Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Spaltung der Orthographie
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Spaltung der Orthographie
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margel
16.06.2003 06.40
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Mir wird von alledem so dumm...

Was mich mal interessieren würde: Woher rührt wohl die
extreme Bildungsfeindlichkeit, ja der Haß auf die
„Gebildeten“ eines Menschen, der es bis zum Professor gebracht hat? Dies scheint mir ein ganz wichtiges Motiv der
Reform zu sein. Überhaupt würde die Erforschung der
psychologischen Abgründe möglicherweise viel zum
Verständnis beitragen. Also: Reformer auf die Couch!

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Theodor Ickler
15.06.2003 06.23
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Kinder abgehängt

Das Zitat ist schon bekannt, aber ich bin gerade noch einmal darauf gestoßen und setze es noch einmal her:

„Das meiste, was gedruckt oder geschrieben wird, gilt dem Tagesbedarf: Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Korrespondenz, Schulbücher. Geht man von 1995 als einem möglichen Reformdatum aus, so brauchen die Kinder, die ab dann mit der Substantivkleinschreibung lesen lernen, in den seltensten Fällen etwas von dem zu lesen, was vor 1995 geschrieben und gedruckt wurde.“ (Internationaler Arbeitskreis für Orthographie [Hg.] 1992, S.195)

Der Kulturbruch war also gewollt. Seither findet man in den Zeitungen (hier schon mehrmals dokumentiert) „Erfolgsmeldungen“ über die Aussonderung umfangreicher Bestände aus den öffentlichen und Schulbibliotheken. Ergänzt durch Spendenaufrufe für die Anschaffung reformorthographischen Schrotts. Es liegt in der Logik dieses Denkens, daß die jungen Menschen am besten überhaupt nicht mehr mit früher Gedrucktem in Berührung kommen. Eine ganze Kultur wird entsorgt. Man will die Kinder und Jugendlichen völlig dem Hier und Jetzt ausliefern, d. h. letzten Endes dem Fernsehen und der begleitenden Medien- und Unterhaltungswirtschaft. Die Dudenredaktion hat sich dazu hergegeben, auch die Überlieferung umzufälschen. Bertelsmann tilgt jede Erinnerung an die bessere Rechtschreibung.
Insofern gibt es kaum etwas Enthüllenderes als dieses Zitat von Augst und seinen Spießgesellen.
__________________
Th. Ickler

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margel
29.05.2003 19.07
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Komentar (Schreibweise lt. "Deutschlehrer")

Dummheit is ooch ne Jabe Jottes, aber man darf ihr nich mißbrauchen.

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Henning Upmeyer
29.05.2003 16.27
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Der nächste Schritt

könnte heißen: „Deutsche, lest und kauft nichts von Reformgegnern und solchen Autoren!“
Und später: „Deutschland ist reformgegnerfrei!“

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Christian Dörner
29.05.2003 10.19
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»Unglaubliche Ignoranz«

Eine Rezension des Effenberg-Buchs auf amazon.de, geschrieben von einem Deutschlehrer:

»Obwohl dieses Buch nicht besonders beworben wurde, habe ich gespannt darauf gewartet und ich habe es in einem durchgelesen, was bedeuten kann, dass es nicht so schlecht war. Wer ein literarisches Meisterwerk erwartet hat, geht fehl. Wer hingegen eine interessante Rückschau auf ein erfülltes Fußballerleben lesen möchte, liegt hier genau richtig! Alle Stationen werden behandelt. In intelligent kritischer Weise rechnet der Autor in typischer Effenberg-Manier mit seinen „Gegnern“ ab. Hatte man erwartet zu erfahren, warum Matthäus ein „Schwanzlutscher“ ist (Bild-Werbung), sieht man sich schwer enttäuscht. Als Deutschlehrer muss ich bemerken, da viele meiner Schüler (11. Jahrjang) auch dieses Buch gelesen haben, dass es einige lexikalische Mängel aufweist z.B. die Verwechslung von nicht und mich. Außerdem zeugt es von unglaublicher Ignoranz, ein Buch dieser Verbreitung in alter Rechtschreibung zu drucken. Ich freue mich schon auf die nächste Klausurkorrektur und die Komentare der Schüler. Dies hat Effenberg jedoch nicht zu vertreten. Ich wünsche viel Lesevergnügen.

Dr. Dilewsky«


Nein, inhaltlich hat dieser Deutschlehrer am Buch nicht viel zu bemängeln. Daß Effenberg über seinen Drogenkonsum und seine Alkoholexzesse schreibt? Völlig egal! Wichtig ist den Lehrern, daß Schüler nicht mehr an Bücher mit alter Rechtschreibung gelangen. Das alles erinnert sehr stark an eine gewisse Bücherverbrennung, die man jetzt ja (leider) nicht mehr in dem Maße durchführen kann, wie es nach 1933 der Fall war. Man müßte fast Mitleid mit den Lehrern haben, weil sie ihren Schülern die bewährte Orthographie nicht völlig wegnehmen können, oder?
__________________
Christian Dörner

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Elke Philburn
25.09.2002 12.36
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Sprechsilben

Es würde mir ausgesprochen schwerfallen, das Wort „Sonne“ nach „Sprechsilben“ getrennt auszusprechen, ohne daß es sich ganz anders anhört als die beiden Silben zusammen.

