Die Presse
Leitartikel:
Wenn Metzger mit Fleischhauern kämpfen
VON WOLFGANG GREBER (Die Presse) 19.08.2004
"Österreichisch als Staatssprache klingt ja ganz gut. Nur was soll das eigentlich sein? Wienerisch? Lieber nicht!
Da sage noch jemand, Worte seien keine Waffen: Auch die Österreichische Nation wirft sich mit Verve in die Schützengräben des Rechtschreibungsstreits. Mit diesem Sprachbild, hinter dem das Hurra! der österreichischen Jugend anklingt, als sie 1914 auszog, Serbien sterbien zu lassen, begann jüngst ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung über die aufkeimende Diskussion, "Österreichisch statt Deutsch als Staatssprache in der Verfassung zu verankern. Den Funken ans Tintenfass legten mehrere österreichische Literaten, die sich nicht nur von den Wirren der deutschen Rechtschreibreform abkoppeln wollen, sondern sich auch gleich wünschen, dass die Regierung ein allgemeines "österreichisches Sprachbewusstsein fördere. Motto: Lasst uns den sprachlichen Anschluss beenden und einen papierenen Vorhang hochziehen, wo diesseits der Grenze der Fleischhauer den Metzger absticht und Paradeiser die Tomaten pürieren! Wir Österreicher sind eine Nation, nun wollen wir auch eine eigene Sprache!
Übel ist der Plan nicht: Jedes deutsche Tschüss schneidet scherbengleich ins alpenländische Trommelfell, und dass bei der Semmel deren Rundungen klarer anklingen als beim blockigen Brötchen, hören selbst Angelsachsen. Indes droht der Vorstoß der Autoren weitere Schützengräben zu graben; und die ziehen sich durch unser Land.
Wieso? Nun, Österreich selbst ist leicht zu definieren, siehe Artikel 2 der Bundesverfassung: "Österreich ist ein Bundesstaat. Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbstständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien. Doch was ist "Österreichisch? Liegt zwischen Feldkirch und Frauenkirchen, Freistadt und Ferlach ein homogenes Sprachgebiet?
Faktum: Der wienerische Erdapfel ist in Österreich mit seinen mittelbairischen, südbairischen und alemannischen Dialekträumen (die zersplittern noch weiter) so wenig universell wie der Paradeiser bestellen Sie mal in Werfen oder Velden Paradeisersalat, wahrscheinlich kriegen Sie Pariser Schnitzel. Das bei Westösterreichern gefürchtete Wiener Viertel Zehn (für 9.15 Uhr) heißt ab Linz Viertel nach Neun. Im Westen schlachten oft Metzger, und die Debatte, ob es Laden oder Geschäft heißt, scheint der Gesetzgeber entscheiden zu wollen: siehe Ladenschlussgesetz. Selbst der Duden (gut, ein deutsches Produkt, aber ein kluges) betont, es gebe keine österreichische Sprache, sondern nur lokale Besonderheiten der deutschen Sprache.
Entlang dieser Sprachgrenzen könnten beim Versuch, ein "Österreichisch zu schaffen, die Schützengräben aufgehen. Die Flinten bzw. Schreibfedern würden sich dann wohl Richtung Bundeshauptstadt richten. Denn dass sich im Deckmantel des "Österreichischen perfekt die Sprache verwienern würde mit dem Idiom des Wiener Bildungsbürgertums als Vorbild , folgt schon aus der Struktur der heimischen Medienlandschaft. Dazu sehe man sich die Initiatoren des "Österreichisch für Österreicher an: Robert Schindel (Wiener), Peter Henisch (Wiener), Christian Ide Hintze (Wiener), Marlene Streeruwitz (Baden bei Wien).
Dass die Provinz Sprachschöpfungen, die sich am Wiener Sprachgebrauch orientieren, nicht akzeptieren wird, betont aber nicht nur der Duden; auch die Initiatoren geben das nun zu: Die Definition sei schwer, es gebe viele Dialekte. Man werde ein Nicht-Regelwerk schaffen müssen. Österreichisches Deutsch sei all das, was es an Deutschem innerhalb der Grenzen Österreichs gibt, lautet die wenig hilfreiche Definition der Autoren.
Wer immer "Österreichisch schaffen will, muss letztlich die Sprache der User berücksichtigen: In Wien leben davon jedoch nur 20 Prozent (und von ihnen nennen wieder nur 75 Prozent Deutsch als Muttersprache). Österreich als Ganzes ist jedoch mehr; es ist eine viel buntere Mischung als seine Metropole im Osten.
wolfgang.greber@diepresse.com
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