google sucht HRRD
Beim Stöbern in http://www.google.de nach den sog. Hessischen Rahmenrichtlinien (HRRD,1974) stieß ich auf nachfolgendes Dokument (Analyse und Dokumentation eines bildungspolitischen Konflikts von Hannelore Christ).
Google bietet weitere Dokumentationen jener Zeit, in der sich Politik und Wissenschaft miteinander verbündeten.
An dieser Stelle bereits der Hinweis, daß Passagen der HRR originalgetreu in einer Veröffentlichung des Duden-Verlags (1994, ISBN 3-411-06131-6) wieder auftauchen.
Ich bitte, die Überlänge des folgenden Textes zu entschuldigen.
Ggf. könnte der Text durch einen Link ersetzt werden.
KG 2.1: Die Hessischen Rahmenrichtlinien Deutsch
1. Darstellung des Hintergrundes
Um die Bedeutung der HRRD zu verstehen, ist es wichtig, sich zunächst mit der Situation auseinander zu setzen, die in den 60er / Anfang 70er Jahre in der BRD herrschte.
* Politisch:
erstmalig Übernahme der Regierung durch die SPD, Parole: „Mehr Demokratie wagen“,
politische Linksorientierung
* Wirtschaftlich:
Anfang/ Mitte der 60er Jahre: Wissenschaftsrat und Kultusministerkonferenz stellten fest, dass die BRD vor einer Bildungskatastrophe stehe, das Ausbildungssystem genüge den gesteigerten Anforderungen an die Arbeitskraft nicht mehr -> Modernitätsrückstand
Folge: Der gesellschaftliche Wohlstand ist gefährdet
Kritikpunkt war hauptsächlich das Defizit im technologischen Bereich
Forderung: Modernisierung, Effektivierung und Demokratisierung des Bildungswesens
=> Forderung von Bildungsreformen vorrangig an wirtschaftlichen Interessen orientiert
Dabei wird völlig verkannt, dass Schule ein Teil der Gesellschaft ist. Ist Schule krank, ist auch die Gesellschaft krank. Doch diese soll nicht verändert werden.
* Bildungswesen:
Bildung war soziales Selektionsinstrument:
=> Gymnasium nur für privilegierte Kinder
=> Kindern aus unterprivilegierten Familien war der Zugang ungeachtet kognitiver Fähigkeiten verwehrt oder nur unter sehr großen Schwierigkeiten zugänglich.
Die Selektion verlief selbstverständlich und unreflektiert
Die Organisation des Ausbildungssystems bildete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heraus und orientierte sich an damaligen Interessen. Es ist zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet.
2. Reformvorschläge
- Die Schulreform sollte als Mittel zur Herrschaftsstabilisierung der politischen Kräfte und zur Systemerhaltung dienen.
=> keine tiefgreifende Reformen gewollt, die Auswirkungen auf die Gesellschaft hatten
- Ziel: Ansprüchen gerecht werden, die sich durch Produktionsverhältnisse an den
Ausbildungsbereich stellten
- Vertreter: Konservative und liberale Kräfte
§ Forderungen der Konservativen Kräfte:
Herrschaftssicherung durch Bildungsbegrenzung für Unterprivilegierte
· Reformmodelle, die Chancenungleichheit bekämpfen wollen, werden abgelehnt
· gegen die integrierte und differenzierte Gesamtschule
· Effektivierung im inhaltlichen Bereich nur in den mathematisch- naturwissenschaftlichen Fächern
· Reformen der geistes- bzw. gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wird abgelehnt aus Angst, dadurch eine Systemveränderung herbeizuführen
· Integration der beruflichen Ausbildung in die Gesamtschule wird abgelehnt
§ Forderungen der liberalen Kräfte:
Systematische Anhebung des Bildungsniveaus der Unterprivilegierten
· Für die integrierte Gesamtschule
· Wollen Reformen der geistes- und gesellschaftlichen Forderungen
· Inhaltliche Reformansätze, die nicht mehr bestimmen was, sondern wie Schüler zu lernen haben (Þ Annahme: Arbeitskräfte müssen lebenslang lernen können und flexibel sein)
· Unterprivilegierte sollen durch kompensatorische Bemühungen aus ihren klassenbedingten Bindungen heraus gelöst werden.
