Der wundersame Inhalt des vierten Berichts
Ein Kommentar zum vierten Bericht
Der vierte Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission enthält einiges, was die Öffentlichkeit interessieren sollte, da er etliche Äußerungen enthält, welche die weitere Entwicklung der „Rechtschreibreform“ aufzeigen. Die Öffentlichkeit sollte wissen, was sie dafür erhält. Schließlich haben dafür die Mitarbeiter der Kommission arg geschuftet und wollen dieses weiterhin tun – die Zwischenstaatliche Kommission für Rechtschreibung will und muß sich schließlich erhalten. So etwas kostet viel Geld; und sollte Gehalt haben. Kurz gesagt: Der Bericht umfaßt etwa 50 Seiten – die zusammenfassenden Bemerkungen der Kommission sowie die Stellungnahmen der Beiräte nicht eingerechnet – und gliedert sich im wesentlichen in eine vierseitige Einleitung, um dann im einzelnen auf die Felder „Laut-Buchstaben-Zuordnung“, „Getrennt- und Zusammenschreibung“, „Schreibung mit Bindestrich“, „Groß- und Kleinschreibung“, „Zeichensetzung“ und „Worttrennung am Zeilenende“ einzugehen. Insbesondere die neunseitige Abhandlung zur Worttrennung ist lesenswert, zeigt sie doch Enthüllendes zur „Fachkompetenz“ der Mitglieder der Kommission.
Die Einleitung begründet zunächst die Notwendigkeit der Reform, weil das amtliche Regelwerk von 1901 bis 1996 nicht mehr systematisch modifiziert bzw. ergänzt worden war. Welches „amtliche Regelwerk“ von 1901 – vergleichbar dem von 1996 – es gegeben haben soll, verschweigt der Bericht wohlweislich. Wo wollte die Kommission dieses auch herzaubern? Da die Kommission Richter über ihr eigenes Tun ist, ist es nicht verwunderlich, daß die neuen Regeln spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht und zu grundlegenden Verbesserungen geführt haben, die allgemein anerkannt werden. Wem es erlaubt ist, der schlägt sich leicht schon mal auf die eigene Schulter. Also schlägt die Kommission Präzisierungen vor, die selbstverständlich an keiner Stelle „Regeländerungen“ heißen, auch wenn sie darauf hinauslaufen.
Laut-Buchstaben-Zuordnung
Es ist nicht erstaunlich, daß die Kommission in bezug auf die s-Schreibung keine Probleme erkennt. Aus diesem Grunde wird diese in diesem Bericht auch gar nicht diskutiert. Schließlich käme ein Rütteln an diesem Grundpfeiler dem sofortigen Tod der „Reform” gleich. Nicht zur Kenntnis genommen wird ebenfalls, daß zwar vereinzelt das Wort „Schifffahrt“ gelesen werden kann, jedoch die Schreinereien weiterhin „Rolläden“ auch auf neuesten Plakaten anpreisen sowie Fachgeschäfte weiterhin „Bettücher“ verkaufen.
Zur „Rücknahme neuer Schreibungen“ wie nummerieren oder behände wird lakonisch festgestellt, daß die Kritik an den neuen Schreibungen […] stark abgeflaut sei. Ganz offensichtlich spielt […] die Gewöhnung eine große Rolle. Daß man überdrüssig wird, jeden gelesenen Unsinn mit einem Brief zu beantworten, kommt der Kommission nicht in den Sinn. Weitergehende Änderungen in Analogie zum neuen Tipp (angeblich ja wegen tippen) wie Topp, Shopp, werden erörtert, aber zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt. Allerdings gibt sich die Kommission hier schon die erste Aufgabe für die nahe Ferne: Die Kommission sieht hier […] möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft. Wir dürfen uns also schon auf Popp und Stripp freuen!
