Astrid Schulz an Eltern im SHEV
Die Ethnien, die sich zu Hause bekriegt hatten, saßen nebeneinander, Toleranzlevel kaum vorhanden
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Berlin-Neukölln
Wie eine Schulleiterin gegen die Clan-Kriminalität kämpft
Bei einer Diskussion zur Kriminalität in Neukölln schildert Schulleiterin Astrid-Sabine Busse ihren täglichen Kampf um die Kinder der Clans.
11.10.2018, 05:57
Alexander Dinger
Schulleiterin Astrid-Sabine Busse ist für eine engere Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Jugendamt.
Die Schule in der Köllnischen Heide an der Hänselstraße in Neukölln liegt mitten in einem Brennpunkt. Die Sonnenallee ist nur wenige Meter entfernt. Auch die Al-Nur-Moschee liegt im Einzugsgebiet der Einrichtung. 96 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. 77 Prozent sind arabischstämmig. Viele Kinder kommen aus bekannten Großfamilien. „Wir haben Zweitklässler, die uns erklären können, wie man mit einem Bolzenschneider umgeht“, sagt Schulleiterin Astrid-Sabine Busse.
Busse, feuerrote Haare, resolutes Auftreten, hat 36 Jahre Erfahrung. Die Vorsitzende des Interessenverbandes Berliner Schulleitungen (IBS) ist seit 1982 Lehrerin und seit 1992 Schulleiterin. Wenn die Sprache auf kriminelle Clans in Neukölln kommt, wird die 60-Jährige ungehalten. „Das Thema beschäftigt mich seit vielen Jahren“, berichtet sie bei einer Diskussionsrunde der Neuköllner SPD am Dienstagabend, zu der auch Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD), SPD-Innenexperte Tom Schreiber, der Publizist Ralph Ghadban und der Ermittler Thomas Spaniel von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geladen sind. Die Diskussion findet in der Mensa der Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg statt – direkt neben der Wohnsiedlung Gropiusstadt.
Mensa ist bis auf den letzten Platz gefüllt
Dass das Thema die Neuköllner interessiert, zeigt sich an dem großen Zuspruch. Die Mensa ist mit 200 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllt. Im Publikum sitzen Lehrer, Sozialarbeiter, Polizisten, Staatsanwälte. Als Busse von ihrer Arbeit berichtet, ist es in dem Saal ruhig. Niemand tuschelt, alle hören zu. „Wir haben den Nachwuchs der großen Familien und der großen Namen“, berichtet Busse. Sie warne zwar davor, alle in einen Topf zu werfen, man dürfe aber nicht die Augen vor Problemen verschließen. Solche Probleme gebe es etwa, wenn sie das Gespräch mit namenhaften Großfamilien suche. „Man darf da nicht im Konjunktiv sprechen. Man muss sich Respekt erarbeiten“, sagt Busse.
Die Schulleiterin berichtet aber auch von wissbegierigen Viertklässlern, die auf sie zukommen und umarmt werden wollen, weil sie, obwohl die Familie groß ist, nicht die Zuneigung bekämen, die sie eigentlich in diesem Alter brauchen. Seit einiger Zeit beobachte sie auch die Zunahme einer „Pseudoreligiosität“. Mädchen, die im Hochsommer Kopftuch tragen, und Jungen, die ihr sagen, dass etwas „Haram“ sei, aber im gleichen Atemzug nicht wüssten, wofür das Opferfest stehe.
Busse wünscht sich eine engere Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Jugendamt, um bei Fehlentwicklungen frühzeitig gegensteuern zu können. Unterstützung bekommt Busse dabei von Bezirksbürgermeister Martin Hikel, der sich für eine bessere Vernetzung der Behörden im gesamten Bundesgebiet ausspricht und seit längerer Zeit etwa eine einheitliche Definition von Clankriminalität fordert. Neben einer besseren Vernetzung der Behörden ist für den ehemaligen Mathelehrer Hikel aber vor allem Bildung der Schlüssel, um Kindern aus bekannten Großfamilien ein Leben abseits der Kriminalität zu ermöglichen. „Wir müssen die legalen Wege attraktiv machen“, sagt Hikel.
Acht relevante arabische Clans mit mehreren Hundert Mitgliedern
Laut Martin Hikel gibt es in Neukölln acht relevante arabische Clans mit mehreren Hundert Mitgliedern, die für zahlreiche Straftaten verantwortlich gemacht werden. Hikel plädiert gegenüber diesen Familien für eine Null-Toleranz-Politik. Zu der würden etwa Schwerpunkteinsätze in Shisha-Bars, die Arbeit der Müllsheriffs, Wachschutz vor Schulen, die Arbeit der Staatsanwaltschaft vor Ort sowie eine Sonderkommission für Abrechnungsbetrug gehören. „Das klingt nach Nadelstichen. Die sind aber notwendig“, sagt Hikel. Man könne niemandem erklären, wenn junge Männer, die gerade erst den Führerschein gemacht haben, hinter dem Steuer von 120.000-Euro-Autos sitzen würden. „Der illegale Weg muss ein steiniger sein“, so Hikel.
