Willkommen Die 20 neuesten Beiträge im Forum
Fadensuche     Suche
Kennkarte ändern     Häufig gestellte Fragen   zu anderen Nutzern  kostenlose Anmeldung   Anfang  verabschieden
Jemandem diese Seite senden! Druckvoransicht zeigen
Forum > Schwarzbuch: Stichwörter
Schleswig-Holsteinischer Landtag 1997
< voriges Leitthema     nächstes Leitthema >
Verfasser
Leitthema    Post New Thread     Post A Reply
gestur
18.03.2004 15.20
Diesen Beitrag ansteuern
Eine Liste der Befürworter-Abgeordneten

von damals wäre sicher sehr interessant, weil man damit die Abgeordneten – soweit sie noch im Amt sind – heute abfragen könnte, ob sie auch jetzt noch hinter der Reform stehen oder ihre Meinung geändert haben. Das Ergebnis könnte in zwei neuen Listen der uneinsichtigen und der lernfähigen Abgeordneten dargestellt werden.

Mit Klick die Kennkarte von gestur ansehen    Suche weitere Einträge von gestur        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Christoph Kukulies
18.03.2004 13.51
Diesen Beitrag ansteuern
Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 14/520

Könnte man den Wortlaut der Drucksache 14/520 (Antrag der CDU Fraktion) auch hier einstellen?
__________________
Christoph Kukulies

Mit Klick die Kennkarte von Christoph Kukulies ansehen    An Christoph Kukulies schreiben   Suche weitere Einträge von Christoph Kukulies        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Sigmar Salzburg
18.03.2004 11.53
Diesen Beitrag ansteuern
Schleswig-Holsteinischer Landtag 1997

Schleswig-Holsteinischer Landtag
14. Wahlperiode
Plenarprotokoll 14/25
25. Sitzung
Kiel, Freitag, 21. Februar 1997

[…]

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

[…]

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 15 auf: Rechtschreibreform

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 14/520

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Maurus.

Heinz Maurus [CDU]:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 1. August 1998 soll die Neuregelung der derzeitig diskutierten Rechtschreibreform in Kraft treten, eine Reform, die die derzeit gültigen Rechtschreibregeln, die in der 2. orthographischen Konferenz in Berlin 1901 festgelegt wurden und deren Fortschreibung der Duden übernommen hatte, korrigieren soll.

Zur Vorgeschichte! 1955 hatte die Konferenz der Kultusminister in Zweifelsfallen die im Duden gebrauchten Schreibweisen für verbindlich erklärt. Ende der 70er Jahre haben dann Wissenschaftler aller deutschsprachigen Länder in nationalen Arbeitsgruppen das Thema Rechtschreibreform aufgegriffen. 1980 fand die erste gemeinsame Arbeitsberatung statt, wobei Österreich und die Schweiz und damals auch noch die DDR sehr viel weitergehende Reformvorstellungen hatten.

Die zunächst zuständigen staatlichen Stellen – der Bundesminister des Innern für die Amtssprache der Bundesbehörden, die Kultusministerkonferenz für die Schulen – haben sich schon früh am Prozeß der Erarbeitung dieses neuen Regelwerkes beteiligt. Zielsetzung war es, diese Aufgabe nicht wie in der Vergangenheit der Dudenredaktion zu überlassen.

Im Februar 1987 erteilten sie dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, zu den Bereichen Silbentrennung, Interpunktion, Zusammen- und Getrenntschreibung, Fremdwortschreibung und Laut-Buchstaben-Beziehung Vorschläge für eine Reform des Regelwerkes vorzulegen. Das geschah dann im September 1988.

Nachdem BMI und KMK zu diesem Entwurf Stellung genommen hatten, wurde das Institut für deutsche Sprache 1990/91 beauftragt, die Arbeiten fortzuführen und abzuschließen.

Am 4. Mai 1993 fand in Bonn eine Anhörung zur Reform statt, deren Ergebnisse ich überhaupt nicht mitbekommen habe, das gilt auch für die Stellungnahmen der Bundesressorts und hinsichtlich der öffentlichen Diskussion. Diese fanden Eingang in die erneute Überarbeitung der Vorschläge zur Neuregelung von 1992, die dann übrigens auch im Narr-Verlag, Tübingen, mit dem Titel „Deutsche Rechtschreibung -Vorschläge zu ihrer Neuregelung“ veröffentlicht wurden.

Vom 22. bis zum 24. November 1994 fanden schließlich die sogenannten 3. Wiener Gespräche zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung statt. Die Abschlußerklärung wurde einvernehmlich verabschiedet. Den politischen Entscheidungsinstanzen der deutschsprachigen Länder wurde die Annahme der Beratungsergebnisse empfohlen. Die Bundesregierung hat den gesamten Neuregelungsentwurf ohne Einwände zur Kenntnis genommen, und die Ministerpräsidenten haben den Beratungen in der Kultusministerkonferenz zugestimmt.

Am 1. Juli 1996 wurde schließlich von den Vertretern der deutschsprachigen Staatengemeinschaft in Wien in einer gemeinsamen Absichtserklärung bekräftigt, daß sie den abgestimmten Neuregelungsentwurf gleichzeitig in Kraft setzen und einführen wollten. Bei dieser Erklärung handelt es sich – wie es uns auch der Wissenschaftliche Dienst noch einmal bestätigt hat -nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern vielmehr um ein Memorandum of understanding ohne Verbindlichkeit für die national zuständigen Stellen.

Sieht man sich diese Vorgeschichte der Rechtschreibreform an, so muß in der Tat die Frage erlaubt sein, weshalb sich die Gegner der Reform nicht schon wesentlich früher und massiv in diese Diskussion eingebracht haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erkennt man dann aber schon allein an den Zeitabläufen, wie schwierig offenbar bereits die internen Abstimmungen gewesen sein mögen, dann ist verständlich, daß sich erst nach der Präsentation des Reformprodukts mit der abschließenden Erklärung öffentlicher Widerstand formiert.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch schon drei Jahre her!)

Dieser Widerstand scheint ja auch von Tag zu Tag massiver zu werden. Neben den Protesten von Schriftstellern, Journalisten und der Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ sollen sich nun weitere Schüler- und Elterninitiativen gegen diese Rechtschreibreform organisieren. Die Bevölkerung ganz allgemein reagiert heute wesentlich sensibler auf dieses Thema – und dies bundesweit.

Wenn wir am 22. Januar 1997 in der „FAZ“ lesen konnten – ich zitiere –, „die zwischenstaatliche Kommission, die im Herbst zur Durchführung der Reform eingesetzt worden ist. solle sich als erstes mit Korrekturen beschäftigen, sie seien durch unterschiedliche Regelauslegungen nötig geworden,“ stärkt auch dies nicht gerade das Vertrauen in dieReformer.

(Beifall bei der CDU)

Dann stellt sich die Frage: Brauchen wir diese Reform überhaupt? Nimmt unsere Sprache gar Schaden, wenn diese Reform nicht realisiert wird, oder ist diese Reform vielleicht doch unnötig -

(Meinhard Füllner [CDU]: Ja!)

so unnötig wie ein Kropf?

(Beifall bei der CDU)

Ich kann ja verstehen, daß der Wunsch besteht, eine solche Reform, an der jahrelang gearbeitet wurde, auch umzusetzen. Aber ist dies denn verantwortbar, wenn Zweifel an ihrer Notwendigkeit und der Akzeptanz, die sie in der Bevölkerung finden wird, bestehen? Unsere Sprache – und dazu gehört auch die Schriftsprache – ist das höchste Gut, das wir haben. Sie ist ein Kulturgut herausragenden Ranges, das sich mit Generationen von Menschen natürlich entwickelt hat und gewachsen ist. Soll sie jetzt tatsächlich künstlich verändert werden? Ich meine, nein!

