Nachtwächter Wowereit & Co.
Der Gerechte Zorn
Gunnar Schupelius fragt, warum Lernmethoden über Bord geworfen werden, die jahrhundertelang erfolgreich waren?
Klaus Wowereit, der Berlin seit knapp zehn Jahren als Bürgermeister regiert, schreibt in seinem neuen Buch „Mut zur Integration“: Ein „verpflichtendes Vorschuljahr“ sollte an Berlins Schulen „in Erwägung gezogen werden“.
Darüber kann man reden!
Wowereit vergaß aber, dazuzuschreiben, dass es dieses verpflichtende Vorschuljahr in Berlin bereits einmal gegeben hat.
Und er vergaß zu schreiben, dass dieses verpflichtende Vorschuljahr vom Berliner Senat unter der Führung Wowereits vor sechs Jahren abgeschafft wurde.
Wowereit verhält sich wie ein Nachtwächter, der erst alle Laternen ausstellt, um dann festzustellen, dass es auf der Straße zu dunkel ist.
Die Schulen sind aber ein zu wichtiger Ort, als dass man mit ihnen so nachlässig und beliebig umspringen dürfte.
Warum wurde denn die Vorschule abgeschafft?
Weil der Schulsenator behauptete, die vorschulische Bildung könnte in den Kindergarten verlegt werden.
Der Schulsenator behauptete auch, alle Kinder müssten schon im Alter von fünf Jahren eingeschult werden, dann aber die ersten Jahre in altersgemischten Gruppen lernen.
Dieses System nennt der Schulsenator „Jahrgangsübergreifendes Lernen“ (JüL). Erst verordnete er es den Schulen gegen ihren Willen, dann schaffte er den Zwang einfach wieder ab. Nun glaubte der Schulsenator eben nicht mehr an JüL.
Und der Bürgermeister glaubt also nicht mehr an ein Leben ohne Vorschule.
Und so geht es in Berlin: Mal wird den Schulen was verordnet, mal wird es wieder abgeschafft, immer nach Gutdünken.
Die Kinder müssen es ertragen. Wie überstehen sie die ständigen Reformen?
Schlecht, würde ich sagen. Das zeigt sich an der LDS-Methode, die auch mal so eingeführt wurde.
LDS heißt abgekürzt: „Lesen durch Schreiben“ und bedeutet, dass Erstklässler so schreiben sollen, wie sie die Worte hören.
Sie schreiben also Täuvel statt Teufel, Toa statt Tor, fabotn statt verboten usw.
Der Lehrer sagt dann ein oder zwei Jahre lang zum Kind: „Wunderbar, das hast du schön gemacht.“
Nach den ein oder zwei Jahren sagt er das aber nicht mehr, sondern gibt dem Kind für Toa und Täuvel schlechte Noten.
Nun nämlich soll das Kind plötzlich alles richtig schreiben.
Behauptet wurde, dass Kinder, die zunächst nach dem Hören schreiben, später die richtige Rechtschreibung besser lernen.
Dieser Effekt trat nicht ein, im Gegenteil: Bereits 2005 wies die „Marburger Studie“ nach, dass von Kindern, die mit LDS schreiben lernten, nach einem Jahr 16 Prozent erhebliche Probleme mit der Rechtschreibung hatten, nach zwei sogar 23 Prozent.
Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam und wahrscheinlich dauert es noch ein paar Jahre, aber dann wird der ganze LDS-Unsinn auch wieder abgeschafft. Darauf schwöre ich!
Wer fragt dann nach all den Kindern, die nicht schreiben können und es nie mehr lernen werden?
In Hamburg hat der Senat soeben eine andere neue Idee umgesetzt. Dort müssen Grundschüler keine Schreibschrift mehr lernen. Wozu soll das gut sein? Die Schrift sei der Spiegel der Persönlichkeit, hieß es früher. Gilt das nicht mehr?
Warum werden Lernmethoden über Bord geworfen, die jahrhundertelang erfolgreich waren? Verantwortungslos ist das, ganz verantwortungslos.
bz-berlin 26.10.2011
Hier etwas zu Wowereit und Zöllner.
