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Helmut Eberwein
03.02.2001 23.00
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Was ist das Ziel?

Liebe Rechtschreibfreunde,

alle, die sich hier an den Diskussionen beteiligen, sollten sich vor
Augen halten, was das eigentliche Ziel dieser Internet-Seite ist:

Der Kampf für eine vernünftige Rechtschreibung (so kann niemand behaupten, wir
wären ständig gegen etwas:-)).

Die Kunst ist es, gemeinsam für etwas zu streiten, obwohl man in vielerlei
Dingen komplett andere Ansichten hat. In dem Punkt der RS sind wir uns alle einig, und
sollten daher unsere Energie darauf verwenden im Sinne unserer Sprache
tätig zu werden und die Zeit nicht mit persönlichen Scharmützeln vergeuden.

Unsere Eitelkeiten können wir auch alle woanders pflegen, wir sollten lieber
dafür sorgen, daß sich Herr Zabel/Augst hier im Gästebuch melden, dann
könnte es wirklich interessant werden.

Es wäre erfreulich, wenn die Sprachfreunde, die hier versammelt sind, mir helfen würden
die Medien zu „bearbeiten“ anstatt sich ständig zu necken!

Bitte das Ziel im Auge behalten.

Danke



Helmut Eberwein

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Manfred Riebe
03.02.2001 23.00
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Methoden der Argumentation und Beweisführung

Sehr geehrter Herr Wrase!

Ich bin Nichtgermanist und kein Sprachpapst. Ihre Kritik am Ickler-Wörterbuch ist mir bekannt. Sie brauchen meine Hilfe sicherlich nicht; denn Herr Ickler hat Sie sinngemäß als seinen besten Kritiker bezeichnet.

In der Satzung des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ heißt es:

„Ziel des Vereins ist die Bewahrung des hohen Entwicklungsstandes der deutschen Sprache, wie er sich in der Rechtschreibung des Duden bis zu seiner 20. Auflage 1991 durch behutsame und sachgerechte Anpassung der Schrift an die sich lebendig entwickelnde Sprache widerspiegelt. Der Verein wirkt darauf hin, daß die deutsche Sprache in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere ihre Rechtschreibung vor willkürlichen Eingriffen geschützt wird und daß Ergebnisse von natürlichen Entwicklungen der Orthographie, die sich in der Sprachgemeinschaft vollzogen haben, wie bisher in eine verbindliche Wörterliste aufgenommen werden und so die Voraussetzungen für die notwendige orthographische Einheitlichkeit erhalten bleiben.“

Ich habe in diesem Sinne meine prinzipielle Kritik bereits umfassend geäußert und möchte mich nicht wiederholen. Ich schrieb am 30.01. ins Gästebuch, der Duden bis zu seiner 20. Auflage von 1991 erfülle meine persönlichen Anforderungen weitestgehend. Deshalb brauche ich auch nicht ein eigenes Wörterbuch zu verfassen. Außerdem schrieb ich, ich wolle mich zum Thema Getrennt- und Zusammenschreibung künftig zurückhalten. (vgl. „Die Bedürfnisse des Lesers sind der Maßstab“, 30.01.2001). In den Fällen, in denen ich nicht mit dem Duden einverstanden bin, wie bei „ernstnehmen“, fördere ich durch meine abweichende Schreibweise ein klein wenig den Univerbierungsprozeß.

Günter Schmickler hat hier in seinem Beitrag „Die Armut und die Powerteh“ die zweifelhafte „Methode“ der Begründung durch Zirkelschluß aufgezeigt. Deshalb will ich noch an folgendes erinnern: Etliche Reformkritiker forderten von den Reformern, sie sollten doch erst einmal beweisen, daß die bewährte traditionelle Duden-Rechtschreibung mangelhaft und ihre besser sei. Das gilt umgekehrt logischerweise auch für das Ickler-Wörterbuch. Doch dieser Beweis wurde hinsichtlich der Getrennt- und Zusammenschreibung bisher nur in einigen Fällen angetreten, aber in vielen anderen Fällen nicht. Außerdem sollten in Zweifelsfällen Argumente gegen die traditionelle Schreibweise des Duden fairerweise der Duden-Redaktion vorgelegt werden, damit diese die Möglichkeit hat, ihre traditionelle Schreibweise fachmännisch zu verteidigen. Dazu gehört natürlich, daß man auch die oft seltsamen Methoden der Argumentation und Beweisführung kritisch hinterfragt.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Theodor Ickler
03.02.2001 23.00
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GKS

