Unfehlbar?
Man kann Herrn Ickler sicherlich mancherlei entgegenhalten, und ich selbst habe mir da auch schon manche Beule geholt, hoffe umgekehrt, auch manche Schramme hinterlassen zu haben, aber daß er Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nähme, ist nun das Allerletzte, das man gegen ihn ins Feld führen könnte. Noch danebener kann man in seinem Urteil sowohl über ihn als darüber, wie er seine Arbeit versteht, gar nicht liegen.
Für Frau Menges' Rezension würde ich, um mich in das ihr zugängliche Vokabular zu begeben, anmerken: Thema verfehlt, Sinn nicht verstanden; PISA-Syndrom: Inhalte nicht adäquat rezipiert. Fazit: Gute Literatur lesen, Verstehenwollen üben, Standpunkte zumindest im Sinne eines Experimentes wechseln: Es ist zwar nicht mein Standpunkt, aber wenn es meiner wäre, wie würde ich versuchen, ihn zu vertreten. Nicht einfach am Erdboden nach den nächsten Sachen herumsuchen, die man für geeignet hält, zurückzuschmeißen. Da liegt oft nur dummes Zeug und Dreck.
Da braucht es für den Beworfenen keine besonders dünne Haut, um aus derselben zu fahren. Andererseits steht es auch weiß Gott nicht dafür.
Besonders schwierig ist es für Menschen, die ihr Leben dem Dienste einer Sache, schlimmer noch einer Instanz, gewidmet haben, sich einmal vorzustellen, wie sie eigentlich dächten, wenn es diese Sache, diese Instanz, nicht gäbe. Wenn es nur auf ihr ganz eigenes, persönliches Urteil ankäme. Dies ist wirklich schwierig, dies halte ich bis zu einem gewissen Grade allen Menschen, die in Abhängigkeitsverhältnissen leben, zugute. Beneidenswert, wer unabhängig ist, bedauernswert, wer unter seiner Abhängigkeit leidet, beklagenswert, wer sie mit seiner eigenen Identität verwechselt.
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Walter Lachenmann
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