3. Die Hessischen Rahmenrichtlinien
· In Hessen setzte die Bemühung zur Behebung der Krisensituation im Bildungsbereich früh ein.
· Zunächst äußere Schulreform (organisatorische Umgestaltung des Schulwesens, Gesamtschulversuche und Förderstufe)
· 1967 werden inhaltliche Reformen in Angriff genommen
· Historische Schaltstelle in der Fachdidaktik, Bündelung der fachdidaktischen Diskussion der 60er u.70er Jahre
· Einmalige Verknüpfung von Fachdidaktik und Bildungspolitik (Versuch, Basiskonzept zu verwirklichen, Lehrer, Fachdidaktiker und Bildungspolitiker sollten gleichermaßen in die Ausarbeitung der Reformvorschläge einbezogen werden)
· Vertreter: zunächst wurde Wolfgang Klafki mit der Leitung der Ausarbeitung beauftragt, später wurde die Arbeit unter der Leitung von Hubert Ivo weitergeführt
Ø Abgrenzung Rahmenrichtlinien Bildungsplan
Rahmenrichtlinien Bildungsplan
- Verzicht auf einen verbindlichen Kanon des zu vermittelten Bildungsgutes zugunsten einer Diskussion übergeordneter Lernziele - Hauptfunktion: Festlegung inhaltlicher Vorgaben für den Unterricht; verkörpert den Inhaltskanon einer Kultur
- schulformübergreifend und schulstufenbezogen(inhaltliche Voraussetzung für die Integration der Gesamtschulen) - auf eine bestimmte Schulart bzw. Schulstufe bezogen
- dienen der Kenntnisnahme, Diskussion und freiwilligen Erprobung - Rechtsstatus: Verwaltungsvorschrift mit rechtsverbindlichen und rechtsfreien Anteilen
- Abkehr von vielen Lernzielen, die bisher als verbindlich galten - Grundlage für Leistungsbeurteilung und Selektion
- Lehrer entscheidet über die inhaltlichen Wege zum Erreichen der Ziele - inhaltliche Vorgaben (s.o.)
Rahmenrichtlinien
- Verzicht auf einen verbindlichen Kanon des zu vermittelten Bildungsgutes zugunsten einer Diskussion übergeordneter Lernziele
- dadurch Schaffung einer prinzipiellen Offenheit, bessere Berücksichtigung der Schülerinteressen, inhaltliche Mitbestimmung möglich
- belastet andererseits den Lehrer mit der Suche nach geeigneten Unterrichtsmaterialien, überfordert die aktuellen Lehrbücher u. Lernmittelsammlungen
- RR sind schulformübergreifend und stufenbezogen
- Abkehr von schulformbezogenen Lehrplänen ist inhaltliche Voraussetzung für die Integration der Gesamtschulen
- schulformübergreifende Lernziele fordern stark differenzierte Methoden der Vermittlung bei Schülern mit unterschiedlichen Voraussetzungen
- Überlegungen über diese Methoden müssen Bestandteil der RR sein, da sichergestellt werden muss, dass alle Schüler einen strukturell gleichen Unterricht erhalten, um einen Wechsel des Schultypus nicht durch Unvereinbarkeit der Unterrichtspraxis zu erschweren
- Stufenbezogenheit: die gemeinsamen Ausbildungsziele und Inhalte für die einzelnen Jahrgangsstufen sind unabhängig von den Schulformen bestimmt (Zusatzangebote führen über die gemeinsame Grundlage hinaus)
- Abkehr von vielen Zielsetzungen des Unterrichts, die bisher als verbindlich angesehen wurden
- ist notwendig, da kein Wandel in den Strukturen der Gesellschaft aber ein Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft eingetreten ist
- Kriterium: Lernziele dürfen nicht hinter dem augenblicklichen Bewusstseinszustand zurückbleiben, müssen miteinander vereinbar sein und für die Mehrzahl der Lehrer und Schüler akzeptierbar sein
Die Diskussion der Unterrichtsformen ist wichtig, auch wenn man davon ausgeht, dass die Lehrer über ein angemessenes Repertoire von Unterrichtsmethoden verfügen. Im Hinblick auf das Lernziel Förderung der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit dürfen Unterrichtsformen wie Gruppendiskussion, Rollenspiel, formelles Debattieren „unernster“ Themen etc. nicht als methodisches Repertoire des Lehrers vorausgesetzt werden, sondern sie stellen selbst Unterrichtziele dar, in denen sich die übergeordneten Ziele konkretisieren.
