Denken braucht Fallbeispiele
Begriffe-Partner können zueinander gegenteilig sein: groß und klein, dick und dünn, Mann und Frau. Klare Sache: Das Gegenteil eines kleinen dünnen Mannes ist eine große dicke Frau.
Das Gegenteil eines großen dünnen Mannes ist eine kleine dicke Frau.
(Oder ein kleiner dicker Mann. Oder ... oder ... oder ... oder ... oder ...; acht Ecken hat der Würfel.)
Aber die kleine dicke Frau ist viel diametraler entgegengesetzt.
Oftmals gib es mehrere Entgegengesetztheiten, diametralere und weniger diametrale; man kann die drei genannten Begriffepaare als Richtgrößen eines Würfels auffassen, dann sind die Punkte-Paare umso diametraler, je länger die von ihnen aufgespannte Diagonale ist.
Übrigens können die Diametralitäten einander auffressen:
Eine große Pleite und ein großer Erfolg sind viel entgegengesetzter als eine große Pleite und ein kleiner Erfolg oder ein kleiner Erfolg und eine kleine Pleite.
Das liegt daran, daß, in Begriffen der Vektorrechnung ausgedrückt, die hier beteiligten Begriffepaare zueinander nicht linear unabhängig sind.
Wenn ich zu solchen Sprachfragen oder zu Fragen des „Urknalles“ oder der Rechtschreib„reform“ o.ä. gefragt werde, dann taste ich nach Fallbeispielen aus dem Umfeld dieser Frage, suche nach gemeinsamen Mustern und erhalte dadurch in aller Regel recht rasch eine verläßliche Einordnung, zu der ich auch nach Jahren noch stehen kann.
(Leider werden in unseren Schulen Mustererkennung und Verstand zunehmend darauf eingeengt, die Mimik des Lehrers zu deuten und ihn nicht zu ärgern, statt die vielfältigen Muster der weiten Welt zu sehen und zu bedenken.)
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Detlef Lindenthal
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