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Jörg Metes
09.09.2002 12.20
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(Ein Artikel aus aus der 'Frankfurter Rundschau' vom 22.6.02, nicht über die Rechtschreibreform, aber über das Geschäft mit den Büchern. Der in diesem Artikel noch angesprochene Verkauf der Wissenschaftsverlagsgruppe Springer durch Bertelsmann ist inzwischen offenbar nicht mehr geplant. Die Wissenschaftsverlagsgruppe Springer ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem Axel Springer Verlag, der sich den neuesten Gerüchten zufolge jetzt von den Axel Springer Buchverlagen (u.a. Ullstein, Econ, List und Claassen) trennen möchte. Verkauft werden sollen sie alle an Bertelsmann, bis auf – wie es heißt, weil das Bundeskartellamt das nicht gestatten würde – den Heyne Verlag, der angeblich an die schwedische Bonnier-Gruppe geht. Zu Bonnier gehören u.a. bereits die Verlage Piper und Malik.)

»Mehr Medien lassen weniger Zeit für das Buch.
Die aktuelle Krise von Buchhandel und Verlagen ist die Kehrseite der Medienexpansion.
von Rüdiger Wischenbart

Fakt ist, dass im Augenblick große Ratlosigkeit regiert. Der Markt für Bücher schrumpft, und alle optimistischen Hoffnungen auf Erweiterungen des Marktes durch e-Books oder andere technische Neuerungen haben bislang wenig eingebracht. So steht am Ende die ernüchternde Einsicht, dass das Geschäft mit Büchern einen kaum expansionsfähigen Markt abgibt.
Noch vor zwei, drei Jahren galt es als ausgemacht, dass die Zukunft in großen, allumfassenden Medienkonglomeraten liege. Als Thomas Middelhoff 1998 die Führung bei Bertelsmann übernahm, erläuterte er programmatisch seine Leitvorstellungen in einem Spiegel-Gespräch: „Ein positives Beispiel: Unsere Musikfirma BMG hat die Oper ,Turandot' in der Verbotenen Stadt in Peking aufgeführt. Daraus wurde dann eine CD gemacht, die Fernsehtochter CLT-Ufa produzierte einen Film, unsere Illustrierte ,Stern' schreibt einen Artikel dazu. Und jetzt können wir die CD noch über unsere Clubs und über das Internet vertreiben.“
Als vor wenigen Monaten Arnold Kiel, dem der Ruf des Finanzers vorauseilt, zum neuen Deutschland-Chef des Buchbereichs von Bertelsmann-Random House bestellt wurde, wurde er nicht müde zu betonen, wie sehr er sich als Garant der Eigenständigkeit der einzelnen Konzernverlage verstehe. Kurz zuvor hatte Random House zum Paukenschlag angesetzt und die Abwicklung der eben erst zugekauften Ratgeber-Verlage Falken und Mosaik beschlossen – wo sich doch gerade die bunte Ratgeberei in ihrer Kombination aus Texthappen, Bildern und passenden Filmchen ideal zur stückweisen Verwertung als „Content“ für alle Medienkanäle und -formate eignete. Doch Bertelsmann entschied jüngst, man wolle sich in Zukunft wieder ganz auf Bücher in „schwarz-weiß" konzentrieren.
Bertelsmann als Ganzes ist wohl nicht in der Krise. Doch etliche der Konkurrenten, insbesondere am deutschen Markt, agieren in rauen Gewässern. Der Holtzbrinck Konzern etwa – mit traditionsreichen Verlagen wie S. Fischer und Rowohlt, und am Zeitungsmarkt mit der Handelsblatt-Gruppe – reformiert seine Verlage mit erheblichem Einsatz von Beratungsfirmen seit mehreren Jahren, und immer wieder flackern Gerüchte auf, die Konzernholding spiele mit dem Gedanken, den ganzen Buchbereich einfach zu verkaufen. Ist denn das Erbe von Ledig Rowohlt und Samuel Fischer mit einem Mal nichts mehr wert?
Ganz ähnliche, jedoch viel akutere Diskussionen werden neuerdings dem 2001 deutlich in die roten Zahlen geschlitterten Axel Springer Verlag nachgesagt. Die Springer-Buchverlage kündigen kräftige Einschnitte bei der Titelproduktion an. Doch vom Konzern hört man, er spekuliere – mutig expansiv – auf Teile der in Insolvenz gegangenen Kirchgruppe, was den bisherigen Print-Konzern weit über seine bisherige Kernkompetenz hinaus in den Film- und TV-Markt katapultieren würde. Damit wäre der Glaubenssatz bei Springer, ganz im Gegensatz zu Bertelsmann, nicht Rückkehr zum Kern der Kompetenz, sondern multimediale Expansion!
Das alles aber sind nur die herausragenden Zacken der aktuellen Fieberkurve. Darunter liegen viele kleinere Bewegungen. Die großen Buchhandelsketten drohten unlängst, Verlage zu strafen, die angesichts zusehends blanker Nerven und Bilanzen die herkömmlichen Regeln im Zusammenspiel der Branche verletzen. So hatte der – selbst notleidende – Bertelsmann Club den vorhersehbaren Renner „Die Farm“ von John Grisham vorab vom deutschen Lizenznehmer Springer als exklusives Schnäppchen für seine Club-Läden gekauft. Das Vor-Verkaufsrecht hat wohl mehr Verwirrung als Marktvorteil gestiftet, und gleichzeitig erstmalig einen Boykottaufruf der größten Kettenbuchläden nach sich gezogen – doch hielt sich offenbar kaum jemand an das Reinheitsgebot.
