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Presse-Echo
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J.-M. Wagner
07.09.2004 17.49
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Wort des Tages

Belegstellen für Rechtschreibreform am 10.08.2004 (Wortschatz-Lexikon der Uni Leipzig, Rubrik „Wörter des Tages“) – incl. Verweise (Links) zu den Quellen.

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Dominik Schumacher
13.04.2004 21.30
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Waldorfschulen

Leserbrief
Zu Jürgen Vaters Beitrag »Sprachentwicklung von oben« im »Goetheanum« Nr. 9/2004

Rechtschreibreform gegen Sprachentwicklung

Es ist sehr zu begrüßen, daß im »Goetheanum« eine Auseinandersetzung mit der Rechtschreibreform beginnt; denn es wird immer deutlicher, wie gravierend sie in die Entwicklung unserer Sprache eingreift. Sicher beruht die Rechtschreibung auf Tradition und Konvention; aber sie hat sich bisher aus dem praktischen Leben der Schreibenden entwickelt und ist daher trotz mancher Ungereimtheiten als lebendiger Prozeß nachvollziehbar. Dagegen will die Reform mit abstrakter Argumentation die Rechtschreibung »logischer« machen und schafft eine Fülle von oft willkürlich erscheinenden Regeln, die einerseits die lebendige Entwicklung beschneiden und blockieren, andererseits Unklarheiten, Mißverständnisse und Verwirrungen hervorrufen. Es ist mir rätselhaft, woher Michael Fech vom »Bund der Waldorfschulen« die Information hat, daß infolge der Reform weniger Fehler gemacht werden. Meines Wissens haben alle Untersuchungen bisher das Gegenteil ergeben.

Es scheint mir am besten, die Probleme an einem Beispiel zu zeigen, und zwar am Umkreis des Wörtchens »wohl«. Die alte Regel war schlicht und einfach, daß man Adjektive und Partizipien, die mit »wohl« beginnen, zusammenschreibt. Für die neue Schreibweise gibt es vier Regeln (Duden 2000):

1. In Verbindung mit einem Adjektiv oder Partizip wird getrennt geschrieben, wenn »wohl« erweiterbar oder steigerbar ist. Beispiel: »wohl bekannte«, da es die Erweiterung »ganz wohl bekannte« gibt.

2. Zusammenschreibung ist möglich, wenn die Fügung als Ganzes gesteigert werden kann. Beispiel: »wohl erzogen« aber auch »wohlerzogen«, weil es sowohl »sehr wohl erzogen« und »wohlerzogener« gibt.
Die notwendig dazwischenliegende Regel fehlt merkwürdigerweise, es wird aber nach ihr verfahren.

3. Nur Zusammenschreibung gilt, wenn nur das zusammengeschriebene Wort steigerbar ist. Beispiel: »wohlhabend«, weil es zwar »wohlhabender«, aber nicht »besser habend« in diesem Zusammenhang gibt.

4. Nur Zusammenschreibung, wenn das Partizip in der entsprechenden Bedeutung nicht selbständig vorkommt. Beispiel: »wohlweislich«.

Einwände

Der erste gravierende Einwand ist: Es wurde einfach darüber hinweggegangen, daß ein alleinstehendes »wohl« auch die Bedeutung »vermutlich« hat. Dazu drei Beispiele. Zunächst ein relativ harmloses: In der Mathematik ist klar definiert, was mit den Worten »Diese Menge ist wohlgeordnet« gemeint ist. Nach der neuen Schreibweise müßte es heißen: »Diese Menge ist wohl geordnet (vermutlich geordnet?)«, was natürlich nicht geht. Nun wird sich hier die alte Fachsprache bestimmt behaupten; aber solche fachsprachlichen Besonderheiten gehören in den Duden und waren im alten auch drinnen, während sie jetzt fehlen. – Schlimmer ist schon das Folgende: In einem Vortrag von Rudolf Steiner las ich den Satz: »Diese Wesenheiten waren den Religionsgründern wohl bekannt.« Wäre das Buch in die neue Schreibweise umgeschrieben, so wüßte ich nicht, was gemeint ist, und würde wohl auf die falsche Deutung kommen, daß es ursprünglich »wohlbekannt« geheißen habe, was nun getrennt geschrieben wird. – Noch schlimmer wird es, wenn man den Satz in Eduard Mörikes Frühlingsgedicht denkt: »Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.« Wenn man hier »wohl bekannte« schreibt, wie es ab 2005 allein richtig sein soll, so ist das nicht nur mißverständlich, sondern verholpert auch den Sprachstrom, der sich im Original gleichsam den streifenden Düften anschmiegt.