Von steinigen Wegen kann allerdings auch Schulleiterin Busse berichten. Sie kennt die Väter, die eigentlich Sozialhilfe kassieren und sich nicht einmal das Geld für die Klassenfahrt ihrer Kinder leisten können, aber den Nachwuchs mit Luxusautos von der Schule abholen. Sie habe vor langer Zeit versucht, Kontakt mit dem Jobcenter aufzunehmen. Antwort erhielt sie nie.
Das ist eine Erfahrung, die Busse mit dem Publizisten und Islam-Experten Ghadban teilt, der das Thema seit den 70er-Jahren begleitet. Abgeschottete patriarchalische Strukturen treffen auf eine freiheitliche Gesellschaft. „Diese Parallelwelt wurde viel zu lange von der Politik ignoriert“, sagt Ghadban und bekommt dafür sehr viel Applaus.
https://www.morgenpost.de/bezirke/neukoelln/article215535181/Die-Unerschuetterliche.html
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Mehr Taten als im Vorjahr
Warum die Gewalt unter Schülern so deutlich zunimmt
Matthias Korfmann
11.10.2018 18:28 Uhr
Szenen, wie diese, sind an Schulen in NRW leider wieder Alltag. Die Zahl der Körperverletzungen nahm im vergangenen Jahr auf 6200 Fälle zu
Düsseldorf/Ruhrgebiet. Der Hass bahnt sich seinen Weg in die Schulen. Über 22.000 Gewaltdelikte wurden im vergangenen Jahr registriert. Eine Ursachenforschung:
Der Fall löste Bestürzung weit über Nordrhein-Westfalen hinaus aus: Im Januar 2018 sticht ein 15-jähriger Junge in einer Gesamtschule in Lünen einem 14-Jährigen ein Messer in den Hals. Das Opfer stirbt, der Täter begründet die Gewalttat damit, dass seine Mutter von dem Jungen „provozierend“ angeschaut worden sei. Solche Verbrechen sind sehr selten im schulischen Umfeld, im Jahr 2017 gab es hier in NRW zwei Tötungsdelike. Aber Gewalt insgesamt hat an Schulen wieder deutlich zugenommen. Grund genug für die Landesregierung, am Donnerstag Experten zu einem „Gipfel zu Gewalt an Schulen“ einzuladen.
Andreas Zick, Konfliktforscher an der Universität Bielefeld, ist einer dieser Experten. Der Professor geht den Ursachen der zunehmenden Schul-Gewalt auf den Grund. Die Datenbasis ist dünn, die Unlust mancher Rektoren, ihre Schule als Hort der Gewalt beschrieben zu sehen, groß. Zick hat aber eine Theorie, die etwas von den Schulen wegführt: „In einer aufgeheizten Gesellschaft darf man sich nicht wundern, dass es auch in den Schulen ruppiger zugeht“, sagte er gestern bei einem Pressetermin im Schulministerium.
Mehr Mobbing, mehr Nötigung, mehr Stigmatisierung
Auch ohne Datensatz sei zu spüren, dass in den vergangenen Jahren die Vorurteile gegenüber Migranten und Flüchtlingen zugenommen hätten. Auch in den Schulen. Mehr Mobbing, mehr Nötigung, mehr Stigmatisierung gebe es dort. In der Klasse, auf dem Schulhof, in den sozialen Medien. „Der Hass in der Gesellschaft, vor allem auf Minderheiten, bahnt sich seinen Weg in die Schulen“, warnt der Wissenschaftler.
Während Rechtspopulisten und Rechtsextreme oft direkt in den Schulen Anhänger suchten oder Opfer auswählten, wirkten Islamisten in der Regel eher vor den Schulen oder beschränkten sich darauf, ihre kruden und gefährlichen Botschaften im Internet zu verbreiten. Die Entwicklung ist aus der Sicht von Andreas Zick bedenklich, es gibt aber auch Hoffnung: Schulen, die das Thema Gewaltvorbeugung nicht scheuen, die Zivilcourage fördern, gute Sozialarbeiter beschäftigen und Opfer nicht im Stich lassen, hätten kaum Probleme.
Eigentlich waren die Schulen beim Thema Gewalt zuletzt auf einem guten Weg. Die Zahl der bekannt gewordenen Straftaten sank zwischen 2010 und 2016 immer weiter. Dann aber „knickte die Kurve leider wieder nach oben“, erklärte gestern Schul-Staatssekretär Mathias Richter. Die Gewaltdelikte an Schulen nahmen im vergangenen Jahr um fast 1100 Taten auf 22.900 zu. Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 5600 auf 6200, die der Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen von 40 aus 55 Fälle. Auch bei Raubdelikten ist ein Zuwachs zu verzeichnen.
Körperliche Gewalt gegen Lehrer
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW präsentierte das Thema Gewalt gegen Lehrer im Frühjahr 2018 nach einer großen Umfrage unter Schulleitern. Eines der wichtigsten Ergebnisse: Mehr als die Hälfte der Schulleitungen in NRW (55 Prozent) gaben an, dass es an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren Fälle von psychischer Gewalt gab, also Fälle, bei denen die Pädagogen beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. Jede dritte Schulleitung berichtete von körperlicher Gewalt gegen Lehrer.
https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/die-gewalt-unter-schuelern-nimmt-deutlich-zu-id215543019.html
Astrid Schulz-Evers
Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V.
Bürgermeister-Kinder-Str.9
24306 Plön am See
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