Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Der Fetisch "Norm"
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Der Fetisch "Norm"
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Norbert Schäbler
13.01.2002 11.33
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Deutscher Wasserkopf

Herrn Lachenmann möchte ich danken dafür, daß er sich meiner Gedanken angenommen hat, denn es ist mir tatsächlich ein Bedürfnis, über die Begriffe „Schuld“, „Mitschuld“, „Schuldbewußtsein“ u.dgl. zu reden, denn als Nachkriegsjahrgang – als einem, dem man die „Nie-wieder-Parole“ eingestanzt hat – steckt mir insbesondere jene, sich von allen Sünden reinwaschende Aussage im querdenkenden Hinterkopf: „Wir haben ja nur gedient. Wir haben ja nur Befehle ausgeführt!“

Ich habe nicht vor, der Rechtschreibreform eine Kontinuität mit nationalsozialistischer Vergangenheit einzureden, und ich habe nicht vor, diese Nichtigkeit von Rechtschreibreform hochzustilisieren und mit dieser Arbeitshypothese den Untergang des Abendlandes zu prophezeien.
Ebensowenig soll dies eine moralische oder gar moralisierende Diskussion werden.
Es geht vielmehr um Selbstfindung, um ein Einpendeln oder Ausscheren aus dem Kreislauf der Normierung.
Ein Zugeständnis vorweg: Auch mein Werdegang ist nicht abgeschlossen. Es wäre schlimm.
Eines aber versichere ich: Ich will nichts werden – im Sinne von Laufbahn und Karriere.

Diese Rechtschreibreform ist für mich ein eigentlich minderwertiges, nichtiges Problem. Sie ist aber gleichzeitig ein Erprobungsfeld für „Macht Habende“, und deren Maßnahmen auf den unterschiedlichsten Handlungsebenen lassen Rückschlüsse und Definitionen zu.
Auf dem Erprobungsfeld der Rechtschreibreform haben sich die „Macht Habenden“ zu keinem Zeitpunkt demokratisch verhalten.
Das sind höchst bedenkliche Signale und Alarmzeichen. Sie lassen mich vermuten, daß auch auf anderen Handlungsebenen Diktatur anbrechen könnte.

Die Struktur des hierarchischen Denkens durfte ich in Sachen Rechtschreibreform erkennen. Ich habe festgestellt, daß die sogenannte mittlere Funktionärsebene – angefangen bei der Funktion des Rektors, hin zum Schulrat, über den Regierungsdirektor bis hinauf zum Kultusminister – gekuscht hat. Allesamt haben sie ihren geldwerten Vorteil gewählt, haben sich einer Norm untergeordnet, die mit Bedingungen der Menschenwürde (Gleichheitsgrundsätze etc.) nichts zu tun hat – die Ausnahmen kann man an einer Hand abzählen.

Ich bin sauer auf diese Kategorie der Pädagogen, die im Grunde genommen die Elite darstellen, diejenigen sind, die sich aufgrund ihrer Leistungen von der Basis abhoben. Ich klage sie an, weil sie in dem Moment, in dem sie die höhere Ebene erklommen, keine Leistung mehr gebracht haben.
Und jeder, der durch die Mühle der Bürokratie gegangen ist, wird mir meine Wahrnehmungen bestätigen.
Ich klage an: den deutschen Wasserkopf, der sich für seine Fehler in alle Ewigkeit nicht entschuldigen wird sondern Befehle ausführt, sobald er dazu legitimiert wird.





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nos

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Theodor Ickler
13.01.2002 04.41
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Ohne Privileg

Herr Riebe stellt zutreffend fest, daß es nach der Abschaffung des Dudenprivilegs für Lehrer notwendig ist, in vielen Wörterbüchern nachzuschlagen. (Vorher konnten andere Wörterbücher nur beim Duden abschreiben. Mehrere Rechtschreibwörterbücher zu konsultieren war daher ungefähr so schlau wie der Erwerb mehrerer Exemplare derselben Morgenzeitung, um festzustellen, ob sie auch die Wahrheit sagt.)
Das bedeutet aber nicht, daß man das Dudenprivileg (oder eine ähnliche Konstruktion) wiederherstellen müßte, um diesen Nachschlagebedarf wieder zurückzuschrauben. Sonst würde man das von Dieter E. Zimmer so oft hergestellte Junktim hereinfallen.
Vielmehr darf es überhaupt nicht zu einer solchen surrealistischen Szene kommen, daß der Schüler auf einer Schreibweise beharrt, die der Lehrer in „seinem“ Wörterbuch nicht findet, die sich aber in einem an entlegener Stelle erschienenen Wörterbuch vielleicht doch finden könnte usw. Wenn ein Rechtschreibproblem so subtil ist, daß es weder der Lehrer noch die gängigen Wörterbücher zu lösen vermögen, dann ist es eben gar kein Rechtschreibproblem, sondern eine Quisquilie, die kein ernsthafter Mensch beachtet. Der Glaube, daß es doch eine Lösung geben müsse, ist eben gerade der hier angeprangerte Irrglaube an den Fetisch der Norm.