Man versuche nur mal, „so-" mit kurzem, offenem o auszusprechen und dann das "-nne“ nachträglich. Darum geht's doch bei Sprechsilben. Wie die beiden Teile von „Sonne“ klingt das nicht.
– geändert durch Elke Philburn am 27.09.2002, 11.33 –

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Christian Melsa
25.09.2002 08.20
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Re: Re: Nachgefragt (An Herrn Schneider)

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Michael Schneider
da ich im Augenblick Urlaub habe und daher jede Online-Minute selbst bezahlen muss

Hierzu ein kleiner Tip: Als ich noch keine Flatrate hatte, hab ich längere Beiträge meistens erst in Wordpad geschrieben, während ich solange offline war, um sie dann erst nach Fertigstellung in das jeweilige Onlineformular zu kopieren.

Zitat:
Im Zweifelsfall bleibt Lernern wohl nichts anderes übrig, als sich Einzelwortbilder einzuprägen, wie es auch sonst häufig erforderlich war und ist (z.B. bei f/v, e/ä).

Wenn durch die Reform in diesen Bereichen nicht absolut systematische Lösungen eingeführt wurden, wäre es daher auch besser gewesen, dort alles so zu lassen, wie es ist. Denn mit der Reform sind nun zunächst wieder die Schreibungen aller Wörter, die in diese Bereiche fallen, unsicher, solange man nicht alle neuen Ausnahmen auswendig gelernt hat. Das gilt bei der vorliegenden Reform für eine große Zahl von Wörtern mit s/ss/ß sowie e/ä, ph/f usw.; bei letzteren sind nicht mal die Kriterien geklärt, nach denen Fremdwortschreibungen künstlich integriert worden sind. Wegen der Künstlichkeit kann man sich auch nicht am gewöhnlichen Gebrauch orientieren. Auch welche dieser Neuschreibungen als Varianten existieren und welche alte Schreibungen exklusiv ersetzen, ist überwiegend arbiträr gelöst. Da, wo nicht, müssen die Kriterien erst durch eigene Bemühungen entdeckt werden, weil sie nicht explizit im Regelwerk formuliert sind (unter Umständen findet man Hilfestellung in Infokästen der Wörterbücher, deren Amtlichkeit jedoch unsicher ist und die ohnehin schon umfangreichen Regeln so oder so weiter verkomplizieren). Aus diesem Grund kann man dann nicht sicher sein, ob sie tatsächlich so beabsichtigt sind oder nur auf die Auswahl Fälle passen, die man zur Untersuchung herangezogen hat. Bei einem unberücksichtigen Fall kann in einem Wörterbuch also unverhofft doch wieder etwas ganz anderes stehen.

Zitat:
Wer in solchen Fällen tatsächlich aufs Raten angewiesen ist (und keine der sonstigen Proben anwenden kann, z.B. Bildung erweiterter Formen), sollte m.E. doch lieber gleich im Wörterbuch nachschauen.

Na toll, im Wörterbuch kann man natürlich immer nachschauen. Wenn man schon eine neue künstliche Regel einführt, dann sollte doch der Zweck gerade darin liegen, das Nachschlagen überflüssig zu machen, oder nicht? Ein Wörterbuch hat man zudem nicht immer zur Hand, eher selten. Jedenfalls muß man sich nicht wundern, wenn die Heysesche Lösung zu mehr Fehlern im Bereich s/ss/ß führt, denn das ist, wie dargelegt, geradezu eine mathematische Zwangsläufigkeit.

Zitat:
Diese Schreibungen sind in der Tat unglücklich und z.T. lesehemmend; da sie aber wohl nicht allzu zahlreich sind, würde ich sie in Kauf nehmen.

So selten sind sie nun auch wieder nicht. Man wird auch Missstand, Schlussstrich usw. dazuzählen können, die sich von anderen Wörtern mit drei aufeinanderfolgenden Konsonanten noch dadurch unterscheiden, daß diese drei Konsonanten nicht alle den gleichen Lautwert haben. Wenn man bedenkt, daß die Vokallänge im Deutschen sowieso nicht einheitlich verschriftet ist (Mohnblüte, Montag, Hemd, gehemmt), dann ist es doch auch kein Beinbruch, wenn das ß diesen Dienst nicht leistet. Daher sehe ich in der neuen ss/ß-Schreibung eigentlich sehr viel mehr Nachteile als Vorteile.

Zitat:

Kann man so sagen – auch wenn natürlich nicht jedes Problem gleichermaßen gravierend ist und die alte Rechtschreibung auch genügend Probleme bot.

Das habe ich sinngemäß schon öfters gehört. Die Sache ist nur die, daß die Probleme durch die Reform nicht ab- sondern zugenommen haben. Eine Reduzierung der Probleme wäre also mit einem radikalen Abbruch des Reformversuchs am einfachsten und saubersten zu bewerkstelligen. Wie Herr Ickler schon sagt, in diesem Fall helfen Kompromisse auch nicht viel weiter. Erstellen Sie doch einmal eine Tabelle mit umgekehrtem Vorzeichen zu Ihrer vorliegenden: Welche Änderungen der Reform sind wirklich unverzichtbar nötig? Die Tatsache, daß die Änderungen vorschnell in den Verkehr entlassen wurden, sollte dabei keine Rolle spielen.