Eine zweite Schwierigkeit ist, daß es hier nicht nur zwei, sondern drei Varianten gibt: Im Rahmen von Regel 2 sind nämlich beide Schreibweisen logisch möglich und daher erlaubt, und solche Erlaubnisse sollen bei der Reform der Reform noch vermehrt werden. Aber gerade, weil die Rechtschreibung auch Konvention ist, muß sie möglichst eindeutig sein. Durch die scheinbare »Freiheit« ist man im Grunde gezwungen, alle Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu kennen, also mehr zu lernen. Insbesondere muß der korrigierende Lehrer natürlich alle erlaubten Schreibweisen kennen, und wenn sein Duden auch nur eine von ihnen (noch) nicht enthält, ist das Buch für ihn wertlos. Er muß sich also zumindest laufend nach Änderungen erkundigen und sie eintragen. Aber auch bei einer schriftlichen Bewerbung möchte der Empfänger doch wissen, ob der Bewerber die Rechtschreibung beherrscht. Und was macht der Lehrer, wenn der Schüler aus Unkenntnis zwischen den verschiedenen Möglichkeiten im gleichen Aufsatz beliebig wechselt? Muß solches vielleicht ministeriell geregelt beziehungsweise untersagt werden?

Bleibt als Trost die Logik der neuen Schreibweise. Aber leider ist es um diese womöglich noch schlechter bestellt, denn die Sprache ist nicht so logisch aufgebaut, wie es die Reformer gerne möchten. Wer noch nicht nachgeschlagen hat und dies prüfen will, überlege, wie die folgenden Wörter nach den oben angegebenen Regeln »neugeschrieben« werden: »wohlriechend«, »wohlschmeckend«, »wohlsituiert«, »wohlproportioniert«, »wohlgeboren«, »wohlgeraten«.

Lösung: »wohlriechend«: nur zusammen (obwohl es »besser riechend« gibt); »wohlschmeckend«: beide Möglichkeiten (wo ist der prinzipielle Unterschied zu »wohlriechend«?); »wohlsituiert«: nur auseinander (obwohl es »wohlsituierter« gibt); »wohlproportioniert«: beide Möglichkeiten (wo ist der prinzipielle Unterschied zu »wohlsituiert«?); »wohlgeboren«: nur zusammen, obwohl es »hochwohlgeboren« (Erweiterung) gibt; »wohlgeraten«: beide Möglichkeiten (Unterschied zum vorigen?). […]

Der kleine Unterschied
wohl-verstanden

wohlbekannt

?
wohl bekannt
wohlerzogen
wohl erzogen
wohlhabend
wohl habend
wohlgeboren
wohl geboren
wohlriechend
wohl riechend
wohlbewußt
wohl bewußt

Bedeutungsnuancen
Das Hauptproblem, das die Sprachingenieure offenbar nicht bemerkten oder nicht bemerken wollten, ist aber das folgende: Es wird von den Verfechtern immer wieder behauptet, daß die eigentliche Sprache von der Rechtschreibung unabhängig sei. Das ist schlichtweg falsch. Man betont ein groß geschriebenes Wort anders als ein klein geschriebenes, und man spricht ein zusammengeschriebenes Wort anders als ein getrennt geschriebenes. Und nicht nur das. Sie haben auch eine andere Bedeutungsnuance. Die beiden Sätze: »Die Darstellung erreichte sofort das Wesentliche der Frage, bewegte sich im Wesentlichen weiter und umfaßte es im Ganzen« und: »Die Tagesordnung ist im wesentlichen schon besprochen und im großen und ganzen akzeptiert« zeigen das für die erste Gruppe. Die Kleinschreibung geht mehr in Richtung einer untergeordneten, begleitenden, informativen »Floskel«. Solche Bildungen, die zu feinen Unterscheidungen führten, lagen in der Tendenz der Sprachentwicklung. Durch die Rechtschreibreform werden sie einfach abgeschnitten.

Bei der Zusammenschreibung ist es ähnlich, wie ich zunächst am »Wohl«-Beispiel erläutere: Im »Prolog im Himmel« des »Faust« heißt es: »Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange, /Ist sich des rechten Weges wohl bewußt. […]« Hier steht »wohl« noch für sich und hat dadurch Gewicht, ist etwa synonym zu »trotzdem durchaus gut«. Inzwischen ging die Entwicklung dahin, »wohlbewußt« zu schreiben. Aber, soweit ich weiß, hat man das bisher wohlweislich nicht in den »Prolog« übernommen. Und das ist auch das einzig Richtige, denn die Zusammenschreibung kreiert im Grunde ein neues Wort! Das »wohl« entwickelt sich dabei mehr in Richtung einer Vorsilbe wie bei »unbewußt«. Es sollte weiterhin beides möglich sein, aber mit verschiedener Bedeutungsnuance. Wenn die Sprachreformer jetzt aber wieder in »wohl bewußt« trennen, jedoch die zusammengeschriebene Form meinen, dann verfälschen sie die Sprache und verhindern an dieser Stelle ihre freie Entwicklung. […]

Genauso schlimm ist die Tendenz, schon Zusammengeschriebenes wieder zu trennen, wie ich an Uhlands Frühlingsgedicht gezeigt habe. Außerdem wird die Möglichkeit, durch Zusammenschreiben neue Wortbildungen zu schaffen, amtlich abgeschafft.