Ich bilde mir ein, mit meinem Rechtschreibwörterbuch die Grenze zwischen echten Rechtschreibfragen und gleichgültigen Randerscheinungen nach langer Zeit wieder zurechtgerückt zu haben. Der Duden gibt ja selbst zu (auf der Internetseite nachzulesen), daß es im Laufe der Jahrzehnte zu einer solchen Anhäufung von Haarspaltereien gekommen war. Insofern kann das gegenwärtige Durcheinander auch zu einer schätzenswerten Besinnung auf das Wesen der Rechtschreibung führen. Wenn wir jemals wieder zu einer gescheiten Rechtschreibung finden werden, wird sie möglicherweise mit einer verständigeren Sicht der Dinge einhergehen.
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Th. Ickler

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Walter Lachenmann
12.01.2002 21.04
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Lehrer und »Norm«

Norbert Schäbler ist mit den Antworten, die er hier bekommt, nicht zufrieden. Einerseits stellt er inhaltliche Übereinstimmung mit Herrn Icklers Ideen fest, empfindet aber dennoch, seine Probleme würden nicht erkannt und gewürdigt. Woran liegt dies? Ich will versuchen, es herauszufinden, vielleicht tue ich mich leichter, da ich weder Lehrer noch Sprachprofessor bin, zu beiden Berufsständen (und Individuen) ein gleichermaßen respektvolles Verhältnis habe.

Ich nehme an, daß die Positionen deshalb so ungleich zuungunsten Norbert Schäblers sind, weil Theodor Ickler über die Rechtschreibung so viel theoretisieren und lehren darf, wie er mag, er zumindest wesentlich günstigere Voraussetzungen hat, diese Liberalität in die Praxis umzusetzen, als dies bei Norbert Schäbler als Lehrer der Fall ist. Diese Situation des Lehrers hat er ja sehr drastisch beschrieben, mit teilweise deprimierenden Feststellungen. An ihr sind die Lehrer aber nun wirklich teilweise selbst schuld, und das leugnet er ja auch gar nicht.

Zum Beispiel: Lehrer sind keine autonomen Persönlichkeiten, obwohl man dies von einem Pädagogen erwarten sollte. Sehr wohl sollte man dies erwarten, und wenn es nicht so ist, dann liegt das nicht an irgendwelchen Behörden, sondern an den Lehrern selbst, die doch im Lauf ihrer beruflichen Entwicklung mehr als andere Berufsstände alle Möglichkeiten hatten, sich über die Geschichte der Ideale von Freiheit und Zivilcourage zu informieren und über deren Wichtigkeit für den Bestand unserer Kultur. Offensichtlich sind aber viele von ihnen zu bequem oder zu ängstlich, hiervon das Notwendige selbst in ihrem Leben umzusetzen.

Oder: Wie will denn ein Genormter – ein Gestanzter – etwas anderes weitergeben als gerade jene Norm, die er nie hinterfragt hat, aus welchen Gründen auch immer? Wer ist denn schuld daran, daß er sie nie hinterfragt hat? Hat man es ihm verboten? An anderer Stelle bekennt ein Kollege Schäblers, er habe bis 1996 als Deutschlehrer an einer Berufsschule überhaupt nicht gewußt, daß es neben dem Duden auch noch andere konkurrierende Rechtschreibwörterbücher gab. Das kann unmöglich daran gelegen haben, daß ihm irgendwelche finsteren Alt-68er bei Strafe des finalen Mobbings es verboten hätten, sich hierüber kundig zu machen, und wenn ein Lehrer von seinem Unterrichtsfach lediglich die amtlich vorgegebene Literatur zur Kenntnis nimmt, mag das auch mit persönlichem Desinteresse oder der von Norbert Schäbler beschriebenen Unwilligkeit, über die gestanzte Norm hinaus sich mit seinem ureigensten Wissensgebiet zu beschäftigen, zusammenhängen. Wenn dieses Nichtwissen vom Vorhandensein anderer Wörterbücher in der gebildeten Bevölkerung allgemein gewesen wäre, hätte niemals auch nur eines davon verkauft werden können, sie wurden aber durchaus recht gut verkauft, waren also bekannt und verbreitet, und keineswegs ausschließlich im Ramschmarkt zu finden.

Die Antwort an Norbert Schäbler könnte nach meiner Vorstellung in etwa so lauten, den Spagat zu wagen, den amtlichen Lehrplänen so weit zu folgen wie nötig und den eigenen Überzeugungen so weit wie möglich. Hierbei unterstelle ich den Idealfall des Lehrers und Pädagogen, der sich gleichermaßen für das Wissen, die humanen Ideale und für seine Aufgabe, diese seinen Schülern zu vermitteln, begeistern kann. Das heißt, die Lehrer werden die Stoffe der Lehrpläne so vermitteln müssen, wie sie vorgeschrieben sind. Dann liegt es am Lehrer, den Kindern wahrheitsgemäß zu sagen, daß es im Leben aber auch noch anders zugeht. Leicht ist das sicherlich nicht, aber das behauptet ja auch keiner.