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Theodor Ickler
24.09.2002 15.56
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Irreführung

Aus einer Handreichung für Lehrer für den Schreibunterricht an Grundschulen (vom ISB Bayern, Internet):

Silben

Die Silbenstruktur der Wörter erleichtert das Identifizieren der einzelnen Laute im Wort. Bei den ausgewählten Wörtern ist es hilfreich, am Anfang offene Silben (Vokal am Silbenende) zu wählen, z. B. Ba-na-ne, To-ma-te. Werden die Silben auch verschriftet, sollten die Wörter lauttreu sein, also z. B. nicht Sah-ne.
Erst im nächsten Schritt werden Wörter mit geschlossenen Silben oder mit Mitlauthäufungen angeboten, z. B. Trak-tor, Hub-schrau-ber, pflan-zen.
Ein Sonderfall sind die Silben mit Mitlautverdopplungen. Sie sollten in der ersten Klasse für diese Übungen ausgespart werden, da Sprechsilbe und Schreibsilbe nicht übereinstimmen. Z. B. Sprechsilbe So-nne, Ta-nne, Schreibsilbe Son-ne, Tan-ne. Wir meinen zwar, die Verdoppelung sei zu hören. Die eigentlichen Sprechsilben sind jedoch So-nne und nur wer weiß, dass Sonne in Son-ne getrennt wird, meint, dies sei auch das natürliche Sprechen.

--

Anmerkung: Ich halte die Auffassung für falsch, daß es sich bei So-(nne) usw. um offene Silben handelt. Das n wird zwar nicht doppelt gesprochen, gehört aber zu beiden Silben. (Es gibt verschiedene Arten, diesen Sachverhalt zu beschreiben, je nach Theorie, aber an der Tatsache ist nicht zu rütteln.)

__________________
Th. Ickler

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Theodor Ickler
24.09.2002 15.28
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Zwischenbemerkung

Um meine Ansicht noch einmal ganz deutlich zu machen: Wenn eine Gruppe von Reformern an bestimmten, gar nicht seltenen Stellen einen solchen Bockmist hervorbringt, wie es nun einmal unleugbar geschehen ist, dann hat sie insgesamt keinen Kredit mehr. Insofern sehe ich nicht ein, warum man ihr irgendwie entgegenkommen sollte, indem man die „weniger schlimmen“ Sachen hinnimmt, in Kauf nimmt, gerade noch akzeptabel findet und so weiter.
Fortsetzung dieses Gedankens: Jede Kompromißbereitschaft, so menschenfreundlich das Wort sich auch gibt, läuft auf eine unendliche Bastelei hinaus, mit allen Folgen: Verwirrung ohne Ende, Kosten aller Art. Ja, wozu denn das alles? Wir hatten und haben doch eine gute Rechtschreibung, die bei richtiger Auffassung auch nicht besonders schwer ist und niemals ungrammatisch. Die wollen wir behalten, ganz einfach.
Und nun an die Arbeit, ihr Germanisten und sonstigen Interessierten: Versucht, das Gewachsene zu verstehen und immer besser darzustellen! Das ist der Königsweg, und wenn die Reform einen Nutzen hatte, besteht er darin, daß dies nun endlich ganz klar geworden ist.
__________________
Th. Ickler

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Michael Schneider
24.09.2002 14.57
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Re: Nachgefragt (An Herrn Schneider)

Lieber Herr Wagner,

da ich im Augenblick Urlaub habe und daher jede Online-Minute selbst bezahlen muss ;-), kann ich auf Ihre Stellungnahme leider nicht so ausführlich antworten, wie es wünschenswert wäre, sondern muss mich auf einige Hauptgedanken beschränken:

Zitat:
Eine sinnvolle Beurteilung kann nur bei der Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zustandekommen. Natürlich haben persönliche Vorlieben bzw. Abneigungen bei der Beurteilung immer einen gewissen Einfluß, wenn nicht unmittelbar, dann indirekt bei der Gewichtung der einzelnen Aspekte. Insofern ist bereits die Auswahl der Untersuchungspunkte problematisch, weil zirkulär: Wer soll anhand welcher Kriterien entscheiden, was die relevanten Aspekte sind?

Völlig einverstanden. Wenn ich etwas als „sinnvoll“ beurteile, ist das auch nie absolut und apodiktisch gemeint; Vertreter anderer Auffassungen können möglicherweise ebenfalls linguistische Argumente anführen, und die Frage ist dann, welchem Argument man den höheren Stellenwert beimisst. Wichtig war mir nur, rein geschmacklich-subjektive Argumente auszuschließen (z.B. „drei gleiche Konsonanten hintereinander – sieht ja bescheuert aus“).

Zitat:
Bemerkenswerterweise geben Sie die geänderte ss/ß-Regel als „Ersetzung von 'ß' durch 'ss' nach Kurzvokal“ an. Dies weist bereits auf ein Problem hin, welches meiner Meinung nach mit dieser Regel verbunden ist: Für jemanden, der anhand der herkömmlichen Schreibweisen weiß, wo ein 'ß' steht, sollte diese Änderung vergleichsweise einfach nachzuvollziehen sein („seltsamerweise“ werden aber trotzdem viele Fehler gemacht), für Neulerner halte ich sie jedoch aus vielerlei Gründen für problematisch. Der wichtigste Aspekt dabei ist, daß man diese Regel nicht auf die bekannte Faustformel mit dem kurzen und dem langen Vokal verkürzen darf, denn dies gibt Anlaß zu neuen Fehlern.