Ich bedauere, daß diese Diskussion um die Rechtschreibreform bislang nur von der Exekutive geführt worden ist.

(Karl Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Es ist sicherlich richtig, daß die innerstaatliche Umsetzung einer Neuregelung

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Diskussion!)

der deutschen Rechtschreibung im Bereich der Amtssprache in der Zuständigkeit des Bundes für seinen Bereich und in der der Länder für deren Bereich liegt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir diskutieren das seit 20 Jahren!)

Unstrittig ist auch,

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie denn? -Auf Sylt?]

daß für die innerstaatliche Umsetzung der Neuregelung im Bildungswesen aufgrund der grundgesetzlich in Artikel 70 des Grundgesetzes verankerten Kulturhoheit ausschließlich die Länder zuständig sind. Fraglich könnte jedoch sein, ob die Normierung der Rechtschreibung für den Bereich der Schulen durch den Gesetzgeber, also den Landtag, erfolgen muß

(Beifall bei der CDU)

oder ob eine Regelung durch Verwaltungsvorschrift ausreicht. Das Bundesverfassungsgericht geht hier -das ist auch durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages noch einmal herausgearbeitet worden – von der Wesentlichkeitstheorie aus. In der Literatur sind erste Aufsätze zu finden, nach denen die Einführung der Rechtschreibung wegen der Bedeutung für die Allgemeinheit und wegen ihrer möglichen Grandrechtsrelevanz einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht sie doch!)

Es ist schwer einzusehen, daß die Umgestaltung der gymnasialen Oberstufe zum Kurssystem und die Einführung des Sexualkundeunterrichts in der Schule so bedeutsam sind, daß sie von den Parlamenten beschlossen werden müssen, daß aber die Einführung neuer Rechtschreibregeln durch Verwaltungshandeln sanktioniert werden kann.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr richtig!)

Auch wenn aufgrund der in der Dresdener Erklärung der Kultusministerkonferenz getroffenen Einschränkungen der Verbindlichkeit der Orthographieregeln

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt euch ja spät ein!)

- sie sollen ja ausschließlich das Schreiben in Behörden und Schulen verbindlich regeln – der Ausgang der Kompetenzdiskussion – pro Verwaltungsvorschrift, also Exekutive – vorgezeichnet zu sein scheint, ist doch hochinteressant, daß mehr und mehr Anfragen auch aus anderen Landesparlamenten nach dem Verhalten auch der Schleswig-Holsteiner in der Frage der Rechtschreibreform gestellt werden. Der Gruppenantrag einiger Bundestagsabgeordneter spricht darüber hinaus für sich, und wenn Sie, werter Herr Hentschel, sich einmal die Pressemitteilung Ihrer Bundestagskollegin Altmann ansehen – die spricht auch für sich. Diese Pressemitteilung werde ich Ihnen anschließend gern noch einmal zuleiten.

Die Diskussion um diese Reform ist bundesweit im Gange. Die Volksinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ läuft. Deshalb ist es, wenn man die Instrumente für mehr Bürgerbeteiligung in der Landesverfassung ernst nimmt, Herr Hentschel, geradezu zwingend geboten, den Runderlaß des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 5. November 1996 – Umsetzung der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung an den Schulen in Schleswig-Holstein – auszusetzen,

(Beifall bei der CDU)

und zwar so lange, bis über die in den einzelner Bundesländern laufenden Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform abschließend entschieden worden ist.

Da die Reform ohnehin erst zum 1. August 1998 ii Kraft treten soll, ist überhaupt keine Eile geboten, und das Ergebnis der gerade anlaufenden Diskussion kann in Ruhe abgewartet werden.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Verwirrung bei den Schülern?)

Ich will gar kein Hehl aus meiner persönlicher Auffassung machen: Diese Rechtschreibreform gehört vom Tisch!

(Beifall bei der CDU)

Sie verkennt die Sprache als tradiertes Kulturgut und fordert gleichzeitig schriftlichen Wildwuchs. Es ist doch der pure Schwachsinn, festlegen zu wollen, daß sich Amts- und Schulsprache an neuen Regeln zu orientieren haben, Schriftsteller aber weiterhin nach alten – oder auch gar keinen – Regeln produzieren können, wie wir es in der Dresdener Erklärung auch noch nachlesen können.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Ich stelle mir hier einen zehnjährigen Bücherwurm vor, der nach neuen Regeln im Deutschunterricht ausgebildet wird und anschließend an der Orthographie der Literaten verzweifelt. Das kann es doch nicht sein!

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, daß doch noch Vernunft einkehrt und wir den Mut zur Korrektur in dieser Frage aufbringen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind schon Millionen von Schülern an der Orthographie verzweifelt!)

Zunächst bitte ich jedoch um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich meine, dies ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Ich erteile der Frau Abgeordneten Schröder das Wort.

Sabine Schröder [SPD]:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rechtschreibregeln haben einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert für die Anerkennung, aber auch für das Bloßstellen anderer bei entsprechender Fehlerquote. Das ist aus meiner Überzeugung der eigentliche Grund für die sogenannte Bürgerbewegung gegen die Rechtschreibreform.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

„Der Streit um die Rechtschreibung hat die Stammtische erreicht“, meldet „dpa“ am 13. Januar 1997. Der Widerstand wächst, weil alle betroffen sind. Es geht gar nicht um die Schülerinnen und Schüler, sondern um das eigene Privileg der Richtigschreibenden, denn Umlernen ist schwieriger als Dazulernen.

Die Kritiker verkennen – darauf hat der Kollege Maurus hingewiesen – den unendlich langen Zeitraum. Die orthographischen Konferenzen in Berlin von 1876 sowie von 1901 und 1902 scheiterten bei dem Versuch der Vereinheitlichung; das heißt, Wildwuchs hat es schon damals gegeben.

1950 beschloß die KMK: In Zweifelsfällen entscheidet der Duden. 1956 wurde ein Arbeitskreis der Rechtschreibreform eingerichtet, der im Jahre 1959 die Wiesbadener Erklärung veröffentlichte. Dieser Vorschlag schloß die gemäßigte Kleinschreibung ein und wurde abgelehnt.

1987 beauftragten dann die KMK und das Bundesministerium des Innern das Institut für deutsche Sprache, einen Vorschlag unter Aussparung der Kleinschreibung zu erarbeiten, der 1988 vorlag. Proteste gab es auch damals gegen den „Keiser“, den „Al“ und das „Bot“.

1990 fanden die zweiten amtlichen Wiener Gespräche statt, 1992 wurden deren Vorschläge veröffentlicht. 1993 wurden 43 Verbände und Organisationen gehört, auch der Pen-Club, die IG Medien, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Journalistenverband, und im Jahre 1995 nahmen die Ministerpräsidenten weitere Korrekturen vor.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: So ist es!)

Die Änderungen sind im Grunde marginal.

Im Juli 1996 unterzeichneten Vertreter der KMK, das Bundesministerium des Innern – soweit ich weiß, ein CDU-Minister, die Schweiz, Österreich, Bozen, Südtirol, Belgien, Rumänien und die Universität Budapest das Abkommen. Von einer übereilten Entscheidung und einem „Überstülpen“ zu reden, geht an den Tatsachen wirklich vorbei.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.)