Nach der ausgiebigen Diskussion der Getrennt- und Zusammenschreibung sollten wir vielleicht einmal daran denken, daß die Neuregelung noch andere fragwürdige Punkte enthält, zum Beispiel die Groß- und Kleinschreibung, deren Veränderung ja wohl noch mehr auffällt. Tatsächlich waren die Reformer angetreten, um die Kleinschreibung einzuführen, das war fast der einzige Programmpunkt sowohl bei Nerius im Osten wie bei den Emanzipatoren in westlichen GEW-Kreisen (Frankfurter Kongreß 1973). Mich würde nun interessieren, was die Diskutanten dieses ertragreichen Gästebuchs (das sich nun mal zum eigentlichen Forum entwickelt hat) über meine Vorschläge zur Neudarstellung der GKS zu sagen haben.

Ich erinnere noch einmal an die beiden Hauptpunkte (die Großschreibung am Satzanfang können wir weglassen). Wenn man in der alten und auch von der Neuregelung nicht angetasteten Weise von „Substantivgroßschreibung“ spricht, muß man erklären, warum viele Substantive (besonders sog. Substantivierungen) klein geschrieben werden: „im allgemeinen“, „aufs schönste“, „im dunkeln tappen“ usw.; andererseits aber viele Nichtsubstantive groß: „der Schwarze Peter“ usw.
Ich habe nun vor allem in der „Kurzen Anleitung“ in meinem Rechtschreibwörterbuch folgendes vorgeschlagen: Nicht eigentlich „Substantive“ ziehen die Großschreibung auf sich, sondern „das, wovon in einem Text die Rede ist“. Das ist ganz bewußt eine ziemlich vage Formulierung. Zugrunde liegt die bekannte Beobachtung, daß man aus einem Text alles klein Geschriebene wegstreichen und doch immer noch erkennen kann, wovon der Text handelt; umgekehrt geht das nicht. Nun muß man allerdings aufpassen, daß man diesen vagen Begriff des „Textgegenstandes“ nicht verwechselt mit „dem Wichtigen“. Der Textgegenstand, das thematische Material steht in Substantiven bzw. Substantivgruppen (die wenigstens ein groß geschriebenes Wort enthalten). Das erleichtert die Orientierung und führt zu einer Erhöhung der Lesegeschwindigkeit, die auf zwei bis fünf Prozent geschätzt wird. Jedenfalls gilt es als Vorzug der deutschen Orthographie, den auch die Reformer grundsätzlich anerkennen, allerdings nicht hoch genug schätzen, um dafür ihr Ziel der einheitlichen Kleinschreibung aufzugeben. Eigennamen brauchen übrigens nicht gesondert berücksichtigt zu werden, weil sie immer etwas bezeichnen, wovon im Text die Rede ist. Nützlich ist das vage Kriterium, wenn man sich fragt, ob „im allgemeinen“, „des öfteren“ usw. groß geschrieben werden sollen. Manche Texte handeln wirklich vom Allgemeinen, dann wird es groß geschrieben, aber im allgemeinen ist davon keine Rede, sondern man meint es gewissermaßen adverbial (engl. „generally“) und schreibt es klein. Was sollte wohl das „Öftere“ sein? Das gibt es doch gar nicht, folglich schreibt man klein usw. Der Fanatiker Gallnmann wollte die ihm unangenehmen Ausnahmen „bei weitem“ usw. auch noch beseitigen, zwölf Stück insgesamt. Das ganze führt tief ins neunzehnte Jahrhundert zurück, als man diese Großschreibungen aber auch schon „übertrieben“ fand und an ihre Beiseitigung ging. Hier zeigt sich der reaktionäre Charakter der Neuregelung besonders deutlich. Mein Vorschlag versucht die Intuition der Schreibenden in neuer Weise zu erfassen.