Ein Meister solcher Neubildungen ist Conrad Ferdinand Meyer. Wenn hier die Sprachingenieure sich durchsetzen (und man ist durchaus dabei, auch alte Literatur zu reformieren), so müssen, um nur einige krasse Beispiele zu nennen, folgende Bildungen (nach K 56 des Duden 2000) wieder getrennt werden, was den Sprach- und Denkstrom verfälschen würde (in Klammer die Gedichtüberschrift): »weißgezackt« (»Himmelsnähe«), »hellgeschlagen« (»Fahrt des Achilles«), »kühngeschwungen« (»Alexanders Fest«), »vollgedrängt« (»Papst Julius«), »wildzerrissen« (»Die Felswand«).

Aber auch wenn man gnädig einiges davon stehenläßt, so ist das geschilderte Grundübel nicht beseitigt, weil lebendige und künstlerische Entwicklung, die zu den Lebensnerven einer Sprache gehört, zum staatlich noch geduldeten Wildwuchs abgestempelt wird, anstatt wegweisend zu sein. Vielmehr zeigt sich, wie verfehlt die gesamte Reform in ihren Wurzeln ist.

Es wäre sehr wünschenswert, daß sich die Waldorfschulen endlich gründlich mit dem Problem befassen und sich mit den Gegnern der Reform solidarisieren.

Hermann Bauer, Bornheim (DE)

Goetheanum 13/2004 Seite 14 und 15, Anführungen in der Form «» und ‹›

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Norbert Lindenthal
10.04.2004 19.40
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Nordwest-Zeitung

RECHTSCHREIBREFORM
Gegner und Befürworter müssen sich zusammensetzen
Die Rechtschreibkommission und die Akademie für Sprache und Dichtung führen Gespräche. Bis Juni sollen die Ergebnisse vorliegen.


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Karl Eichholz
03.02.2004 08.54
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»New rules chaos« - die deutsche Rechtschreibreform in Großbritannien

der Länge wegen nur hier im Original (KE)

Elke Philburn

»New rules chaos« – die deutsche Rechtschreibreform in Großbritannien

Die Verfasserin ist seit 1994 Fremdsprachenlektorin für Deutsch am Department of Languages der Manchester Metropolitan University.

Der Beitrag handelt von dem Unverständnis, das seitens der angelsächsischen Deutschlehrer und Sprachwissenschaftler der deutschen „Rechtschreibreform“ entgegengebracht wird. Sie berichtet von dem Bärendienst, den die Rechtschreibkommission den Deutschlehrern im Ausland erwiesen hat. Das Interesse, deutsch als Fremdsprache zu lernen, ist dadurch noch weiter gesunken. Darüber hinaus werden Goethe-Institute geschlossen und Mittel zur Verbreitung der deutschen Sprache im Ausland eingespart.

Der Artikel ist eine schriftliche Ausarbeitung eines Referats gehalten am 17.11.2002 zur Jahresversammlung des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege VRS e. V.



Gut sechs Jahre nach ihrer Einführung hat die sogenannte »neue Rechtschreibung« in den Schulen und akademischen Einrichtungen Großbritanniens wenig Popularität erlangt. Obwohl sich das Goethe-Institut hinter die Reformbeschlüsse stellte, indem es 1996 die baldige Einführung der neuen Regeln in seinen Deutschkursen ankündigte, ist das Interesse an den vermeintlichen Vereinfachungen durch die Reform und der Glaube an ihren pädagogischen Wert geschwunden.

Dabei hatte es vielversprechend begonnen: Im Januar 1997 lud das Goethe-Institut Manchester Deutschlehrer und – dozenten zu einem Informationsabend mit anschließender Diskussion zur Rechtschreibreform ein. Auf dem Programm standen Sprecher des Instituts Deutsche Sprache, die über die zu erwartenden Veränderungen der Rechtschreibregeln und über die Ursachen ihrer bisherigen Widersprüchlichkeiten referierten. Zwar stellte die Rechtschreibung für Briten nie eine Hauptschwierigkeit der deutschen Sprache dar, dennoch begrüßte man zunächst die Aussicht auf eine, wenn auch nur kleine, Erleichterung im Erlernen der oftmals als schwierig empfundenen Fremdsprache. Die Reduzierung der vormalig 212 Regeln auf 112 ließ mögliche Zweifel an dem pädagogischen Sinn der Reform schwinden. Daß es sich hierbei um einen Trick handelte, bei dem man die Regeln einer kleineren Zahl von Paragraphen zugeordnet hatte, während das Regelwerk insgesamt an Umfang zugenommen hatte, war den englischen Lehrern und Dozenten freilich nicht bekannt.