Mein Seminar und der daraus entwickelte Kommentar richte(te)n sich ja zunächst an Personen, die mit der alten Rechtschreibung aufgewachsen sind und die neue noch nicht oder wenig beherrsch(t)en; daher die Formulierung „Ersetzung von 'ß' durch 'ss'". Mit den Problemen von Kindern, für die es an dieser Stelle nie ein 'ß' gab, habe ich bisher keine Erfahrung; für sie müsste sicher ein völlig anderer Ansatz formuliert werden. Möglicherweise sind solche neuen Lernprobleme auch darauf zurückzuführen, dass viele Lehrer noch zu sehr von der alten Rechtschreibung her denken und einen undifferenzierten Zusammenhang zwischen Vokallänge und s-Variante herstellen, woraus dann Fehlschreibungen wie Buss oder Gaß resultieren. Im Zweifelsfall bleibt Lernern wohl nichts anderes übrig, als sich Einzelwortbilder einzuprägen, wie es auch sonst häufig erforderlich war und ist (z.B. bei f/v, e/ä).

Zitat:
Wer sich bei der Aussprache unsicher ist oder nicht weiß, was die Ausnahmen sind und also die Schreibung erraten muß, hat nach der reformierten Regel eine Trefferquote von 33% bzw. muß sich Geiste drei verschiedene Fälle vorstellen. Bei der herkömmlichen Schreibung sind es 50% bzw. nur zwei Fälle, und die haben zudem den Vorteil, daß sie sich optisch wesentlich deutlicher unterscheiden.

Wer in solchen Fällen tatsächlich aufs Raten angewiesen ist (und keine der sonstigen Proben anwenden kann, z.B. Bildung erweiterter Formen), sollte m.E. doch lieber gleich im Wörterbuch nachschauen.

Zitat:
Nach der herkömmlichen Rechtschreibung taucht 'ss' nur an einer Silbenfuge auf und zeigt also einen ambisyllabischen s-Laut an. Umgekehrt bedeutet dies, daß man bei einer Zerlegung in Sprechsilben ein zu schreibendes 'ss' immer sicher identifizieren kann. Diese Eindeutigkeit der Zuordnung -- ich nenne es einfach mal das "'ss'-Laut-Prinzip“ -- geht bei der reformierten Schreibung verloren.

Aber doch nur insofern, als ein geschriebenes 'ss' nicht immer ambisyllabisch ist. Gesprochenes ambisyllabisches [s] ist doch nach wie vor als 'ss' zu identifizieren?

Zitat:
In Verbindung mit anderen Buchstaben kann ein 's' eine spezifische Signalfunktion bekommen, und zwar bei 'sp', 'st' und 'sch'. Insbesondere letztere Kombination, da echter Trigraph, wirkt bei zufälligem Entstehen irritierend: „bisschen“, „Fresstempel“, „Schlossparkett“.

Diese Schreibungen sind in der Tat unglücklich und z.T. lesehemmend; da sie aber wohl nicht allzu zahlreich sind, würde ich sie in Kauf nehmen.

Zitat:
Bei der Schreibung mit Großbuchstaben wird 'ß' üblicherweise durch 'SS' ausgedrückt (vgl. § 25 E3). Dabei geht die Vokallängenmarkierung verloren, mit der möglichen Folge einer falsche Vokalverkürzung.

Auch das ist richtig, scheint mir aber ein eher marginales Problem zu sein. Schreibung in Großbuchstaben ist sowieso meistens schlechte Typografie ... ;-)

Zitat:
Wenn ich Ihre Darstellung der geänderten ss/ß-Schreibung zusammenfasse, weisen Sie auf zwei Aspekte als Vorzüge der neuen Regelung hin: "'ß' [weist] immer auf die Länge des Vokals hin“, „Vereinheitlichung zusammengehöriger Flexionsformen“. Ich habe den Eindruck, daß dabei im wesentlichen nur das als positives Fazit herauskommt, was quasi an Voraussetzungen hineingesteckt wurde: Im Unterschied zur herkömmlichen Schreibung wird dem 'ß' ja die Vokallängenmarkierung zwangsweise verordnet, und es wird ihm seine Ligaturfunktion genommen bzw. abgesprochen (man kann auch sagen, die Entsprechung von 'ß' und 'ss' wird ignoriert).

Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar, aber ich sehe nichts Negatives darin, das 'ß' auf eine Funktion zu reduzieren oder ihm sogar eine neue Funktion zuzuweisen, wenn dadurch mehr Systematik in der Phonem-Graphem-Korrespondenz entsteht. Denn:

Zitat:
Ist durch die neue Regel ein Problemfall entschärft worden? Was war eigentlich das Problem, das die neue "ß"-Regel nötig oder wünschenswert gemacht hat?

Siehe den ersten Abschnitt meines Kommentars zu § 2: In der alten Rechtschreibung war dem 'ß' keine Information über die Quantität des vorangehenden Vokals zu entnehmen, was besonders für ausländische Lerner ein Problem darstellte; und der Wechsel von 'ß' und 'ss' innerhalb eines Flexionsparadigmas ohne Vokalquantitätswechsel war oft für einheimische Lerner ein Problem (der Fluß, des Flußes). Unsere Meinungsverschiedenheit ist also letztlich nur ein Fall von unterschiedlicher Gewichtung der Vor- und Nachteile: Ich messe meinen Vorteilen, Sie Ihren Nachteilen den höheren Stellenwert bei.

Zitat:
mir scheint, da Sie fast zu jedem angesprochenen Paragraphen auf Probleme hinweisen, daß, rein oberflächlich betrachtet, der Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf recht hoch ist...

Kann man so sagen – auch wenn natürlich nicht jedes Problem gleichermaßen gravierend ist und die alte Rechtschreibung auch genügend Probleme bot.
__________________
Michael Schneider

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Theodor Ickler
23.09.2002 17.10
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Fehlerträchtig

Gerade bei der s-Schreibung darf man nicht nur die rein linguistische Seite sehen, die auf den ersten Blick ganz logisch erscheint. Ich kann und will hier nicht die anderen Argumente anführen, die ja den Besuchern dieser Seiten bestens bekannt sind, sondern zitiere nur noch einmal die aufschlußreichen Worte von 1876:

„Demnächst empfahl Hr. Scherer, für jetzt bei der allgemein verbreiteten Adelungschen Regel stehen zu bleiben; Heyse sei bisher im wesentlichen nur in Schulen durchgedrungen, und aus Österreich könne Redner bezeugen, daß auch wer danach unterrichtet werde, die Heysesche Regel später wieder aufzugeben pflege.“ (Aus dem Protokoll der Ersten Orthographischen Konferenz (1876), Verhandlungen ... S. 97)



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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
23.09.2002 15.48
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Nachgefragt (An Herrn Schneider)

In Ihrer zusammenfassenden Beurteilung der Rechtschreibreform ordnen Sie die geänderte ss/ß-Schreibung unter „sinnvoll“ ein. Dies möchte ich hinterfragen; mir scheint, daß es dabei auf die Auswahl der für die Beurteilung zugrundegelegten Kriterien ankommt.

Eine sinnvolle Beurteilung kann nur bei der Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zustandekommen. Natürlich haben persönliche Vorlieben bzw. Abneigungen bei der Beurteilung immer einen gewissen Einfluß, wenn nicht unmittelbar, dann indirekt bei der Gewichtung der einzelnen Aspekte. Insofern ist bereits die Auswahl der Untersuchungspunkte problematisch, weil zirkulär: Wer soll anhand welcher Kriterien entscheiden, was die relevanten Aspekte sind? Darüber möchte ich nun nicht weiter nachdenken, sondern konkret die Aspekte bezüglich der ss/ß-Schreibung durchgehen. Ich werde Ihnen hier vermutlich nicht viel neues erzählen (und vor allem möchte ich Ihnen keinesfalls irgend eine Ignoranz gegenüber einem der angesprochenen Punkte unterstellen), ich möchte aber gern alle Aspekte gebündelt ansprechen und würde mich freuen, wenn Sie jeweils darauf eingehen.

Bemerkenswerterweise geben Sie die geänderte ss/ß-Regel als „Ersetzung von 'ß' durch 'ss' nach Kurzvokal“ an. Dies weist bereits auf ein Problem hin, welches meiner Meinung nach mit dieser Regel verbunden ist: Für jemanden, der anhand der herkömmlichen Schreibweisen weiß, wo ein 'ß' steht, sollte diese Änderung vergleichsweise einfach nachzuvollziehen sein („seltsamerweise“ werden aber trotzdem viele Fehler gemacht), für Neulerner halte ich sie jedoch aus vielerlei Gründen für problematisch. Der wichtigste Aspekt dabei ist, daß man diese Regel nicht auf die bekannte Faustformel mit dem kurzen und dem langen Vokal verkürzen darf, denn dies gibt Anlaß zu neuen Fehlern.

An dieser Stelle fällt mir auf, daß Sie nur auf die 'ss'-Fälle eingehen, und dabei i. w. auch nur auf § 2. Dies greift aber m. E. zu kurz, um die Änderung der ss/ß-Schreibung richtig bewerten zu können:

1.) Paragraph 4 verzeichnet mehr Ausnahmen, als Sie in Ihrem Kommentar betrachten:

§ 4: In acht Fallgruppen verdoppelt man den Buchstaben für den einzelnen Konsonanten nicht, obwohl dieser einem betonten kurzen Vokal folgt.
Dies betrifft
1. eine Reihe einsilbiger Wörter (besonders aus dem Englischen), zum Beispiel: Bus, (...)
(...)
6. eine Reihe einsilbiger Wörter mit grammatischer Funktion, zum Beispiel: (...) bis, das (Artikel, Pronomen), des (aber dessen), (...) plus, (...) was, wes (aber wessen)
(...)
Das „As“ -- und nur dieses -- wurde als „Ausnahme“ abgeschafft. Ob es ich dabei wirklich um eine „Ausnahme“ handelt/gehandelt hat, ist fraglich: Bei einsilbigen Wörtern gibt es keinen „per se“ betonten oder unbetonten Vokal, im Satzgefüge kann das Wort mal betont, mal unbetont sein. Daher ist die Betontheit des Vokals bei einsilbigen Wörtern kein wohldefinierter Begriff (und insofern § 4 in sich inkonsistent).
Inwiefern es für Neulerner ein Problem ist, zu beachten, daß sich die Regel § 2 nur auf betonte Kurzvokale bezieht, vermag ich nicht zu beurteilen, da sich hier der systematische Aspekt der Heyseschen s-Schreibung zeigt, das 's' bezüglich der Verdopplung anderen Konsonantenbuchstaben gleichzustellen -- was auch bedeutet, daß es [dieses Wort fällt auch unter § 4 (6)] wie andere Konsonanten als Endbuchstabe nicht verdoppelt wird, wenn der Vokal davor kurz und unbetont ist. Jedoch vermute ich, daß es in diesem Bereich zu Verunsicherungen kommen kann, denn es gilt ja, die Verwendung von 'ss' gegenüber einer Schreibung mit 'ß' abzugrenzen, und in der einfachsten Formulierung kann diese Abgrenzung zu Fehlern insbesondere bei Schlußbuchstaben Anlaß geben.

2.) In ihrem Kommentar gehen Sie auf § 25 gar nicht ein; den halte ich aber für nicht einfach:
§ 25: Für das scharfe (stimmlose) [s] nach langem Vokal oder Diphthong schreibt man ß, wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonant folgt.
(...) Ausnahme: aus
Zur Schreibung von [s] in Wörtern mit Auslautverhärtung wie Haus, graziös, Maus, Preis siehe § 23.
Auf § 23 gehen Sie zwar in Ihrem Kommentar ein, nicht aber bezüglich der s-Schreibung:
§ 23: Die in großen Teilen des deutschen Sprachgebiets auftretende Verhärtung der Konsonanten [b], [d], [g], [v] und [z] am Silbenende sowie vor anderen Konsonanten innerhalb der Silbe wird in der Schreibung nicht berücksichtigt.
E1: Bei vielen Wörtern kann die Schreibung aus der Aussprache erweiterter Formen oder verwandter Wörter abgeleitet werden, in denen der betreffende Konsonant am Silbenanfang steht, zum Beispiel:
(...)
Preis, preislich, preiswert; Preise (aber Fleiß – fleißig)
Haus, häuslich, behaust; Häuser (aber Strauß – Sträuße)
E2: Bei einer kleinen Gruppe von Wörtern ist es nicht oder nur schwer möglich, eine solche Erweiterung durchzuführen oder eine Beziehung zu verwandten Wörtern herzustellen. Man schreibt sie trotzdem mit b, d, g bzw. s, zum Beispiel:
Eisbein (Eis – Eises), (...) Kies (Kiesel), (...) preisgeben, Reis (Reisig), Reis (= Korn; Reise fachsprachlich = Reissorten; aber Grieß), weissagen (weise)
Diese vielen Beispiele in § 23 sind zwar auch bei der Verwendung der herkömmlichen Rechtschreibung nützlich, weil sie einem zu erkennen helfen, wo nur 's' steht; bei der neuen Regel aber, die sich an der Aussprache orientiert, sind alle diese Angaben notwendig, und das ist ein wichtiger Unterschied! Ohne diese Einschränkungen müßte man nach der Grundregel (§ 25) viel häufiger 'ß' schreiben.

3.) Nach der herkömmlichen Rechtschreibung gibt es kein 'ss' am Schluß eines Wortes (Pseudo-Ausnahme: ein Apostroph zeigt ein weggefallenes 'e' an, aber dann steht der Apostroph am Schluß und nicht das 'ss'), sondern nur die Fälle 's' oder 'ß' -- weil das 'ß' ja als Ligaturzeichen für Doppel-s am Ende eines Wortes steht.
Wer sich bei der Aussprache unsicher ist oder nicht weiß, was die Ausnahmen sind und also die Schreibung erraten muß, hat nach der reformierten Regel eine Trefferquote von 33% bzw. muß sich Geiste drei verschiedene Fälle vorstellen. Bei der herkömmlichen Schreibung sind es 50% bzw. nur zwei Fälle, und die haben zudem den Vorteil, daß sie sich optisch wesentlich deutlicher unterscheiden. -- Auf das Problem der falschen Schreibung aufgrund einer „regional abweichenden Aussprache“ weisen Sie zwar in Ihrem Kommentar hin, nicht aber auf das „33%-Problem“.

4.) Nach der herkömmlichen Rechtschreibung taucht 'ss' nur an einer Silbenfuge auf und zeigt also einen ambisyllabischen s-Laut an. Umgekehrt bedeutet dies, daß man bei einer Zerlegung in Sprechsilben ein zu schreibendes 'ss' immer sicher identifizieren kann. Diese Eindeutigkeit der Zuordnung -- ich nenne es einfach mal das "'ss'-Laut-Prinzip“ -- geht bei der reformierten Schreibung verloren. Bei der herkömmlichen Rechtschreibung besteht ein echtes Problem bezüglich der ss/ß-Schreibung m. E. nur in der Abgrenzung zwischen 's' und 'ß'.

5.) Auf die Probleme, daß -- als Folge davon, daß von der Ligaturfunktion des 'ß' kein Gebrauch mehr gemacht wird -- „einige Neuschreibungen (wie Messergebnis) (...) missverständlich, andere (wie Missstand) schwer lesbar“ sind, weisen Sie zwar hin, gehen aber nicht weiter darauf ein. Ich sehe hierbei ein systematisches Problem: In Verbindung mit anderen Buchstaben kann ein 's' eine spezifische Signalfunktion bekommen, und zwar bei 'sp', 'st' und 'sch'. Insbesondere letztere Kombination, da echter Trigraph, wirkt bei zufälligem Entstehen irritierend: „bisschen“, „Fresstempel“, „Schlossparkett“.

6.) Bei der Schreibung mit Großbuchstaben wird 'ß' üblicherweise durch 'SS' ausgedrückt (vgl. § 25 E3). Dabei geht die Vokallängenmarkierung verloren, mit der möglichen Folge einer falsche Vokalverkürzung.


Wenn ich Ihre Darstellung der geänderten ss/ß-Schreibung zusammenfasse, weisen Sie auf zwei Aspekte als Vorzüge der neuen Regelung hin: "'ß' [weist] immer auf die Länge des Vokals hin“, „Vereinheitlichung zusammengehöriger Flexionsformen“. Ich habe den Eindruck, daß dabei im wesentlichen nur das als positives Fazit herauskommt, was quasi an Voraussetzungen hineingesteckt wurde: Im Unterschied zur herkömmlichen Schreibung wird dem 'ß' ja die Vokallängenmarkierung zwangsweise verordnet, und es wird ihm seine Ligaturfunktion genommen bzw. abgesprochen (man kann auch sagen, die Entsprechung von 'ß' und 'ss' wird ignoriert). Damit ist es auch nicht überraschend, wenn man beim Vergleich der herkömmlichen und der reformierten Schreibweise, der allein diese beiden Aspekte berücksichtigt (vgl. http://staff-www.uni-marburg.de/~schneid9/s-schrei.pdf), zu dem Fazit kommt, daß die Neuregelung positiv zu beurteilen ist.