Und außerhalb der Schule kann man, als Nicht-Lehrer, vielleicht nichts anderes tun, als versuchen, die generelle Verbreitung der sprachzerstörerischen neuen Regeln zu verhindern, indem man möglichst wirksam und wo auch immer dafür wirbt, diese nicht anzuwenden.

Und wo ist dann die Norm, der »Fetisch«? Das hat Herr Ickler eigentlich oft und allgemeinverständlich dargelegt: es ist die Praxis.

Fast hätte ich die wichtigste Frage für einen Lehrer in der Situation Norbert Schäblers vergessen: Wo finde ich für mich und meinen Unterricht eine Darstellung der Praxis? Normalerweise in einem Rechtschreibwörterbuch, und wenn wir ehrlich sind, gab es zwischen dem Duden, der schließlich als verbindlich galt, und den anderen Rechtschreibwörterbüchern keine so gravierenden Unterschiede, als daß darüber jemals eine große Staatskrise hätte ausbrechen können. Nun ist es eben leider so, daß keine Darstellung der Praxis verbindliche Referenz ist, sondern Vorschriften für die Praxis, die dort erst vorkommen, seit es eben Vorschriften sind. Damit ist die wissenschaftliche Grundlage der Rechtschreibung erst einmal zerstört, und der Lehrer muß sehen, wie er damit zurechtkommt. Vorläufig ist ihm wohl wirklich nicht zu helfen, es kommt auf seine Persönlichkeit und seine Phantasie an, wie er in dieser vertrackten Situation seiner Verantwortung, die ihm anvertrauten Kinder mit der Wirklichkeit vertraut zu machen, umgeht. Diese Antwort kann dem armen Schulmeisterlein niemand geben, außer er selber. Und wenn er schlau ist, hat er einen alten Duden im Regal stehen, damit er sich über die Bögchen nicht den Kopf zerbrechen muß.
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Walter Lachenmann

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Manfred Riebe
12.01.2002 20.48
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Verwaltungsgerichtsfestigkeit

Die Abschaffung des Dudenprivilegs hat zur Folge, daß Deutschlehrer gezwungen sind, in mehreren Wörterbüchern nachzuschlagen, egal ob der Schüler in der herkömmlichen oder in der neuen Rechtschreibung schreibt. Schüler können mit einem Widerspruch bei der Schulleitung gegen einzelne Noten vorgehen. Gegen den Widerspruchsbescheid der Schulleitung können sie Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben.

Bis Mitte 2005 können die Schüler auch die herkömmliche Rechtschreibung anwenden. Ein Verstoß gegen die kultusministerielle Schreibweise muß also von den Lehrern hingenommen werden. Erst ab dem Jahr 2005 sollen die Schüler gezwungen werden, den Neuschrieb anzuwenden. Außerhalb der Schule können sie jedoch laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998 weiterhin – auch über das Jahr 2005 hinaus – die herkömmliche Rechtschreibung anwenden. Bis zum Jahr 2005 werden die meisten Deutsch- und Textverarbeitungslehrer bei den Korrekturen relativ großzügig sein und im Zweifelsfall nicht nachschlagen, sondern die Schreibweise im Zweifelsfall als richtig gelten lassen. Da sie den Neuschrieb nicht beherrschen und im Amtlichen Regelwerk mit rund 12.000 Wörtern nur ein kleiner Bruchteil des Wortschatzes enthalten ist, müßten sie im Regelwerk selbst und in mehreren Wörterbüchern nachschlagen. Bei Prüfungs- und Examensarbeiten werden die Korrektoren jedenfalls nachschlagen müssen. Ob sie es aber in allen Fällen richtig und erfolgreich tun, darf man auf Grund der inzwischen in den Zeitungen eingerissenen Beliebigkeitsschreibung bezweifeln. Unter Beliebigkeitsschreibung ist eine Mischung aus dem grammatisch oft fehlerhaften und häßlichen Neuschrieb, herkömmlicher Rechtschreibung und eigenen Schreibweisen zu verstehen. Durch die neue Rechtschreibung wird die Einheitlichkeit der bisherigen Rechtschreibung zerstört, und die Zahl der Rechtschreibfehler ist signifikant gestiegen.

Extemporalien und Schulaufgaben werden den Schülern zurückgegeben und besprochen, später aber wieder eingesammelt. Aber man kann sich Kopien anfertigen, so daß eine exakte Nachprüfung möglich ist. Deshalb gibt es dann auch hin und wieder Proteste.

Aber auf die Möglichkeit, Prüfungs- und Examensarbeiten einzusehen und sogar den Rechtsweg beschreiten zu können, machen Lehrer selten aufmerksam. Die meisten Prüflinge nehmen daher keinen Einblick in ihre korrigierten Prüfungsarbeiten und nehmen ihre Prüfungsergebnisse schicksalsergeben hin. Sie wissen nicht, daß schon in der Aufgabenstellung Fehler enthalten sein können oder daß Aufgaben so unverständlich gestellt sein können, daß auch Fachlehrer die Aufgaben nicht lösen können. Außerdem können Korrekturfehler vorkommen. Selbst bei der Auswertung von Multiple-Choice-Aufgaben durch Computer kann der Computer Fehler machen. Auf Grund der Rechtschreibreform ist zu erwarten, daß bei einer Nachprüfung korrigierter Extemporalien, Schulaufgaben und Prüfungsarbeiten in Deutsch und Textverarbeitung Falschkorrekturen in größerem Maß als bisher festzustellen sein werden.