Weder die Länder – so „dpa“ vom 10. Februar – noch das Institut für deutsche Sprache in Mannheim sehen neuen Verhandlungsbedarf. In der November-Ausgabe von „schule aktuell“ informierte das Bildungsministerium umfassend über eine ganz, ganz großzügige Umsetzung:

1. Bis zum 31. Juli 2005 werden die bisherigen Schreibweisen nicht als falsch gewertet.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Das ist sehr großzügig!)

2. Bis zum 31. Juli 1998 gilt in Schleswig-Holstein wie in anderen Ländern eine Übergangsregelung.

3. Alte Regeln und Schreibweisen werden nicht mehr gelehrt und nicht mehr geübt.

4. Alte und neue Schreibweisen gelten gleichermaßen

als richtig.

5. In schriftlichen Nachweisen dürfen nur noch die Schreibweisen als Fehler gewertet werden, die nach der alten und der neuen Regelung falsch sind.

Ein Aussetzen dieses Erlasses würde eine Überarbeitung der neuen Regeln suggierieren und bedeutete ein Abkoppeln Schleswig-Holsteins vom gesamten deutschsprachigen Raum.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Vor allen Dingen würden Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern verunsichert

Wer soll denn für die richtige Schreibweise zuständig sein? Die Regeln von 1901? Der Duden von 1957? Oder der Duden von 1991? Sollen für Schleswig-Holstein eigene teure Schulbücher angeschafft werden, anders als im Bundesgebiet? Wie lange soll denn der Klärungsprozeß noch dauern, bis zu dem Schleswig-Holsteins Schüler aus dem deutschsprachigen Konzert ausscheren und damit benachteiligt sind?

Zum Inhalt. Auch die Uni Kiel und Untersuchungen in NRW haben gezeigt, daß nach den neuen Regeln bis zu 50 % weniger Fehler gemacht werden.

(Lebhafter Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vereinfacht wird die Zeichensetzung. Nach dem Begleitwort wird generell groß geschrieben, „ß" wird nur nach langen Vokalen verwendet. Getrennt wird nach Lauten. In der Regel schreibt man getrennt: Rad fahren, Auto fahren. Umlaute werden nach ähnlichen Wörtern geschrieben, auch wenn Sie sprachgeschichtlich anders entstanden sind. Hier setzt ein wesentlicher Kritikpunkt ein. Aber wie hoch ist denn der Prozentsatz derer, die wissen, daß „einbleuen“ von „blüwan“, „schlagen“, kommt?

Aus all diesen Gründen ermuntern wir die Schulen, fortzufahren in der Umsetzung dieser gemäßigten Rechtschreibreform. Die CDU setzt auf Populismus und Stimmungsmache. Ihren Antrag lehnen wir ab.

(Zuruf von der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hentschel.

Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Diskussion über die Rechtschreibreform kenne ich schon seit meiner Jugend, und mittlerweile bin ich Großvater geworden. Seit Jahren ist die Reform beschlossen, die Rechtschreibung international vereinheitlicht, und jetzt kommt Herr Maurus und sagt: Das ist alles übereilt! Herr Maurus, das können Sie doch nicht ernst meinen!

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zuruf von der SPD:

Was übriggeblieben ist nach vielen Jahren Diskussion und auf der Wiener Orthographiekonferenz vor drei Jahren vereinbart wurde, ist ein Minimalkonsens. Voi zwei Jahren haben sich die Kultusminister und Ministerpräsidenten einmütig – einmütig, auch Bayern und alle anderen Länder – auf diese Reform geeinigt Und jetzt kommen Sie. Mit dreijähriger Verspätung hat eine Allianz von Journalisten und Germanisten, die ihr Berufsethos verletzt sehen, zum Sturm geblasen. Wie nicht anders zu erwarten, springen natürlich die CDU-Politiker auf das Boot und sehen plötzlich die Spracht in Gefahr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich kann da dem bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair nur zustimmen, wenn er die Frage stellt, ob der CSU-Chef Theo Waigel keine anderen Sorgen habe. Die Neuregelung, so der Altphilologe Zehetmair, sei in erster Linie für junge Menschen gemacht worden, zu denen Herr Waigel seines Wissens nicht mehr gehört; das gilt wohl auch für die CDU in diesem Landtag.

(Heiterkeit bei der F.D.P. – Beifall bei der SPD)

Wer sich die Mühe gemacht hat, eine Seite nach den neuen Regeln zu schreiben, stellt fest, daß sich nichts geändert hat. Man merkt es fast überhaupt nicht, wenn man ein bißchen normal denkt. Das einzige, was auffallt, ist, daß man „dass“ mit zwei „s“ schreibt. Manchmal kommt auch eines von diesen seltenen Wörtern vor, deren Schreibweise sich geändert hat. Diese Wörter habe ich bei dem, was ich bisher gelesen habe, gar nicht gefunden. Bei der wörtlichen Anrede schreibt man klein.

Aber wenn die Zahl von derzeit 51 Kommaregeln auf neun reduziert und eine Reihe von Absonderlichkeiten und Ausnahmen beseitigt wird, was niemandem weh tut, aber künftig vielen Schülern unnötige Fehler in seltsam konstruierten Deutschaufsätzen erspart, dann kann ich das nur begrüßen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daß die Neuregelung auch Ungereimtheiten enthält, auf die sich alle stürzen wie die Geier, und daß diese Reform nur eine begrenzte, kleine Reform ist, ist sicher zu bemängeln. Aber ich denke, lieber eine kleine Reform als gar keine.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Nun will die Opposition ihren Erlaß zurücknehmen. Ich begreife das nicht. Niemand wird vor dem Jahre 2005 gezwungen, die neue Schreibweise zu verwenden. Aber wollen Sie im Ernst, nachdem bereits neue Duden gedruckt und neue Schulbücher herausgegeben werden und seit Jahren in Übereinstimmung mit allen Bundesländern sowie der Schweiz und Österreich die Weichen gestellt wurden, daß nun die Schulanfänger erst die alte Rechtschreibung lernen, um dann in wenigen Jahren umzusatteln? Und das nur, weil es einige Ungereimtheiten gibt, die in den ersten Schuljahren wahrscheinlich sowieso nicht auftauchen?

Übrigens: Wenn die Reform jetzt von einigen zur nationalen Frage erklärt oder gar in der Zeitung „Die Welt“ vom „Eingriff in die Integrität der menschlichen Person in geistig-seelischer Hinsicht“ gesprochen wird, sollte man vielleicht darauf hinweisen, daß es zu Goethes Zeiten gar keine Rechtschreibung gab. Goethe konnte in einem Brief dasselbe Wort auf drei verschiedene Weisen schreiben, ohne daß das als Verlust für die deutsche Kultur betrachtet worden wäre.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mir den Spaß gemacht, einmal nachzusehen, was vor der kaiserlichen Vereinheitlichung der deutschen Sprache üblicherweise geschrieben wurde. Lessing schrieb „Malerei“ mit ah und ey, Schiller „Seele“ mit einem „e“, „groß" mit einem „s“ und „töten“ mit „dt“. Büchner schrieb „indizierte“ mit „c“, Rilke das ö als zusammengeschriebenes „oe“, angelehnt an das dänische „ae“. In der Literaturzeitschrift „Die Gesellschaft“ wurde 1885 „Literatur“ mit zwei „tt“ und „kastriert“ ohne „e“ geschrieben. Weitere Beispiele aus dem 18. Jahrhundert sind das „Schaf mit Doppel-„a“, „Hühner“ ohne Dehnungs-„h“, das „Ei“ mit „y“, die „Ernte“ mit „dt“, das „Haus“ mit „ß", „adelig“ mit „ch“ und, was Sie besonders interessieren wird, „Landkreis“ mit „c“, „ey“ und „ß".

