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Freitag 6. August 2004, 16:40 UhrMehrere Großverlage kehren zur alten Rechtschreibung zurückBerlin (AFP) Den Deutschen droht das völlige Rechtschreib-Chaos: Mehrere Großverlage kündigten am Freitag die Rückkehr zur alten Rechtschreibung an. Die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag erklärten in Hamburg, sie wollten schnellstmöglich umstellen. Der Süddeutsche Verlag will sich anschließen. Auch die Bauer-Verlagsgruppe schließt eine Änderung nicht aus, will aber noch abwarten. Die Nachrichtenagenturen wollen ihre Kunden befragen. Andere Medienhäuser wie Burda oder Gruner+Jahr lehnen hingegen die Rückkehr zur alten Schreibung ab. Die Kultusministerkonferenz (KMK) warf Springer und Spiegel eine Verunsicherung der Bürger vor. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ging davon aus, dass Teile der Reform wieder aufgehoben werden.
Springer und Spiegel appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an andere Medienunternehmen, sich ihrem Schritt anzuschließen. Ziel sei die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung. Beide verwiesen auf die mangelnde Akzeptanz und die zunehmende Verunsicherung der Deutschen. Vermischungen von alter und neuer Rechtschreibung seien an der Tagesordnung. Die neuerliche Reform der Reform führe ins völlige Chaos, erklärten die Verlage mit Blick auf die Beschlüsse der KMK, die zwar Änderungen an der Reform vorgenommen hatte, die aber wie geplant im August 2005 an deutschen Schulen verbindlich werden soll.
Dem Vorstoß von Springer und Spiegel, die nach eigenen Angaben mit ihren Titeln rund 60 Prozent der Bevölkerung erreichen, will der Süddeutsche Verlag folgen. Ein Sprecher der größten überregionalen Abo-Zeitung Deutschlands sagte, der Zeitpunkt sei aber noch offen. Ein Sprecher der Bauer-Verlagsgruppe (TV Movie, tv Hören und Sehen) signalisierte ebenfalls die Bereitschaft zur Rückkehr zur alten Schreibung. Voraussetzung sei, dass möglichst viele Verlage umstellen. Es dürfe nicht zwei Rechtschreibungen geben. Auch die WAZ-Gruppe in Essen will nach Angaben eines Sprechers bei den neuen Regeln bleiben, bis eine für alle einheitliche Regelung gilt.
Auch die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen wollen zunächst weiter die neuen Schreibregeln anwenden. AFP-Geschäftsführer Clemens Wortmann sagte, sollte eine deutliche Mehrheit der Kunden die Rückkehr zu den alten Regeln wünschen, werde AFP zusammen mit den anderen Agenturen erneut beraten. Die österreichische Nachrichtenagentur APA kritisierte, das Hin und Her um die Rechtschreibung sei eine Zumutung. APA-Chefredakteur Wolfgang Mayr stellte die Frage, ob Deutschland eigentlich keine anderen Sorgen habe.
Der Burda-Verlag (Focus, Bunte, Freundin) lehnte die Umstellung mit der Begründung ab, er würde damit nur zur Verunsicherung beitragen. Dies sei aber kein Bekenntnis zur Rechtschreibreform. Bei Europas größtem Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr (Stern, Brigitte, Geo) gibt es zwar keine Direktive der Konzernführung. Es dürfe jeder Chefredakteur für sein Blatt entscheiden, sagte ein Sprecher. Bei einer Umfrage vor einigen Wochen habe sich die Mehrzahl der Chefredakteure aber gegen eine Umstellung ausgesprochen.
Die KMK kritisierte, die Rückkehr zu den alten Regeln führe in hohem Maße zur Verunsicherung gerade bei Kinder und Jugendlichen. Seit 1998 würden etwa 12,5 Millionen Schüler nach den neuen Regeln lernen. Zudem sei die Reform mit Österreich und der Schweiz vereinbart. Der Deutsche Lehrerverband forderte, dass die Ministerpräsidenten die Reform jetzt zur Chefsache machen müssten. Vermutlich müssten sie ein Moratorium einschieben und die alte Schreibung wieder für verbindlich erklären. Auch der Deutsche Journalisten Verbandsah die neue Rechtschreibung vor dem Aus.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonte, er wolle die komplette Rücknahme der Reform auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober durchsetzen. Stoiber, der sich bisher eher zurückhaltend geäußert hatte, sagte dem ZDF, die Ministerpräsidenten würden mit Sicherheit eine ganze Reihe von Teilen dieser Rechtschreibreform wohl wieder aufheben. Dagegen sagte der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) dem Tagesspiegel (Samstagsausgabe), er sehe keinen Handlungsbedarf.
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