Zur Variantenschreibung wird festgestellt, daß die Zahl der Variantenschreibungen […] überschaubar gehalten werden soll. Der Bericht stellt klar, daß vor allem als Zugeständnis an gespeicherte Schreibschemata der alten Rechtschreibung […] zum jetzigen Zeitpunkt keine Variante gestrichen werden soll. Aber eben nur zum jetzigen Zeitpunkt. Insbesondere bei Fremdwörtern wird eine gezielte Variantenführung angestrebt. Begründet wird diese mit der Entwicklung der Wörter Schatulle, Strike, Büro und Telefon aus Chatouille, Strike, Bureau bzw. Telephon. Bis auf das Wort Telefon, dessen Schreibung Telephon nach bewährter Rechtschreibung immer noch „richtig” ist – d. h. im letzten Duden vor 1996 noch verzeichnet , handelt es sich um Wortbildungen um 1900 und früher, die noch nicht von einer „allmächtigen“ Kommission verfügt wurden. Der Wunsch der Kommission wird deutlich: progressive (integrierte) Variantenschreibungen möglichst an erster Stelle aufzuführen und gleichzeitig auf die Kennzeichnung von Hauptform (Vorzugsvariante) und Nebenform gänzlich zu verzichten. Das Ziel, Varianten nach eigenem Gusto in die Sprache zu implantieren und schließlich als einzig gültig festzuschreiben, bleibt bestehen, einzig das Hilfsmittel zur Durchsetzung soll geändert werden. Wie dieses allerdings technisch vor sich gehen soll, bleibt offen: Wie soll in einem Wörterbuch mit alphabethischer Gliederung eine bestimmte Variante als erste genannt werden?
Getrennt- und Zusammenschreibung
Bezüglich der Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung wird die Unzulänglichkeit des eigenen Werkzeugs gleich zu Beginn des Kapitels eingestanden: Die in diesem Teilbereich zu treffenden Normierungen haben es mit komplexen Gegebenheiten im Überschneidungsbereich von Grammatik und Semantik zu tun, denen eine orthografische Regelung kaum allseitig gerecht werden kann. Im einem der nächsten Sätze wird festgestellt, worum es geht: eine systematische und zugleich vereinfachende Regelung. Grammatik und Semantik werden der Vereinfachung geopfert, auch wenn die Regel vielfach zum falschen Ziel führt, da sich auch diese formalen Proben in einigen Fällen nicht eindeutig anwenden lassen. Für Bereiche, die sich auf Biegen und Brechen nicht in die selbst vorgegebenen formalen Regeln pressen lassen, gibt es schließlich noch geschlossene Listen. Die Liste für Partikel, die mit Verben trennbare Verbindungen eingehen können, soll auf jetzt 113 Einträge erweitert werden. Welcher Lehrer, geschweige denn Schüler, kann sich diese merken?
Bei einigen Verben soll zur Begründung der Zusammenschreibung auch die Betonung zu Rate gezogen werden: Unter bestimmten kommunikativen Bedingungen, z. B. bei emphatischer Betonung, kann dieses Kriterium jedoch versagen. Der letzte Satz ist nicht von mir erfunden, er steht so im Bericht!
Wie sehr sich die Kommission an die eigene Regeln gekettet fühlt, ist einige Zeilen weiter zu lesen: Alle [...] Ansätze können jedoch nicht befriedigen, da sie mit zentralen Grundsätzen der Neuregelung nicht im Einklang stehen, nach denen [...] die normgemäße Schreibung jedes Einzelfalles aus dem Regelwerk herleitbar [...] sein soll und nach denen verschiedene grammatisch-formale Proben [...] den Vorrang gegenüber semantischen oder anderen Aspekten erhalten haben. Die Schlußfolgerung ist klar: Es besteht kein Änderungsbedarf. Das gilt auch für die betrübliche Regel, daß Wörter, in denen der erste Bestandteil auf –ig, -isch oder –lich endet, weiterhin nicht zusammengeschrieben werden dürfen. Es gelten weiterhin nur das dümmliche „fertig stellen“ oder „selig sprechen“. Als könne man auch etwas „unfertig stellen“.
Im Sonderfall „Substantiv und Verb“ will die Kommission Zugeständnisse machen. Das grammatisch falsche „Leid tun“ soll nun auch „leidtun“ geschrieben werden können, keinesfalls aber das korrekte „leid tun“. Wobei die Kommission auch das Beispiel der Distanzstellung „es tut mir leid“ explizit als nun wieder richtig anführt und die Antwort schuldig bleibt, welche Wortart für das Wort „leid“ jetzt vorliegt. Ein Substantiv kann es ja nicht sein, sonst müßte es ja großgeschrieben werden! Abenteuerlich auch für jeden Grammatiker: Die in der früheren Regelung [...] bestehenden Möglichkeiten [...] mit Kleinschreibung des Substantivs (z. B. diät leben, ich lebe diät) [...] bestehen nicht mehr. Nun ja, es mag sein, daß der Kommission die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist, aber muß sie dieses Unvermögen so offen zur Schau stellen?