Diese Arbeiten wären daher nicht verwaltungsgerichtsfest. Schüler und Studenten werden aber aus Unwissenheit oder weil sie die Prüfer nicht verärgern wollen, im Regelfall den Rechtsweg vermeiden.


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J.-M. Wagner
12.01.2002 19.34
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Und im Ausland? Und im Inland?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa
Wie sieht denn das eigentlich im Fremdsprachenunterricht aus? Wir durften in der Oberstufe in Englisch bei Arbeiten auch Dictionaries benutzen. Welches, konnten wir uns dabei aber selber aussuchen. Und diese Dictionaries konnten wir auch nach der Rückgabe der Arbeiten heranziehen, wenn wir Einspruch gegen Fehleranstreichungen einlegen wollten. Es funktioniert also eigentlich doch ganz einfach.
Und wie funktioniert es beispielsweise in England? Was gibt es dort für Erfahrungen im Englischunterricht (oder analog im muttersprachlichen Unterricht anderer Länder)? Können wir daraus etwas für die Perspektive in Deutschland lernen?

Und: Welche Konsequenzen (etwa in puncto Verwaltungsgerichtsfestigkeit von Entscheidungen des Lehrers) hat eigentlich die Abschaffung des Dudenprivilegs? Sind wir damit nicht schon – im Prinzip; modulo weiterhin vorhandener Dudenhörigkeit – in einer Situation, die der des (im Zitat erwähnten) Englischunterrichts entspricht? Dieser Aspekt ist in der Diskussion bisher nur erwähnt, aber nicht näher beleuchtet worden. Einen brauchbaren Dudenersatz stellt das Wörterverzeichnis der amtlichen Neuregelung ja nicht dar – welche Chancen hätte ein Schüler, wenn er sich auf eines der von Herrn Riebe aufgelisteten Wörterbücher beriefe (sofern es nicht um einen offensichtlichen Verstoß gegen die amtliche Schreibweise geht)? Oder ist der Sittenverfall bezüglich der Rechtschreibung – d. h. die Beliebigkeitsschreibung – schon so weit fortgeschritten, daß sich diese Frage in der Praxis gar nicht erst (bzw. nicht mehr) stellt?

Nebenthema: Geht der Satz über das Wissen um das Nichts-Wissen (- oder sollte man hier eine Substantivierung gänzlich vermeiden?) auf jemand speziellen zurück, oder stammt er von Karl persönlich? Oder ist das als »Spruch« ein Alter Hut? Über eine entsprechende Mitteilung würde ich mich freuen.
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Jan-Martin Wagner

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Manfred Riebe
12.01.2002 16.39
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Unser Wissen ist Stückwerk

Sehr geehrter Herr Karl!
Sie haben sich in die Nutzerliste eingetragen mit dem Satz: „Wer weiß, daß er nichts weiß, weiß mehr als jemand, der nicht weiß, daß er nichts weiß.“
Dieser Spruch gefällt mir, weil er zur Bescheidenheit mahnt. Das Wissen des Menschen ist Stückwerk. Deshalb werden Normen auch so selten „hinterfragt“.

Roman Herzog wagte es sogar einmal im Hinblick auf den begrenzten menschlichen Horizont zu sagen: „Kultusminister sind aufgrund ihres geistigen Zuschnitts nicht in der Lage, über die Grenzen ihres Bundeslandes hinaus zu denken.“ Vgl. Schöttes, H. J.; Rossler-Kreuzer, H.: In Schanghai fühlte sich Herzog 'pudelwohl' – und teilte aus. In: Nürnberger Nachrichten 23.11.96, S. 3.

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Norbert Schäbler
12.01.2002 15.07
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Am Kontext arbeiten!

Wenn ich mich immer wieder in diese Diskussion einmische, dann mag man mich als „Schulmeister“ oder als „Senfdoktor“ benennen. Mir aber geht es um Aufklärung sowohl für mich selbst als auch um die Weitergabe des erworbenen Wissens.

Meine Position ist die des Unterrichtspraktikers – meinetwegen auch die des „Schulmeisters“.

Das ist eine äußerst zwiespältige Position, denn zum einen fordert das Lehrerdasein pädagogische und fachspezifische Qualitäten, zum anderen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Verwaltung. Daß Lehrer nicht nur Lebens- und Berufschancen eröffnen sondern auch selbige verbauen, ist ein alter Hut.

Lehrer sind keine autonomen Persönlichkeiten, obwohl man dies von einem Pädagogen erwarten sollte.
Lehrer unterliegen der Loyalitätspflicht (wie viele andere Berufspraktiker auch). Das hat positive und negative Auswirkungen. Loyale Handlungen werden von der Behörde (Schulamt, Regierung, Kultusministerium) verteidigt. Mündigkeit wird nicht gerne gesehen, obwohl das angeblich das oberste Bildungsziel ist.

