Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Amtschefs, vierter Bericht usw.
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Amtschefs, vierter Bericht usw.
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Theodor Ickler
13.02.2004 07.09
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noch weiter klärbar

Gerade mein Eintrag unter weitgehend, der ja schon Hinweise zur Steigerung enthält, kann noch etwas ausgebaut werden durch Beobachtungen, die ich unter weitblickend verwertet habe. Vielleicht läßt sich dann mit Verweisen arbeiten und das Ganze unter weit darstellen. Wir arbeiten dran.
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Th. Ickler

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Detlef Lindenthal
13.02.2004 06.54
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weitgehende Klärbarkeit

neu „richtig“:
Bertelsmann (1996) weitgehend > weit gehend
Duden _21 (1996) weitgehend
Naumann & Göbel (1996) weit gehend, auch: weitgehend
Knaur (1996) weit gehend, auch: weitgehend
Duden _22 (2000) weitgehend, auch weit gehend
Ickler (2000) weit_gehend (also mit dem feinen Bindebogen)
Immanuel Kant unterschied aus gutem Grund zwischen einerseits den Dingen und andererseits den Dingen an sich.
Das wesentliche Werkzeug, um Dinge und Dinge an sich weitestmöglich zueinander in Beziehung zu setzen, ist n.m.M. die Wissenschaft.
Die Frage nach der „richtigen“ und vielleicht sogar nach der richtigen Schreibung von „weit()gehend“ wird sich mittels eines Wörterbuches dann leichter treffen lassen, wenn dieses neben jeweils einem deskriptiven, normativ-administrativen, mafiotisch-destruktiven oder unterhaltsam-spekulativen auch einen wissenschaftlichen Ansatz versucht.
Für diesen ist mindestens die Zielfrage zu klären, alsdann sind Regeln und Überregeln (Metaregeln) zu sichten und abzustimmen.

Da ich mich nach wie vor für die Überregel: „Wörter schreibt man zusammen, mehrere Wörter schreibt man getrennt“ ausspreche, sehe ich den Fall bei „weitgehend“ weitgehend klar:
Weil „weitgehend“ – ohne Zweifel insbesondere in der gesprochenen Sprache – ein deutsches Wort ist, schreibt man es zusammen.

Zur Klärung der gleichen Frage in den Kieler Nachrichten müßte gewiß viel weiter ausgeholt werden; denn das vergangene Jahracht hat gezeigt, daß dort ein anderer Kanon von Metaregeln wirkt.
Daß Ding und Ding an sich nicht selb sind, kann man überaus anschaulich am handwerklichen und kulturpolitischen Rechtschreib- und insbesondere Silbentrennverhalten der KN zeigen.

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Sigmar Salzburg
12.02.2004 20.33
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weit gehend

Im 4.Bericht lese ich dreimal „weit gehend“, im Regelwerk (Textteil) einmal „weitgehend“.
Die reformierten Kieler Nachrichten schreiben das Wort etwa fünfmal öfter zusammen.
Was ist nun neu „richtig“?
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Sigmar Salzburg

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Reinhard Markner
12.02.2004 18.22
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Einheimische Variantenführung

Die Kommission behauptet (S. 54), es gebe „bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten“. Sie kennt ihr eigenes Regelwerk nicht. So wird im Wörterverzeichnis z. B. von den Nebenvarianten Beete und Sammet auf die Hauptvarianten Bete und Samt verwiesen.

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Theodor Ickler
12.02.2004 15.33
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Wahres Interesse

Je mehr wir uns mit dem vierten Bericht beschäftigen, desto deutlicher erkennen wir, wie schlecht er ist und vor allem: wie katastrophal in seinen Auswirkungen auf die Wörterbücher usw. Erkennen müssen das aber auch die Verleger. Hier liegt noch eine bedeutende Aufgabe vor uns.
Vor allem kommt es darauf an, die Machbarkeit einer Rückkehr (bzw. Beibehaltung der bewährten Rechtschreibung) einleuchtend darzustellen. Wir brauchen also einen sehr gut durchdachten Rückkehrplan, der die Kostenfrage ebenso bedenkt wie die Auswirkungen auf die Schule. Damit können wir dann an die Öffentlichkeit treten.
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Th. Ickler

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Wolfgang Wrase
10.02.2004 18.22
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Anhang: Auszug aus dem ÖWB

Ich habe die erste Hälfte der 60 Seiten überprüft; die im vierten Bericht vorgesehenen Änderungen sind weitgehend vorlagengemäß eingearbeitet worden.

Wenn man alle Stellen zählt, an denen geändert wurde, sind es tatsächlich deutlich über 100. Anhand des Duden rechne ich mit einem Anteil des Buchstabens D am Gesamtwörterverzeichnis von ziemlich genau 5 Prozent. Somit ist die Angabe, daß es rund 3000 Änderungen im ÖWB gibt, von der Größenordnung her richtig. (Die tatsächliche Zahl dürfte etwas niedriger sein, siehe unten.)