Uneinigkeit unter den Lehrenden gab es an diesem Abend allerdings darüber, wie ein mögliches Nebeneinander von herkömmlichen und neuen Schreibungen im Unterricht und letztlich bei der Benotung zu handhaben sei. In einer offiziellen Erklärung des Goethe- Instituts hieß es, daß bis zum Ende der Übergangszeit, also bis Juli 2005, alte wie auch neue Schreibweisen akzeptiert würden, und zwar auch, wenn sie in einem Text gemischt auftreten1 . Dies bedeutete allerdings einen Verlust der Kontinuität, der von zahlreichen Lehrenden als problematisch angesehen und z T. entschieden abgelehnt wurde. Daß diese Erwägungen von dem falschen Eindruck vereinfachter und vermeintlich leicht umsetzbarer neuer Regeln herrührten, wurde erst bei näherer Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Reform deutlich. Die vom Goethe-Institut ausgegebenen Materialien (ein Wandplakat für den Schulgebrauch und die Sonderausgabe des Sprachreport2 vom Juli 1996) konnten nach Angaben ihrer Verfasser nur einen Ausschnitt der neuen Regeln darstellen, waren also für das Erlernen der neuen Rechtschreibung nur von begrenztem Nutzen. Didaktische Konzepte für die Vermittlung der zahlreichen neuen Schreibungen schienen dagegen völlig zu fehlen. Als ich wenige Monate nach dem Informationsabend das Goethe- Institut aufsuchte, um mich nach Hilfsangeboten für Lehrkräfte zu informieren, antwortete man mit einem ratlosen Kopfschütteln. Man habe, so hieß es, zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel über die Reform gesammelt, es gebe aber keine speziellen Lehrmaterialien oder Seminare, die bei der Einführung der neuen Regeln behilflich sein könnten. Bis heute, knapp zwei Jahre vor dem Ende der Übergangszeit, hat sich an dieser mißlichen Situation nichts geändert. Während die frohen Verheißungen der Rechtschreibreform im Schulalltag bislang auf ihre Erfüllung warten, hat man die Lehrkräfte mit den didaktischen Fragen der Umsetzung allein gelassen.



Umstellung der Lehrbücher

Der Einsatz der auf »neue Rechtschreibung« umgestellten Lehrbücher im Unterricht erfolgte mit Verzögerung und nicht ohne gelegentliche Hindernisse. Zunächst waren die umgestellten Lehrbücher nicht immer als solche gekennzeichnet. In den Buchhandlungen standen Lehrwerke deutscher Verlage in herkömmlicher Rechtschreibung neben den entsprechenden umgestellten Neuauflagen, was zur Folge hatte, daß Deutschlernende z. T. mit unterschiedlichen Büchern zum Unterricht erschienen. Etliche Nachschlagewerke und Lernhilfen britischer Verlage wurden bis heute nicht umgestellt, werden aber weiterhin von Schülern und Studenten benutzt. Dasselbe gilt für englischsprachige Bücher mit deutschen Textanteilen, deren Umstellung auf die „neue Rechtschreibung“ offenbar nie für nötig befunden wurde.

Bei genauerer Betrachtung der umgestellten Lehrwerke für den Deutschunterricht stellt man fest, daß manche literarischen Texte weiterhin in herkömmlicher Orthographie gedruckt sind – ein Umstand, das aus rechtlichen Gründen unabänderlich sein mag, aus pädagogischer Sicht aber wenig sinnvoll erscheint. Selbst wo man sich die Mühe der Umstellung gemacht hatte, erfolgte diese oft nur unvollständig oder sogar fehlerhaft. Folgend ein Überblick über Abweichungen, die mir beim Benutzen von Lehrbüchern in ansonsten umgestellten Texten aufgefallen sind:

Themen neu 2 Kursbuch:3

Durchweg „sogenannte“, „gutbezahlte“ (S. 108), „im übrigen“ (S. 117), „90jährig“ (S. 122), „tun mir leid“, „zusammen zu wohnen“ (S. 111), Komma vor „um zu“ (S. 146).

Im Hauptkurs Kursbuch:4

„zur Zeit“ (S. 37), „potentiell“ (S. 68), „weitgehend“ (S. 106), „aufeinanderfolgend“ (S. 122).

Im Hauptkurs Arbeitsbuch:5

„auseinanderzuhalten“ (S. 42), „auseinanderzusetzen“ (S. 70), „kennenlernen“, „zur Zeit“, „zusammen gearbeitet“ (S. 89).

Leselandschaft 1:6

„plattgetretene“ (S. 24), „der blaue Planet“ (S. 39), „selbstgemacht“ (S. 40), „hierzulande“(S. 77), „alleinerziehende“, „nichtehelichen“(S. 84), „phantasievoll“ (S. 107), „Greuel“ (S. 111), „auseinanderzusetzen“ (S. 112), „plaziert“ (S. 114), „Andersdenkende“ (S. 121).