Wenn Lehreraspiranten nach dreijährigem Studium an der Universität in die Schulwirklichkeit hineingeworfen werden, dann landen sie im kalten Wasser der Verwaltungsbürokratie und genießen eine zweite dreijährige Ausbildung, die sich vorwiegend mit Unterrichtseffektivität und Rechtswesen beschäftigt. Inhalte der ersten Ausbildungsphase geraten da sehr schnell in den Hintergrund.
Man macht, um der Macht zu entsprechen ...

Mein Anliegen wird offensichtlich nicht richtig verstanden. Der Themenbezug wird vermißt. Doch das Thema lautet: „Der Fetisch Norm“
Und meine Grundfrage ist die: „Wie will denn ein Genormter – ein Gestanzter – etwas anderes weitergeben als gerade jene Norm, die er nie hinterfragt hat, aus welchen Gründen auch immer?“

Ich vermisse die Pädagogen, angefangen von Humboldt bis Montessori und verteufele die jeweils ideologisch eingefärbten Ausbildungsmoden, die bald Abziehbildchen des einen, bald des anderen Idols schaffen.

Selbständigkeit, Mündigkeit, verantwortete Freiheit; das sind meine Ziele, und ich unterscheide mich absolut nicht von den Zielen Professor Icklers.
Ich weise lediglich darauf hin, an welchen Stellen ich aus meiner Sicht Hürden erkenne und bringe jene Gesichtspunkte ein, die mit der erweiterten Dimension des Themas „Norm“ und „Normierung“ etwas zu tun haben.

„Warum ist es in Deutschland nicht möglich, was in England, Frankreich etc. möglich ist?“ Diese Frage stammt aus der Feder von Professor Ickler.
Vielleicht habe ich oben Teilantworten gegeben. Man muß sie nur herauslesen ...



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nos

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Walter Lachenmann
12.01.2002 13.39
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2. Buch Mose, 20,7

Keine Sorge, lieber Herr Karl. Das Christentum nehme ich sehr ernst. Drum bin ich auf gewisse Äußerungen, die sich darauf meinen beziehen zu müssen, um andere damit zu belehren, vielleicht besonders allergisch. Einen Christen erkenne ich nicht an seinem Reden, sondern an seinem Handeln.
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Walter Lachenmann

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Karl
12.01.2002 13.29
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Kein Grund, das Christentum zu verhöhnen, Herr Lachenmann!

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Theodor Ickler
12.01.2002 04.52
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Angekratzt

Die von Herrn Melsa mit Recht betonte Autorität des Dudens (= Wörterbuch schlechthin) wird in unseren Tagen durch die Rechtschreibprogramme in Frage gestellt. Die sind zwar auch wieder am Duden orientiert, aber nicht nur. Man müßte mal untersuchen, was diese Entwicklung bedeutet.
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Th. Ickler

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Walter Lachenmann
11.01.2002 19.44
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Präzisionsarbeit

Jetzt, wo es so dargestellt wird, erkenne ich sehr wohl den zutiefst christlichen, der puren Nächstenliebe einerseits und der Verantwortung des Historikers für unbedingte Genauigkeit andererseits entsprungenen Gehalt der von mir völlig zu Unrecht beargwöhnten permanenten Titulierung mit »Verleger« ausgerechnet in meinem Falle. Wie leicht hätten mich die Millionen Teilnehmer dieser Diskussionsrunde immer wieder etwa mit dem berühmten Reutlinger Juwelier oder sonst einem Träger dieses so oft in der Öffentlichkeit genannten Namens verwechseln können! Das wäre wahrhaftig verhängnisvoll gewesen. Auch die Präzisierung »Waakirchen bei Bad Tölz« ist dringend geboten, denn es gibt kein anderes Waakirchen, da hätte sich mancher vielleicht dumme Gedanken gemacht. (Matth. 26,48: Welchen ich küssen werde, der ist's; den greifet.)

Bliebe noch zu untersuchen, inwieweit zum Beispiel Hans Maier, der ehemalige Kultusminister Bayerns, zu den Alt-68ern in der Kultusbürokratie gehörte. Oder Hans Zehetmair, den immerhin bei der Vorstellung, er müsse den Heiligen Vater bei der nächsten Audienz mit einem kleinen hl. ansprechen, Sorge um sein Seelenheil beschlich, von der Hotelfachfrau ganz zu schweigen, die die Reform gemäß ihrem eigenen Bildungsstande ganz prima findet und Ickler für einen vertrottelten und weltfremden, außerdem »umstrittenen« Professor hält, auf den man nichts geben muß. Sicherlich wurde sie vom gerissenen Undercover-68er FJS in den damaligen leidenschaftlichen Nächten nur zu dem Zwecke gezeugt, der Reform nach seinem Ableben zum Durchbruch zu verhelfen. Über die engen Verbindungen zwischen ihm und dem angeblichen sozialistischen Erzfeind weiß man inzwischen ja Bescheid, nur ein verkappter Linker, der sich Amt und Würden auf dem Marsch durch die Institutionen erschlichen hat, schiebt so wie er unser anständig verdientes Geld in Form hoffnungslos verlorener Kredite in Milliardenhöhe über den Eisernen Vorhang! Den Historikern und ermittelnden Privatforschern bleibt noch viel zu tun, da sollte es sich keiner leisten, seine Zeit zu verplempern, indem er auf Telekom-CDs herumsurft, um nach Namensvettern von harmlosen Mitchristen zu suchen.
– geändert durch Walter Lachenmann am 13.01.2002, 05.01 –
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Walter Lachenmann

