Denk- und Schreibkonfusionen
Ich habe nie begriffen, wie man meinen konnte, mit der diffusen Methode der „Dialektik“ (These, Antithese, Synthese) imstande zu sein, die gesamte Entwicklung der vielfältigen Welt beschreiben oder gar voraussagen zu können. Im DDR-Funk der 50er Jahre gab es eine Sendung „Wissenschaftliche Weltanschauung“, die das täglich wie eine Abendandacht verbreitete. Karl Popper hat die Schwächen dieser Denkweise aufgedeckt, übersichtlich in einem Aufsatz von 1940, der 1968 auf deutsch erschienen ist. Im Internet ist er in der Reihe „Vordenker, Sommer-Edition 2004“ zugänglich. Hier glaubte man allerdings, den Text für ungeübte Denker in die „leichter lern- und lesbare“ Reformschreibung übersetzen zu müssen. Das klappte nicht immer:
Wenn diese Beschreibung der Entwicklung des menschlichen Denkens im allgemeinen und des wissenschaftlichen Denkens im besonderen als mehr oder weniger korrekt akzeptiert wird, dann kann sie uns verstehen helfen, was diejenigen meinen, die sagen, dass sich die Entwicklung des Denkens »dialektisch« vorwärts bewege...
Die alleinige »Kraft«, die die dialektische Entwicklung vorwärtstreibt, ist deshalb unser Entschluss, den Widerspruch zwischen Thesis und Antithesis nicht zu akzeptieren bzw. nicht zu dulden. Es ist keine mysteriöse Kraft im Inneren dieser beiden Ideen, keine mysteriöse Spannung zwischen ihnen, die die Entwicklung vorwärtstreibt – es ist lediglich unsere Entscheidung, unser Entschluss, keine Widersprüche zuzulassen, wodurch wir veranlasst werden, uns nach einer neuen Ansicht umzuschauen, die uns die Vermeidung der Widersprüche ermöglichen kann. Und dieser Entschluß ist völlig gerechtfertigt...
aus: Ernst Topitsch (hrsg.), Logik der Sozialwissenschaften, Band 5 (5 1968) p.262-290.
Im Original: What is dialectic? Aus: Mind, N. S., Bd. 49, 1940 ... Vordenker, Sommer-Edition 2004
Als Ergänzung zu diesem Eintrag:
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