*) In welchem Chor (Korps?) singen wir eigentlich mit?
Wo steht die DSW-Seite?
Ich erhielt von Herrn Frieling(haus, jetzt habe ich es gemerkt!), der Reformgegnern bekannt sein dürfte, eine Anfrage wegen meines Rundschreibens von vor einigen Tagen. Auch andere Reformgegner haben mir freundlicherweise zustimmend zurückgeschrieben.
Meine Antwort an ihn ist auch eine Antwort an alle andern, und eine Information und Aufforderung zur Aufmerksamkeit an alle, die sich mit der Reformproblematik befassen.
Lieber Herr Frieling(haus),
ich bin jetzt zwei Tage weg gewesen und habe deshalb die Ereignisse auf der DSW-Seite nicht zeitnah verfolgen können.
Ich habe auch keinen Ehrgeiz für Spurensicherung, zumal wenn Spuren unappetitlich sind, wie in dem Fall, um den es hier geht.
Jetzt rekapituliere ich, noch müde von der Reise, was der Anlaß für mein Rundschreiben war.
Auf der DSW-Seite stand als Leitartikel, nicht als Diskussionsbeitrag, also bewußt von der Redaktion eingestellt ein Aufsatz eines Autors, Malepart, mit dem Titel (aus dem Gedächtnis: Acht intellektuelle Gründe, keine Fremdsprache zu lernen). Das Motto war: Lerne keine Fremdsprache, sondern veranlasse deinen Partner dazu, daß er deine Sprache lernt. Dann wirst du ihm immer überlegen sein, andernfalls er dir. Weiter ging es mit Thesen wie: Wer Fremdsprachen lernt, will sich damit wichtig tun vor anderen, die einen Minderwertigkeitskomplex haben, weil sie die Sprache nicht können. Usw.
Kurzum: es lief darauf hinaus, daß das Erlernen einer Fremdsprache gleichzusetzen sei mit einer Unterwerfungsgeste gegenüber dem Anderen, dessen Muttersprache diese Fremdsprache ist. Es gab dann noch einige Relativierungen, etwa, es sei natürlich etwas anderes, wenn man in einem andern Lande aufwachse oder lebe oder leben müsse, oder wenn man Freude am Erlernen von Fremdsprachen habe (sic!!!) usw. Der Text ist dann im Verlauf der Ereignisse von der Titelseite genommen worden, sollte aber irgendwo noch zu finden sein, etwa unter Glosse oder so ähnlich.
Nun war mir schon vor einigen Monaten aufgefallen, daß man sich bei der DSW-Redaktion sehr unbeliebt machen kann, wenn man deren Kampf gegen die Anglizismen nicht so furchtbar ernstnimmt. So habe ich mich von Herrn Paulwitz belehren lassen dürfen, ich leide wohl an gehörigen Minderwertigkeitskomplexen, weil ich die englische Sprache der deutschen für überlegen hielte (nichts davon hatte ich geäußert) usw. kurzum, mir wurden die Leviten gelesen, ich sei ein mangelhafter Deutscher. Das Ganze war so blöd von dem Paulwitz, daß es mir leichtfiel, ihn in einem bzw. einigen Diskussionwortmeldungen so zu blamieren, daß es ihm wohl selbst peinlich wurde, und er den ganzen Diskussionsstrang kurzerhand löschte.
Jetzt also kam die Geschichte mit dem Malepart und seinen »intellektuellen« Gründen gegen das Erlernen von Fremdsprachen. Man hätte das ja noch als den »advocatus diaboli« betrachten können, aber das war es eindeutig nicht, so etwas merkt man. Ein echter »advocatus diaboli« baut einige Erkennungsmerkmale ein, und sei es die leichte satirische Überhöhung. Das war hier nicht vorhanden.
Um es nicht allzu ausführlich zu machen: ich begann eine Diskussion über diesen Beitrag des Malepart, in der ich ihn kritisierte, auch die Schriftleitung um Erklärung bat, weshalb dieser seltsame Beitrag als Leitartikel auf der DSW-Seite stand. Aus dieser Diskussion ergaben sich einige lebhafte Wortwechsel.
Die DSW-Schriftleitung löscht Beiträge, in denen sie kritisiert wird!
Diese Beiträge waren nach kürzester Zeit von der Regie gelöscht worden, denn ich hatte in klarer Sprache Kritik an deren undeutlicher Position zu diesen Fragen geübt.
Auch mit einem Herrn Niedetzky, den ich bis dahin nicht kannte, gab es einen Wortwechsel seine Erstmeldung steht noch da, meine Entgegnungen sind gelöscht!
Schließlich stellte Norbert Schäbler die Frage, die DSW-Schriftleitung möge doch einmal selbst zu diesen Themen Stellung nehmen. Die DSW-Schriftleitung nahm Stellung, wie Radio Eriwan. Nämlich wortreich gar keine.
Dann erschien ein wirklich widerwärtiger Eintrag eines Gastes, der sich Meier nannte, ohne Absender, in Englisch, der in unsäglich ordinären Worten zum weltweiten Boykott alles Jüdischen aufrief. Ich habe den nicht kopiert, kann ihn Ihnen nicht zeigen, er war auch nur zum Kotzen, man mag gar nicht glauben, daß Menschen so etwas überhaupt formulieren können. Dieser Text wurde 18.30 Uhr abends eingetragen und stand am nächsten Morgen, also nach über 12 Stunden, immer noch da (meine unliebsamen Beiträge waren innerhalb wesentlich kürzerer Zeit gelöscht worden). Ich hängte einige provozierende Antworten da dran es gab einige Verwirrung, weil ich ebenso wie der Verfasser der Schweinerei, ein Pseudonym verwendete (dies tue ich immer mal wieder, gehe aber regelmäßig sehr bald aus der Deckung und gebe mich zu erkennen) schließlich forderte ich die Schriftleitung dazu auf, zu erklären, weshalb sie diesen Schweinetext hat so lange stehen lassen, während sie meine kritischen Texte nicht nur unbeantwortet gelassen sondern in viel kürzerer Zeit einfach gelöscht hatte.
