Dreiste Übertreibung??
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Daher kann ich mir vorstellen, daß die heiße Nadel eine ebenso dreiste Übertreibung ist wie die Redeweisen
„Er fährt einen heißen Reifen.“
„Die Telefondrähte glühen.“
„Er ist ein glühender Verehrer von Mozart.“
„Ich sitze auf Kohlen.“
„Wir machen ihm Feuer unterm Hintern.“
und so weiter, Feuer und Hitze sind nun mal eine in die Alltagswirklichkeit hineinragende Ausnahmewirkung, die zu Sprachbildern einlädt. Hat das irgendwelche unannehmbaren Nachteile?
Hallo Herr Lindenthal!
Ich glaube hier liegt ein Mißverständnis vor.
Bei den von Ihnen erwähnten Beispielen handelt es sich nämlich um keine „dreisten Übertreibungen“, sondern um teilweise ganz unterschiedliche Ursprünge:
1.) „Er fährt einen heißen Reifen.“ beruht ebenso wie „Die Telefondrähte glühen.“ auf der einfachen Beobachtung, daß Reifen und Drähte bei Überlastung sich erhitzen. Bei anderen ähnlichen Vergleichen wird das auch ganz analog auf andere Gegenstände übertragen, selbst wenn sie sich physikalisch nicht so verhalten.
2.) „Er ist ein glühender Verehrer von Mozart.“ genauso wie „Er hegte eine warme Sympatie für das Mädchen.“ Alles was mit Liebe, Zuneigung und Freundschaft, allgemein jeder engeren positiven emotionalen Beziehung zu tun hat, wurde schon immer mit „Wärme“ assoziiert. Steigern sich diese Empfindungen oder will man sie besonders hervorheben, dann wird's halt noch heißer.
3.) „Ich sitze auf Kohlen.“ oder „Ich sitze wie auf glühenden Kohlen.“ Feuer war früher (zum Glück ist das wenigsten hierzulande vorbei!) ein beliebtes Foltermittel, um aus jemandem jedes Geständnis herauszupressen, das man nur hören wollte oder seine Wahrhaftigkeit zu prüfen. Man dachte, wenn er ein ehrlicher Mensch sei, beschütze ihn Gott und dann täte ihm auch jegliche Folter, wie z.B. solche Verbrennungen nicht weh. Schrie er aber vor Schmerz, so war er reif für den Scheiterhaufen. Aus dieser Situation ist der heutige Sinn der Redensart zu verstehen: „Jetzt muß schnellstens etwas geschehen“ (z.B. daß sich doch noch ein Entlastungszeuge findet), „Ich habe jetzt keine Zeit oder keine Möglichkeit mich um solche Banalitäten zu kümmern!“
4.) „Wir machen ihm Feuer unterm Hintern.“: Hier wurde nur die Beobachtung eines einfachen Fluchtverhaltens in andere Situationen übertragen, bei denen es darum geht, jemandem „Beine zu machen“. Ich hoffe, für letzteren Vergleich muß ich hier den Ursprung nicht auch noch erklären.
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Bernhard Schühly
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