Veröffentlichung der RR im Oktober 1972: fächerbezogene Pläne für die Sekundarstufe I, die im Schuljahr 72/ 73 der Kenntnisnahme, Diskussion und freiwilligen Erprobung dienen sollten.
Lehrplan
- kodifiziert (kodifizieren = in das Gesetzbuch einordnen) Bildungsvorstellungen und Lerninhalte
- auf eine bestimmte Schulart bzw. Schulstufe bezogen
- Aussagen über Zielsetzungen von Unterricht, über Umfang, Reihenfolge und Zuordnungen der Inhalte zu bestimmten Jahrgängen strukturieren ihn
- hat Rechtsstatus, er ist eine Verwaltungsvorschrift mit rechtsverbindlichen und rechtsfreien Anteilen, koordiniert die Arbeit der einzelnen Schulen und ermöglicht vergleichbare Abschlüsse
- bildet Grundlage und Bezugspunkt für Leistungsbeurteilung und Auslese/ Selektion
- Hauptfunktion: Festlegung inhaltlicher Vorgaben für den Unterricht
- verkörpert den Inhaltskanon einer Kultur, trägt damit zu deren Bestand, Kontinuität und Stabilität bei
- ist gemeinsamer Nenner unterschiedlicher Rechte und Interessen ( = sichtbarer gesellschaftlicher Kompromiss)
- seine innovative Funktion ist strittig (ob schulische Veränderungen passieren und dann in den Lehrplan aufgenommen werden oder umgekehrt)
Ø Wissenschaftliche Begründungen:
Den wissenschaftlichen oder „geistigen“ Hintergrund der HRRD stellt größtenteils die Kritische Theorie von Jürgen Habermas dar.
Habermas war das jüngste Mitglied der Frankfurter (Soziologen-)Schule (zu der z.B. auch Adorno gehörte).
Er hat eine umfassende gesellschaftskritische Sozialphilosophie entwickelt, die Auswirkungen auf verschiedene geisteswissenschaftliche Disziplinen hatte (auch auf die Erziehungswissenschaft).
Aus dieser Zeit und aus der Rezeption der Kritischen Theorie resultieren neue Erziehungsziele wie Erziehung zur Mündigkeit, Selbstbestimmung, Verantwortung und Emanzipation (damit stellt sich Habermas in die Tradition der Aufklärung).
(auch alternative Pädagogiken, die ihren Ursprung in den 60er Jahren haben, beziehen sich auf Ideen der Frankfurter Schule -> z.B. Laborschule Bielefeld)
Nach Habermas ist die Gesellschaft von Macht- und Herrschaftsstrukturen bestimmt, die größtenteils über Sprache aufgebaut werden, beziehungsweise aus dem resultieren, was H. „verzerrte Kommunikation“ nennt.
Es soll eine Situation angestrebt werden, in der Konflikte in „herrschaftsfreien Diskursen“ gelöst werden können, d.h. alle Teilnehmer sind gleichberechtigt, haben die gleichen Kommunikationschancen und können sich ohne Zwänge äußern.