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Manfred Riebe
11.01.2002 18.22
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Kampf eines Verlegers gegen die Rechtschreibreform

Großer Dienst eines Verlegers für die deutsche Sprachkultur
Gütesiegel »Lesen ohne Verdruß! – Reformfreie Rechtschreibung«

Warum lenken Sie bescheiden vom Thema „Das Menschenbild der Rechtschreibreform“ ab, Herr Lachenmann? Sie haben doch so manchen Leserbrief gegen die Rechtschreibreform geschrieben, in dem Ihre Beurteilung des Menschenbildes der Reformer schlaglichtartig beleuchtet wird. Ein Beispiel:

Sehr geehrte Redaktion,
ich bin ein mikroskopisch kleiner Verleger, aber diese Dummheit [der Neuen Rechtschreibung] soll mir keiner jemals nachsagen. In meinem Verlag werden Bücher in Reformdeutsch nicht erscheinen, und bisher hat mich jeder für diese Absicht gelobt. Bringen doch auch Sie das bißchen Mut auf und bleiben Sie bei der bisherigen Rechtschreibung. Millionen von Lesern werden Ihnen zujubeln, und Ihre Bücher werden Auflagenzuwächse erleben, von denen Ihre Konkurrenten nur träumen können, die in thumber Devotion oder Zeitgeistheischerei einem ausgerechnet von Staatsdienern ausbaldowerten und in jeglicher Hinsicht dilettantischen, ja katastrophal dümmlichem Vorschriftenwerk für die deutsche Sprache nacheifern. Und sich damit laufend lächerlich machen.
Versehen Sie Ihre Bücher mit einem deutlich sichtbaren Gütesiegel, etwa mit dem Wortlaut »Lesen ohne Verdruß! – Reformfreie Rechtschreibung« Viele Buchkäufer werden sich dann spontan für Ihre Bücher entscheiden, selbst wenn es inhaltlich ähnlich interessante oder aus Sicht des Lesers vielleicht interessantere Bücher aus andern Verlagen in Neuschrieb gibt.
Bei Ihrem Publikum, kultivierten Lesern mit Sinn für Sprache, ist die Abneigung gegen die neuen Regeln größer, als Sie vielleicht vermuten. Eine Welle der Zustimmung und der Sympathie wird Ihnen entgegenschlagen. Und Sie werden der deutschen Sprachkultur einen großen Dienst erweisen, durch Ihr Vorbild vielleicht dazu beitragen, daß auch andere Verlage sich von den neuen Regeln abwenden. Und dieser Spuk, eine der größten Peinlichkeiten in der Geschichte der deutschen Intelligenz, bald wieder in den Aktenschränken der Kultusministerien verschwindet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Mut, Entschlußkraft – und Klugheit!
Walter Lachenmann
[Man wird bemerkt haben, daß Die Gazette orthographisch eher traditionell verfährt.]
DIE GAZETTE, Nr. 30, November 2000

Richtig: Dieses Vorschriftenwerk für die deutsche Sprache (Der Fetisch „Norm“) wurde „von Staatsdienern ausbaldowert“. Für diese klare Stellungnahme gegen die Alt-68er in der Kultusbürokratie, die nach ihrem Marsch durch die Institutionen zu Amt und Würden gelangten, muß man Herrn Lachenmann als Verleger loben; denn es gibt nur wenige Verleger, die so mutig sind, gegen den Strom zu schwimmen. Daß das Konzept der Rechtschreibreform von Alt-68ern stammt und daß sie in den meisten Bundesländern dahinterstecken, braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. OStR Günter Loew hat die Urheberschaft der Alt-68er in einer Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform nachgewiesen (vgl. Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, S. 152 ff., 173 ff.).

Ich meine daher nicht Herrn Juwelier Lachenmann oder Herrn Walter Lachenmann aus Reutlingen, sondern Herrn Verleger Walter Lachenmann aus Waakirchen bei Bad Tölz. Ich hätte auch „Büchermacher“ schreiben können oder Leiter des OREOS-Verlages, um Verwechslungen mit Namensvettern vorzubeugen. Bundestagsabgeordnete setzen häufig ihren Wohnort hinzu: Müller (Berlin), Müller (Düsseldorf); in Ihrem Fall hieße es Walter Lachenmann (Waakirchen). Hier scheint mir jedoch der Zusatz „Verleger“ sachdienlich zu sein, da Sie gegen den Fetisch „Rechtschreibreform“ kämpfen, die Idee eines Gütesiegels »Lesen ohne Verdruß! – Reformfreie Rechtschreibung« hatten und dies auch in die Tat umsetzten.