Man muß beachten, daß das 2000 bis 3000 Stellen sind, an denen redaktionelle Korrekturen ausgeführt werden. Das ist fast identisch mit der Zahl der betroffenen Stichwörter, wobei aber die betroffenen Stichwörter überwiegend in Nestern zusammengefaßt sind, z. B. Delfin, delfinschwimmen, [das] Delfinschwimmen. Rein optisch könnte man auch nach Nestern zählen (gewissermaßen sich nach „Stämmen“ richten, beispielsweise Delfin oder den Verbzusatz darunter- nur einmal zählen) und würde so eine wesentlich kleinere Zahl erhalten. Bei Delfin sieht man auch beispielhaft, daß jede Änderung wegen ph/f gleich an zwei Stellen auftaucht, bei f und dann wieder bei ph. Die eigentliche Änderung gibt es sozusagen nur einmal, und sie muß (meistens) an zwei Stellen im Wörterbuch umgesetzt werden. Insofern könnte man einen erheblichen Teil dieser Fälle durch 2 teilen, wenn es darum geht, solche "Änderungen“ zu erfassen, die einen jeweils zweifachen Korrekturaufwand erfordern.

Schließlich stellt sich die Frage der Gewichtung, besonders im Blick auf den Verzicht auf die Zuteilung von Haupt- und Nebenvarianten. Hier gibt es nämlich den größten Korrekturaufwand. Das ÖWB ersetzt sein bisheriges System, von der Nebenvariante auf die Hauptvariante mit einem Pfeil zu verweisen und umgekehrt die Nebenvariante mit „auch“ bei der Hauptvariante aufzuführen, nunmehr jeweils durch ein Gleichheitszeichen. Insgesamt gibt es ziemlich genau 70 solche Fälle (das heißt neue Gleichheitszeichen statt Pfeil oder „auch“) unter D.

Intuitiv ist man versucht, diese Umstellung als belanglos abzutun, und viele könnten es so empfinden, daß man das gar nicht mitzuzählen braucht. (Bei ihren Statistiken haben die Reformer bekanntlich früher sogar die ganze ss/ß-Neuregelung herausgerechnet, und manche haben das sogar nachvollzogen.) Ich sehe es anders und halte diese Änderungen schon für wesentlich; zwar nicht für den Schreiber, der sich auch bisher nicht danach zu richten hatte, wie die Variantenführung der Reformer aussah – aber als grundlegende Änderung der Reform selbst, die sich auf sehr viele einzelne Wörter auswirkt, ist das sehr wohl erheblich. Die Reformer könnten nämlich genau wie bei den Varianten auch auf ihre sonstige ganze Reform mit ihren höchst unnötigen und willkürlichen Lenkungsabsichten verzichten, und schon hätten wir wieder halbwegs vernünftige Wörterbücher. Also, für den Schreiber ist das zwar nicht relevant, aber für die permanente Manipulation des Wortschatzes durch immer neue Teilschritte der Rechtschreibreform ist es andererseits ganz typisch, und ich halte das Mitzählen dieser Fälle deshalb für gerechtfertigt.

Weiter gibt es 15 notwendige Änderungen auf Stichwortebene, die die geänderte Partikelliste betreffen. „Notwendig“ heißt, daß ich einige weitere Korrekturanweisungen nicht gezählt habe, die nicht auf die aktuellen Änderungen zurückgehen, sondern darauf, daß das ÖWB die Partikelliste bisher nicht richtig umsetzte und dies nun in dem Anhang berichtigt. Es spielt ohnehin keine große Rolle, wie viele Änderungen es wegen der erweiterten Partikelliste genau sind, weil die Auswahl der Stichwörter im ÖWB bei den Verben mit Verbzusatz sehr willkürlich ist. Zu beachten ist, daß die meisten neu zu berücksichtigenden Partikeln mit d beginnen und die restlichen vier (hinter, hinterdrein, nebenher, vornüber) insgesamt nur mit wenigen Stichwörtern in den Lexika vertreten sein werden. Deshalb kann dieser Anteil an den gut 100 Änderungen unter D nicht auf das restliche ÖWB extrapoliert werden und muß fast ganz vernachlässigt werden.

Es bleiben noch ungefähr 20 wesentliche Änderungen, überwiegend aufgrund der weitgehenden Wiederzulassung der Zusammenschreibung bei Partizipien: deutschsprechend, datenverarbeitend, diensthabend, dichtbesiedelt usw.; vereinzelt kommen dazu (natürlich willkürlich anmutende) Nachträge von „fachsprachlichen“ Großschreibungen des Typs Darstellende Kunst sowie wenige sonstige Änderungen. Das ÖWB enthält aber ohnehin nur spärliche Hinweise auf solche „fachsprachefähigen“ komplexen Begriffe. Je ausführlicher ein Lexikon, desto mehr werden Begriffe wie „wasserabweisend“ (-> Partizipien) oder „goldene/Goldene Hochzeit“ (-> Großschreibung des Adjektivs wieder möglich) vertreten sein. Im Duden wird der Anteil der Korrekturen in diesem Bereich also vermutlich deutlich höher liegen.

Insgesamt kann man durchaus sagen, daß die Wörterbücher an mehreren tausend Stellen korrigieren müssen; die meisten Korrekturen betreffen aber die geänderte Variantenpolitik der Kommission. Wenn man diese abzieht, würde ich beim Rechtschreibduden mit ca. 1000 wesentlichen Änderungen rechnen.

Das ÖWB berücksichtigt übrigens den Wunsch der Kommission nach heimlicher Bevorzugung der „gleichberechtigten“ eingedeutschten Varianten, indem bei solchen Stichwörtern, auf die weiterer Text folgt, dieser Text ggf. zu der eingedeutschten Variante verschoben wird, und die weniger assimilierte Variante erhält dann nur noch einen Verweis, wie bisher die Nebenvariante.

