Zeitungsente, ja oder nein?
Zwei Tage vor besagter Pressekonferenz des Zwischenstaatlichen Kommission in Mannheim war eine kleine Meldung in der Berliner Zeitung erschienen. Tenor: An der Rechtschreibreform müsse einiges grundlegend geändert werden, so u. a. bei der Getrennt- und Zusammenschreibung (es wurden noch andere Bereiche genannt, die ich heute nicht mehr erinnere). Das meinten jedenfalls die beiden Kommissionsmitglieder Eisenberg und Munske. Würde sich die Kommission n i c h t zu entsprechenden Änderungen entschließen, stünden sie für eine weitere Mitarbeit nicht mehr zur Verfügung.
Das war ein Hammer die Äußerungen waren ein Sakrileg an der Rechtschreibreform, an der man seitens der Reformkommission entschlossen war, unverrückbar festzuhalten.
Am Abend vor der Pressekonferenz rief Denk an, gegen 23.30, und meinte, jemand von uns müsse am nächsten Morgen in Mannheim die Volksinitiativen (Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen) vertreten. Das war eigentlich richtig, und mir gelang tatsächlich am nächsten Tag der Zutritt zur PK, vorbei an zwei kontrollierenden Hausmeistern, denen ich meine Visitenkarte vom Verlag als Presseausweis verkaufte.
Die Pressekonferenz selber hatte für mich etwas gespenstisches: Vorne auf dem Podium saßen Augst und Heller, die sich wie die neuen Machthaber über die deutsche Sprache aufführten, nebst anderen Reformern, und sie dozierten darüber, was man mit der deutschen Rechtschreibung gemacht habe, in Zukunft ggf. noch zu tun gedenke, usw.
Einwände meinerseits, daß die Kommsion überhaupt k e i n R e c h t habe für einen derartigen Eingriff, wurden mit Bemerkungen quittiert, für welche Zeitung ich überhaupt da sei (Heller). Augst meinte gelassen, das Problem mit den Altschreibern würde sich schon lösen, da diese ja automatisch mit der Zeit weniger werden würden.
Anwesend waren etwa 20 Pressevertreter, und sie saßen da wie die Lemminge: ergebenste Zuhörer, bis auf Dankwart Guratzsch hatte sich keiner irgendwie vorbereitet, Guratzsch war der einzige, der mit seinen Fragen, z. B. nach der lang versprochenen (und bis heute noch nicht vorgelegten) umfangreichen amtlichen Wörterliste, das Podium deutlich in Verlegenheit brachte.
Eisenberg und Munske waren auch anwesend, und zwar in den Reihen der Presse. Und ich wunderte mich: Da sah man die beiden wohl bekanntesten Reformer, die zwei Tage zuvor hatten verlautbaren lassen, was alles an der Reform zu ändern sei, falls man mit ihrer Mitarbeit noch weiter rechnen wolle und saßen jetzt da wie die Schuljungen vor ihren Bänken, als wären sie in einem Informationsabend einer Volkshochschule.
Es gelang mir immerhin, den relativ kurzen Artikel aus der Berliner Zeitung (er stammte von Konrad Adam) zu verlesen und knüpfte im Anschluß die Frage an Eisenberg, ob denn die Ausführungen in der BZ so stimmen würden, oder ob es sich hier um eine ZEITUNGSENTE handeln würde. Eisenberg entgegnete: Das ist so nicht gesagt worden, ja, es handelt sich um eine Zeitungsente. Dabei sah er mich mit einem freundlichen Blick an, der durch mich hindurch in die Unendlichkeit zu gehen schien, und mir blieb der Eindruck, als ob er damit sagen wollte: Sie haben eigentlich recht, nur ich kann jetzt nicht anders.
Schon wenige Monate später wurde durch den Austritt von Munske und Eisenberg aus der Kommission klar, daß die Meldung von Konrad Adam in der BZ am 10. September alles andere als eine Ente war.
Hätten am 12. September Eisenberg und Munske den Mund aufgemacht und das gesagt, was sie bereits wußten, dann hätte allein schon Dankwart Guratzsch dafür sorgen können, daß das Thema Rechtschreibreform damit vom Tisch gewesen wäre.
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