Somit würde im Konflikt einzig das bessere Argument siegen (und nicht Gewaltstrukturen und Ideologien, die die Kommunikation bestimmen).
Eine solche ideale Sprechsituation kann natürlich nur gedanklich existieren und wird in dieser Form niemals eintreten.
Die Orientierung an einer solchen idealen Sprechsituation kann aber als Maßstab für die Kritik und Analyse der realen Sprechsituation dienen.
Aufgabe des Deutschunterrichts ist es demnach, den Schülern Ursachen verzerrter Kommunikation aufdecken zu helfen und die Zusammenhänge von Gewalt und Ideologie zu analysieren.
Die Schüler sollen sich über ihre Stellung in der Kommunikationssituation bewusst werden und sollen dadurch zu einem neuen Gesellschafts- und auch Selbstverständnis kommen.
Bedingung für einen unabhängigen und damit mündigen Bürger ist nach H. eine entwickelte Kommunikationsfähigkeit, sein Ziel ist außerdem der weitgehende Abbau von Herrschaft und Fremdbestimmung zugunsten der Erweiterung und Sicherung von Mündigkeit und Selbstbestimmung.
Die HRRD wollen die Umsetzung dieser Ziele in die Schulwirklichkeit erreichen. Daraus erklärt sich z.B., dass die Förderung der Kommunikationsfähigkeit als oberstes Lernziel gilt, sowie der veränderte Umgang mit Hochsprache und Rechtschreibung.
Ø Bildungspolitische Zielsetzungen:
Ø Forderung von Chancengleichheit -> allen Schülern sollen die gleichen Startchancen eröffnet werden (auch Schülern aus sog. „bildungsfernen Haushalten“ soll die Chance auf Zugang zu Hochsprache und Literatur eröffnet werden)
Ø => diese Überlegung hatte die Forderung nach Förderunterricht laut werden lassen, durch den das häusliche Defizit ausgeglichen werden sollte, um die Schüler auf ein möglichst homogenes Ausgangsniveau zu bringen,
im Zusammenhang mit den HRRD wird darüber hinausgehend die integrierte und differenzierte Gesamtschule gefordert, da diese als die Schulform angesehen wird, in der die Forderung nach Chancengleichheit am ehesten verwirklicht werden könne
Ø Damit hängt auch zusammen, dass die HRRD auf der Sekundarstufe ansetzen. Die Ursache der sozialen Selektion von Schule wird in der Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse gesehen
Ausdifferenzierung soll nun nur punktuell, innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens (Gesamtschule) stattfinden, und die Kinder so lange wie möglich gemeinsam unterrichtet werden
Es sollen auch alle Lernziele für alle Schulstufen gelten, so dass sich die soziale Selektion nicht schon an den Inhalten manifestiert (Schüler werden bestimmten späteren Anforderungen entsprechend ausgebildet)
Schwache Schüler sollen hierbei von dem positiven Lernumfeld profitieren
[Grundschule weniger interessant, da Annahme, dass hier alle dem gleichen Bildungsumfeld ausgesetzt sind]
