Die schrecklichen Kinder
Neulich hatte sich meine Frau im Buchladen festgelesen und den Band des ihr unbekannten Schriftstellers kurzerhand mitgenommen: Peter Sloterdijk „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“. Ich sollte ihr einige ausgefallene Fachbegriffe erläutern. Nun konnte ich mich überzeugen, daß die Behauptung des Spiegel-Rezensenten Georg Diez, das Buch sei eine Lektüre speziell für AfD-Wähler, völliger Unsinn ist.
Das Buch ist in der angenehm zu lesenden „missstandsfreien“ traditionellen Rechtschreibung gedruckt. Besonders wohltuend ist auch, daß darin keine reformierte Großschreibung ablenkt.
Seite 15: Zusätzlich ist zu erweisen, wie das Wiederaufflammen der Sünde im einzelnen zustande kommt.
Wie verwirrend wäre: „ ... im Einzelnen zustande kommt...
Seite 238: »Ich bin Telemachos, des Odysseus Sohn.« »Moi, je suis Corse.« »Armenier bin ich.« »Du bist eine Buddenbrook.« Wem eine solche Auskunft nicht genügt, dem ist fürs erste nicht zu helfen.
Wie albern wäre: „... dem ist fürs Erste nicht zu helfen.
Sloterdijk versucht, die gesellschaftliche Entwicklung der Kultur, besonders der europäischen, abstrahierend zu beschreiben. Dabei sind seine wiederkehrenden Schlagworte „Filiation, die kulturelle und quasi genetische Weitergabe des Ererbten, und der „Hiatus, der Einschnitt oder die Unterbrechung, eigentlich ein Begriff aus der Sprachwissenschaft. Dieser soll gesellschaftliche oder revolutionäre Umbrüche bezeichnen, die regelmäßig zu Informationsverlusten führen. Dabei erzählt Sloterdijk in treffenden Miniaturen symbolhafte Vorkommnisse der Geschichte, zum Beispiel der französischen Revolution oder der Zeit des Stalinismus. In der Jetztzeit sei nun eine besondere Konfusion der Modernismen zu verzeichnen. Obwohl Sloterdijk das nicht ausdrücklich sagt, könnte auch hierauf noch der Ausspruch der Marquise de Pompadour passen: „Après nous le déluge!
Ganz nebenbei wird man in einer Literaturangabe auf den Alltag der Gegenwart verwiesen. Die Fußnote auf Seite 259 nennt: Paul Kirchhof „Das Gesetz der Hydra. Gebt den Bürgern ihren Staat zurück. München 2006“ – ein Werk des Erfinders der staatlichen Fernseh-Zwangsgebühren.
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