(Zuruf von der SPD: Wo war Maurus zu der Zeit?)

Ein besonderes Lieblingskind der deutschen Bildung ist natürlich das „ph“ in griechischstämmigen Wörtern wie „Philosophie“. Wer etwas griechisch kann, weiß aber, daß die Griechen sehr wohl ein „f kennen, nämlich das „phi“ und in den griechischen Stammwörtern alle Worte wie „Phantom“, „Orthographie“ und „Phänomen“ mit „f“ geschrieben werden. Nur im Deutschen schreibt man sie mit ph, zum Hohn aller deutschen Altphilologen, die am ph festhalten. Mit klassisch-deutscher Kultur hat die Rechtschreibung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Es wäre schön, wenn die Überbetonung der Rechtschreibung, die etwas Elitäres hat, auf angelsächsisches Niveau zurückgefahren würde. Es ist schon merkwürdig, daß die vollständige Beherrschung aller Kommaregeln zum Einstellungskriterium von Auszubildenden im Handwerk gemacht wird,

(Beifall bei der SPD)

während die Kenntnis grundlegender naturwissenschaftlicher Tatsachen in Deutschland selbst bei gebildeten Leuten eher als Kavaliersdelikt gilt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb wäre vielleicht denen, die Probleme mit der Rechschreibreform haben – und ich sehe, Herr Maurus, dazu gehören Sie vielleicht auch – zu raten: Schreibt wie Goethe, also wie euch das Maul gewachsen ist, oder wie Gotthold Ephraim Lessing sagte: Schreibe, wie du redest, so schreibst du schön!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sprache und Schrift sind so lebendig wie die Menschen, die sie weiterentwickeln. Wenn dem nicht so wäre, dann würden wir heute noch so schreiben und sprechen wie Walther von der Vogelweide, ungefähr vielleicht so:

„Swer ungefuege swigen bieze,
waz man noch von fröiden sunge!
und si abe den bürgen stieze,
daz si da die fron niht twunge.“

Nicht von mir in ein 200 Jahre jüngeres Deutsch übertragen:

„Wenn man Unfug schweigen hieße
Hörte man noch schöne Lieder
Und ihn von den Höfen stieße
Würde frei die Freude wieder.“

Vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche und Luthers kraftvolle Sprache, deren Lektüre ich übrigens jedem empfehle, der das normale Politikerdeutsch übt, führt uns der Verlauf der Sprachgeschichte dann zum Dudendeutsch und schließlich jetzt – die Aufregung ist groß – zur Rechtschreibreform, die den deutschen Michel und seine Michaela wahrlich sehr erschreckt, als ob uns künftig ein sprachlicher Vulkanausbruch nach Art des Krakatau den Himmel der heimischen Lese- und Sprachkultur verdüstert.

(Zuruf von der CDU: Welche Sprachkultur?)

Was, meine Damen und Herren, eint in dieser Stunde der Not die großen Mächte von Kultur und Politik, von Günter Grass über Theo Waigel bis hin zur schleswigholsteinischen CDU-Landtagsfraktion? Sie stemmen sich mannhaft dem drohenden Ungemach entgegen. Politisch korrekt müßte man sagen: ebenso mannhaft wie damenhaft. Aber eine bereits im laufenden Schuljahr eingeführte, also praktizierte Rechtschreibung wieder zu stoppen, das betrachte ich, bei allem Respekt, eher als herrlichen Unfug.

(Beifall bei F.D.P. und SPD)

Rechtschreibung für ein halbes Jahr mal eben im neuen Stil zu unterrichten, danach für eine Zeitlang wieder nach Altvätersitte und dann nach einer Denkpause wieder neu: Das sollte man den armen Kindern nicht antun. Deshalb lehnt die F.D.P.-Fraktion den Antrag der Union ab.

Günter Grass, Theo Waigel und Ottfried Hennig sind gewiß wortgewaltige Ritter der alten Duden-Artusrunde, aber es sieht nicht so aus, als würden sich die meisten teutschen Länder, geschweige denn die sprachverwandten Schweizer und Österreicher und wer sich noch der deutschen Sprache bedient, dem Bannstrahl der Artusritter gegen die Rechtschreibreform beugen.

Lassen Sie mich noch vier Anmerkungen zu dem Thema hinzufügen! Erstens. Eine
Auseinanderentwicklung der Rechtschreibung von Bundesland zu Bundesland beziehungsweise im
gesamten deutschen Sprachraum wäre eine echte kulturpolitische Katastrophe.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW – Zuruf des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

- Ich sage der Union schon, was zu sagen ist, Herr Kollege, das reicht dann auch, jedenfalls im Landtag.

Zweitens. Eine Entwicklung, nach der am Ende die Landesparlamente darüber beschließen müßten, ob man das Wort „belemmert“ wie bisher mit „e“ oder – wie künftig vorgesehen – nach dem Wortstamm „Lamm“ mit „ä" schreiben soll, eine solche Entwicklung wäre das Dümmste, was sonst noch passieren könnte.

(Beifall bei der F.D.P.)

Übrigens hat auch Ministerpräsident Biedenkopf in diesem Zusammenhang zu Recht die rhetorische Frage gestellt: Muß es überhaupt eine hoheitliche Aufgabe sein festzustellen, wie man „Kuß" schreibt?

(Heiterkeit – Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Drittens. Die ganze Aufregung über die Rechtschreibreform offenbart einen typisch deutschen Hang zum Dunkeln und Funkeln: Eher pragmatisch zu bewältigende Probleme werden zu einer kulturellen Schicksalsfrage hochstilisiert, zumindest aber zu einer Sache für die Karlsruher Verfassungsrichter.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als ob es hierzulande nichts Wichtigeres gäbe, braut sich über diesem Thema ein teutonisches Donnerwetter nach Art einer politischen Wagner-Oper zusammen.

(Sabine Schröder [SPD]: Richtig!)

Viertens. Der Ansatz der Reform, die Schreibung der deutschen Sprache zu vereinfachen, ist grundsätzlich vernünftig.

(Beifall bei F.D.P.. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Meinhard Füllner [CDU])

Allerdings – da muß ich doch ein bißchen Wasser in den Wein gießen – hat sich die Obrigkeit, in diesem Fall die Kultusministerkonferenz, bei der Verwirklichung dieses Vorhabens nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Das gilt auch für die Fachleute, die -wie man lesen konnte – heute schon wieder über einer notwendigen Korrektur der Reform brüten, jedenfalls in Teilen.

(Zuruf der Abgeordneten Ute Erdsiek-Rave [SPD])

Ein so lange diskutiertes Projekt sollte nicht gleich am Anfang wegen diverser Ungereimtheiten schon wieder korrekturbedürftig sein.

Ministerin Böhrk hätte vielleicht besser den Stichtag 1. August 1998 abwarten sollen, statt den Schulunterricht überhastet schon ein Jahr früher auf die neue Rechtschreibung auszurichten. Dann hätte man zumindest die Kinderkrankheiten noch ausmerzen können, und vielleicht hätten sich dann auch noch die einen oder anderen aufgeregten Gemüter beruhigen lassen.