Ein weiteres Bauernopfer ist die Kommission bereit zu geben: Wörter wie zeitsparend / ratsuchend / nichtöffentlich soll es wieder geben. Diesem widmet der Bericht ganze zweieinhalb Seiten von etwa fünfzig und läßt die Vermutung zu, daß auch der Schwerbehinderte (statt „schwer Behinderte“) sich wieder eine fleischfressende (statt „Fleisch fressende“) Pflanze zulegen darf. Aber wissen wir es?
Schreibung mit Bindestrich
Die sechs Seiten des Themas „Schreibung mit Bindestrich“ sind wahrlich nicht spannend mit einer Ausnahme. Als mit der Reform der „–Jährige“ geboren wurde, konnte niemand ahnen, daß dieser jetzt einen Bruder bekommen soll: den „-Fachen“. So soll es jetzt geben: das 8fache (neu auch: das 8-Fache). Welches „Problem“ dadurch gelöst wird, ist offen, aber vorsorglich gibt es jetzt schon die „Lösung“.
Groß- und Kleinschreibung
Welche Probleme die Kommission mit der Grammatik hat, wird in diesem Kapitel deutlich. Irgendwann, als wir das Schreiben lernten, haben wir mal gelernt: Ein Hauptwort bezeichnet etwas, was man anfassen kann. Lassen Sie mal den Klauer mit der Luft und dem Weltall beiseite! Es war doch einfach, oder? Grundschule. Spätestens in der vierten Klasse oder so hatte man es drin. Ein Hauptwort (Substantiv) zu identifizieren, bereitet dagegen der Kommission schon einige Mühe: Die gegen die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung vorgetragene [...] Kritik bezieht sich auf verschiedene Problembereiche [...] und resultiert vor allem aus den fließenden Grenzen der Wortart Substantiv. [...] Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel [...] auftreten können [...], kann man auch Adjektive [...] als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist.
Schlußfolgerung: Jedes Adjektiv kann auch als Substantiv (Hauptwort) aufgefaßt werden. Damit soll „zugelassen“ werden: Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Allerdings bleibt ein kleines Geheimnis, warum im Satz „Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt.“ das Wort„klein“ weiterhin kein Substantiv sein soll. So wird es aber im Bericht behauptet. Es steht so drin.
Auch Zahlwörter scheinen der Kommission ebenfalls Kopfzerbrechen zu bereiten. Dabei gibt es schon „interessante“ Ausblicke auf „Änderungsbedarf“ in der Zukunft, wenn die Kommission schreibt: Auch sollte man „ein wenig“ nicht anders behandeln als „ein bisschen“ und „ein paar“, was ebenso für „andere“ in „der eine – der andere“ gilt. [...]Wenn der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist, kann er es nach § 57(1) auch großschreiben, zum Beispiel: Sie strebte etwas ganz Anderes an. Aus welchem Grunde sollte sich ein Schreiber genötigt sehen, etwas „ganz anderes” substantivisch zu sehen? Ein anderer Ausblick: ab wann dürfen wir nicht mehr zwischen einem paar Hemden (gleich einige Hemden) und einem paar Schuhe (gleich linker und rechter Schuh) unterscheiden? Angedroht wird es uns.
Im letzten Absatz zur Groß- und Kleinschreibung stellt die Kommission lakonisch fest: Es besteht im allgemeinen Schreibgebrauch eine offensichtliche Tendenz, feste nominale Wortgruppen [...] vom Typ „rote Karte, schwarzes Brett, großes Los“ durch Anfangsgroßschreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen[...]. Dieses Eingeständnis wird ihr nicht schwergefallen sein, stellt sie sich doch gerne als „Zwischenstaatliche Kommission“ vor. Mit großem Z! Ohne zu begreifen, wofür der Begriff „Nominationsstereotyp“ steht! Man kann auch „feststehender Begriff“ sagen. Zum Thema „Expertentum“ und „Fachsprache“ mehr unter „Worttrennungen am Zeilenende“.
Zeichensetzung
Die erste Erkenntnis der Kommission ist schon alt und steht schon so im sogenannten „Regelwerk“: Satzzeichen dienen dazu, „einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten und ihn dadurch für den Lesenden überschaubar zu machen“. Dem will wohl keiner widersprechen. Die neugewonnene Freiheit, auf Kommas zu verzichten, kommt offensichtlich in den (Grund-)schulen positiv an: Aus den Schulen kommen überwiegend positive Voten, weil die Zeichensetzung leichter zu lernen sei. Wen wundert es! Wer weniger Fehler angestrichen bekommt, freut sich halt. Der Nebensatz „Die Nachrichtenagenturen machen ausdrücklich keinen Gebrauch von der (weit gehenden) Freigabe“, der gut begründet ist, fällt da kaum auf. Das Argument, das diese (die Agenturen) ins Feld führen, um die Lesbarkeit zu erhöhen, beziehungsweise zu erhalten, ist unerwünscht und wird darum nicht erwähnt.
Allerdings wird betont, „dass solche Regelungen dem Wortlaut der amtlichen Regelung nicht widersprechen“. Erstaunlich schon, daß die Weglassung des Kommas dennoch mit folgender Begründung befürwortet wird: Allerdings werden sie der Intention des Regelwerks nicht gerecht, das bei Infinitivgruppen einen differenzierten, kommunikativ ausgerichteten Einsatz des Kommas anstrebt. [...] Professionelle Schreiber/innen nutzen solche Möglichkeiten im Moment noch zu wenig. Das hängt sicher mit ihrem routinierten Umgang mit der früheren rigiden Regelung zusammen. Der halbwegs mit Satzbau und Grammatik umgehende Mensch beginnt hier zu verzweifeln: Was denn nun? Gibt es Regeln für Kommas oder gibt es sie nicht? Kann man sich an Nicht-Regeln halten? Komma-Vermeidung? Man hat einmal gelernt, bei einem Infinitivsatz mit „zu“ ein Komma zu setzen, später dann, wo man es nicht setzen muß. Der erfahrene Schreiber setzt Kommas intuitiv, nämlich da, wo Sprechpausen hingehören: „Ich bitte Euch, mir zuzuhören!“, „Sie bot mir, ohne einen Augenblick zu zögern, ihre Hilfe an.“ „Bitte, komm mir mal zu Hilfe!“. So schwer? Für die Kommission offenbar schon!
Worttrennungen am Zeilenende
Jetzt kommt der wirklich spannende Teil für den interessierten Leser. (Acht Seiten, ein weites zukünftiges Betätigungsfeld für die Kommission!) Zuerst eine Frage zur Kapitelüberschrift: Wo, bitte, außer am Zeilenende, gibt es Worttrennungen? Na ja, man darf ja wohl mal flaxen, oder? Nur wird der Bericht mit diesem Kapitel wirklich zum Cartoon. Dem Leser werden so viele offensichtlich „fachsprachliche“ lateinisierte Begriffe um die Ohren gehauen, daß nur so raucht! Zur Trennbarkeit von „beobachten“ wird angeführt, daß „trotz morphologischer Segmentierbarkeit [...] bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Präfigierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen[fallen], vgl. hin-auf vs. hi-nauf, be-ob-achten vs. beo-bachten. Ich hatte nie ein Problem bei der Silbentrennung von be-ob-ach-ten, hin-auf, hin-ab, her-auf, oder ähnlichem. Sie vielleicht? Zugegeben, die Trennung von „wor-an“, „wor-auf“ und ein paar weiteren Wörtern ist nicht trivial aber erlernbar.
Neuerdings anerkennt die Kommission ein Problem bei der „Abtrennung eines Vokalgraphems“: „Außerdem ergibt sich eine irreführende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes“. Dieser Satz hat schon eine gewisse Würze! Versüßt werden soll er uns mit der neuen Freiheit: Da es obendrein jedem/jeder Schreibenden freisteht, eine bestimmte Trennstelle nicht zu benutzen, besteht kein Änderungsbedarf. Stimmt! Aber die Freiheit nicht zu trennen gab es früher auch schon!