4. Tabelle (im Original als Graphikdatei strukturiert, hier fortlaufend!)
Kritikpunkte der Gegner an den RRD Zielsetzungen der RRD Begründungen
Abbau der Hochsprache, Zerstörung der sprachlichen Kultur Sprachliche Kommunikationsfähigkeit fördern statt muttersprachlicher Bildung; die Schüler sollen lernen, unter Wahrung ihrer Bedürfnisse und Interessen miteinander zu kommunizieren, Hochsprache als Norm wird abgelehnt Hochsprache ist nicht wertneutral; sondern ebenfalls Gruppensprache, durch das Erlernen der Hochsprache werden die Schüler ihrem sozialen Milieu entfremdet und müssen die Werte und Normen der Privilegierten übernehmen; es besteht eine Chancenungleichheit bei Schuleintritt, erhöhte Schwierigkeiten und Leistungsdefizit sind die Folge, =>Anknüpfung an die Sprache der Schüler
Missbrauch der Schule zum Klassenkampf und eine Erziehung zur Intoleranz Schüler sollen lernen, Kommunikation hinsichtlich ihrer Funktion und im Hinblick auf das jeweilige Thema kritisch zu reflektieren=> Emanzipation „Schweigen der Mehrheit“, der Unterprivilegierten, die nicht die Chance bekommen, zu lernen, ihre Meinungen öffentlich zu äußern und somit nicht gegen Ungerechtigkeiten ankämpfen können, sondern diese akzeptieren müssen
Abschaffung der Rechtschreibung Förderung der Kommunikationsfähigkeit und Chancengleichheit durch Reform der Rechtschreibung („gemäßigte Kleinschreibung“), Rechtschreibung sollte kein Ausleseinstrument sein und nicht das ausschlaggebende Argument bei lebensgeschichtlich wichtigen Entscheidungen Chancenungleichheit durch unterschiedliche Voraussetzungen; Rechtschreibleistungen sind kein Beweis für Intelligenz,
Ästhetische Qualität von Literatur wird ausgeblendet, Umgang mit Dichtung eingeschränkt Verdeutlichung der konstitutiven Merkmale poetischer Texte durch Vergleich mit anderen; Mündigkeit im Umgang mit poetischen und alltäglichen Texten; selbständiges Lernen, Emanzipation Ausweitung des Problembewusstseins, Thematisierung der Beziehung zwischen Literatur und Gesellschaft; Ausweitung des Literaturbegriffs
Gleichmacherei Chancengleichheit Beseitigung sozialer Ungleichheiten durch „Kompensatorische Erziehung“, Anknüpfen an die von den Schülern gegebenen Voraussetzungen anstatt Anhebung
Þ keine wissenschaftliche, sondern politische Diskussion (d.h. Argumente der Gegner werden verzerrt dargestellt, damit sie leichter zu entkräften sind)
Ø zu Kritikpunkt I (Abschaffung der Hochsprache):
Argumente der Gegner für die Hochsprache:
- Abbau der Hochsprache schürt das Klassenbewusstsein, unterschiedliche soziale Schichten werden erst recht sichtbar
- Hochsprache ist Wissenschaftssprache
- Hochsprache ist restringiertem Code überlegen
Forderungen der Gegner:
Die Gegner wollten weiterhin die kompensatorische Sprachförderung, die es wenigen unterprivilegierten Schülern erlaubt, den Aufstieg zu schaffen; dafür müssen diese sich aber weiterhin ihrem Herkunftsmilieu entfremden, sich die Hochsprache aneignen und damit verbunden die Werte und Normen der privilegierten Schicht.
Þ mit diesem Punkt wird der zentrale Konflikt einer Privilegiengesellschaft angesprochen, in der die einen das sagen haben, die anderen sich „sprachlos“ und ohnmächtig fügen.
Ø zu Kritikpunkt III (Abschaffung der Rechtschreibung):
Argumente der Gegner für die Beibehaltung der alten Rechtschreibregeln:
- Kinder brauchen die Rechtschreibung für den sozialen Aufstieg
Selektion durch Rechtschreibung verdeutlicht den „asozialen, machtgeschützten Kern des Bildungswesens“: die Kinder mit den ungünstigsten Lernvoraussetzungen bekommen die kürzeste Zeit zum Lernen zugestanden.
