit im Parlament abgeändert werden können. Diese Regelung soll einerseits verdeutlichen, dass die Aufhebung eines Volksentscheides innerhalb der Sperrfrist eine außerordentliche Maßnahme ist, die eines breiten überparteilichen Konsenses bedarf; andererseits soll dem Parlament die Möglichkeit der Reaktion auf veränderte Verhältnisse oder Notlagen gegeben werden.
Artikel 2 Änderung des Volksabstimmungsgesetzes
a) Einführung einer gebührenfreien Beratungs- und Informationspflicht des Innenministers gegenüber der Volksinitiative (Information über bisherige Volksinitiativen, Bereitstellung der Adressen der amtsfreien Kommunen und Ämter, Bereitstellung der notwendigen Gesetzestexte)
b) Verlängerung der Frist für die Landtagsentscheidung über die Zulässigkeit einer Volksinitiative von 12 Wochen auf 4 Monate
c) Möglichkeit zur Eintragung in die Listen des Volksbegehrens nicht nur in den Rathäusern, sondern auch in nicht-öffentlichen Räumen oder anderen Örtlichkeiten (z.B. Stände auf der Straße, Videotheken, Kirchenräume usw.)
d) Möglichkeit, sich nicht ausschließlich in der Wohnortgemeinde in eine Sammelliste eintragen zu müssen, sondern sich überall in Schleswig-Holstein eintragen zu können, und
e) Regelung der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages und der Volksinitiative in der Weise, dass beide Seiten vor der Durchführung eines Volksentscheids den Bürgerinnen und Bürgern ihre Standpunkte in gleichem Umfang und in angemessener Form darstellen können.
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Sigmar Salzburg
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