st-Trennung
Danach ergeht sich die Kommission in der Erklärung, warum wir hu-sten und jetzt auch hus-ten trennen können (müssen / sollen?): Die morphologische Segmentierung mag für die Abtrennung des Derivations- resp. Flexionssuffixes sprechen. [...]. Diesen zufolge sind zwei mögliche Silbengrenzen anzusetzen, wenn dem Cluster /st/ ein betontes langes Vokalphonem (bzw. ein Diphthong) oder ein weiteres Konsonantphonem vorausgeht, vgl. z. B.: hu-sten oder hus-ten. Na schön: Insofern trifft Regel § 108 [...] immer eine [...] Silbenfuge, während das alte Trennverbot von [...] die Silbenfuge verfehlte. Statt „Cluster“ hätte man auch von einer Buchstabenfolge reden können (Cluster engl. gleich Anhäufung / Büschel / Haufen), aber englisch hört es sich wohl „professioneller“ an. Bisher heißt es einfach: „Trenne nie st, denn es tut ihm weh!“ Dennoch kam kaum ein Mensch auf die Idee „Hau-stür“ zu trennen, jetzt aber soll es problematisch sein! Man merke auf: Suffigierungen verhalten sich entsprechend: neu-ste oder neus-te. Preisfrage: was sind Suffigierungen? Ob’s ein Kultusminister weiß?
Und jetzt kommt es dicke! Trennungen aus „Konsonantgraphem , insbesondere und sowie „Kombination aus Obstruent- und Sonorantgraphem bei indigenen Wörtern“ scheinen die Fachwelt, besonders die Kommission, arg zu beschäftigen, weil die deutsche Germanistenwelt offensichtlich seit mehr als 100 Jahren darüber geschlafen hat! Hmpf! Aber, wie trennt man „Hmpf“? Die Kommission will uns eine Antwort geben: § 108 sieht bei den Folgen / eine Trennung vor, die sich nicht im Einklang mit der von manchen intuitiv angesetzten Silbenfuge befindet: Angenommene Syllabierung: schrum-pfen Trennung: schrump-fen. [...] Die Präfigierungen „empfangen“, „empfehlen“ und „empfinden“ können nicht ohne weiteres als morphologisch transparent eingestuft werden, zumal semantische Demotivation besteht. Hmpf, um auf’s Beispiel zurückzukommen, ich hätte „emp-fangen“ getrennt. Nun gut, ich muß zugestehen, daß ich ab hier demotiviert war; und zwar nicht wegen einer Trennung, sondern um ab hier überhaupt weiterzulesen. Und ich leide an keiner „semantischen Demotivation“! (Was ist das überhaupt? Ist das erblich?)
Die Kommission vermutet große Probleme: Bei den Folgen / sind absolute Aussagen über Silbengrenzen nicht möglich, da der phonematische Status von in dieser Position nicht eindeutig bestimmt werden kann. Sie vermutet offensichtliche Trennprobleme bei Wörtern wie schrimpfen, rümpfen, schrumpfen, krumpfen („verunglimpfen“ und „Klampfe“ fehlen) und den im Sprachgebrauch der Kommission offensichtlich oft genutzten Wörtern Pampf, Krampf, Gimpf ,und Schimpf. Ab hier fragt man sich, wie sich die Kommissionsmitglieder untereinander anreden.
Einen abschließenden Höhepunkt der „Fachsprachlichkeit für Trennungen“ bildet die kabarettreife Feststellung: Die an sich für das Sonoritätsgefälle indigener Wörter umgekehrte Reihenfolge ergibt sich aus der Synkope des Schwa-Lautes zum Beispiel: knuspern > knusprig, dunkel > dunkle. Es folgert geradezu „zwangsläufig“: Indes ist bei Beachtung [weiterer] phono- und graphotaktischer Restriktionen und Regularitäten für die meisten Cluster in dieser Position eine zweite Silbenfuge anzusetzen, die umso präferierter erscheint, je mehr der folgenden Faktoren zutreffen:
1) Der Cluster ist homorgan.
2) Der Cluster hat keine Entsprechung auf der graphischen Ebene.
3) Es besteht ein geringes Sonoritätsgefälle zwischen den beiden Segmenten des Clusters.
4) Der Obstruent ist stimmlos.
Woraus nach der Schrift der Kommission vor diesem Hintergrund jetzt die Gegenüberstellung folgt: a-tmen <> at-men, Ra-dler <> Rad-ler. Wer hatte bei diesen Wörtern jemals Schwierigkeiten zu trennen? Abschließend steht der Satz: „Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass die Syllabierungsregeln sehr vielschichtig sind. Fast immer liegt aber eine (oftmals präferierte!) Silbenfuge unmittelbar vor dem Liquid-/Nasalphonem.“
Ich stelle hiermit öffentlich fest, daß mein Obstruent weder stimmlos noch homorgan ist. Er hat auch keine Entsprechung auf der graphischen Ebene!
– geändert durch Karsten Bolz am 10.02.2004, 10.39 –
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Karsten Bolz
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