Þ in dieser neuen, radikalen Forderung spiegelt sich vor allem der emanzipatorische Charakter der Hessischen Rahmenrichtlinien Deutsch
5. Gründe für das Scheitern der HRRD
· Hessische SPD-Regierung war am raschen Erfolg bei der Behebung der Defizite im Ausbildungswesen interessiert
· Es ging primär um eine Modernisierung des Fächerkanons (Konflikt: Kultusministerium Kommission)
· Planung der Kommission war langfristig konzipiert und ließ Ergebnisse in absehbarer Zeit nicht erwarten
· Äußerst knappe Ausstattung des Projekts mit Sach- und Personalmitteln
· Schwerfällige Organisationsstrukturen und Größe der Kommission
· Schwierige Innenbedingungen der Kommission (z.B. wissenschaftliche u. politische Differenzen, Kommunikationsschwierigkeiten)
6. Folgen / Auswirkungen bis heute
· Unterschiedliche Schul- und Ausbildungssysteme in den einzelnen Bundesländern
· Flächendeckende Förderstufe in Hessen
· Niveau der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium hat nachgelassen
· Einrichtung von Schulzentren, damit alle Kinder auf demselben Gelände unterrichtet werden können und nicht schon durch den Schulweg stigmatisiert werden
· Unterschiede in der Lehrerausbildung, z.B. Ausbildung schulartbezogen in Baden-Württemberg ansonsten schulstufenbezogen
· Unterschiedliche Bezahlungsstufen von Lehrern
· Veränderung in den Schulformen aller Bundesländer
Mögliche Impulse auf die LB-Konzeptionen
· Veränderung in den Schulformen aller Bundesländer
· Texte in Mundart
· Alle Textsorten vertreten
· Verschiedene Medien werden genutzt
· Texte in „gemäßigter Kleinschreibung
· Keine konkreten Arbeitsaufträge
· Nicht nach Textsorten geordnet
· Texte nah an der Lebenswelt der Schüler
· Mehr Kreativitäts- und Fantasieförderung (evtl. handlungs- und produktionsorientiert)
· Bedeutung der Textinhalte nimmt zu
Zusammenfassung
· Anlass: drohende Bildungskatastrophe in Deutschland
· Uneinigkeit zwischen den politischen Kräften bezüglich der Lösungsmöglichkeiten
· Politische und fachdidaktische Diskussion bündelt sich in der Auseinandersetzung um die HRRD
· HRRD: lernzielorientiert, schulstufenbezogen, freiwillige Erprobung
· Oberste Ziele: Chancengleichheit, Kommunikationsfähigkeit, Emanzipation
· Polemische, z.T. unsachliche bildungspolitische Kontroverse
· Folge: keine Umsetzung in der ursprünglichen Form
· Längerfristige Auswirkungen der politischen und fachdidaktischen Strömungen dieser Zeit
Literaturverzeichnis
· Gutheil, Hans Georg (1972): Literarisches Arbeitsbuch oder gesellschaftliche Institution? Aspekte zur Diskussion um das deutsche Lesebuch. In: Braun, Peter (Hg.): Neue Lesebücher – Analyse und Kritik. Düsseldorf, S. 162-171
· Helmers, Hermann (Hg.) (1969): Die Diskussion um das deutsche Lesebuch. Darmstadt
· Helmers, Hermann (1970): Geschichte des deutschen Lesebuchs in Grundzügen. Stuutgart, S. 229-251
· Hessische Rahmenrichtlinien Deutsch (1974). Analyse und Dokumentation eines bildungspolitischen Konflikts. Hg. von Hannelore Christ. Düsseldorf: Bertelsmann
· Kreft, Jürgen und Ott, Günther (1972): Lesebuch und Fachcurriculum. Zwei Studien. Düsseldorf: Schwann, 2. Aufl., S.76 f.
· Procher, Otmar und Servatius, Gerd (1974): Rahmenrichtlinien Deutsch und Schulpraxis. In: Dithmar, Reinhard; Kochan, Barbara; Kochan, Detlef C. (Hg.): Die Hessischen Rahmenrichtlinien für das Fach Deutsch in der wissenschaftlichen Diskussion. Zur Systematik des Sprach- und Literaturunterrichts. Scriptor Verlag GmbH Kronberg Ts., S.138-140
· Lenzen, Dieter (Hg.) (1995): Pädagogische Grundbegriffe Band 2. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, S.972-973
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