Der zweite Punkt sind die „festen Begriffe“, „Nominationsstereotype“: „Schwarzer Peter“, „Rote Taubnessel“. Nerius und die Seinen haben sich bemüht, mit der Eigennamengroßschreibung weiterzukommen, mußten dann aber feststellen, daß hier meist keine Eigennamen vorliegen. Die Schreibwirklichkeit kennt noch weit mehr Großschreibungen, als der alte Duden und die Neuregelung anerkennen wollten. Ich habe vorgeschlagen, für praktische Zwecke die Unterscheidung von „Sein“ und „Heißen“ heranzuziehen, was eine bessere Grundlage als der fragwürdige Eigennamenbegriff ist. Als Zehetmair den „Heiligen Vater“ rettete, ging es um folgendes: „der heilige Vater“ wäre ein Vater, der heilig ist, aber der „Heilige Vater“ ist eine Person, die den Titel „Heiliger Vater“ trägt, also (nur) so heißt. Die Rote Taubnessel muß nicht rot sein, der Schnelle Brüter nicht schnell usw. und das Schwarze Brett ist bekanntlich in den seltensten Fälle schwarz, sondern heißt nur so.
Mit diesem Kriterium kann man eine größere Menge von Fällen abdecken als mit den gewundenen Erklärungen des alten Duden oder gar der Neuregelung.

Was halten Sie davon?



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Matthias Dräger
03.02.2001 23.00
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Duden 20. Auflage, 21. und 22. Auflage, und das Rechtschreibwörterbuch von Ickler

Lieber Herr Riebe,

die Darstellung der Rechtschreibung in jüngster Zeit läßt sich wohl in drei Hauptrichtungen gliedern:

1) Duden bis zur 20. Auflage 1991: Man richtet sich nach dem allgemein üblichen Schreibgebrauch. Die Mängel sind überschaubar:
- Manche Einträge entsprechen nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch
- Mit manchen Einträgen versucht die Redaktion, sprachpflegerisch tätig zu werden, ohne daß hierfür durch tatsächliche Verwendung im täglichen Gebrauch ein Anhaltspunkt gegeben wäre (z. B. „Schofför“, so, bemäntelt als „frühere Eindeutschung für Chauffeur“, sogar noch in der 22. Auflage 1996!).
Dieser Duden erfreute sich allgemeiner Akzeptanz, wurde allerdings lange nicht in dem Umfang auch tatsächlich benutzt, wie man das auf den ersten Blick annehmen mag. So habe ich in der Schulzeit überhaupt keinen Duden gehabt, und kam selbst als Verleger lange Zeit ohne einen solchen aus. Selbst ein Fachmann wie Prof. Ickler hat bis vor drei Jahren keinen Duden gehabt. Schriftsteller von einigem Format dürften sich kaum an den Duden gehalten haben, die können ja meist schreiben. Aus erster Hand weiß ich dies von Dr. Heinz Ritter, der sich nie um den Duden geschert hat.
    Der Duden war vor allem praktisch für die zahlreichen Sekretärinnen, die hier bequem schwierigere Wörter wie Rhythmus und Sauerstoffflasche nachschlagen konnten.

2) Duden ab 21. Auflage: Die Duden-Redaktion versucht, aus neuen, zum Teil willkürlichen Schreibregeln, entsprechende Wörterbucheinträge abzuleiten. Es entsteht in tausenden von Einträgen eine „künstliche“ Rechtschreibung, mit künstlichen Trennungen, die, insbesondere bei der „neuen“ bzw. bereits schon früher gescheiterten ss-Regelung, nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch entsprechen. Diese Schreibweisen werden mit großem Aufwand zur „amtlichen“ Norm erhoben, alle Staatsdiener und natürlich auch die Schulen sollen sich daran halten.
    Die schwerwiegenden Mängel dieser Vorgehensweise sind durch die zahllosen Proteste und Einwände dagegen hinreichend dokumentiert, nicht zuletzt auch durch die Einschätzung hierzu von Drosdowski in seinem Brief an Ickler (mafiaähnliche Zustände im Arbeitskreis etc.).
    Die Mangelhaftigekeit dieser Vorgehensweise ist auch schon allein aus wirtschaftlichen Gründen erkennbar: Die millionenfach gekaufte 1. Auflage des Reformdudens (1996) ist, da sie nicht an den allgemein üblichen Schreibgebrauch angebunden war, durch neue Erwägungen am „Grünen Tisch“ bereits überholt, Makulatur, und wird in den Buchhandlungen schon zum halben Preis verramscht.