Interessant ist aber vor allem, daß dieser Anhang zum vierten Bericht überhaupt erst darüber aufklärt, daß praktisch sämtliche Komposita mit Partizipien wiederhergestellt werden sollen. Das geht nämlich aus den äußerst schlampig und unvollständig formulierten Regeländerungen im eigentlichen Bericht gar nicht hervor. Mangelhaft bleibt in diesem Bereich, daß (jedenfalls im ÖWB) Getrennt- und Zusammenschreibung als bloße Varianten mit Gleichheitszeichen angeboten werden, ohne daß es Hinweise darauf gibt, unter welchen Bedingungen welche Schreibung üblicher ist, zu bevorzugen ist oder auch obligatorisch zu verwenden ist. Ähnlich verhält es sich ja mit der Gleichmacherei bei den Varianten im Bereich Laut-Buchstaben-Zuordnung, bei denen das Wörterbuch im Sinne der Kommission jeden Hinweis darauf unterdrückt, wie die Haupt- und Nebenvarianten in der Wirklichkeit verteilt sind. Auch in diesen scheinbar reparierten Bereichen sind wir also noch um Größenordnungen von der Qualität der Wörterbücher vor der Reform entfernt. Um so mehr gilt das, wenn man bedenkt, daß der meiste Schrott noch gar nicht revidiert wurde.

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Theodor Ickler
10.02.2004 16.35
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Zu § 36

Vierter Bericht:

„Eine weitere Änderung ergibt sich in Bezug auf § 36(2). Hier sind die Beispiele wie folgt zu ergänzen:
... vieldeutig; der schwerwiegendere Vorwurf, die zeitsparendste Lösung

Amtliches Regelwerk 1996:

"§ 36 (2) Zusammensetzungen, bei denen der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt, zum Beispiel:

einfach, zweifach; letztmalig, redselig, saumselig, schwerstbehindert, schwindsüchtig; blauäugig, großspurig, kleinmütig, vieldeutig" [Hier ist also das Obige anzufügen!]
--
Der eigentliche Grund der Zusammenschreibung ist aber nicht, daß „der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt“, sondern daß schwerwiegendere und zeitsparendste Steigerungsformen von schwerwiegend und zeitsparend sind. Zu wasserabweisend kann man einen Komparativ bilden, und der zweite Bestandteil kommt auch selbständig vor: noch abweisender, aber eben nicht noch Wasser abweisender. Hier geht es um Syntax und nicht um morphologische Zufälligkeiten wie das selbständige Vorkommen.

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Th. Ickler

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Christian Dörner
10.02.2004 13.49
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Tief greifende Änderungen

Auf Seite 135 des ÖWB finden wir:

»Da|mas|kus: Hauptstadt von Syrien | Ort des Bekehrungserlebnisses des Apostels Paulus; sein D. erleben (sich tief greifend ändern)« (Unterstreichung hinzugefügt.)

Die Kommission erwähnt Dinge wie attributiven und prädikativen Gebrauch usw. in ihrem Bericht nicht. Dennoch müßte hier aus grammatischen Gründen wieder Zusammenschreibung eintreten. Erlaubt ist sie ab 2005 in diesem Fall ohne Zweifel wieder.

Dennoch verzeichnet die Kommission im ÖWB hier keine Änderung, da in solchen Fällen die Getrennt- und Zusammenschreibung anscheinend völlig unabhängig von grammatischen Gesichtspunkten freigegeben werden soll.

Bemerkenswert, oder?
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Christian Dörner

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Wolfgang Wrase
10.02.2004 05.47
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Nachträge: Steigern und Erweitern

Ich hatte zuvor leider § 36 E1 (4) übersehen, der nicht geändert werden soll. Also gilt weiterhin die Steigerbarkeit/Erweiterkeit-Probe bezogen auf den ersten Bestandteil auch in Verbindungen mit Partizipien, also: dicht behaart, weil dichter behaart.

Aber: Im Anhang 2 des vierten Berichts (ÖWB) ist als vozunehmende Korrektur verzeichnet: dicht besiedelt = dichtbesiedelt! Und noch mehr von der Sorte. Ja sogar: durcheinander redende Kinder = durcheinanderredende Kinder!

Weiter ist anzumerken, daß aus dem erläuternden Text des Berichts auf Seite 24 oben („auch für nicht komparierbare partizipiale Verbindungen ... die Zusammenschreibung als Variante“) hervorgeht, daß die unklar formulierte Bedingung im neuen § 36 E2 (2) „die nicht steigerbar sind“ sich auf die ganze Verbindung beziehen soll und nicht nur auf den zweiten Bestandteil, das Partizip allein. Andererseits wird durch diesen erklärenden Text („AUCH für ...“) noch deutlicher, daß diese Bedingung überhaupt überflüssig ist; bei gesamthaft steigerbaren Verbindungen ist ja Zusammenschreibung sowieso vorzusehen.

Also könnten und müßten die Reformer E2 (2) einfach so formulieren: „Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adektivisch gebrauchten Partizipien ist neben Getrenntschreibung auch Zusammenschreibung möglich.“ Das wäre dann zwar übereinstimmend mit der Intention, die GZS bei Partizipien weitgehend freizugeben, aber ein gewisser regeltechnischer Widerspruch zu jenen Fällen, für die weiter oben in § 36 nach wie vor Getrenntschreibung vorgesehen ist. Wieso ordnet man erst Getrenntschreibung an, um nachher zu bestimmen, daß daneben auch Zusammenschreibung möglich ist? Die einzige Berechtigung könnte regeltechnisch darin bestehen, daß in § 36 Adjektive und Partizipien abgehandelt werden und erst E2 (2) sich auf „adjektivisch gebrauchte Partizipien“ beschränkt ...