Diskussionen im Internet

Sah man der Reform anfangs noch wohlwollend oder zumindest gelassen entgegen, so wurde einige Jahre später unter den Gelehrten deutliche Kritik laut. Im Februar 1999 wurde in einer E-Mail-Verteilerliste für Germanisten7 ein Fragebogen zum Umgang mit der Rechtschreibreform an britischen Universitäten verschickt. Dem Verfasser des Fragebogens, Professor David Yeandle (King’s College London), ging es unter anderem um die Frage, wie Studierende an die »neue Rechtschreibung« herangeführt werden und ob es einen Konsens über den Umgang mit der Mischung neuer und alter Schreibungen gebe.8 Am 03.02.99 resümierte Yeandle: 9

My own view about allowing a mixture of old and new systems in the same piece is that it is like a return to the sixteenth century, when writers and printers used variant spellings for the same words sometimes even in the same line of text! But on a more serious note, it could lead to misunderstandings, especially with Getrennt- / Zusammenschreibung since it would not always be clear which system was being followed at any given time. The same goes for punctuation.

[Meiner Ansicht nach gleicht die Duldung der Mischung alter und neuer Schreibweisen im selben Text einem Rückschritt ins 16. Jahrhundert, als Autoren und Drucker Variantenschreibungen für ein und dasselbe Wort manchmal sogar in derselben Textzeile benutzten! Aber im Ernst, es könnte zu Mißverständnissen führen, insbesondere bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, weil nicht immer klar wäre, welche Rechtschreibung gerade befolgt wird. Dasselbe gilt für die Zeichensetzung.]

Die Antworten, die Yeandle von seinen Berufskollegen erhielt, ließen wenig Zweifel an der kritischen Haltung der Germanisten offen. Über die Forderung nach Kontinuität bei der Anwendung der neuen Regeln herrschte ebenso wenig Klarheit wie über praktische Fragen ihrer Einführung und Umsetzung. So schrieb Dr. Jeremy Leaman (Loughborough University), von einem „new rules chaos“,10 dem die Studenten in den Anfängerkursen begegneten. Professor Martin Durrell (University of Manchester) auf die Frage, ob es an deutschen Universitäten eindeutige Regelungen zur Anwendung der neuen Rechtschreibung gebe: „Same chaos as everywhere else, from what I heard on my last two visits (October and January)“11 [dasselbe Chaos wie überall, nach dem, was ich während meiner beiden letzten Besuche im Oktober und Januar gehört habe]. Ähnlich kritisch der Kommentar von Dr. Klaus Fischer (London Guildhall University):12

[…] most of my colleagues think (not surprisingly), that the reform is a nuisance. (The only good reform seems to be no reform or one that happened a long time ago!)
[Die meisten meiner Kollegen finden, daß die Reform ein Ärgernis ist, was nicht überrascht. Die einzig gute Reform scheint gar keine Reform zu sein oder die, die vor langer Zeit durchgeführt wurde.]

Eine ähnlich kritische Haltung zeigte sich in der Presse. Als die FAZ im Juli 2000 zur herkömmlichen Rechtschreibung zurückkehrte, gelangte das Thema nach längerer Pause wieder in die Schlagzeilen. So schrieb die Zeitung »The Guardian« in einem deutschsprachigen Artikel am 3. Oktober 2000:13

Deutschland ist ‘zweisprachig’. Oder eher ‘zwei-schreibig’ – wenn es dieses Wort gäbe. Denn seit die Kultusministerien vor etwa einem Jahr die neue Rechtschreibung eingeführt haben, geht es mit der Orthographie [Ortografie] oft drunter und drüber.

Die Zeitung »The Independent« spöttelte:14

Instead of bringing a Teutonic sense of order to the language, the orthographic reform has only spelled chaos – Germans’ greatest enemy.

[Anstatt teutonischen Ordnungssinn in die Sprache hineinzubringen, hat die Orthographiereform nur Chaos verursacht – den größten Feind der Deutschen.]



Ausblick

Unabhängig von den Wirrnissen der Rechtschreibreform ist in Großbritannien das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache, wie an Fremdsprachen allgemein, bedauerlicherweise zurückgegangen. Schulen haben sinkende Zahlen an A-Level- Absolventen für das Fach Deutsch zu verzeichnen, und der Trend setzt sich an den Universitäten fort. Von deutscher Seite ist bislang wenig geschehen, um die Bedeutung der deutschen Sprache und Kultur in Großbritannien stärker zu fördern – im Gegenteil. Im Jahr 2001 wurde das Goethe-Institut Manchester in seiner bisherigen Form aufgelöst, um fortan mit nur noch zwei Angestellten als Ableger des Goethe-Instituts London zu fungieren. Diesem Schritt waren bereits die Schließungen des Goethe-Instituts York Ende 1999 und des Deutschen Konsulats Manchester im März 2000 vorausgegangen.