3) Die „allgemein übliche Rechtschreibung“ gemäß Ickler: Ickler folgt praktisch dem Ansatz des Dudens, allerdings mit größerer Sorgfalt, so daß die Einträge im Rechtschreibwörterbuch die tatsächlich gebräuchliche Rechtschreibung zuverlässiger dokumentieren als die Einträge im Duden bis zur 20. Auflage. Zudem verzichtet Ickler auf sprachpflegerische Neuvorschläge (Schofför).
    Das Rechtschreibwörterbuch von Ickler ist derzeit das einzige Wörterbuch der normalen Rechtschreibung, das man in jeder Buchhandlung (mit einem Tag Wartezeit) kaufen kann. Erste Ansätze einer breiteren Akzeptanz sind erkennbar durch die Aufnahme in den Katalogen von Zweitausendeins (übrigens zeitlich zusammenfallend mit der Rückkehr zur normalen Rechtschreibung in den folgenden Merkheften) und jüngst bei Manufactum („Es gibt sie noch, die guten Dinge“...).


Aus all dem ergibt sich: Eine Notwendigkeit für Sie, ein eigenes Wörterbuch zu erstellen, dürfte kaum gegeben sein.
    Ihr Vorschlag, Reformkritiker und Reformer sollten sich doch gegenseitig erst einmal die Güte ihrer und die Mangelhaftigkeit der jeweils anderen Rechtschreibung „beweisen“, geht leider an den tatsächlichen Gegebenheiten völlig vorbei (im übrigen ist dieser Beweis in hinreichender Form von Ickler erbracht worden, z. B. durch seinen Kommentar zur amtlichen Neuregelung, dann auch durch zahlreiche Zeitungsartikel und Beiträge auf dieser Seite). Selbst ein so einleuchtender Beweis, wie eine landesweite Abstimmung über die verschiednen Konzepte, wird von den die Reform betreibenden Kräften vom Tisch gewischt, als sei das nichts. Ich von meiner Seite verspüre nicht das Bedürfnis, mich mit solchen Despoten noch an einen Tisch zu setzen.
    In gleicher Weise wird auch die Duden-Redaktion nicht daran denken, zum heutigen Tage ihre traditionelle Rechtschreibung, d. h. ihren Duden aus dem Jahre 1991, fachmännisch zu verteidigen – warum sollte sie das?



Matthias Dräger
Auf dem Hähnchen 34, 56329 St. Goar

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RenateMariaMenges
02.02.2001 23.00
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Einführung in Schulen

In allen Schulen ( bis auf ein Bundesland) ist die Rechtschreibreform eingeführt- ein Zurück gibt es meines Erachtens nicht. Immer mehr Schüler erlernen die schriftliche Sprache in neuer Rechtschreibung. Weitere Vereinfachungen wären dringend nötig gewesen. Aber nun nochmals ein Zurück in die Vergangenheit zu wagen, fände ich den größten Schwachsinn aller Zeiten. Reformen sollten vorher so überlegt werden, dass sie auch den Druck von Teilen der Gesellschaft ( zum Beispiel: FAZ mit ihren Kritikern ) aushalten kann. Eine Rückkehr würde mehr Unbehagen und Kritik hervorrufen, als ein Weitermachen in der heutigen Form. Ich wünsche mir, Prof. Ickler, dass die Rechtschreibreform weiter forciert wird, sodass wir zu einer weiteren Vereinfachung und somit zu einer größeren Fehlerreduzierung kommen.
Mit freundlichen Grüßen
RenateMariaMenges   