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Wolfgang Wrase
10.02.2004 04.36
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Vierter Bericht: steigern, steigern, steigern!

Wie bisher muß man auch nach den neuesten Ratschlüssen der Reformer im Geiste steigern und erweitern, was das Zeug hält: nämlich Adjektive vor Verben (breiter schlagen, sehr breit schlagen?) sowie alle möglichen Verbindungen mit Partizipien (raumgreifender? weißgewaschener?).

Dennoch wird man nunmehr noch weniger schlau als bisher, wie man zum Beispiel „kleingedruckt“ schreiben soll – ein allgegenwärtiges Wortbildungsmuster. Die Steigerungs-/Erweiterungsprobe soll vor Verben zwar beibehalten werden (denn sie sei hier „gut handhabbar und zielführend“ – doch, doch, das steht da), aber nicht unbedingt vor Partizipien. Einerseits ist die Rede davon, daß in Fällen wie „kleingedruckt“ die „Univerbierung schon im attributiven Gebrauch anzunehmen“ sei – also Zusammenschreibung, möchte man meinen, jedenfalls bei „attributivem Gebrauch“. Und was ist bei prädikativem Gebrauch: „Das ist kleingedruckt“, geht das nun oder nicht?

Die neue Regel, nach der auch Zusammenschreibung möglich ist, der neue § 36 E2 (2), verzichtet dann doch wieder auf das Kriterium „attributiv“. Statt dessen führt er eine neue Eingrenzung ein: Die Möglichkeit der Zusammenschreibung soll nur gelten für Verbindungen ... mit adjektivisch gebrauchten Partizipien, die nicht steigerbar sind! Man muß also abermals steigern (immerhin muß man hier nicht auch noch erweitern), diesmal das Ganze, um zu prüfen, ob man zusammenschreiben darf: „der kleingedrucktere Text“? Es bleibt letztlich unklar, was nun bei dem überaus häufigen Muster „klein gedruckt/kleingedruckt“ gelten soll, denn als Beispiel der neuen Regelungen taucht dieser Typ nicht auf, und der bisherige § 36 E1 (1.2) soll ganz herausfliegen, nach dem bisher geregelt war: hell strahlend wegen hell strahlen (und dies wegen heller strahlen). Und falls die Zusammenschreibung „kleingedruckt“ in Frage kommen sollte (zumindest in attributiver Stellung, aber das taucht in keinem Paragraphen auf), dann hätten wir einen neuerlichen Bruch mitten im Regelwerk: Die glorreiche Steigerbarkeit/Erweiterbarkeit-Regel soll weiterhin gelten für Verben, aber nicht mehr (oder nur noch teilweise sowie nicht auf den ersten Bestandteil bezogen, sondern auf die ganze Verbindung) für Partizipien.

In dem neuen vermeintlichen Befreiungsschlag-Paragraphen 36 E2 (2) ist übrigens nicht eindeutig, worauf sich die Bedingung der Nichtsteigerbarkeit bezieht. Es heißt da: „Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adjektivischen Partizipien, die nicht steigerbar sind ...“ Was soll nicht steigerbar sein – die Partizipien (z. B. suchend) oder die ganze Verbindung (ratsuchend)? Das läuft oft auf dasselbe hinaus, aber nicht immer: [noch] gesponnener ist wohl nicht möglich, aber [noch] feingesponnener sehr wohl.

Oder wie? Blickt da jemand durch?


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Christian Dörner
09.02.2004 20.13
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Doch, sicherlich sind die Texte vergleichbar (wobei der Vergleich natürlich nicht gerade zugunsten der Neuregelung ausfällt). Die Regeln von 1901 enthalten aber bekanntlich nichts zu den Bereichen GZS und Zeichensetzung.

Zur Zeichensetzung hat damals jedes Bundesland bestimmte Zusatzparagraphen erlassen. Zur GZS gibt es keine entsprechenden Paragraphen, jedoch läßt sich etliches aus den Beispielen im Regelwerk und dem amtlichen Wörterverzeichnis von 1901/1902 ableiten. Das Regelwerk und den Anfang des Wörterverzeichnisses findet man bereits hier auf diesen Seiten. Der Rest folgt noch.
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Christian Dörner

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Reinhard Markner
09.02.2004 20.04
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Doch, sicherlich sind die Texte vergleichbar (wobei der Vergleich natürlich nicht gerade zugunsten der Neuregelung ausfällt). Die Regeln von 1901 enthalten aber bekanntlich nichts zu den Bereichen GZS und Zeichensetzung.

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Karsten Bolz
09.02.2004 15.42
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Soweit ich es überblicke, war das Regelwerk von 1901 nicht mit dem heute vorliegenden vergleichbar. Deswegen auch mein Einschub: – vergleichbar dem von 1996 –

Ansonsten: Danke für den Hinweis
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Karsten Bolz

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Reinhard Markner
09.02.2004 15.34
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1901, Worttrennung

1901 hat man sich in der Tat auf ein Regelwerk geeinigt, das als �amtliches� dann auch von den deutschen Bundesstaaten und dem Kaiserreich bzw. der Republik Österreich in Druck gegeben wurde.

Die Ersetzung des eingeführten Begriffs �Silbentrennung� durch das umständliche �Worttrennung am Zeilenende� geht auf die Pedanterie Gerhard von Harschers zurück, der als Kreuzworträtsellöser mit der herkömmlichen Terminologie Probleme hatte und die Duden-Redaktion so lange mit seinen Beschwerdebriefen eindeckte, bis diese kapitulierte. Diese kuriose Geschichte findet sich in Harschers Büchlein Rechtschreibreform – so nicht! Offener Brief an unsere Kultusminister, Hamburg 2002.