Wie auch immer, es ist geschehen. Ich sage noch einmal: Ein Rückzieher heute würde nach meiner Überzeugung viel mehr Schaden als Nutzen bringen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD] – Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Nach Prüfung der Unterschriften der Volksinitiative werden wir uns ja später noch ein weiteres Mal im Landtag mit dem Thema zu beschäftigen haben. Deshalb möchte ich es jetzt mit einigen Abschlußbemerkungen bewenden lassen, und zwar mit dem Hinweis auf ein Goethe-Gedicht – „Die Elemente“ aus dem „Westöstlichen Diwan“ –, das vorgestern von der „Süddeutschen Zeitung“ in drei unterschiedlichen Versionen veröffentlicht worden ist, nämlich in Goethes Originalfassung, in der alten Duden-Rechtschreibung und nach den Vorgaben der Rechtschreibreform. Siehe da: Die neuen Regeln stellen die alte Schreibung Goethes weitgehend wieder her! – Ist das nun Fortschritt, Rückschritt, oder ist das sogar Kulturverlust?

(Konrad Nabel [SPD]: Goethe war gut! – Unruhe)

Über diese tiefschürfende Fragestellung mag jetzt die Kollegin Anke Spoorendonk auf dänisch-pragmatische Weise weitergrübeln. Ich habe dazu weder Lust noch – auch wenn hier noch etwas steht – genügend Redezeit.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk. Anke Spoorendonk [SSW]:

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Jetzt sollen also die kleinen Spatzen der deutschen Rechtschreibung mit den großen Kanonen der Staatsgewalt umgebracht werden.

(Beifall des Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD])

Irgendwie kommt mir dabei der Gedanke: typisch deutsch! Auch kam mir der Gedanke: Ach, was sind wir doch bloß wieder einmal gebildet!

Wie auch immer, die CDU fordert die Landesregierung auf, den Runderlaß vom 5. November auszusetzen, bis über die in einzelnen Bundesländern laufenden Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform abschließend entschieden worden ist.

Wir sehen keinen Handlungsbedarf und können dem Antrag der CDU beim derzeitigen Stand der Dinge daher nicht zustimmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den vergangenen Wochen ist es zu einem regelrechten Volkssport geworden – wir haben hier ja schon ein paar Kostproben bekommen –, verbal auf die Rechtschreibreform einzudreschen. Auch wir von der SSW-Landtagsfraktion könnten uns in das Heer der Unzufriedenen einreihen, denn uns geht – lieber Kollege Klug – die Rechtschreibreform nicht weit genug; dennoch stehen wir zu ihr.

(Zuruf des Abgeordneten Meinhard Füllner [CDU])

Wir hätten begrüßt. wenn im Zuge der Rechtschreibreform die Großschreibung zugunsten einer gemäßigten Kleinschreibung, wie sie in fast allen europäischen Ländern de facto existiert, reformiert worden wäre.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Wir bedauern zwar, daß die geplante Rechtschreibreform die gemäßigte Kleinschreibung nicht vorsieht, es wäre jedoch wenig konstruktiv, die Rechtschreibreform aus diesem Grunde abzulehnen, da sie in ihrem positiven Ansatz zu begrüßen ist.

Es wäre schlimm, wenn eine Reform der Rechtschreibung scheitern sollte, und das aufgrund von Ignoranz, Arroganz und eines Denkens, welches die Vergangenheit der Sprache verklärt. Denn trotz aller Kritik an den geplanten Änderungen, die von Fall zu Fall berechtigt sein mag, darf nicht der trügerische Eindruck erweckt werden, daß die Sprache ihren Zenit bereits erreicht habe und keinerlei Reform benötige. Sprache ist etwas Lebendiges, und die Reformierung von Sprachnormen ist etwas Natürliches.

Wir vertreten die Auffassung, daß eine negative Haltung den Geist einer begrüßenswerten Rechtschreibreform aushöhlen würde. In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Bernhard Vogel, verweisen, der zu Recht erklärte, eine Reform würde immer auf Gegner treffen, dies dürfe jedoch kein Grund sein, auf als richtig anerkannte Änderungen zu verzichten.

Was ist demnach von dem CDU-Antrag zu halten? -Zunächst einmal fällt mir der Zeitpunkt des Antrages auf. Es ist ja nicht so, daß die Rechtschreibreform von heute auf morgen ausgearbeitet worden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das heißt, daß Ihre Bedenken für meinen Geschmack recht spät kommen. Auffällig ist zudem, daß Ihre Bedenken zeitgleich mit der Volksinitiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ kommen. Irgendwie wollen Sie wohl Bürgernähe demonstrieren, wobei Sie ja – auch das muß man mit bedenken – auch eine andere Nähe demonstrieren, die doch eigentlich keiner von uns demonstrieren will.

(Angelika Volquartz [CDU]: Welche?)

- Wir haben uns im Vorfeld dieser Volksinitiative auch mit Berührungen zu Kräften in der Gesellschaft befaßt, die wir hier doch alle nicht stärken wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU -

Wortmeldung der Abgeordneten Angelika Volquartz [CDU])

- Beruhigen Sie sich wieder, Frau Volquartz! Ich habe gesagt, daß Sie, indem Sie das Thema aufgreifen, diese Nähe irgendwie provozieren. Mehr habe ich nicht gesagt.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Schlimm genug!)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Volquartz?

Anke Spoorendonk [SSW]: Ja, das tue ich natürlich.

Angelika Volquartz [CDU]: Frau Spoorendonk, können Sie bitte die Nähe näher beschreiben, was Sie genau meinen? Sonst bleibt etwas im Raum stehen, was auch Sie möglicherweise nicht wollen. Ich bitte Sie, die Nähe, die Sie meinen, ganz klar zu beschreiben.

- Das kann ich natürlich tun, Frau Volquartz . Ich finde, es stimmt bedenklich,

(Angelika Volquartz [CDU]: Was stimmt bedenklich?)

daß wir uns im Innen- und Rechtsausschuß vorher mit der Frage befassen mußten, woher diese Volksinitiative kommt. Wir haben keine eindeutigen Beweise dafür, wer dahintersteht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Zurufe von der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maurus?

Anke Spoorendonk [SSW]: Ja.

Heinz Maurus [CDU]: Frau Spoorendonk, ich war vom Beginn bis zum Ende der Sitzung dabei. Ich bitte Sie, zu bestätigen, daß die Frage, die Sie hier eben in den Raum geworfen haben, bei den Beratungen im Innen- und Rechtsausschuß keine Rolle gespielt hat, sondern daß es lediglich um die Frage der Zulässigkeit ging.

- Das bestätige ich gern.

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Aha, dann haben Sie eben nicht die Wahrheit gesagt!)

- Sie wissen genau, in welchem Zusammenhang wir diese Frage diskutiert haben, Herr Hennig, Sie waren nämlich dabei. Daß es nicht im Innen- und Rechtsausschuß war, ist richtig.

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Das haben Sie aber gerade behauptet! – Ursula Röper [CDU] und Angelika Volquartz [CDU]: Welche Nähe meinen Sie denn nun?)

- Ich meine, daß wir das diskutiert haben, was auch in der Presse gestanden hat, ob nicht rechte Kräfte in der Gesellschaft dieses Thema für ihre Zwecke instrumentalisieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Zurufe von der CDU)

Noch einmal – -

(Anhaltende Unruhe – Zurufe von CDU und F.D.P. – Glocke der Präsidentin)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Entschuldigung, Frau Abgeordnete! Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten? Frau Abgeordnete Spoorendonk hat das Wort. Ich bitte Sie, auch langsam zum Schluß zu kommen.

(Zurufe von CDU und F.D.P.)

Es besteht die Möglichkeit, Kurzbeiträge gemäß § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung anzuschließen. Ich gebe jetzt Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Anke Spoorendonk [SSW]:

Abschließend möchte ich sagen, daß wir meinen, man muß an der geplanten Rechtschreibreform festhaltendaß sie nicht durch unnötige Verzögerungen in die Länge zu ziehen ist. Wir müssen nämlich für alle Beteiligten und insbesondere in den Schulen schnell Klarheit schaffen. – Darum lehnen wir auch den Antrag ab.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Maurus.