Seit Jahren arbeiten Deutschlehrer und Dozenten daran, das Interesse für Fremdsprachen bereits bei den Schülern zu wecken und die Sprachstudiengänge an den Universitäten attraktiver zu gestalten. Die Rechtschreibreform hat leider nicht dazu beigetragen, das Image des Deutschen als einer schwierigen Sprache zu verbessern. Vielmehr zeigen sich Studierende gelegentlich besorgt, daß die Nicht-Beherrschung der »neuen Rechtschreibung« im Sprachstudium negative Folgen für sie haben könnte – eine geradezu kontraproduktive Wirkung in der gegenwärtigen Krise. Daß man am Ende der Übergangszeit den Beschlüssen der Kultusminister folgen und die neuen Schreibungen rigoros durchsetzen wird, halte ich für äußerst unwahrscheinlich, denn von der Herausbildung einer einheitlichen und damit lernbaren Rechtschreibung ist man in den deutschsprachigen Ländern noch weit entfernt. Wenn diese aber selber nicht mehr wissen, wie sie ihre Sprache richtig schreiben sollen – wie dann die Briten?




Fußnoten
1 http://www.goethe.de/z/50/reform/deindex.htm
2 http://www.ids-mannheim.de/pub/sprachreport/reform/reform.html
3 Aufderstraße, H., Bock, H., Müller, H. (Hrsg.): Themen neu, Bd.2, Kursbuch. Ismaning: Hueber 1999.
4 Perlmann-Balme, M., Schwalb. (Hrsg.): em Hauptkurs: Deutsch als Fremdsprache für die Mittelstufe. Kursbuch. Ismaning: Hueber 1997.
5 Perlmann-Balme, M., Schwalb. (Hrsg.): em Hauptkurs: Deutsch als Fremdsprache für die Mittelstufe. Arbeitsbuch. Ismaning: Hueber 1997.
6 Hasenkamp, G. (Hrsg.): Leselandschaft 1. Unterrichtswerk für die Mittelstufe. Ismaning: Verlag für Deutsch 1998.
7 http://www.jiscmail.ac.uk/archives/german-studies.html
8-12 http://www.jiscmail.ac.uk
13 Prestle, Nicole: Von s, ss und SOS: A year ago new spelling rules were introduced to German, but have they made life easier? In: The Guardian (England), 03.10.2000, S. 75.
14 New spelling is mad, say angry Germans.In: The Independent Sunday (England), 30.07.2000, S. 21.

gefunden in
http://www.schule-in-frankfurt.de/47/47-10.htm

aus dem Netz gefischt und aufgetischt von Karl Eichholz
__________________

mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz

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Christoph Kukulies
03.02.2004 08.31
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Auch NRW-FDP für Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung

Heute in der Aachener Zeitung noch mal eine kleine Notiz: Ingo Wolf, FDP, Fraktionsvorsitzender im Landtag, ist für eine Rücknahme der Rechtschreibreform.

Ich hatte noch keine Zeit, den Artikel ins Archiv einzustellen. Komme vermutlich erst heute nachmittag dazu.

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Christoph Kukulies

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Karl Eichholz
01.02.2004 05.52
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ein Blick zurück ins Jahr 1997

gefunden unter
Grüne Schleife – Gegen die Rechtschreibreform
http://members.aol.com/JUiP/rsr-0797.htm
viel interessantes

Der Tagesspiegel 05.07.1997

Goethe kann sich nicht mehr wehren

VON HORST HAIDER MUNSKE

Als im Mai 1993 die deutschen Kultusminister eine öffentliche Anhörung zur Rechtschreibreform veranstalteten, war das Echo bei den Verbänden und in der Presse wohlwollend bis desinteressiert. Die Argumente der Rechtschreibkommission für eine systematische Neudarstellung und behutsame Reform der Rechtschreibung hatten auch die Mitglieder des Schulausschusses der Kultusminsterkonferenz, die mit der Prüfung der Vorschläge betraut waren, weitgehend überzeugt. Allein von der Abschaffung der Großschreibung und der Unterscheidung zwischen das und daß wollten sie nichts wissen. Damit schien dem Übereifer der Reformer die Spitze genommen. Schon 1989 hatten sie weitgehende Vorschläge (Keiser, Bot) abgelehnt, und noch im November 1995 gelang es dem bayerischen Kultusminister, einige ungewöhnliche Fremdwortschreibungen zu streichen.

War damit nicht genug Sorgfalt geübt worden?

Wie kommt es vier Jahre später zu einer unaufhaltsamen Protestwelle gegen die am 1. Juli 1996 entgültig beschlossene Rechtschreibreform? Die Schriftsteller waren die ersten, organisiert von Friedrich Denk, der sich als Gymnasiallehrer und Vater betroffen sah. Inzwischen streben Bürgerinitiativen in drei Bundesländern einen Volksentscheid an. Juristen aller Parteien erzwangen eine parlamentarische Behandlung in fünf Bundestagsausschüssen. Linguisten geben ihren Widerspruch zu Protokoll.

Woher die überraschende Wende?