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Karsten Bolz
09.02.2004 14.24
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Der wundersame Inhalt des vierten Berichts

Ein Kommentar zum vierten Bericht

Der vierte Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission enthält einiges, was die Öffentlichkeit interessieren sollte, da er etliche Äußerungen enthält, welche die weitere Entwicklung der „Rechtschreibreform“ aufzeigen. Die Öffentlichkeit sollte wissen, was sie dafür erhält. Schließlich haben dafür die Mitarbeiter der Kommission arg geschuftet und wollen dieses weiterhin tun – die Zwischenstaatliche Kommission für Rechtschreibung will und muß sich schließlich erhalten. So etwas kostet viel Geld; und sollte Gehalt haben. Kurz gesagt: Der Bericht umfaßt etwa 50 Seiten – die zusammenfassenden Bemerkungen der Kommission sowie die Stellungnahmen der Beiräte nicht eingerechnet – und gliedert sich im wesentlichen in eine vierseitige Einleitung, um dann im einzelnen auf die Felder „Laut-Buchstaben-Zuordnung“, „Getrennt- und Zusammenschreibung“, „Schreibung mit Bindestrich“, „Groß- und Kleinschreibung“, „Zeichensetzung“ und „Worttrennung am Zeilenende“ einzugehen. Insbesondere die neunseitige Abhandlung zur Worttrennung ist lesenswert, zeigt sie doch Enthüllendes zur „Fachkompetenz“ der Mitglieder der Kommission.

Die Einleitung begründet zunächst die Notwendigkeit der Reform, weil das amtliche Regelwerk von 1901 bis 1996 nicht mehr systematisch modifiziert bzw. ergänzt worden war. Welches „amtliche Regelwerk“ von 1901 – vergleichbar dem von 1996 – es gegeben haben soll, verschweigt der Bericht wohlweislich. Wo wollte die Kommission dieses auch herzaubern? Da die Kommission Richter über ihr eigenes Tun ist, ist es nicht verwunderlich, daß die neuen Regeln spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht und zu grundlegenden Verbesserungen geführt haben, die allgemein anerkannt werden. Wem es erlaubt ist, der schlägt sich leicht schon mal auf die eigene Schulter. Also schlägt die Kommission Präzisierungen vor, die selbstverständlich an keiner Stelle „Regeländerungen“ heißen, auch wenn sie darauf hinauslaufen.

Laut-Buchstaben-Zuordnung

Es ist nicht erstaunlich, daß die Kommission in bezug auf die s-Schreibung keine Probleme erkennt. Aus diesem Grunde wird diese in diesem Bericht auch gar nicht diskutiert. Schließlich käme ein Rütteln an diesem Grundpfeiler dem sofortigen Tod der „Reform” gleich. Nicht zur Kenntnis genommen wird ebenfalls, daß zwar vereinzelt das Wort „Schifffahrt“ gelesen werden kann, jedoch die Schreinereien weiterhin „Rolläden“ auch auf neuesten Plakaten anpreisen sowie Fachgeschäfte weiterhin „Bettücher“ verkaufen.

Zur „Rücknahme neuer Schreibungen“ wie nummerieren oder behände wird lakonisch festgestellt, daß die Kritik an den neuen Schreibungen […] stark abgeflaut sei. Ganz offensichtlich spielt […] die Gewöhnung eine große Rolle. Daß man überdrüssig wird, jeden gelesenen Unsinn mit einem Brief zu beantworten, kommt der Kommission nicht in den Sinn. Weitergehende Änderungen in Analogie zum neuen Tipp (angeblich ja wegen tippen) wie Topp, Shopp, werden erörtert, aber zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt. Allerdings gibt sich die Kommission hier schon die erste Aufgabe für die nahe Ferne: Die Kommission sieht hier […] möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft. Wir dürfen uns also schon auf Popp und Stripp freuen!

Zur Variantenschreibung wird festgestellt, daß die Zahl der Variantenschreibungen […] überschaubar gehalten werden soll. Der Bericht stellt klar, daß vor allem als Zugeständnis an gespeicherte Schreibschemata der alten Rechtschreibung […] zum jetzigen Zeitpunkt keine Variante gestrichen werden soll. Aber eben nur zum jetzigen Zeitpunkt. Insbesondere bei Fremdwörtern wird eine gezielte Variantenführung angestrebt. Begründet wird diese mit der Entwicklung der Wörter Schatulle, Strike, Büro und Telefon aus Chatouille, Strike, Bureau bzw. Telephon. Bis auf das Wort Telefon, dessen Schreibung Telephon nach bewährter Rechtschreibung immer noch „richtig” ist – d. h. im letzten Duden vor 1996 noch verzeichnet –, handelt es sich um Wortbildungen um 1900 und früher, die noch nicht von einer „allmächtigen“ Kommission verfügt wurden. Der Wunsch der Kommission wird deutlich: progressive (integrierte) Variantenschreibungen möglichst an erster Stelle aufzuführen und gleichzeitig auf die Kennzeichnung von Hauptform (Vorzugsvariante) und Nebenform gänzlich zu verzichten. Das Ziel, Varianten nach eigenem Gusto in die Sprache zu implantieren und schließlich als einzig gültig festzuschreiben, bleibt bestehen, einzig das Hilfsmittel zur Durchsetzung soll geändert werden. Wie dieses allerdings technisch vor sich gehen soll, bleibt offen: Wie soll in einem Wörterbuch mit alphabethischer Gliederung eine bestimmte Variante als erste genannt werden?

Getrennt- und Zusammenschreibung

Bezüglich der Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung wird die Unzulänglichkeit des eigenen Werkzeugs gleich zu Beginn des Kapitels eingestanden: Die in diesem Teilbereich zu treffenden Normierungen haben es mit komplexen Gegebenheiten im Überschneidungsbereich von Grammatik und Semantik zu tun, denen eine orthografische Regelung kaum allseitig gerecht werden kann. Im einem der nächsten Sätze wird festgestellt, worum es geht: eine systematische und zugleich vereinfachende Regelung. Grammatik und Semantik werden der Vereinfachung geopfert, auch wenn die Regel vielfach zum falschen Ziel führt, da sich auch diese formalen Proben in einigen Fällen nicht eindeutig anwenden lassen. Für Bereiche, die sich auf Biegen und Brechen nicht in die selbst vorgegebenen formalen Regeln pressen lassen, gibt es schließlich noch geschlossene Listen. Die Liste für Partikel, die mit Verben trennbare Verbindungen eingehen können, soll auf jetzt 113 Einträge erweitert werden. Welcher Lehrer, geschweige denn Schüler, kann sich diese merken?

Bei einigen Verben soll zur Begründung der Zusammenschreibung auch die Betonung zu Rate gezogen werden: Unter bestimmten kommunikativen Bedingungen, z. B. bei emphatischer Betonung, kann dieses Kriterium jedoch versagen. Der letzte Satz ist nicht von mir erfunden, er steht so im Bericht!

Wie sehr sich die Kommission an die eigene Regeln gekettet fühlt, ist einige Zeilen weiter zu lesen: Alle [...] Ansätze können jedoch nicht befriedigen, da sie mit zentralen Grundsätzen der Neuregelung nicht im Einklang stehen, nach denen [...] die normgemäße Schreibung jedes Einzelfalles aus dem Regelwerk herleitbar [...] sein soll und nach denen verschiedene grammatisch-formale Proben [...] den Vorrang gegenüber semantischen oder anderen Aspekten erhalten haben. Die Schlußfolgerung ist klar: Es besteht kein Änderungsbedarf. Das gilt auch für die betrübliche Regel, daß Wörter, in denen der erste Bestandteil auf –ig, -isch oder –lich endet, weiterhin nicht zusammengeschrieben werden dürfen. Es gelten weiterhin nur das dümmliche „fertig stellen“ oder „selig sprechen“. Als könne man auch etwas „unfertig stellen“.

Im Sonderfall „Substantiv und Verb“ will die Kommission Zugeständnisse machen. Das grammatisch falsche „Leid tun“ soll nun auch „leidtun“ geschrieben werden können, keinesfalls aber das korrekte „leid tun“. Wobei die Kommission auch das Beispiel der Distanzstellung „es tut mir leid“ explizit als nun wieder richtig anführt und die Antwort schuldig bleibt, welche Wortart für das Wort „leid“ jetzt vorliegt. Ein Substantiv kann es ja nicht sein, sonst müßte es ja großgeschrieben werden! Abenteuerlich auch für jeden Grammatiker: Die in der früheren Regelung [...] bestehenden Möglichkeiten [...] mit Kleinschreibung des Substantivs (z. B. diät leben, ich lebe diät) [...] bestehen nicht mehr. Nun ja, es mag sein, daß der Kommission die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist, aber muß sie dieses Unvermögen so offen zur Schau stellen?

Ein weiteres Bauernopfer ist die Kommission bereit zu geben: Wörter wie zeitsparend / ratsuchend / nichtöffentlich soll es wieder geben. Diesem widmet der Bericht ganze zweieinhalb Seiten von etwa fünfzig und läßt die Vermutung zu, daß auch der Schwerbehinderte (statt „schwer Behinderte“) sich wieder eine fleischfressende (statt „Fleisch fressende“) Pflanze zulegen darf. Aber wissen wir es?

Schreibung mit Bindestrich

Die sechs Seiten des Themas „Schreibung mit Bindestrich“ sind wahrlich nicht spannend mit einer Ausnahme. Als mit der Reform der „–Jährige“ geboren wurde, konnte niemand ahnen, daß dieser jetzt einen Bruder bekommen soll: den „-Fachen“. So soll es jetzt geben: das 8fache (neu auch: das 8-Fache). Welches „Problem“ dadurch gelöst wird, ist offen, aber vorsorglich gibt es jetzt schon die „Lösung“.

Groß- und Kleinschreibung

Welche Probleme die Kommission mit der Grammatik hat, wird in diesem Kapitel deutlich. Irgendwann, als wir das Schreiben lernten, haben wir mal gelernt: Ein Hauptwort bezeichnet etwas, was man anfassen kann. Lassen Sie mal den Klauer mit der Luft und dem Weltall beiseite! Es war doch einfach, oder? Grundschule. Spätestens in der vierten Klasse oder so hatte man es drin. Ein Hauptwort (Substantiv) zu identifizieren, bereitet dagegen der Kommission schon einige Mühe: Die gegen die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung vorgetragene [...] Kritik bezieht sich auf verschiedene Problembereiche [...] und resultiert vor allem aus den fließenden Grenzen der Wortart Substantiv. [...] Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel [...] auftreten können [...], kann man auch Adjektive [...] als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist.