Heinz Maurus [CDU]:

Zunächst einmal: Eine Reform lebt davon, daß sie in der Bevölkerung akzeptiert wird. Dies gilt selbstverständlich auch für die Rechtschreibreform.

(Ursula Kahler [SPD]: Und für die Steuerreform!)

„Nicht nur namhafte Schriftsteller lehnen die am 1. Juni 1996 beschlossene Reform der deutschen Rechtschreibung als unsinnig und zu teuer ab, auch in der Bevölkerung regt sich Unmut. Offensichtlich wurde über den Kopf der Betroffenen hinweg ein nicht akzeptiertes Regelungswerk geschaffen. Die meisten Änderungen werden nicht als vereinfachend akzeptiert. Viele Inkonsequenzen kommen hinzu.“

Herr Hentschel, das habe ich aus der Pressemitteilung Ihrer Bundestagskollegin Frau Altmann vom 15. Oktober 1996 zitiert. Den Rest erspare ich Ihnen.

(Beifall bei CDU und F.D.P. – Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maurus, Sie waren immer schon etwas elitär!)

Zur nächsten Frage: Was ist eigentlich von dem CDU-Antrag zu halten?

(Zurufe – Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine gute Frage!)

- Bleibt mal ganz ruhig, Freunde!

Wenn Sie sich den Antragstext genau ansehen, erkennen Sie, daß sich dieser Antragstext auf die Volksinitiative bezieht. Diese Volksinitiative – das haben wir in einem ersten Schritt bereits geprüft – ist zulässig und wird hier in Schleswig-Holstein weitere Schritte gehen.

Sie alle gerade auf der linken Seite des Hauses fordern permanent mehr Bürgerbeteiligung ein.

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Das haben die schon aufgegeben!)

Was ist denn eigentlich von dieser Bürgerbeteiligung zu halten, wenn bereits im Vorwege die Bemühungen dieser Initiative ad absurdum geführt werden? Das kann es denn doch wohl auch nicht sein.

Wenn wir jetzt feststellen, daß dieser Erlaß seit Beginn dieses Schuljahres in Kraft gesetzt worden ist, ist immer noch die Frage: Wie weit ist er denn in der Umsetzung? Ich habe meine erheblichen Zweifel, daß er bereits umgesetzt wird.

Dann ist es nur recht und billig zu sagen: Wir stoppen hier, wir stellen den Erlaß zurück und zeigen den Menschen, daß wir es mit den Bürgerbeteiligungsrechten, die wir ihnen eingeräumt haben, ernst meinen. Dazu fordern wir Sie auf, nur dazu!

Nun noch ein Wort zu Ihnen, Frau Spoorendonk: Das, was Sie hier eben unterstellt haben, ist mehr als abwegig. Es würde Ihnen wirklich anstehen, nach vorne zu kommen und sich dafür zu entschuldigen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Füllner.

Meinhard Füllner [CDU]: Frau Spoorendonk!

(Unterhaltung der Abgeordenten Anke Spoorendonk [SSW] und Erdsiek-Rave [SPD])

- Sie hört nicht zu. Frau Spoorendonk, ich wollte Sie ganz persönlich ansprechen: Hallo!

Ich möchte Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Wir kennen Sie hier als eine menschlich anständige Kollegin. Nur das, was Sie eben an Verdacht unterstellt haben, an geistiger Nähe produzieren wollten, ist nicht hinnehmbar, nicht akzeptabel. Nein, das müssen wir zurückweisen! Wir fordern Sie ganz formell auf, sich dafür hier zu entschuldigen und dies zurückzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiteres, Frau Spoorendonk: Wir können uns als CDU-Fraktion in der Debatte auch gegen so eine Unterstellung wehren. Nicht wehren können sich dagegen die Initiatoren dieser Initiative und die 60 000 Menschen, die kurzfristig unterschrieben haben. Ich denke, eine Bürgerinitiative von der Breite müssen wir als Landtag auch ernst nehmen. Da können Sie doch nicht sagen: Das ist eine Initiative, die wir im Landtag einfach übergehen können. Das Thema bewegt die Menschen. Deshalb haben wir das in den Landtag eingebracht. Sie können nicht auch diese Menschen in die „geistige Nähe“ bringen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Frau Spoorendonk, wir haben – anderes als Sie – mit den Initiatoren der Initiative auch Kontakt aufgenommen, haben uns über ihre Motive und Beweggründe unterhalten. Wir haben folgendes festgestellt, als wir mit ihnen konferiert haben. Das sind hochanständige Staatsbürger, Demokraten wie Sie und wie wir, die nichts Unlauteres im Sinne und keine politischen unlauteren Motive haben: Rechtsanwälte aus Lübeck, Bürger aus Kiel, Verleger, Unternehmer, Leute, die wirklich nicht in irgendeine geistige Ecke von Rechtsradikalen oder sonstwohin zu bringen sind.

Deshalb sollten Sie dies noch einmal deutlich korrigieren, Frau Spoorendonk.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Klug.

Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Sache kann man über alles streiten. Wir haben uns kritisch mit dem Antrag der CDU und mit dem Anliegen der Bürgerinitiative, der Volksinitiative zur Rechtschreibreform, auseinandergesetzt. Für meine gesamte Fraktion muß ich aber erklären: Es ist schlicht und ergreifend ein mieser Stil, wenn man diese Volksinitiative, ihre Initiatoren oder in weiterem Rahmen die CDU-Fraktion sozusagen in den Geruch einer Verbindung oder geistigen Verwandtschaft zu Rechtsradikalen hineinzieht. Das kann nicht sein.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

So dürfen wir hier nicht politisch diskutieren.

Im übrigen ist das, was die Volksinitiative angeht, auch sachlich falsch. Sie wissen aus Presseveröffentlichungen, daß sich ein früherer Initiator, der öffentlich erklärt hat, daß er in der Vergangenheit Geschäftsverbindungen zu einem rechtsradikalen Verleger gehabt habe, inzwischen zurückgezogen hat. Das ist etwas, was man dieser Initiative in toto nicht vorwerfen darf. Da sind Mitglieder dabei, die aus allen demokratischen Parteien kommen, auch aus Ihrer Partei.

Wenn Sie – ich habe das eben in einem Zwischenruf jedenfalls so verstanden, Frau Erdsiek-Rave – sich auf Artikel in der „Nationalzeitung“ oder anderen rechtsradikalen Postillen beziehen, „Trittbrettfahrer“ sagen, muß ich Ihnen entgegnen: Da läuft seit Jahren auch eine Diskussion gegen die Wirtschafts- und Währungsunion, gegen den Euro. Da kann man auch nicht sagen, wenn beispielsweise SPD-Politiker die Wirtschafts- und Währungsunion mit Fragezeichen versehen, daß sie sich etwa in die Nähe zum Rechtsradikalismus begeben würden.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wir können doch nicht bei jeder Diskussion um ein Thema Positionen – durchaus vertretbare Positionen, auch wenn man ihnen nicht zustimmt – deshalb tabuisieren, weil sich zufälligerweise ein paar rechtsradikale Spinner oder von mir aus auch linksradikale Spinner dieses Themas bedienen. Das kann doch nicht Stil der politischen Diskussion sein.

Ich möchte die Kollegin Anke Spoorendonk im Interesse des Klimas dieses Hohen Hauses und auch der weiteren öffentlichen Diskussion bitten: Liebe Anke, nimm das, was du gesagt hast, zurück! Das ist ein Ausrutscher gewesen, das sollte nicht so stehenbleiben.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Anke Spoorendonk [SSW]:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, daß ich jetzt noch einmal das Wort bekommen habe.