Auslöser der Proteste war zweierlei: Die neuen Rechtschreibwörterbücher, die nach dem Reformbeschluß der Kultusministerkonferenz in Millionenauflage auf den Markt kamen, sowie die sofortige Einführung der Reform an den Schulen Bayerns und anderer Bundesländer, zwei Jahre vor dem vereinbarten Termin im Herbst 1998.
Die Überraschung war total. Auf einmal sollten völlig ungewohnte Schreibweisen gelten. Leidtun, wiedersehen, schwerbehindert, menschenverachtend künftig getrennt: Leid tun, wieder sehen, schwer behindert, Menschen verachtend (warum bloß?), Stengel und behende mit ä, das Adjektiv spinnefeind wird zum groß geschriebenen Substantiv, die neue Silbentrennung schient ein Chaos, und überides gab es Tausende von Unterschieden in den konkurrierenden Wörterbüchern: eine Fundgrube für Spott und Polemik, eine Qual für Lehrer und Verleger.

Ist das neue Regelwerk so miserabel oder sind die Lexikographen so unfähig?

Linguistische Kritiker verdammen das neue Regelwerk als Ganzes oder in Teilen. Am schwersten wiegen die Einwände gegen die Ausrichtung der Reform: Für vermehrte Großschreibung und vermehrte Getrenntschreibung, die – nach meiner Meinung – gegen die Grundstruktur unserer Orthographie und gegen die Sprachentwicklung verstoßen und darum intuitiv Ablehnung erfahren. Hier ist die Reform keineswegs behutsam. Man kann über die Brauchbarkeit einzelner neuer Regeln streiten, eines aber steht außer Zweifel: Ihre Umsetzung in den Rechtschreibwörterbüchern hat – gemessen an der Eindeutigkeit des guten alten Duden – zu einem orthographischen Chaos geführt. Liegt das an den Regeln oder an den Lexikographen? Erste Analysen haben gezeigt, daß überall dort, wo neue Regeln in bester Absicht einen liberalen Spielraum lassen, die Wörterbücher verschieden entscheiden. Eines verzeichnet sämtliche Versionen der Silbentrennung, ein anderes wählt nach eigener Interpretation aus.

Bereits beim Ausarbeiten der Wörterbücher traten offensichtliche Mängel des Regelwerks zutage. Weniger auffällig wäre dies geblieben, hätten wir nur ein einziges Rechtschreibwörterbuch. Der Verzicht auf den Duden als Leitwörterbuch aber hat eine Büchse der Pandora geöffnet – auch wenn es gute Gründe gegeben haben mag, das Verlagsmonopol auf die deutsche Rechtschreibung aufzuheben.

Rückblickend erkennt man, was erforderlich gewesen wäre: eine Absprache und Kooperation der Rechtschreibkommission mit den Lexikographen. Hierfür hatten die Rechtschreibkommissionen den Kultusminstern zwar das Bilden einer zwischenstaatlichen Kommission empfohlen. Sie sollten die Einführung der neuen Rechtschreibung mit Rat und Tat begleiten, die Verlage beraten, Auskünfte erteilen und auch die Einführung der neuen Rechtschreibung in den Schulen unterstützen. Auf der Wiener Rechtschreibkonferenz im November 1994 wurde das Einrichten einer solchen Kommission von Deutschland, Österreich und der Schweiz auch vereinbart. Berufen wurde sie jedoch erst im März 1997 – nachdem schon alle Wörterbücher auf dem Markt waren und in den Schulen einiger Bundesländer die neue Rechtschreibung bereits unterrichtet wurde.

Alle Fragen der Umsetzung der Rechtschreibreform behielten sich die einzelnen Kultusministerien vor. Sie verfuhren mit der neuen Rechtschreibung, als ginge es um die Einführung neuer Lehrpläne oder revidierter Schulbücher. So kam es auch nirgends zu einem Probelauf in den Schulen, kein Lehrer konnte vor Einführung der Reform Erfahrungen mitteilen. Erst in der Praxis allerdings zeigt sich, daß zum Beispiel die liberale Kommaregelung bei Infinitiv und Partizip durchaus unerwartete und unerwünschte Auswirkungen hat: „Die Schüler lassen die Kommata einfach weg. Eine wunderbare Vereinfachung, aber ein Verlust an Eindeutigkeit und Differenzierung in geschriebenen und gedruckten Texten. Völlig unnötigerweise wurden solche Vereinfachungen alsbald auch auf Texte deutscher Schriftsteller in den Schulbüchern angewandt. Erst der entschiedene Protest der Autoren hat dem Einhalt geboten. Doch Goethe und Schiller können sich nicht mehr wehren. So stehen in den Schulbüchern nun alte und neue Rechtschreibung nebeneinander.

Wer eigentlich hat die deutschen Kultusminister legitimiert, ohne hinreichende Vorbereitung eine unerprobte neue Rechtschreibung zwei Jahre vor dem vereinbarten Termin in den Schulen einzuführen und damit zugleich einen Verkaufsboom unkoordiniert neuer Rechtschreibwörterbücher auszulösen? In höchster Eile mußten Kinder- und Jugendbuchverlage ihre Programme auf die Reform umstellen. Dem gleichen Zwang unterlagen die Schulbuchverlage.