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Christian Melsa
11.01.2002 15.17
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Re: Viel einfacher

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Das sind deutsche Fehlentwicklungen. Sie sind so fest etabliert, daß manchem (auch und gerade manchem Lehrer) die Phantasie fehlt, sich andere, liberalere Lösungen vorzustellen. Ohne das vertraute Gängelband glaubt man hilflos und verlassen zu sein. Kleingläubigkeit nenne ich das.
Natürlich bin ich realistisch genug, um die Kirche im Dorf zu lassen. Nicht jeder Lehrer kann den vollen Überblick haben, „wie man schreibt“. Dazu gibt es dann die deskriptiven Hilfsmittel zum Nachschlagen. Die besseren kann man als Unterrichtsmittel zulassen, wie andere Schulbücher auch. Mehr sollte der Staat sich aber nicht zutrauen.
Ich weiß wirklich nicht, warum das in Deutschland nicht funktionieren sollte.


Weil die Deutschen immer noch dudenhörig sind. Wenn man einen Gebrauchtwagen verhökern möchte und nicht weiß, wieviel man für ihn verlangen soll, schaut man in die Schwacke-Liste, bei Fragen zur Sprache eben in den Duden. Wie Manfred Riebe erzählt, viele Leute wissen nicht einmal, daß es überhaupt auch noch andere Wörterbücher als den Duden gibt. Und selbst wenn doch, dann greifen sie meistens nur deswegen zu einem anderen Werk, weil es billiger angeboten wird. Das wird dann immer noch als Duden-Ersatz begriffen. „Duden“ ist doch praktisch ein Synonym für Wörterbuch. Stellen wir uns folgende Situation vor: Eine WG spielt Scrabble. Es entsteht zwischen zwei Mitspielern Streit darüber, ob es ein bestimmtes Wort überhaupt gibt bzw. so wie gelegt richtig buchstabiert ist. Die beiden Spieler eilen in ihre Zimmer und holen schnell ihre Wörterbücher herbei, um ihre Auffassung zu belegen. Doch die Wörterbücher unterscheiden sich bei dieser Frage. Welchem von beiden soll man denn nun trauen? Es wird gestritten und argumentiert, bis ein Dritter aufsteht und aus seinem Zimmer den Duden holt. Der Duden soll entscheiden! Warum ausgerechnet der Duden? Nun, das war doch „immer schon“ so, warum soll es auf einmal anders sein? Wegen der Reform? Aber auch nach der Reform, gerade jetzt, wird doch ein allgemeiner Nenner gebraucht. Warum also der Einfachheit halber nicht beim Duden bleiben? Warum zu einem anderen wechseln? Und wie sollte das überhaupt gehen, zu welchem denn, da müßten sich ja alle einig sein? So sieht es der Durchschnittsbürger.

Ähnlich ist die Situation in der Schule, nur daß es da um mehr als ein Spiel geht, nämlich um Noten, von denen möglicherweise eine Menge abhängt. Hier sind in der Praxis die von Herrn Riebe erwähnten Probleme zu erwarten, wenn man kein absolutes Richtwerk mehr hat und andererseits trotzdem die grundsätzliche Bewertung bzw. Auffassung von Rechtschreibung in der Schule beibehalten wird.

Ließe sich das Problem lösen, wenn nicht ein einziges Wörterbuch, nur der Duden, in der Schule als maßgebend gälte, sondern vielmehr ein breiter Kanon von zugelassenen Werken? Schließlich gibt es auch unterschiedliche Mathematikbücher, und bei der Bewertung einer Mathearbeit heißt es nicht etwa: „Maßgebend ist der Schülerduden Mathematik.“ Das Zulassungsverfahren müßte transparent ablaufen, um Günstlingswirtschaft auszuschließen. Leider ist es sehr schwer, hier präzise Kriterien aufzustellen. Jedes seriöse Wörterbuch, dessen Erarbeitung wissenschaftlichen Anforderungen genügt, müßte zugelassen werden. Zu enge inhaltliche Anforderungen kämen am Ende doch wieder auf dasselbe hinaus, wie zu sagen: muß der amtlichen Neuregelung entsprechen! Genau diese staatliche Sprachkontrolle wollen wir ja gerade nicht.

Auch ein noch so gut ausgebildeter Deutschlehrer wird hin und wieder ein Nachschlagewerk brauchen, und auch die Schüler müssen wissen können, wo sie selber nachgucken sollen. Eine totale Lehrerautonomie in dieser Frage wäre nicht ganz unproblematisch. Dazu müßte man sich erst einmal darauf verlassen können, daß jeder Lehrer auf jeden Fall über die angemessene Kompetenz verfügt. Das dürfte jedoch gegenwärtig und bis auf weiteres eher Wunschdenken sein, also höchstens ein fernes Ziel, auf das man hinarbeiten kann.

Wie sieht denn das eigentlich im Fremdsprachenunterricht aus? Wir durften in der Oberstufe in Englisch bei Arbeiten auch Dictionaries benutzen. Welches, konnten wir uns dabei aber selber aussuchen. Und diese Dictionaries konnten wir auch nach der Rückgabe der Arbeiten heranziehen, wenn wir Einspruch gegen Fehleranstreichungen einlegen wollten. Es funktioniert also eigentlich doch ganz einfach.

Wenn man erreichen könnte, daß die Kultusminister sich auf den Kompromiß einlassen, daß einfach alles, was in irgendeinem Wörterbuch der letzten Jahrzehnte steht (auch wenn es von Ickler oder Paul kommt), in einer Schularbeit nicht falsch sein kann und auch nicht gesondert nach Obrigkeitstreuegrad markiert wird, dann liefe das zwar auf einen gewissen Toleranzraum zu „Beliebigkeitsschreibung“ hinaus, aber keine Medienpublikation könnte mehr behaupten, die unpopulären und unseriösen Schreibweisen verwenden zu müssen, weil sie es nicht mit ihrem sensiblen Gewissen (und dem Gedanken an künftige Abonnenten) vereinbaren könne, daß die Kinderchen ihnen entfremdet bzw. sie den Kinderchen entfremdet werde. So ein Kompromiß, in der Schule die „alte“ Rechtschreibung nicht dümmlich-diktatorisch zu verbieten (bzw. als unattraktiv zu verkaufen), die „neue“ aber angesichts der geschaffenen Fakten dennoch zu dulden, das könnte die goldene Brücke sein, die es allen erst einmal ohne Gesichtsverlust gestattet, wieder zur Vernunft zurückzukehren. Es wäre zur aktuellen Praxis ein feiner, aber wichtiger Unterschied. Weil er so fein ist, dürfte er um so einfacher durchsetzbar sein. Wie es weitergeht, hinge dann wohl realistisch betrachtet vom Verhalten des Dudenverlags ab, denn darauf werden sich dann alle Blicke richten. Würde er künftige Auflagen seines Rechtschreibwörterbuchs nach dem von mir zuletzt vorgeschlagenen Muster erscheinen lassen, könnten die Reformer und ihre Sympathisanten nicht behaupten, daß ihr Projekt böswillig abgewürgt worden sei, es gäbe aber trotzdem gute Aussichten auf eine Gesundung der Orthographie, auf eine Heilung vom gegenwärtigen Wahn.

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Walter Lachenmann
11.01.2002 13.50
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Christliches

Alois Glück habe es zwar nicht gesagt, aber zwischen den Zeilen anklingen lassen. Also war die Stoßrichtung des Stiers schon richtig. Bekanntlich wäre die Rechtschreibreform ohne Betreiben namhafter CSU-Politiker nicht zustande gekommen. Diese waren sicherlich waschechte 68er. Aber ich sage ja: auf diesem Niveau kommt es zu keiner vernünftigen Auseinandersetzung, da helfen auch Bibelsprüche nicht weiter. Besonders im Sinne der Bergpredigt ist es vermutlich gemeint, meinem Namen regelmäßig den Zusatz »Verleger« hinzufügen. Nicht daß mir mein Beruf peinlich wäre, im Gegenteil, aber was soll der Blödsinn?
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Walter Lachenmann

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Manfred Riebe
11.01.2002 13.37
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Das Menschenbild der Rechtschreibreform

Wenn der Torero dem Stier ein rotes Tuch vor die Nase hält, geht der Stier blindlings drauflos. So ein rotes – bzw. in diesem Fall ein schwarzes – Tuch ist offenbar manchmal der Name Alois Glück oder der seiner Partei, der CSU, offensichtlich besonders das „C“ darin. Da ist wohl bei Herrn Verleger Walter Lachenmann eine Sicherung durchgebrannt; denn wer das Zitat aus der Nürnberger Zeitung (NZ) genau liest, erkennt, daß nicht Alois Glück, sondern ein Mitarbeiter der NZ, Philipp Roser, von der „Zopf-ab“-Haltung der 68er Generation schrieb, die das heutige Menschenbild präge.

Ist nicht auch die sogenannte Rechtschreibreform ein Beispiel für die „Zopf-ab“-Haltung der 68er Generation, zu der u.a. auch der Vorsitzende der Rechtschreibkommission, Professor Gerhard Augst, gehört? Welches Menschenbild steht wohl hinter der Rechtschreibreform?

Philipp Roser schrieb in seinem NZ-Kommentar über die Pisa-Studie auch:
„Aber eine ‚Kultur der Verantwortung' auch an den Schulen, wie Alois Glück anmahnt, kann nur praktizieren, wer Grenzen und Respekt anderen gegenüber kennt. Dies wieder zu erlernen, ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.“ Die Erziehungspflicht der Eltern beginnt bei der Selbsterziehung der Eltern.
Herr Verleger Walter Lachenmann schrieb auch: „Und fromme Verweise auf die Bergpredigt sind in aller Regel eine Geschmacklosigkeit, da wir alle sehr wohl wissen, daß kaum jemand von uns diesem präskriptiven »Menschenbild« auch nur annähernd bereit ist zu entsprechen.“ Ganz offensichtlich wirkt die Bergpredigt als ein Stein des Anstoßes. Ich bin trotzdem so „geschmacklos“, aus der Bergpredigt zu zitieren, um Herrn Lachenmann wenigstens zum Teil zu bestätigen: „Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.“ (Matth. 7, 14).

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