Ich habe in meiner Rede vorhin gesagt, daß Sie, indem Sie diesen Antrag jetzt, zu diesem Zeitpunkt stellen, in dem auch gerade die Volksinitiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ läuft, dies vielleicht – jetzt provoziere ich ein bißchen – auch tun, weil Sie Bürgernähe demonstrieren wollen. Herr Maurus hat es vorhin auch gesagt.

(Ursula Röper [CDU]: Das hat er anders gesagt!)

Ich sagte: Offensichtlich will die CDU-Landtagsfraktion dadurch auch Bürgernähe demonstrieren. Das habe ich gesagt.

(Zurufe von CDU und F.D.P. – Ursula Röper [CDU]: Nein!)

- Ja! – Dann sage ich: Dadurch wird dann eine andere Nähe nicht demonstriert, aber man könnte doch die Frage stellen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Welche denn?)

Ich will noch einmal sagen: Ich habe nicht

(Zurufe von CDU und F.D.P.)

- laßt mich doch einmal ausreden! – von geistiger Nähe der CDU zu diesen rechten Gruppierungen gesprochen. Das habe ich nicht gesagt.

(Zurufe – Ursula Röper [CDU]: Nehmen Sie es einfach zurück und eiern Sie nicht herum! – Glocke der Präsidentin)

Ich stehe auch dazu, daß die Menschen, die diese Volksinitiative unterschreiben, das aus vielen Motiven heraus tun. Aber Sie müssen es sich doch gefallen lassen,

(Angelika Volquartz [CDU]: Sagen Sie: „Es tut mir leid!“)

daß man sagt: Gut, einige Gruppen versuchen, das zu instrumentalisieren.
Ich finde, es ist ein unglücklicher Zeitpunkt, zu dem dieser Antrag läuft. Das ist es.

.(Angelika Volquartz [CDU]: Immer schlimmer! – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Wolfgang Kubicki“ [F.D.P.]: Das machen wir bei dem nächsten SSW-Antrag auch!)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort hat Frau Ministerin Böhrk.

Gisela Böhrk, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur:

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Es ist eigentlich ein bißchen schade, daß dann, wenn die Debatte endlich einmal eine gewisse Leichtigkeit und intellektuelle Vergnüglichkeit bekommt – die hatte sie ja; wir alle haben ja mit Vergnügen zugehört – ein Zungenschlag da ist, der in der Tat mißverständlich und so ist,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir müssen einmal über die persönlichen Befindlichkeiten von Frau Erdsiek-Rave bei ihrem Dringlichkeitsantrag diskutieren!)

daß die Debatte in einen Sumpf stürzt und alles, was vorher dagewesen ist, vergessen ist. Ich finde das einfach schade.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt!)

Ich will deutlich sagen – auch Frau Spoorendonk hat das deutlich gemacht -: Natürlich ist es so – und wir wissen es –, daß die Initiativen, die gegen die Rechtschreibreform laufen, durchaus bunt gewürfelt sind, im wahrsten Sinne des Wortes sehr bunt gewürfelt sind. Ich darf vielleicht als Apercu hinzulügen, daß gerade das Lübecker Klägerpaar gut mit mir befreundet ist und wir mit einem gewissen Entsetzen, aber auch Heiterkeit festgestellt haben, daß wir in dieser Frage konträr auseinander sind! Das ist in Demokratien durchaus möglich. Wir sollten das auch auf dieser Ebene belassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.)

Was mich in der Debatte um die Rechtschreibreform neben den inhaltlichen Fragen ganz besonders interessiert und fasziniert, ist die Frage: Warum wird sie eigentlich bei uns in der Republik so geführt?

(Konrad Nabel [SPD]: Weil sie vorher nicht geführt wurde!)

Warum hat sie diesen Stellenwert?

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat eine große Beilage zur Rechtschreibreform gemacht. Herr Dr. Klug hat Teile daraus zitiert. Ich lese nur einmal Überschriften vor;

„Die Tschechen verfolgen verwundert die Aufregung um die neue geheiligte Schrift der Nachbarn

Teutonischer Wirbel um ein Korrektürchen
In Prag, wo einst die neuhochdeutsche Kanzleisprache vorstrukturiert wurde, rät man zu souveräner Gelassenheit“

„Franzosen begrüßen die Reform“

„Eidgenossen sehen ihre Heimatsprache nicht bedroht
Keine Staatsaffäre
In der Schweiz schlägt die Reform kaum hohe Wellen“

Ich frage mit Ulrich Greiner, der das in der „Zeit“ vom 8. November 1996 getan hat:

„Warum erregen sich die deutschen Schriftsteller in einer Nebensache (Rechtschreibung) und schweigen in der Hauptsache?“

Was ist das für ein Zeichen für unsere Politik, wo es Volksbegehren gibt für Polizeipferde, für bayerische Biergärten, gegen die Rechtschreibreform und das Stillschweigen der mehr oder weniger intellektuellen Öffentlichkeit bei Massenarbeitslosigkeit, bei gleichzeitiger Gewinnexplosion oder etwa „nur“ bei dem Zerbröseln und Austrocknen von kulturellen Stätten wie Frankfurt und Berlin?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wie wäre es, wenn Sie zu der Initiative reden würden?)

Kein Aufschrei der großen Dichter zu diesem Thema,

(Beifall bei der SPD)

kein Aufschrei! Aber – ich zitiere noch einmal Ulrich Greiner -:

„Politische oder literarische Differenzen zählen nicht mehr. Ernst Jandl steht an der Seite Walter Kempowskis, Günter Grass verbündet sich mit Ernst Jünger. Als ob es um das Äußerste ginge, als ob deutsche Fregatten die Küste Kaliningrads beschießen wollten. Es geht aber nur darum, daß der Schuß mit doppeltem s geschrieben werden soll.“

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das finde ich auch nicht vernünftig!)

Herr Kubicki, Sie haben gestern gesagt: „Die Republik ist dabei, aus den Fugen zu geraten.“ Ich stimme Ihnen darin zu. Gerade deshalb finde ich es sehr bedrückend festzustellen: Theo Waigel taumelt von einer Haushaltskrise in die andere,

(Meinhard Füllner [CDU]: Der Bogen ist sehr weit gespannt!)

die öffentlichen Einnahmen befinden sich in freiem Fall nach unten,

(Meinhard Füllner [CDU]: Es gibt noch die Bundeswehr!)

aber der Finanzminister weiß eines ganz genau und ist ganz sicher: Er ist gegen die Rechtschreibreform.

Wir haben mit der Rechtschreibreform offensichtlich endlich wieder ein Thema, das nicht so schwierig ist,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist wie mit dem Wahlalter!)

das nicht differenziert betracht werden muß, sondern wo es endlich wieder einmal ganz einfach ist: Bist du dafür oder dagegen, ja oder nein? Die Welt ist wieder einteilbar. Endlich haben wir wieder einen binären Code.

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Wieder sind es die Kultusminister!)

Wir können wieder einmal mit uns selbst Konsens bilden. Wir können zufrieden sein. Wir haben keine kritischen Fragen an uns selbst. Wir müssen nicht selbst differenzieren und Fragen stellen, „wie geht es denn?“, sondern wir können ganz sicher sein.