Mein Fazit ist ein anderes; dies möchte ich anhand folgender drei Punkte darstellen:
(i) Ist durch die neue Regel ein Problemfall entschärft worden? Was war eigentlich das Problem, das die neue "ß"-Regel nötig oder wünschenswert gemacht hat?
Außer bei „das/daß" fällt mir erstmal kein verbreitetes Problem bezüglich der Verwendung von "ß" ein. Dieses Problem hat aber in erster Linie etwas mit der Grammatik und nicht mit der Rechtschreibung zu tun. Die neue Regel hat dieses Problem nicht beseitigt, sondern eher verschärft (s.u.).
(ii) Ist die neue Regel wirklich eine Vereinfachung bzw. eine Erleichterung (allgemeine Leitsätze der Rechtschreibreform) -- unter prinzipiellen Gesichtspunkten?
Wenn ich die alten Regeln kenne, wird es für mich aufwendiger, weil ich bei jedem bisher gewohnten "ß" darauf achten muß, es ggfs. als 'ss' zu schreiben. Wenn ich die Regeln neu lerne und mir bezüglich der hochdeutschen Aussprache unsicher bin, habe ich beim Raten der Schreibweise nach der alten Regel eine Trefferquote von 50%, nach der neuen Regel nur 33%. Die alte Regel beruhte nicht auf der hochdeutschen Aussprache, sondern auf der Trennbarkeit bzw. der Stellung von „ss“ oder "ß" innerhalb des Wortes; ich halte sie daher für wesentlich weniger fehleranfällig als die neue Regel.
(iii) Ist es jetzt wirklich besser als vorher -- aus prinzipiellen Gesichtspunkten?
Für die Schreibenden: Bisher bestand die Schwierigkeit darin, daß man sich die Fälle einprägen mußte, wo ein 'ß' hingehört und kein 's' ('ss' war leicht zu identifizieren). Weil das 'ß' aber -- in der Schreibschrift -- neben dem 'f' der einzige Kleinbuchstabe ist, der sich über die volle Schreibhöhe (volle Ober- und Unterlänge) erstreckt, ist er sehr auffällig, und diese „Signalwirkung“ erleichtert das Lernen von Wörten, die ein 'ß' enthalten. Diese leichtere Lernbarkeit ist jetzt bei einem Teil der Wörter entfallen.
Für die Lesenden: Die Verwendung von 'ss' als Zeichen der Kürze eines Vokals (bzw. 'ß' für die Länge) kann für einen Nutzen beim Lesen gehalten werden -- aber für wen? Es hilft wenig, ein Wort aussprechen zu können, wenn man nicht weiß, was es bedeutet. Wenn man aber ein Wort kennt, dann weiß man auch, wie es auszusprechen ist. Für Erstkläßler, die einen Text vorlesen müssen, und für Ausländer mit geringen Deutschkenntnissen kann diese Kürzen-/Längenkennzeichnung nützlich sein. Aber die Erstkläßler sind spätestens bei „bisschen“ damit überfordert, nicht „bis – schen“ zu lesen (oder ggfs. so zu trennen). Und beim Korrekturlesen kann ein falsches „das“ oder „dass“ viel leichter unbemerkt bleiben als ein falsches „daß".

Fazit: Es gibt keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung durch die geänderte ss/ß-Regel. Diese Regel...
...ist völlig unnötigerweise eingeführt worden;
...führt zu weniger gut lesbaren Texten im Vergleich zur herkömmlichen Schreibung, denn sie ignoriert die grundlegende Markierungsfunktion des "ß", die sowohl für Schreibende wie Lesende hilfreich ist, und daher verschärft sie tendenziell das „das/daß"-Problem;
...macht eine zusätzliche Fallunterscheidung nötig bzw. reduziert die „Trefferquote“;
...ist wegen der Orientierung an der Länge/Kürze des vorausgehenden Lautes fehleranfälliger bzw. verleitet mehr zu Fehlern;
...ist in der korrekten Formulierung sehr aufwendig und nicht allgemeinverständlich.


Was Sie in Ihrer Antwort an Herrn Melsa („Re: Fehler strotzend“) zur Ausrichtung Ihres Seminars geschrieben haben, habe ich zur Kenntnis genommen und läßt mich die Anmerkungen zu den Problemen in Ihrem Kommentar mit anderen Augen lesen; mir scheint, da Sie fast zu jedem angesprochenen Paragraphen auf Probleme hinweisen, daß, rein oberflächlich betrachtet, der Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf recht hoch ist...


(PS: Ihre ausführliche Zeittafel finde ich hervorragend!!)
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Jan-Martin Wagner

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Theodor Ickler
23.09.2002 03.58
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Gehorsam

Wie schon des öfteren zitiert: Auch Peter Eisenberg sprach schon Jahre vor dem Inkrafttreten davon, die Reform sei nun einmal da und man müsse (für die Lehrer) das Beste daraus machen. Das ist wohl der Kern der leidigen Angelegenheit. Eisenberg verfolgt seither die Doppelstrategie, die Reform zugleich zu vermarkten (Cornelsen-Broschüre usw.) und zu bekämpfen. Sie gehöre auf den Müll (Interview), aber ihre Rücknahme wäre eine „kulturpolitische Katastrophe“ (Mannheimer Anhörung 1997). Schulbuchautor Schoebe: „Ich werde der Norm gehorchen, weil sie die Norm ist.“

Ist das nur Ratlosigkeit oder ein Mangel an Phantasie, vielleicht auch Mut? „Ziviler Ungehorsam“ klingt nicht so überzeugend, wenn er mit grundsätzlicher Unterwerfung einhergeht. Muß man nicht zunächst einmal für seine bessere Einsicht kämpfen, solange es geht und sinnvoll erscheint?