Dann mußte ich verreisen für zwei Tage.
Heute komme ich zurück: alle Texte, die dieses Thema behandeln, sind gelöscht. Kein Kommentar der DSW-Redaktion.
Mein Problem dabei: Nach meinem Eindruck steht hinter der DSW-Seite eine politische Instanz, und zwar braunster Einfärbung, die sich mit Hilfe der Thematik der Rechtschreibrefomdiskussion hoffähig machen will. Es gelingt ihr auch, namhafte Gegner der Reform zur Mitwirkung an diesen Diskussionen zu beteiligen. Manche wissen ganz genau, in welcher Gesellschaft sie sich da befinden und diskutiern dennoch mit, wohlgemerkt rein auf sprachliche Fragen oder solche der Rechtschreibreform beschränkt, vielleicht »um denen das Thema nicht zu überlassen...«, manche merken es nicht oder unterschätzen die faschistische Valenz, da sie sich für nichtsprachliche Themen schlichtweg nicht interessieren. Sie erinnern mich an meinen Onkel Richard, einen leidenschaftlichen Motorradfahrer, der sich 1945 vorhalten lassen mußte, er sei beim NSKK gewesen (Nationalsozialistischer Kraftfahrer Klub) er wollte nur Motorrad fahren, tat das aber mit Leuten, die noch was anderes wollten.
Die DSW-Redaktion bringt immer wieder höchst problematische Themen, Themen des rechten politischen Spektrums, auf die Tagesordnung. Wenn man diese kritisch diskutieren will, wird man gelöscht! Eine klare Aussage der Schriftleitung, wo sie selbst politisch steht, oder daß sie braunes Gedankengut ablehnt, wird von ihr vermieden.
Ich erwarte von der DSW-Redaktion nichts anderes, als daß sie sich zu dieser Thematik eindeutig und detailliert äußert, denn der Vorwurf ist gravierend. Sie dazu zu bewegen, habe ich schon im vergangenen Herbst versucht. Damals hat es dort intern enorme Aufregungen deshalb gegeben.
Jetzt hat sie das Thema wieder abgewürgt und alle Diskussionsbeiträge, die hier für sie offenbar unangenehm sind, kommentarlos gelöscht. Vor einigen Tagen noch hieß es »wegen technischer Pannen« (oder so), jetzt läßt man diese Ausrede auch schon weg.
Advocatus diaboli das bin ich selbst gerne immer wieder. Nur: In jedem Himmel heißt der diabolus anders.
Bei DSW bin ich der diabolus und werde, nach gut protestantisch-preußischer Sitte (die Katholiken sind lebenstüchtiger und können ihn in ihr Glaubensuniversum konstruktiv integrieren) schlichtweg vernichtet. Das klappt aber nicht.
Nichts ist überlebensfähiger als der Teufel.
Die Kritik der Rechtschreibreform ist eine mir sehr wichtige Angelegenheit. Ich fühle mich meiner Sprache beraubt, wenn ich erlebe, wie die gesamte deutsche Sprachwelt (nicht die DSW), dazu verdonnert wird und sich dem Donner unterwirft, die gewachsene Sprache so zu beschädigen, wie das die Reform tut.
Aber es ist für mich absolut inakzeptabel, daß ich dabei von dem Gegner, dem Reformbefürworter, in einem Chor gesichtet werden kann, von braunen Schmuddeljungen, Feiglingen, die sich noch nicht mal bekennen zu ihrer Gesinnung, sondern der Diskussion hier ausweichen. Und was mich besonders schmerzt, das ist die Tatsache, daß viele Reformgegner gar nicht merken, in welch schlechter Gesellschaft sie sich da befinden, in welcher Gefahr auch, indem sie mit diesen Feiglingen tatsächlich diskutieren.
Ich würde die Diskussion ja nicht scheuen.
Aber unliebsame Diskussionsbeiträge einfach löschen das ist keine Diskussion, das ist erbärmlichste Feigheit gerade von den Leuten, die »stolz« sein wollen, Deutsche zu sein. Dann sollen sie wenigstens Mut zeigen und sagen, wo sie stehen.
Ich würde mich freuen, in Ihnen einen Bundesgenossen zu haben. Ihre Meinung über das Mitläufertum teile ich völlig, mit der kleinen Relativierung, daß wir nur für unser eigenes Verhalten kompetent sind, nicht für das Anderer. Was die Menschen 1914 zur Kriegsbegeisterung bewogen hat, weshalb die Generation von 1933 sich so verhalten hat wie sie es hat »wer unter euch ist ohne Sünde, der werfe den ersten Stein«.
Es gehört wenig Mut dazu, den heutigen Braunen die Meinung zu sagen.
Ich bin es meinen Eltern und allen Antifaschisten ihrer Generation, die es viel schwerer hatten, schuldig, diesen wenigen Mut aufzubringen.
Es ist spät geworden,
Ihr
Walter Lachenmann
WedJun1315:58:45PDT2001
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Walter Lachenmann
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