Dies ist ein Grund, warum uns die Rechtschreibdebatte, die Reform der Rechtschreibung, dieses Reförmchen, diese Nebensache so stark beschäftigt und wir immer noch sprachlos und ratlos in den Hauptsachen sind, die uns eigentlich viel mehr bedrücken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Maurus und auch Frau Schröder haben die lange Geschichte dieses Reförmchens dargelegt. Herr Maurus hat bei den einzelnen Stationen, die er hier sehr genau aufgelistet hat, vergessen zu sagen, daß es zu keinem einzigen Zeitpunkt, zu keinem dieser einzelnen Schritte jemals einen Parlamentsvorbehalt oder einen wie auch immer gearteten parlamentarisch instrumentalisierbaren Vorbehalt gegeben hat.

Was Schleswig-Holstein anbetrifft, will ich nur hinzufügen, daß auch unser Erlaß nicht einfach erlassen worden ist,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sondern?)

sondern es natürlich eine Anhörung gegeben hat, und zwar der Elternverbände, der Lehrerverbände, all derjenigen, die wir immer vor Veröffentlichung eines Erlasses angehört haben. Es hat eine breite Zustimmung zu diesem Erlaß gegeben. Also ein ganz normales Verfahren!

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Haben Sie auch irgendein Parlament unterrichtet?)

Im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Beschlußlagen und im Vertrauen darauf, daß der demokratische Fortschritt insoweit unbezweifelbar ist, daß eben nicht – wie in den vergangenen fast 100 Jahren – die Herren der „Duden“-Redaktion entscheiden, was die richtige Schreibweise ist, sondern dies in einem gemeinsamen, konsensualen Prozeß der deutschsprachigen Länder und darüber hinaus entstanden ist. im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Beschlußlage haben alle Bundesländer Übergangsregelungen für die Schulen erlassen und nicht – wie auch zu lesen war – überstürzt und voreilig.

In Sachsen zum Beispiel ist der Unterricht gemäß der Neuregelung für die ersten Klassen seit Beginn dieses Schuljahres verbindlich. Im Gegensatz zu der Regelung in Schleswig-Holstein gibt es dort keine Übergangsregelung.

In Baden-Württemberg gilt die Neuregelung seit Beginn dieses Schuljahres verbindlich für die ersten Klassen. Ansonsten ist es den Schulen freigestellt, bis 1998 über die Einführung zu beschließen.

Die Volksinitiative ist zu einem Zeitpunkt aktiv geworden, als das Umsetzungsverfahren national und international abgeschlossen war. Im Vertrauen auf die Beschlußlage haben alle Länder gehandelt.

Die Übergangsregelungen sind in Kraft gesetzt.

Die Schul buchverlage stellen die Schreibung in den Schulbüchern mit Hochdruck um.

Lehrkräfte und Eltern haben viel Zeit investiert, um sich mit den Neuregelungen vertraut zu machen.

Schulen – und damit auch die Schulträger – haben erste Materialien und Bücher angeschafft.

Ich kann mir im übrigen nicht vorstellen, daß – die rechtliche Zulässigkeit von Volksinitiativen mal außer Betracht gelassen – die Kinder in Schleswig-Holstein tatsächlich eine andere Rechtschreibung lernen sollten als etwa die Kinder in Hamburg oder in Niedersachsen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, daß wir in einem Zeitalter eines galoppierend zusammenwachsenden Europa, in dem wir über den Euro diskutieren, in die Rechtschreibkleinstaaterei verfallen

(Beifall bei der SPD)

und in Schleswig-Holstein, in Hamburg und in Niedersachsen die Erstklässler jeweils nach einem anderen Regelwerk unterrichtet werden sollten.

(Meinhard Füllner [CDU]: Das will auch keiner!)

Ein Aussetzen des Erlasses zum gegenwärtigen Zeitpunkt – das ginge ja noch – wäre nicht einmal ein herrlicher Unfug, sondern würde heillose Verwirrung stiften.

Es würde eine zu späte oder spät angefangene Diskussion auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. die sich nicht wehren können. Ich rate also zu Augenmaß und Rationalität. Wir sollten uns nicht von der Wut über den verlorenen Buchstaben leiten lassen, sondern davon, daß es durchaus auch im Sinne internationaler Verständigung ein Gewinn ist, daß wir uns mit Österreich, der Schweiz und den anderen Ländern in der Rechtschreibfrage endlich geeinigt haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erhält der Abgeordnete Hentschel,

Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Volksinitiative und die Möglichkeit, eine Volksinitiative zu machen, sind hier im Lande nicht von der CDU durchgesetzt worden.

(Dr. Ottfried Hennig [CDU]: Sie müssen noch vieles lernen, Herr Hentschel! Wie sollte denn die Verfassung sonst geändert werden?)

- Es ist erstaunlich, daß Sie das immer begrüßen. Es freut mich. – Ich halte die Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform nicht für rechtsradikal. Ich halte sie von ihrem Charakter her für elitär. Wenn die Hälfte der Bevölkerung Probleme hat, richtig zu schreiben, und ein gewisses Bildungsbürgertum die Frage, ob man gebildet ist oder nicht, an der Rechtschreibung festmacht, dann hat das sehr viel mit elitärem Verhalten zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Und wenn sich hierbei ausgerechnet Journalisten, Schriftsteller und Verleger zum Sprecher machen, dann habe ich damit Probleme – sage ich. Ich finde, es ist auch eine Verunglimpfung von deutschen Schriftstellern wie Schiller, Goethe, Lessing und anderen, die sich nie an die Rechtschreibung gehalten haben.

(Zurufe von CDU und F.D.P.)

- Wenn sich die Aufregung gelegt hat, kann ich weitermachen. – Es ist allerdings richtig, daß es rechtsradikale Kreise gibt, die sich auf jedes Thema stürzen, bei dem auch nur entfernt das Wort „deutsch“ oder auch nur der Anfangsbuchstabe „D“ vorkommen. Dafür kann auch die Union nichts.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Die rechten Kreise sind auch für die Bücherverbrennung!)

Aber wenn Sie im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform von „deutscher Kultur“ reden – hierzu ist genug gesagt worden –, so muß ich sagen: Man muß sich doch nicht auf jedes Thema stürzen, nur weil man glaubt, es ist gerade populär, oder?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ursula Röper [CDU]: Das überlassen Sie einmal uns, welche Themen wir behandeln! – Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Herr Hentschel, das müssen Sie einmal nach links sagen!)

Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich komme daher zur Abstimmung.

Es ist nur Abstimmung in der Sache beantragt worden.

- Wer dem Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 14/520, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen! – Enthaltungen? – Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und SSW abgelehnt.

Ich rufe jetzt Punkt 10 der Tagesordnung auf: Ecstasy in Schleswig-Holstein

[…]

__________________
Sigmar Salzburg

Mit Klick die Kennkarte von Sigmar Salzburg ansehen    Suche weitere Einträge von Sigmar Salzburg        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Alle Zeiten sind MEZ    Neuen Faden beginnen     antworten
Gehe zum Forum:
< voriges Leitthema     nächstes Leitthema >

Benutzungs-Regeln:
Wer kann im Forum lesen? Jeder Gast / jeder angemeldete Nutzer.
Wer kann ein neues Leitthema oder eine Antwort eintragen? Jeder angemeldete, eingewählte Nutzer.
Einträge können von ihrem Verfasser geändert oder auch gelöscht werden.
HTML-Kennungen beim Eintragen erlaubt? AN. Schnuten erlaubt? AN. vB-Kennungen erlaubt? AN. Bilder-Einbindung mit [IMG] erlaubt? AN.

Maßnahmen der Verwaltung:
Leitthema öffnen / schließen
Leitthema umziehen lassen
Leitthema löschen
Leitthema ändern

Herausgeber · Schreiben Sie uns · Forum

Technik von: vBulletin, Version 1.1.4 ©Jelsoft Enterprises Ltd. 2000. Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage