Zitat: Ursprünglich eingetragen von Florian Agreiter
Und was die Opinio communis angeht: Worauf stützt diese sich denn? Nicht auf Sachverstand – Sie glauben doch sicherlich nicht, dass Lieschen Müller genügend Fachkompetenz besitzt, um die Reform evaluieren zu können? –, sondern in erster Linie auf Konservatismus!
Die meisten haben sich nie wirklich mit der Reform und den Änderungen auseinander gesetzt. Der durchschnittliche ältere Mitbürger (z. B. der über 60-jährige Mitbürger) schreibt noch immer in alter Rechtschreibung. Der durchschnittliche ältere Mitbürger hätte am liebsten seine alte Rechtschreibung zurück. Der durchschnittliche ältere Mitbürger weiß nicht en détail, welche Veränderungen die Rechtschreibreform mit sich gebracht hat!
Lieber Herr Agreiter, hier sind doch einige Zweifel angebracht, ob Sie en détail wissen, welche Veränderungen die Rechtschreibreform mit sich gebracht hat! Haben Sie sich jemals wirklich mit der Reform und den Änderungen auseinander gesetzt? Haben Sie das Regelwerk studiert? ( http://www.rechtschreibkommission.de/ )Wenn ja, welchen der vielen bis jetzt vollzogenen Änderungen halten Sie noch die Treue? Richten Sie sich nach Duden 1996, 2000, nach Bertelsmann oder Langenscheidt? Welcher Hausorthographie geben Sie den Vorzug, der des Spiegel, der Zeit oder richten Sie sich streng nach der in den Schulen unterrichteten? Kann es sein, daß Ihnen die Unterschiede noch gar nicht aufgefallen sind? Da Sie immer von der neuen Rechtschreibung reden.
Was die älteren Mitbürger und Konservatismus betrifft:
Sie scheinen diese Reform für fortschrittlich zu halten, bloß weil sie Reform heißt, und ihre Kritiker gelten dann automatisch als konservativ, natürlich im negativen Sinne. Aber wenn Sie sich wirklich mal mit ihrem Inhalt befaßten, würden Sie merken, daß sie viele Schreibweisen wiederherstellt, die schon mal existiert haben, nämlich im 17. 19. Jh., Schreibweisen, die sich im Zuge der Sprachentwicklung, durch die Notwendigkeit, sich immer präziser und differenzierter auszudrücken, den Bedürfnissen der Schreiber anpaßten, also veränderten. Die Reform versucht, das Rad der Entwicklung nicht nur anzuhalten, sondern zurückzudrehen. Das soll fortschrittlich sein?
Es mag sein, daß viele Menschen ihre Vorbehalte gegen die Reform nicht so historisch begründen können, aber das Unbehagen ist allenthalben da (und nicht nur bei unseren älteren Mitbürgern) und weist auf eine ganz natürliche und unbefangene Einstellung zu unserer Schriftsprache.
Abgesehen davon, daß es nicht gerade von fundierter Argumentation zeugt, manchen Reformkritikern mit ihrem Alter auch ihre angebliche Unzuständigkeit zu bescheinigen, es sind auch viele Jüngere, die sich über das Schreibchaos beschweren, nicht zuletzt hier auf diesen Seiten.
Es ist außerdem bekannt, daß die besten und bekanntesten Schriftsteller deutscher Sprache in bewährter RS publizieren, und daß darunter auch die jüngeren sind, und daß gerade die minderwertigere, zum schnellen Konsum vorgesehene Literatur meistens in (immer sehr fehlerhafter) neuer RS gehalten ist, unabhängig vom Alter des Autors.
P.S.
Welches war eigentlich das Durchschnittsalter der Reformer und der Kultusminister zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform?
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m.g.
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