Was man jedoch sieht, ist, wie sehr die Nervosität steigt und gleichzeitig die Profitabilität sinkt.
Angesichts von steten Meldungen über Konkurse kleiner bis mittelständischer Buchhandlungen ergibt sich zunehmend eine wirtschaftliche Zwickmühle für mittelgroße Verlage, die mit teuren Bestsellern gegen die Konzerne halten müssen, während gleichzeitig die Basis wegklappt – die flächendeckende Buchhändlerschaft, aber auch aufgrund sich wandelnder kultureller Gewohnheiten, ein Teil der Leser- und der Käuferschaft.
Trotz Bertelsmann, Holtzbrinck und Springer, und ungeachtet der großen Ketten im Buchhandel wie Hugendubel und Thalia, spielt die Konzentration auf wenige Große in Deutschland derzeit noch kaum eine prägende Rolle. In Frankreich, dem anderen Extrem, beherrschen die beiden Vorreiter – Vivendi Publishing (vormals Havas) und Hachette – rund zwei Drittel des Marktes. In Deutschland liegt der Marktanteil der zehn größten Verlage gerade einmal bei einem Drittel.
Jedoch, innerhalb weniger Jahre nur – sagen neue Studien voraus – könnte der Anteil der zehn Topverlage auf bis zu 80 Prozent anwachsen. Wenn aber die Großen einmal vier Fünftel der Landschaft bestimmen, gibt es nur noch für wenige andere genügend Licht.
Die meisten Verlierer, so schien es bis vor kurzem ausgemacht, spielen im Mittelfeld. Tatsächlich meldet Aufbau Verluste. Und als der nüchterne Reinhard Neven Dumont, um sein Erbe zu sichern, vor gut einem Jahr an Holtzbrinck verkaufte, und dann auch noch Heyne an den Springer Konzern ging, schien die Zeit der konzernunabhängigen Häuser gezählt.
Nun aber gibt es recht unverhofft gute Nachrichten. Suhrkamp meldet die Übernahme der Geschäftspolitik durch eine Stiftung, in der in Hinkunft die intellektuellen Schutzheiligen des Hauses fürsorglich beitragen sollen, die Interessen des Hauses und seine Eigenständigkeit zu bewahren. Aber auch C. Hanser fährt einen ruhigen, selbstbewussten Kurs. Selbst Bertelsmann lobt, wie man mit einigem Erstaunen festgestellt hat, wieder den einzelnen Verleger und sein Genie.
Wird also doch alles am Ende wieder gut? Wohl kaum. Denn je engmaschiger das Netz zwischen wenigen den Markt beherrschenden Anbietern gewoben ist, desto schwieriger wird es für kleinere Mitbewerber oder gar für neue – auch für innovative – Impulsgeber, einen Platz dauerhaft zu sichern.
Fakt ist, dass im Augenblick große Ratlosigkeit regiert. Der Markt für Bücher schrumpft, und alle optimistischen Hoffnungen auf Erweiterungen des Marktes durch e-Books oder andere technische Neuerungen haben bislang wenig eingebracht. So steht am Ende die ernüchternde Einsicht, dass das Geschäft mit Büchern einen kaum expansionsfähigen Markt abgibt.
Gerade weil der Handel mit Medien und Informationen aller Art in jüngster Zeit so explosionsartig gewachsen ist, wuchs für die einzelnen alten Medien wie das Buch der Konkurrenzdruck erheblich an. Die Zeit, die Menschen für die Nutzung von Medieninhalten aufwenden, wächst, aber in der Konkurrenz zu den vielen Auswahlmöglichkeiten schrumpft die Zeit, die für Bücher übrig bleibt. Unter solchen Bedingungen aber können unabhängige Verlage möglicherweise oft effektiver agieren, als mancher Große. Sie können nicht nur rascher reagieren, sondern haben weder Konzernkosten zu tragen noch andere Strategien zu befolgen als ihre unmittelbaren.
Man sieht es an den abrupten und mit erheblichen verlorenen Kosten und mit Schaden an der verlegerischen Kultur verbundenen Kehrwendungen der Konzernverlage der letzten Jahre, wie schwierig es ist, die neuen Kolosse zu steuern. Schließungen wie jene der Ratgebersparte bei Bertelsmann sind nur der spektakuläre Extremfall. Ein anderes Beispiel bietet der Wissenschaftsverlag Springer, den Bertelsmann ebenfalls erst vor wenigen Jahren erworben und eingegliedert hat und nun wieder veräußert.
Der legendäre New Yorker Buchmacher Jason Epstein legte vor zwei Jahren schon einen ganz ähnlichen Befund vor, verband dies aber gar nicht mit einem ausschließlich kulturpessimistischen Grundton. Er rief in Erinnerung, dass die Verlegerei seit je her ein „Cottage“-Industrie, ein kleinteilig organisiertes Gewerbe sei, kaum tauglich für große Konzerne. Damals wurde Epsteins Zuversicht gerne belächelt. Es mag sich nun erweisen, dass er sein Gewerbe doch sehr genau verstand.«
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Jörg Metes

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