RenateMariaMenges

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Manfred Riebe
02.02.2001 23.00
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Präskription

„Präskription“, für die Herr Riebe plädiert ...???
Hier liegt ein Mißverständnis vor. Als sprachlicher Laie und Nichtgermanist plädierte ich hier nicht allgemein für Präskription, sondern schrieb nur: „Einen Sprachratgeber zu verfassen, bedeutet nämlich stilistische Präskription.“ Ich dachte dabei an Ludwig Reiners, der als unbestrittener Stilpräzeptor des Deutschen beauftragt wurde, für das Stilwörterbuch des Großen Duden (4. Auflage 1956) den Einleitungsessay „Vom deutschen Stil“ zu verfassen. Präskription betreiben z.B. auch die Kultusminister mit Lehrplänen und Rechtschreiberlassen. Allerdings sind Lehrer und Hochschullehrer, oft ohne es zu wollen, die Sprachrohre und Erfüllungsgehilfen der Kultusminister, sofern sie nicht aktiven und/oder passiven Widerstand leisten. – Allerdings bin ich der Meinung, daß das Wort „lohnenswert“ semantisch und logisch objektiv falsch ist, so daß man empfehlen sollte, es zu vermeiden.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Walter Lachenmann
02.02.2001 23.00
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Schludrigkeit - Sprachwirklichkeit - Sprachpflege?

Lieber Herr Ickler,

trösten Sie sich: mir gefällt meine Rolle des Schlechterwissers auch nicht. Nach jedem Beitrag, den ich hier abliefere, schwöre ich mir, daß dies nun wirklich der letzte sei für einige Zeit, dann kommen Sie wieder mit Sachen, die ich einfach nicht unwidersprochen lassen mag.

Der Weg von den Weibern über die Frauen zu den Frauenzimmern (in Vorarlberg heißen die Mädchen seltsamerweise »Schmelgen«), von gerben zu gar, von kneten zu machen, ist ja nicht zu vergleichen mit lohnend vs. lohnenswert. Im einen Fall handelt es sich um verschiedene Begriffe für ein und dieselbe Sache oder um »übertragenen Sinn«, im anderen um schlichtweg falschen Gebrauch eines Begriffs. Wenn ich etwa sagen will, »die Sache ist erledigt« kann ich dazu viele andere schöne Sprüche bringen: »Der Kittel ist geflickt, Der Fisch ist geputzt, Des Wiesle isch gmäht...«. Das sind Analogien, Bilder. Ebenso ist der Bedeutungswandel etwa von putzen, was sowohl sich herausputzen, sich schmücken heißen kann als auch die Treppe oder sonstwas saubermachen, wohl kaum auf einen einmal begangenen Fehler oder auf Schludrigkeit zurückzuführen, sondern auf verwandte Bedeutungen. Beim Putzen mache ich eben etwas schön, entweder verschönere ich mich oder ich mache etwas sauber.

Ich habe nichts durcheinandergebracht mit meinen Beispielen aus der Mathematik und den Fremdsprachen. Unter Mathematikern, habe ich mir sagen lassen, ist es inzwischen »Allgemeingut«, daß man sich gar nicht mehr sicher ist, ob die mathematischen vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten nicht pure Zufälle sind. (Fragen Sie mich nicht mehr darüber, davon habe ich noch nie etwas verstanden, dies ist das erste, was mir bei der Mathematik wirklich einleuchtet.)