PS. Google News zeigt nie alles an. Dieser Artikel wurde erst angezeigt, wenn man zu „Rechtschreibung“ noch „Wowereit“ und/oder „Nachtwächter“ eingegeben hatte!
>>> Nachtrag B.Z v. 27.10.2011
Gunnar Schupelius: So verzweifelt sind Eltern, deren Kinder keine Rechtschreibung mehr lernen.
Per Telefon und Mail berichteten mir am Donnerstag Berliner Eltern, wie ihre Kinder in der Grundschule einfach nicht mehr richtig schreiben lernen.
[…]
Erziehungswissenschaftler behaupten, dass Kinder, die erst nach dem Hören schreiben lernen, später besser schreiben können.
Viele Eltern machen aber die Erfahrung, dass diese LdS-Wissenschaftler irren.
„Meine Tochter, 11 Jahre alt, hatte diesen LdS-Quatsch die ersten beiden Schuljahre“, berichtet mir ein Leser. „Nach dem zweiten Schuljahr bekam sie eine neue Lehrerin. Auf dem ersten Elternabend teilt diese mit, dass ein Arbeiten im Deutschunterricht nicht möglich sei, die Kinder hätten allesamt zu viele Defizite in der Rechtschreibung.“ Der Leser berichtet dann, die Tochter würde auch heute in der 6. Klasse immer noch nach dem Hören zu schreiben versuchen.
Ganz ähnlich berichtet eine Leserin von ihrem zehnjährigen Jungen, der mit der LdS-Methode seine Schullaufbahn in Berlin begann. Sie schreibt: „Mein Sohn (mittlerweile 4. Klasse), hat bis heute massive Probleme mit der Rechtschreibung. In einen kurzen Text mit insgesamt 50 Wörtern schafft er es, locker 36 Fehler reinzuhauen (Zeichensetzung wurde hierfür nicht mal berücksichtigt).“
Und weiter schreibt sie: „Die Lehrerin ist erschüttert, ich habe das Vertrauen verloren und mein Sohn ist inzwischen völlig demotiviert.“
Im „Rahmenlehrplan Deutsch“ des Berliner Schulsenators ist übrigens nicht vorgesehen, dass die Lehrerinnen „erschüttert“ sind oder auf dem Elternabend bekannt geben, ein sinnvoller Deutschunterricht sei nicht möglich.
Dort heißt es: „Beim Schreiben wird die lautorientierte und noch nicht normgerechte Schreibweise entsprechend dem Lernstand der Schülerinnen und Schüler akzeptiert.“
Diese Behauptung ist ganz offensichtlich falsch. Denn Kinder, die nach der zweiten Klasse ihr Kauderwelsch nicht ablegen und nicht richtig schreiben, werden eben nicht akzeptiert, sondern stattdessen einfach aufgegeben.
Ist doch klar: Wer in der 6. Klasse immer noch Täuvel statt Teufel, Toa statt Tor und fabotn statt verboten schreibt, dem zeigt man natürlich den Vogel.
Und dann kümmert es keinen Lehrer mehr, dass das Kind im ersten und zweiten Schuljahr ja doch ermuntert wurde, einfach alles falsch zu schreiben.
„Man möchte mit einem heiligen Donnerwetter dazwischen fahren, wenn unsere Politiker sich einen solchen Schwachsinn am grünen Tisch ausdenken“, schreibt mir eine Leserin, die als Lesepatin des VBKI (Verein der Kaufleute und Industriellen) an Berliner Schulen ehrenamtlich hilft. Sie berichtet von Kindern, die in der 3. Klasse weder schreiben noch lesen noch bis 100 zählen können.
Jetzt würde ich den Schulsenator gerne fragen, was er den verzweifelten Eltern zu sagen hat.
Aber der Senator reitet in diesen Tagen vom Hof und in den seligen Ruhestand, nachdem er Eltern, Lehrer und Schüler jahrelang mit irgendwelchen „Reformen“ verrückt gemacht hat.
bz-berlin 27.10.2011
|