Anfangs ließen die Kultusminister noch erklären, es gehe ja nur um die Rechtschreibung in Schulen und Behörden. Im übrigen aber könne jeder schreiben, wie es ihm beliebe. Heute, nachdem offensichtlich geworden ist, daß sich der Schulorthographie auf kurze oder lange Sicht niemand entziehen kann, ist dieses Argument seltener zu hören.
Der Protest der Schriftsteller, der gebildeten Öffentlichkeit, der Einspruch von Linguisten, Juristen, Verlgern und Lehrern richtet sich jedoch nicht allein gegen bestimmte Mängel der Rechtschreibreform, sondern vor allem dagegen, daß diese Interessengruppen vor der Willensbildung um eine Reform ausgeschlossen waren. Denn die Rechtschreibung einer Sprache ist Besitz der ganzen Sprachgemeinschaft, Ausdruck kultureller Tradition und Medium unserer Identifikation mit der eigenen Sprache. Rechtschreibreformen sind deshalb immer ein Gegenstand öffetnlicher Debatte. Sie können nur erfolgreich sein, wenn sie hinreichend legitimiert sind und zumindest von einer Mehrheit der gebildeten Öffentlichkeit akzeptiert werden.

Andere Länder – etwa Frankreich – haben angesehene nationale Akademien, die bei solchen Fragen zuständig sind. Könnte man mit der Rechtschreibreform von vorne beginnen, wäre ein repräsentatives, beratendes Gremium beim Bundespräsidenten das geeignete Instrument, die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung aus der Sicht aller Betroffenen zu prüfen. Das scheint gegenwärtig utopisch. Die Kultusminister begarren auf ihren Beschlüssen und ihren Vereinbarungen mit Österreich und der Schweiz. Jetzt soll vielmehr die endlich – vor drei Monaten – einberufene zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung im Eiltempo, möglichst noch vor Beginn des nächsten Schuljahres, alle Zweifelsfälle der neuen Rechtschreibung durch eine Wörterliste beseitigen. Das Regelwerk selbst soll dabei sakrosankt bleiben: ein schier unerfüllbares Verlangen. Die Prozedur soll im übrigen, nahezu lächerlich, das zu berichten, „keine Mark“ kosten. Wie gehabt sollen die Experten – allesamt Hochschullehrer im Massenfach Deutsch – ehrenamtlich, nur organisatorisch unterstützt vom Mannheimer Institut für deutsche Sprache, mit den mageren Ressourcen ihrer Lehrstühle die Arbeit verrichten. Bereits die ersten Beratungen haben gezeigt, daß der Vergleich der neuen Wörterbücher, eine Würdigung der Kritik und der zahlreichen Anfragen viel Zeitaufwand bedeutet. Selbst wenn man die Kritik mißachtet – was in meinen Augen unverantwortlich wäre – und allein die über tausend lexikalischen Abweichungen der neuen Wörterbücher auszugleichen versucht, kann das Regelwerk nicht bleiben, wie es ist. So oder so: Die neuen Rechtschreibwörterbücher, Schulbücher und Textsammlungen werden in wenigen Jahren als Grundlage der neuen Rechtschreibung überholt sein. Das ist das fatale Resultat einer sachlich umstrittenen, mangelhaft legitimierten, unvorbereiteten und überhastet eingeführten Reform.

„Die Reform ist tot“, meldet die „Bayerische Staatszeitung“ vom 6. Juni, „Die Reform ist nicht mehr aufzuhalten“, behauptet der Präsident der Kultusministerkonferenz, Professor Wernstedt („Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 19. Juni). Kontroverse Prognosen. Besonnene Beobachter raten zu einem Moratorium, zu einem Aussetzen der Reform. Dies ist den meisten Kritikern zu wenig. Sie fordern das Ende dieser – und jeglicher – Reform der Rechtschreibung. Den Kultusministern widerum geht das Moratorium zu weit. Sie fürchten den schleichenden Tod ihres Projekts, weshalb sie jeder offenen Debatte ausweichen. Wer aber eine Reform will, muß jetzt die versäumte Debatte mit den Hauptbetroffenen nachholen, Fehler eingestehen und daraus lernen. Sonst bleibt allein der zweifelhafte Trost, daß die Geschichte der Rechtschreibreform die Geschichte von deren Scheitern ist.


Horst Haider Munske ist Professor für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Mitglied der zwischenstaatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung.

Zuletzt veröffentlichte er „Orthographie als Sprachkultur“ (Peter Lang GmbH, Eurpäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 1997)


aus dem Netz gefischt und aufgetischt von Karl Eichholz, durch ihn auch die Hervorhebungen.
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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz

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Walter Lachenmann
31.01.2004 21.24
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Presse-Echo

Solinger Tageblatt, 31. Januar 2004


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Walter Lachenmann

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