Und bei meinen Beispielen aus Fremdsprachen hatten wir eben genau die Fälle, wie bei lohnend vs. lohnenswert: Es wird nicht genau hingeschaut, was ein Wort eigentlich bedeutet. Man »geht davon aus«, daß Municipal wohl    ein Ortsteil sein müsse (offensichtlich war der weitgereiste Fachjournalist nie an dem Ort, den er beschreibt und kennt auch die Landessprache nicht) und daß es sich bei Loc. wohl um eine Locanda handeln müsse. Man schaut noch nicht mal im Wörterbuch nach, es ist eh wurscht. Das sind nicht Sinnstiftungen aufgrund von Analogien, sondern das ist Schludrigkeit, Ignoranz, Anmaßung und Respektlosigkeit der Sprache gegenüber. Der Text muß ja ohne allzugroßen Aufwand schnellstens raus, damit man den nächsten produzieren und verscherbeln kann. Im Tagesjournalismus kann man ähnliches auch oft beobachten, was nicht heißt, daß alle Journalisten verantwortungslose Schluderer sind.

Ich denke: Wenn eine Linguistik deskriptiv arbeitet, dann ist es ein Unterschied, welches Material sie auswertet. Vermutlich war es in den hinter uns liegenden Jahrhunderten so, daß jemand, der überhaupt schreiben konnte und auch noch publiziert wurde, eine gewisse Bildungs- und sprachliche Qualitätsstufe hatte, die den Standard der geschriebenen Sprache definierte. Da wurde – vermutlich – weniger geschludert. Jedenfalls wird heute so viel und von so vielen ungebildeten und sprachlich ehrgeizlosen Leuten geschrieben, daß sich dies auf den Standard der geschriebenen Sprache schlecht auswirkt. Diejenigen, die wirklich gut und sprachbewußt schreiben (was bei guten Autoren nicht über das eigentliche Bewußtsein geht, sondern über die erworbene Sprachkultur), sind in der Minderzahl und machen die Negativernte nicht wett. Nun ist der linguistisch-wissenschaftliche Standpunkt vielleicht der, daß man sagt: Wir stellen ja nur fest, was Realität ist. Dann geht das Niveau eben hinunter. Und da frage ich mich, ob es zu dieser wissenschaftlichen Position (und Aufgabenstellung), die ich schon nachvollziehen kann, nicht doch ein Gegengewicht geben sollte, ein erzieherisches, pflegendes.

Das ist vielleicht nicht Ihr Thema, lieber Herr Ickler, aber es ist eines.



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Henrik Swaton
02.02.2001 23.00
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Betr. Frauenzimmer

Ein anderes (lt. DUDEN veraltetes) Wort gibt es weiterhin ganz offiziell: Frauensperson. Man schlage nach im BGB § 825 und § 847 (2). Die Sprache des BGB ist manchmal ziemlich lustig (Stichwort: Verrücktes Grenzzeichen § 919)



Henrik Swaton

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Theodor Ickler
02.02.2001 23.00
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Kein Zurück?

Sehr verehrte Frau Dr. Menges,
bitte übersehen Sie nicht: Die objektiven Fehler der Reform haben bereits jetzt zu einem erheblichen inhaltlichen Rückbau der Reform geführt, mit der Folge, daß sämtliche umgestellten Wörterbücher, Schul- und Kinderbücher schon nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Ich sende Ihnen auf anderem Wege gern eine nähere Beweisführung. Dieses ständige Ändern wird aber weitergehen. Ich bitte Sie, sich die Folgen auszumalen und mit den Folgen einer vollständigen Rücknahme (d. h. des Wiederanschlusses an die immer noch sehr verbreitete und gut bekannte Erwachsenenorthographie zu vergleichen. Es gibt keine Fehler, die man nicht korrigieren könnte.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Henrik Swaton
02.02.2001 23.00
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Neue Deutsche Rechtschreibung (NDR)

Jetzt wurde doch noch ein Beispiel dafür gefunden, daß in der NDR etwas „richtiger“ geschrieben wird: DUDEN 2000 – das ist mir wurst, auch wurscht (alte! Schreibung Wurst, Wurscht). Das muß wohl sogar Herr Prof. Ickler anerkennen.



