Qualität
Früher haben es wenigstens die Schriftsetzer gewußt: Das Abtrennen eines einzelnen Buchstabens, auch wenn von der Silbenzusammensetzung eines Wortes her möglicherweise nicht falsch, ist ein unprofessioneller Unfug. Silbentrennung ist nicht dafür da, um zu zeigen, aus welchen Silben sich ein Wort zusammensetzt, sondern sie soll die Lesbarkeit unterstützen. Dies sollte vielleicht auch in einem Wörterbuch dargestellt werden. Ob eine Unterscheidung von Zeichen, die die Einzelsilben darstellen, und solchen, die die Trennmöglichkeiten zeigen, dem Benutzer vermittelbar sind, scheint mir zweifelhaft (s. PISA, es muß alles ganz narrensicher sein).
Das Seltsame ist doch, daß die neuen Möglichkeiten geradezu als Pflichten aufgegriffen werden, (Bluta-dern, SZ). Ein professionelles Satzprogramm müßte solche Trennungen ausschließen, aber die neuen Satzprogramme sind offenbar alle daraufhin überarbeitet worden, diese eindeutigen Verschlechterungen des Lesekomforts überhaupt erst zu ermöglichen. Nach meiner Schätzung ist die Erarbeitung eines Schreib- oder Satzprogramms nach den neuen Regeln wesentlich aufwÄndiger, als dies vor der Reform der Fall war, da es nun viel mehr Einzelfälle gibt, die das »Ausnahmelexikon« enorm anwachsen lassen und gar nicht alle erfaßt werden können. Hätte man z.B. die Trennvorgaben in den Programmen gar nicht geändert, hätte nichts falsch werden können, denn man muß ja nicht Harvardu-niversität oder Bluta-der trennen. Diese dummen Sachen scheinen aber als Signal für »Aktualität« herhalten zu müssen. Für solche Bekenntnisse schmückt man sich gerne mit Dummheit und auch mit Häßlichkeit. Ich denke da immer wieder an die drolligen Schuhe mit Plateausohlen, die man früher bei Leuten mit irgendwelchen orthopädischen Problemen sah, und keiner freiwillig je hätte tragen wollen, die jetzt aber ansonsten recht hübsche Mädchen sich an die Füße schnallen, wodurch ihr sonst sicherlich recht anmutige Gang zu einem Holpern, Hinken und Staksen wird. Aber dann ist es halt beschlossene Sache, dies sei geil. Man kann auch Fischschwänze essen oder mexikanisches Pißbier trinken, wenn ein solcher Beschluß gesellschaftlicher Konsens geworden ist. Die Verzichtbereitschaft auf Lebensqualität und vernünftiges Daherkommen ist in solchen Sachen erstaunlich groß.
»Harvardu« scheint auch so ein spezielles Signal zu sein, daß man sich mit bedingungsloser Akzeptanz des Neuen schmücken will. Wie wäre es denn mit Goetheu-niversität? Alles denkbar. Wobei man sich fragen könnte, weshalb bei der neuerlichen Begeisterung für Wortkoppelungen selbst einfachster Begriffe (Kultur-Trächtiges, Fernseh-Rate-Sendungen usw., SZ) nun auf einmal Wortungetüme durch Zusammenschreibungen geschaffen werden, wie sie vorher nie einer von sich aus geschrieben hätte. In solchen Fällen hat eigentlich jeder vernünftige Mensch die Wortteile mit einem Bindestrich gekoppelt. Goetheinstitut? Völlig unüblich.
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Walter Lachenmann
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