Keine Variantenführung
Aus meinem Kommentar zum vierten Bericht:
Das vor Jahrzehnten entwickelte Konzept der „gezielten Variantenführung“ wird einerseits aufgegeben. Die unterschiedlichen Kennzeichnungen im amtlichen Wörterverzeichnis waren in der Tat „schwer durchschaubar“, nämlich offenbar willkürlich. Ihr Status war zudem völlig unklar, denn sogar die Reformer selbst benutzten teilweise die „Nebenvariante“ (z. B. Orthografie). Andererseits soll die eingedeutschte Variante im Regelwerk künftig an erster Stelle angeführt werden – was jedoch die Wörterbuchredaktionen zu nichts verpflichtet. In der Reihenfolge schlägt sich der Wunsch der Kommission nieder, die Eindeutschung zu beschleunigen. In klarem Widerspruch dazu steht die Absicht, „den Prozess der Integration vorurteilsfrei zu beobachten, ihn also nicht vorzubestimmen“. Auch in der Zusammenfassung am Ende des Berichts wird der Widerspruch zwischen Beobachtung und Lenkungsanspruch nicht aufgelöst. Jedenfalls müssen die Wörterbücher das entsprechende Markierungs- und Verweissystem beseitigen. Im Österreichischen Wörterbuch (s. Anlage 2 zum vierten Bericht) werden die erheblichen Folgen dieser Maßnahme bereits sichtbar.
Im amtlichen Regelwerk ist nicht klar, ob Haupt- und Nebenvarianten nur bei Fremdwörtern vorgesehen sind (s. die Zeichenerklärung zum amtlichen Wörterverzeichnis; tatsächlich wird dieselbe Kennzeichnung auch auf heimische Wörter angewandt: „sodass, auch so dass“; vgl. noch Beete/Bete, Leibung/Laibung, Ständel[wurz]/Stendel[wurz] u. a.). Sogar die Schweizer Berater haben offenbar angenommen, die Variantenführung sei auch für heimische Wörter vorgesehen. Dem widerspricht nun die Kommission in ihrer Zusammenfassung:
„In der schweizerischen Stellungnahme heißt es: «Was den Einzelfall -fach betrifft, so wurde insbesondere von den Vertretern der Medien und der Verwaltung empfohlen, die Schreibung mit Bindestrich zur Hauptvariante zu machen.» Da es bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten gibt, sieht die Kommission in diesem Fall keinen Bedarf, ihren Vorschlag zu verändern.“
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Th. Ickler
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