Henrik Swaton

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Theodor Ickler
02.02.2001 23.00
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Ludwig Reiners

Lieber Herr Riebe,
Ludwig Reiners wird in der Fachwelt sehr kritisch beurteilt. Der große Verkaufserfolg seiner Stilkunst besagt gar nichts. Das Buch erschien zuerst im Dritten Reich. Reiners konnte es sich daher leisten, in größtem Umfang von Eduard Engel abzukupfern, ohne den inzwischen verstorbenen und verpönten („halbjüdischen“) Autor ein einziges Mal zu erwähnen (außer in den Literaturangaben). Er hat nicht nur dessen Terminologie und Grundeinteilung übernommen, sondern unzählige Beispiele, unter sorgfältiger Auslassung jener Autoren, die den Nazis nicht genehm waren. Nach dem Krieg hat er dann einiges ergänzt, aber das ganze Buch ist aus diesen Gründen eine solche Lumperei, wie ich sie kaum anderswo erlebt habe. Über Reiners‘ Auffassung von Sprache und Stil will ich hier nichts weiter sagen, es würde zu weit führen.

Kostprobe (zu einer Moltke-Huldigung):

„Wenn wir ihn lesen, sind wir mit einem Zauberschlag hinübergehoben in jene ehrfürchtige Stimmung, mit der damals das dankbare deutsche Volk vor das erzene, stille Antlitz seines Feldherrn trat.“

Usw. – so schreibt Reiners, und so sollen wir wohl auch schreiben? Reiners ist heutzutage völlig unbrauchbar (was aber eine Neubearbeitung und -herausgabe durch den Freiburger Germanisten Jürgen Schiewe nicht verhindert hat).



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
02.02.2001 23.00
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wurst

Lieber Herr Swaton,
der neueste Duden hat in der Tat „das ist mir wurst“, und ich bilde mir gar nicht unbescheiden ein, daß diese Ändereug gegenüber der vorigen Auflage und auch gegenüber der amtlichen Neuregelung (die davon ja nichts weiß) nicht ohne mein Zutun zustande gekommen ist. Es wäre nicht das erste Mal, daß die Dudenredaktion meine Hinweise aufgegriffen hat. Ich bemühe mich ja überall um die bestmöglichen Lösungen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
02.02.2001 23.00
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Omnia praeclara rara

Lieber Herr Lachenmann,
vielleicht können wir uns doch einigen: Wenn ich Sie recht verstehe, dann meinen Sie mit „Norm“ (oder einem entsprechenden Ausdruck) die Spitzenqualität oder das Muster, nach dem man streben sollte, das aber die meisten meistens nicht erreichen – nach dem gelehrten Motto dieses Beitrags eine ganz natürliche oder vielmehr logische Sache. Ich dagegen meine mit „Norm“ das Normale, den Durchschnitt.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
02.02.2001 23.00
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Gelehrte unter sich...

Lieber Herr Ickler,

immer wieder gelingt es Ihnen, mich in meine Schranken zu verweisen. Leider kann ich die Überschrift Ihres an mich gerichteten Textes nicht verstehen, da ich niemals in meinem Leben mich mit Latein in einem »aktiven Prozess« befaßt habe, »bei dem die selbsttätige (handelnde) und aktive kognitive Verarbeitung des Lernstoffs die entscheidende Rolle spielt.« (Katharina Wagner).

Oder darf ich mich geadelt fühlen, weil Sie in der Sprache der Gelehrten mit mir reden? Nun, ich will es gerne so verstehen.

Ich bilde mir überhaupt ein, Ihre Standpunkte in diesen Diskussionen zu verstehen und finde sich auch nicht »falsch«. Nur – es fehlt dabei etwas. Aber ich will nicht wieder von vorne anfangen.

Jedenfalls schönen Sonntag und »Theo gratias, in vino veritas« – soviel Gelehrtensprache ist mir in meinem langen Leben immerhin zugeflogen.

Ihr Walter Lachenmann



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Theodor Ickler
02.02.2001 23.00
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Gaußsche Normalverteilung

Lieber Herr Lachenmann,
nichts für ungut, war nur ein kleiner Scherz. Ich bin ja auch gegen diese Humanistensprüche und habe mir mit Spott darüber schon Feinde gemacht. Also auf deutsch heißt das ungefähr: „Was echt total Geiles kannste lange suchen!“ Und das ist doch unbestreitbar richtig.



Theodorus Ickler
Spardorf

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