Was bedeutet das ständige Nachbessern? Ist das selektive Gehorchen und Nichtgehorchen nicht schlimmer für die Betroffenen als die Totalverweigerung? Immerhin haben wir doch noch die bewährte Rechtschreibung, die selbst in ihrer engherzigen Dudenauslegug unvergleichlich besser war als die Neuregelung.

Nun werden wir nach jahrelanger Verunsicherung allmählich und unter große Kosten wieder zur alten Rechtschreibung zurückkehren, wohl mit Ausnahme der kaum überzeugenden Heyseschen s-Schreibung, die vielleicht nach Jahrzehnten wegen ihrer Fehlerträchtigkeit neue Reformer auf den Plan rufen wird. Was ist an diese Aussicht so bestechend, daß man ernsthaft dafür arbeiten könnte?
__________________
Th. Ickler

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Christian Melsa
22.09.2002 22.03
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Re: Re: Fehler strotzend

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Michael Schneider
Zitat:
Als Privatperson können Sie sich diese Haltung sicher leisten; der Lehrer in der Schule kann das aber nicht [...] Die Reform ist nun einmal da, sie wird seit sechs Jahren an den meisten Schulen unterrichtet

Das ist doch nun gerade das, was ich anklage. Daß ein Lehrer dazu gezwungen wird, etwas höchst Umstrittenes und sogar gegen vorhandene demokratische Urteile Durchgeprügeltes zu unterrichten. Ja, die Reform ist „nun einmal da“, aber die Mehrheit des Volkes war von Anfang an dagegen, eine Fülle von Sachargumenten sprachen auch von Anfang an gegen sie, trotzdem ist sie immer noch da! Dieses illegetime Faktenschaffen, um dann darauf zu verweisen, daß sie ja nun da seien und sie damit irgendwie doch wieder als legitim erscheinen zu lassen, genau das sind die Erpressungsmethoden, von denen ich rede.

Zitat:
und es kommt m.E. jetzt darauf an, das Beste aus ihr zu machen, d.h. auf die gröbsten Mängel hinzuweisen und in diesen Punkten zum „zivilen Ungehorsam“ aufzurufen, um dadurch, wenn möglich, Nachbesserungen zu erreichen. Eine Rücknahme der Reform als Ganzer erscheint mir nicht wünschenswert, da ich persönlich auf Sinnvolles wie das in der linken Spalte meiner Tabelle Genannte nicht mehr verzichten möchte.

Das ist Ihre persönliche Auswahl. Andere würden andere Punkte für hinnehmbar halten. Man müßte zu einem Konsens kommen. Diesen Konsens gab es bereits, er bestand in der alten Rechtschreibung (wieder mal nicht zu verwechseln mit der Dudennorm), bevor die Reform kam. Wenn jetzt faule Kompromisse gesucht werden, dann nur wegen der Machtanmaßung einer Handvoll profilneurotischer Reformorthographen, um es mal besonders spitz auszudrücken.

Bei einer Volksabstimmung würde immer noch die Mehrheit für eine Rücknahme der Reform stimmen, wie alle demoskopischen Untersuchungen beweisen. Also zurück zum wahren Konsens! Das ist die Basis, aufgrund der es allein zulässig sein sollte, über weitere Veränderungen nachzudenken, über deren Einführung dann aber nach demokratischen Sitten befunden werden sollte. Daß diese Sitten auch von der politischen Führung eingehalten werden, das sollte Grund und Ziel zivilen Ungehorsams sein, gleich um welches gesellschaftliche Thema es geht.

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Reinhard Markner
22.09.2002 15.21
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Des Deutschen Sehnsucht nach dem starken Mann

Zitat:
[. . .] gäbe es ein ideales, in jeder Hinsicht befriedigendes Reformkonzept, könnte es von mir aus auch mit diktatorischen Mitteln durchgesetzt werden ... ;-)
Kein Kommentar !

***

Ich bin gebeten worden, diesen Nicht-Kommentar zu erläutern oder zu entschärfen. Bitte sehr : Herrn Schneiders Reformkommentar sieht in den mir bekannten Teilen durchweg von den politischen Aspekten der Materie ab. Das ist meines Erachtens auch nicht dadurch zu entschuldigen, daß es sich um eine »rein linguistische« Stellungnahme handelt. Sprache ist ein gesellschaftlicher Vorgang, der Umgang mit ihr daher nicht zufällig von politischer Relevanz. Das Ignorieren der politischen Aspekte ist selbst schon politisch, und insofern deutet die zitierte Aussage, Augenzwinkern hin oder her, die durchaus notwendige politische (expertokratisch-diktatorische) Konsequenz aus einer nur scheinbar unpolitischen Haltung an.

Die Physik hat ja in der Nachkriegszeit viel über die eigene gesellschaftlich-politische Verantwortung diskutiert. In der Linguistik steht, wie mir scheint, eine solche Debatte noch aus.
– geändert durch Reinhard Markner am 23.09.2002, 22.02 –

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