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Interview
02.08.2004 10:51Initiative fordert Rücknahme der RechtschreibreformGabriele Ahrens, Mitinitiatorin der Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform Niedersachsen

Beliebt ist sie wahrlich nicht, die Rechtschreibreform. Doch eine Rückkehr zu den alten Regeln schien trotz jahrelanger Proteste ausgeschlossen. Schließlich werden die neuen Regeln bereits seit sechs Jahren unterrichtet. Doch nun, ein Jahr bevor die Regeln an den Schulen verbindlich werden, fordern mehrere Ministerpräsidenten, die Reform müsse zurückgenommen werden. Und in Niedersachsen hat sich jetzt sogar die, wie sie selbst es formuliert, parteiübergreifende Volksinitiative WIR gegen Rechtschreibreform gegründet. Die Initiatoren müssen innerhalb eines Jahres 70.000 Unterschriften sammeln, damit der Landtag in Hannover über die Reform abstimmt. Fragen an Gabriele Ahrens, sie ist eine der Initiatoren.
NDR Info: Frau Ahrens, was haben Sie denn dagegen, dass zum Beispiel Rad fahren jetzt wie Auto fahren getrennt und groß geschrieben wird?
Ahrens: Im Prinzip habe ich überhaupt nichts dagegen, denn das konnte man früher auch schon. Nur der Duden hat es falsch ausgelegt. Und das war eigentlich das, woran sich immer die Kritik an der herkömmlichen Rechtschreibung entzündet hat spitzfindige Auslegungen, die der Duden vorgenommen hat. Wir haben an der Rechtschreibreform ganz andere Sachen auszusetzen, ganz aktuell jetzt zum Beispiel die Beliebigkeit, die herrscht nachdem die Reformkommission tausende neuer Varianten zugelassen hat.
NDR Info: Was genau meinen Sie mit Beliebigkeit?
Ahrens: Zum Beispiel: darunter schreiben und vornüber kippen schreibt man getrennt, danebenschreiben und hintenüberkippen zusammen. Das war ständig Anlass zur Kritik, diese Getrennt- und Zusammenschreibung und auch Groß- und Kleinschreibung, und daher hat die Reformkommission gesagt: Okay, lassen wir das auch wieder zu, dass man jetzt beispielsweise vornüberkippen wieder zusammenschreiben kann. Das führt dazu, dass kein Mensch mehr weiß, was nun eigentlich getrennt und zusammen geschrieben wird, oder groß und klein.
NDR Info: Nun zeigen Umfragen, dass die Schulkinder mit den Regeln keine Probleme haben, es sind eigentlich die Älteren, die sich manchmal nicht umgewöhnen wollen. Denken Sie da nicht eigentlich sehr egoistisch, wenn Sie jetzt eine Reform der Reform fordern?
Ahrens: Wir fordern ja nicht eine Reform der Reform, sondern die komplette Rücknahme. Denn die Reformkommission hat in den letzten Jahren soviel geändert. Es wird noch Jahrelang daran herumgebastelt. Das, was damals 1996 in den Schulen eingeführt wurde, das ist schon längst nicht mehr aktuell. Und wir wollen eigentlich die Schulkinder davor bewahren, dass sie ständig etwas Neues lernen müssen.
NDR Info: Aber wenn die Schulkinder vielleicht gar nicht bewahrt werden wollen, weil sie damit wunderbar klar kommen?
Ahrens: Wer behauptet, dass sie damit wunderbar klar kommen?
NDR Info: Jeder Lehrer, jede Umfrage, sagt das.
Ahrens: Nein, das stimmt nicht, also das ist nicht wahr. Denn Lehrer sagen hinter vorgehaltener Hand, dass die Kinder mehr Fehler machen, sie dürfen sie nur nicht mehr anstreichen, weil die herkömmliche und die neue Rechtschreibung parallel noch gültig sind.
NDR Info: Lassen Sie uns mal über die Kosten sprechen. In Wörterbücher, in Rechtschreibsoftware, in Schulbücher wurden ja mehrere 100 Millionen Euro investiert. Wer soll diese Millionen zahlen, wenn jetzt alles wieder rückgängig gemacht wird?
Ahrens: Der Schulbuchverleger Michael Klett beispielsweise hätte überhaupt nichts dagegen, dass die Reform zurückgenommen wird. Und auch der Stolz-Verlag ist sehr dafür. Also es sind nicht alle Schulbuchverlage der Meinung, dass es Millionen kostet.
NDR Info: Das sind jetzt aber zwei Ausnahmen, die Sie nennen.
Ahrens: Als die Reform eingeführt wurde, haben wir damals auch das Kostenargument ins Feld geführt, und damals wurde uns gesagt: Schulbücher müssen eh ständig neu verlegt werden, weil sich auch die Inhalte des Unterrichts ändern. Und man könnte immerhin die alten Schulbücher noch weiter benutzen und mit dem Lehrer gemeinsam handschriftlich Änderungen vornehmen das hätte sogar einen ganz erwünschten Lerneffekt. Das könnte man jetzt auch machen. Wir wollen ja nicht von jetzt auf gleich, dass die Reform zurückgenommen wird, man kann ja auch eine Übergangfrist laufen lassen, wie sie jetzt fünf Jahre lang gegolten hat.
NDR Info: Mal angenommen, Sie bekommen diese 70.000 Unterschriften zusammen was dann?
Ahrens: Dann werden sie dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt. Der muss dann dem Antrag, dass die neuen Regeln nicht gelten, zustimmen oder ihn ablehnen. Wir gehen davon aus, dass er ihm zustimmt, da Herr Ministerpräsident Wulff ja praktisch schon vorausgeprescht ist mit seiner Meinung.
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