Kommt drauf an
Handelt es sich um ein Kinder- oder Jugendbuch? Kinder- und Jugendbücher, die nicht ausdrücklich den neuen Rechtschreibregeln folgen, gelten meines Wissens in der Branche als unverkäuflich (was beispielsweise bei einem Verlag wie Hanser dazu geführt hat, daß Kinderliteratur konsequent in neuer Rechtschreibung herausgegeben wird, Erwachsenenliteratur ebenso konsequent in herkömmlicher). Die Buchbranche glaubt allgemein zu wissen, daß unter den Käufern von Kinder- und Jugendliteratur (also denjenigen Erwachsenen, die Kindern und Jugendlichen Bücher schenken) die Meinung vorherrscht, daß alte Rechtschreibung den Kindern schadet (in dem Sinne, daß sie es den Kindern schwerer macht, in der Schule die neue zu lernen).
Was die Erwachsenenliteratur angeht, so hatte ich gerade erst wieder einen bei Rowohlt 1999 (gebundene Ausgabe) bzw. 2001 (Taschenbuchausgabe) erschienenen Roman in herkömmlicher Rechtschreibung in der Hand: Thomas Pynchon, Mason und Dixon. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die herkömmliche Rechtschreibung nur ausnahmsweise auf ausdrücklichen Wunsch des Autors oder gar des Übersetzers gewählt wurde. Und falls es sich der Verlag, was die Rechtschreibung angeht, zwischen 1999 und 2001 anders überlegt haben sollte, so war ihm die Sache doch zumindest nicht so wichtig, daß er gelegentlich der Taschenbuchausgabe die Übersetzung auf neue Rechtschreibung umgestellt hätte.
Und schließlich studiere ich gerade die Rechtschreibung im neuesten Kursbuch, das ebenfalls 2001 bei Rowohlt (Rowohlt Berlin) erschienen ist. Hier nun wiederum wurde konsequent zwar die neue ß/ss-Regelung umgesetzt und ebenso konsequent die vermehrte Großschreibung (und beides sogar in nachträglicher Bearbeitung eines Aufsatzes von Robert Musil aus dem Jahr 1937), andererseits die vermehrte Getrenntschreibung aber nur sehr eingeschränkt (einerseits dabei sein, verloren gegangen, ebenso wenig, andererseits leerstehend, wohldurchdacht, heißumstritten und sogar durchgängig! sogenannt). Was die Herausgeber (Ingrid Karsunke und Tilmann Spengler) nun genau dazu bewogen hat, versuche ich noch herauszubekommen.
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Jörg Metes
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