Re: Nimm und lies!
Zitat: Ursprünglich eingetragen von margel
Es geht nur um den Verlust, das Vergessen der ursprünglichen (übertragenen) Bedeutung. Daß die veränderte, wenn man will: entstellte oder gar sinnlos gewordene, Redensart weiterhin im alten Sinne gebraucht wird, ist gerade das Interessante. Da ich grundsätzlich keine Lehrbuchweisheiten als eigene an dieser Stelle wiedergebe, muß ich auf die einschlägigen Werke verweisen, z.B. den „Küpper“. Vielleicht hat der Sprachwissenschaftler noch Grundsätzlicheres und Tiefschürfenderes dazu zu sagen.
Das hat es eigenlich schon immer gegeben und da kann (und sollte) man meiner Ansicht auch nichts machen. Wenn Redensarten entstehen, geschieht das durch eine möglichst direkte Projektion der zu kommentierenden Situation, dem Vorgang, dem Objekt etc. in das Alltagsleben der Menschen.
Wer deren Kultur und ihre Bräuche kennt, versteht auch sofort, was gemeint ist. Hat sich die Übertragung aber einmal als Redensart etabliert, kann sie sich auch selbständig machen, man versteht sie auch ohne ihren Ursprung zu kennen und sie überdauert so auch die Zeit und die Kultur, in der sie entstanden ist. Genauso wie bei Wörtern, spielt dann auch die ursprüngliche Herkunft in Sprachgebrauch und -verständnis keine Rolle mehr.
Oder haben Sie mal einen Reporter gefragt, wenn er kommentierte: „Dem Schumi kann keiner das Wasser reichen!“, ob er auch wüßte, woher das käme??
Würden Sie ihm dann empfehlen, diese Redewendung lieber nicht mehr zu gebrauchen??
Es zeugt von Sprachgefühl und Sprachkenntnis, wenn man Sprichwörter, historische Zitate und Redensarten versteht oder besser: auch selber verwendet, selbst wenn man den ursprünglichen Hintergrund nicht weiß oder sie – im Verhältis zu diesem – etwas „verbogen“ sind.
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Bernhard Schühly
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