Daran scheitern heute Schüler!
Das Hamburger Abendblatt brachte am 22. Juli den präparierten Text von Uwe Timm, in dem die Hamburger Schüler übliche Fehler (von uns hervorgehoben) finden sollten:
In diesem Text sind zwölf Fehler
Im Rechtschreiben liegt ein permanenter Zwang, der nur erträglich wird, weil wir ihn so lange einüben, dass wir ihn schließlich nicht mehr oder kaum noch bemerken. Für einige hingegen ist die Alphabetisierung ein lebenslanger Prozess, weil sie immer wieder über das richtige schreiben nachdenken müssen, immer wieder stutzen, und zwar nicht nur bei neuen und unbekannten, sondern auch bei altbekannten Wörtern. Ich gehöre zu diesen unsicheren Alphabeten. Der Schüler aus meiner Grundschulzeit, der die besten, weil fehlerfreihesten Diktate schreiben konnte, leitet heute eine Mülldeponie bei Hamburg und sagt – was ich sofort nachvollziehen kann –, es sei eine wunderbare Beschäftigung, dieses Chaos zu überblicken, diese Dinge, die da weggekippt werden, verbrauchte wie halbverbrauchte, die von Planierraupen hin- und hergeschoben werden, darüber die Möwenschwärme. Vieleicht ist diese Beschäftigung seine Antwort auf den Rechtschreib Zwang, den er fraglos erduldete. Jetzt schreibt und ließt er nicht mehr. Ich sage das ohne jeden Triumph. Er muss nur noch Häkchen machen. Und dann natürlich seine Inizialen, wenn wieder ein Zehntonner den Dreck abkippt. Ich vermute, viele Menschen beantworten die frühe Alphabetisierung mit einer späteren Verweigerung zu Schreiben – und zu Lesen. Andere wiederrum reagieren mit Überanpassung, sie studieren Germanistik, schreiben […] Gedichte oder vergleichen Sprachen. Diese Disziplinierung durch Schreiben, die ich als einen Würgegriff in Erinnerung habe, hat bei mir möglicherweise dazu geführt – und zwar, um Luft zu kriegen –, das ich erzählte, also mit einer an der Mündlichkeit ausgerichteten Form die Schreibübungen beantwortete. Ich bog den Druck durch Erzählen ab, wobei ich, auf die Situation, das Bild konzentriert, die Wörter in der schriftlichen Form varierte, die Schreibweise nach Klang und Rythmus umbaute. Selbstverständlich fand das bei Herrn Blumenthal, meinem Lehrer, kein Verständnis. Seine Antwort waren Fünfer.
Quelle: Uwe Timm: Die Stimme beim Schreiben, München 2005, S. 272-273.
Hamburger Abendblatt 22. 7.2015
Man hat häufige Fehler eingearbeitet, aber solche, die nur der Rechtschreib„reform“ anzulasten wären, anscheinend bewußt vermieden. Die tückische „ß-nach-Langvokal“-Regel im „ließt“, das falsche „das“ – sie verlangen nach wie vor Grammatikkenntnisse. Die übrigen drei „ss“ der Rechtschreib„reform“ hat man nicht angetastet, obgleich auch sie, wenigsten für umerzogene Altschreiber, eine ständige Stolperfalle sind, wie in diesem Forum an Leuten wie Angela Merkel, Ralf Stegner, Nicolaus Fest u.a. vorgeführt.
Die falschen „Inizialen“ sind aber wegen der Reform der „Differentiale“ zu „Differenziale“ nicht mehr als ungewöhnlich erkennbar, ebensowenig wie die falschen Großschreibungen wegen des neuen Großschreibfimmels, der „Rechtschreib Zwang“ wegen des neuen Trennungsfimmels nicht. Der „wiederrum“-Fehler folgt der „Zierrat“-Reform.
Der Rest der erfundenen Fehler folgt dem „Schreiben nach Gehör“. Nur den „Rhythmus“ mußte man als griechisches Wort schon immer lernen. Insgesamt ist die Rechtschreibreform mehr an dem Fehlerdesaster beteiligt, als nach dem ersten Augenschein erkennbar.
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