Schlußfolgerung: Jedes Adjektiv kann auch als Substantiv (Hauptwort) aufgefaßt werden. Damit soll „zugelassen“ werden: Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Allerdings bleibt ein kleines Geheimnis, warum im Satz „Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt.“ das Wort„klein“ weiterhin kein Substantiv sein soll. So wird es aber im Bericht behauptet. Es steht so drin.

Auch Zahlwörter scheinen der Kommission ebenfalls Kopfzerbrechen zu bereiten. Dabei gibt es schon „interessante“ Ausblicke auf „Änderungsbedarf“ in der Zukunft, wenn die Kommission schreibt: Auch sollte man „ein wenig“ nicht anders behandeln als „ein bisschen“ und „ein paar“, was ebenso für „andere“ in „der eine – der andere“ gilt. [...]Wenn der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist, kann er es nach § 57(1) auch großschreiben, zum Beispiel: Sie strebte etwas ganz Anderes an. Aus welchem Grunde sollte sich ein Schreiber genötigt sehen, etwas „ganz anderes” substantivisch zu sehen? Ein anderer Ausblick: ab wann dürfen wir nicht mehr zwischen einem paar Hemden (gleich einige Hemden) und einem paar Schuhe (gleich linker und rechter Schuh) unterscheiden? Angedroht wird es uns.

Im letzten Absatz zur Groß- und Kleinschreibung stellt die Kommission lakonisch fest: Es besteht im allgemeinen Schreibgebrauch eine offensichtliche Tendenz, feste nominale Wortgruppen [...] vom Typ „rote Karte, schwarzes Brett, großes Los“ durch Anfangsgroßschreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen[...]. Dieses Eingeständnis wird ihr nicht schwergefallen sein, stellt sie sich doch gerne als „Zwischenstaatliche Kommission“ vor. Mit großem Z! Ohne zu begreifen, wofür der Begriff „Nominationsstereotyp“ steht! Man kann auch „feststehender Begriff“ sagen. Zum Thema „Expertentum“ und „Fachsprache“ mehr unter „Worttrennungen am Zeilenende“.

Zeichensetzung

Die erste Erkenntnis der Kommission ist schon alt und steht schon so im sogenannten „Regelwerk“: Satzzeichen dienen dazu, „einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten und ihn dadurch für den Lesenden überschaubar zu machen“. Dem will wohl keiner widersprechen. Die neugewonnene Freiheit, auf Kommas zu verzichten, kommt offensichtlich in den (Grund-)schulen positiv an: Aus den Schulen kommen überwiegend positive Voten, weil die Zeichensetzung leichter zu lernen sei. Wen wundert es! Wer weniger Fehler angestrichen bekommt, freut sich halt. Der Nebensatz „Die Nachrichtenagenturen machen ausdrücklich keinen Gebrauch von der (weit gehenden) Freigabe“, der gut begründet ist, fällt da kaum auf. Das Argument, das diese (die Agenturen) ins Feld führen, um die Lesbarkeit zu erhöhen, beziehungsweise zu erhalten, ist unerwünscht und wird darum nicht erwähnt.

Allerdings wird betont, „dass solche Regelungen dem Wortlaut der amtlichen Regelung nicht widersprechen“. Erstaunlich schon, daß die Weglassung des Kommas dennoch mit folgender Begründung befürwortet wird: Allerdings werden sie der Intention des Regelwerks nicht gerecht, das bei Infinitivgruppen einen differenzierten, kommunikativ ausgerichteten Einsatz des Kommas anstrebt. [...] Professionelle Schreiber/innen nutzen solche Möglichkeiten im Moment noch zu wenig. Das hängt sicher mit ihrem routinierten Umgang mit der früheren rigiden Regelung zusammen. Der halbwegs mit Satzbau und Grammatik umgehende Mensch beginnt hier zu verzweifeln: Was denn nun? Gibt es Regeln für Kommas oder gibt es sie nicht? Kann man sich an Nicht-Regeln halten? Komma-Vermeidung? Man hat einmal gelernt, bei einem Infinitivsatz mit „zu“ ein Komma zu setzen, später dann, wo man es nicht setzen muß. Der erfahrene Schreiber setzt Kommas intuitiv, nämlich da, wo Sprechpausen hingehören: „Ich bitte Euch, mir zuzuhören!“, „Sie bot mir, ohne einen Augenblick zu zögern, ihre Hilfe an.“ „Bitte, komm mir mal zu Hilfe!“. So schwer? Für die Kommission offenbar schon!

Worttrennungen am Zeilenende

Jetzt kommt der wirklich spannende Teil für den interessierten Leser. (Acht Seiten, ein weites zukünftiges Betätigungsfeld für die Kommission!) Zuerst eine Frage zur Kapitelüberschrift: Wo, bitte, außer am Zeilenende, gibt es Worttrennungen? Na ja, man darf ja wohl mal flaxen, oder? Nur wird der Bericht mit diesem Kapitel wirklich zum Cartoon. Dem Leser werden so viele offensichtlich „fachsprachliche“ lateinisierte Begriffe um die Ohren gehauen, daß nur so raucht! Zur Trennbarkeit von „beobachten“ wird angeführt, daß „trotz morphologischer Segmentierbarkeit [...] bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Präfigierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen[fallen], vgl. hin-auf vs. hi-nauf, be-ob-achten vs. beo-bachten. Ich hatte nie ein Problem bei der Silbentrennung von be-ob-ach-ten, hin-auf, hin-ab, her-auf, oder ähnlichem. Sie vielleicht? Zugegeben, die Trennung von „wor-an“, „wor-auf“ und ein paar weiteren Wörtern ist nicht trivial aber erlernbar.

Neuerdings anerkennt die Kommission ein Problem bei der „Abtrennung eines Vokalgraphems“: „Außerdem ergibt sich eine irreführende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes“. Dieser Satz hat schon eine gewisse Würze! Versüßt werden soll er uns mit der neuen Freiheit: Da es obendrein jedem/jeder Schreibenden freisteht, eine bestimmte Trennstelle nicht zu benutzen, besteht kein Änderungsbedarf. Stimmt! Aber die Freiheit nicht zu trennen gab es früher auch schon!

st-Trennung

Danach ergeht sich die Kommission in der Erklärung, warum wir hu-sten und jetzt auch hus-ten trennen können (müssen / sollen?): Die morphologische Segmentierung mag für die Abtrennung des Derivations- resp. Flexionssuffixes sprechen. [...]. Diesen zufolge sind zwei mögliche Silbengrenzen anzusetzen, wenn dem Cluster /st/ ein betontes langes Vokalphonem (bzw. ein Diphthong) oder ein weiteres Konsonantphonem vorausgeht, vgl. z. B.: hu-sten oder hus-ten. Na schön: Insofern trifft Regel § 108 [...] immer eine [...] Silbenfuge, während das alte Trennverbot von [...] die Silbenfuge verfehlte. Statt „Cluster“ hätte man auch von einer Buchstabenfolge reden können (Cluster engl. gleich Anhäufung / Büschel / Haufen), aber englisch hört es sich wohl „professioneller“ an. Bisher heißt es einfach: „Trenne nie st, denn es tut ihm weh!“ Dennoch kam kaum ein Mensch auf die Idee „Hau-stür“ zu trennen, jetzt aber soll es problematisch sein! Man merke auf: Suffigierungen verhalten sich entsprechend: neu-ste oder neus-te. Preisfrage: was sind Suffigierungen? Ob’s ein Kultusminister weiß?

Und jetzt kommt es dicke! Trennungen aus „Konsonantgraphem , insbesondere und sowie „Kombination aus Obstruent- und Sonorantgraphem bei indigenen Wörtern“ scheinen die Fachwelt, besonders die Kommission, arg zu beschäftigen, weil die deutsche Germanistenwelt offensichtlich seit mehr als 100 Jahren darüber geschlafen hat! Hmpf! Aber, wie trennt man „Hmpf“? Die Kommission will uns eine Antwort geben: § 108 sieht bei den Folgen / eine Trennung vor, die sich nicht im Einklang mit der von manchen intuitiv angesetzten Silbenfuge befindet: Angenommene Syllabierung: schrum-pfen Trennung: schrump-fen. [...] Die Präfigierungen „empfangen“, „empfehlen“ und „empfinden“ können nicht ohne weiteres als morphologisch transparent eingestuft werden, zumal semantische Demotivation besteht. Hmpf, um auf’s Beispiel zurückzukommen, ich hätte „emp-fangen“ getrennt. Nun gut, ich muß zugestehen, daß ich ab hier demotiviert war; und zwar nicht wegen einer Trennung, sondern um ab hier überhaupt weiterzulesen. Und ich leide an keiner „semantischen Demotivation“! (Was ist das überhaupt? Ist das erblich?)

Die Kommission vermutet große Probleme: Bei den Folgen / sind absolute Aussagen über Silbengrenzen nicht möglich, da der phonematische Status von in dieser Position nicht eindeutig bestimmt werden kann. Sie vermutet offensichtliche Trennprobleme bei Wörtern wie schrimpfen, rümpfen, schrumpfen, krumpfen („verunglimpfen“ und „Klampfe“ fehlen) und den im Sprachgebrauch der Kommission offensichtlich oft genutzten Wörtern Pampf, Krampf, Gimpf ,und Schimpf. Ab hier fragt man sich, wie sich die Kommissionsmitglieder untereinander anreden.

Einen abschließenden Höhepunkt der „Fachsprachlichkeit für Trennungen“ bildet die kabarettreife Feststellung: Die an sich für das Sonoritätsgefälle indigener Wörter umgekehrte Reihenfolge ergibt sich aus der Synkope des Schwa-Lautes zum Beispiel: knuspern > knusprig, dunkel > dunkle. Es folgert geradezu „zwangsläufig“: Indes ist bei Beachtung [weiterer] phono- und graphotaktischer Restriktionen und Regularitäten für die meisten Cluster in dieser Position eine zweite Silbenfuge anzusetzen, die umso präferierter erscheint, je mehr der folgenden Faktoren zutreffen:
1) Der Cluster ist homorgan.
2) Der Cluster hat keine Entsprechung auf der graphischen Ebene.
3) Es besteht ein geringes Sonoritätsgefälle zwischen den beiden Segmenten des Clusters.
4) Der Obstruent ist stimmlos.

Woraus nach der Schrift der Kommission vor diesem Hintergrund jetzt die Gegenüberstellung folgt: a-tmen <> at-men, Ra-dler <> Rad-ler. Wer hatte bei diesen Wörtern jemals Schwierigkeiten zu trennen? Abschließend steht der Satz: „Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass die Syllabierungsregeln sehr vielschichtig sind. Fast immer liegt aber eine (oftmals präferierte!) Silbenfuge unmittelbar vor dem Liquid-/Nasalphonem.“

Ich stelle hiermit öffentlich fest, daß mein Obstruent weder stimmlos noch homorgan ist. Er hat auch keine Entsprechung auf der graphischen Ebene!

– geändert durch Karsten Bolz am 10.02.2004, 10.39 –
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