Seit Beginn der Reformdiskussion vertrete ich die Maxime: Was die Grammatik erlaubt, kann die Orthographie nicht verbieten. So steht es u. a. in meinem Beitrag in der FAZ vom 14.11.1997, und ich wollte damit Schreibweisen wie Rad fahren gegen den alten Duden (in orthodoxer Auslegung) verteidigen.
Nun könnte man fragen, ob das Umgekehrte ebenfalls gilt: Was die Grammatik verbietet, kann die Orthographie nicht erlauben.
Die Frage ist nicht ganz unwichtig, weil ein großer Teil unserer stärksten Einwände gegen die Neuregelung ja darauf beruht, daß die neuen Schreibweisen grammatisch falsch sind: sehr Besorgnis erregend, Bankrott gehen usw.
Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, daß formelhafte Wendungen entgegen ihrer (dadurch verdunkelten) grammatischen Struktur geschrieben werden wie an einem Bauwerk ein funktionslos gewordenes Detail gleichsam als Schnörkel weiterlebt.
Kann man sich z. B. so sehr an Leid tun gewöhnen, daß man daran keinen Anstoß mehr nimmt, sondern allenfalls nach einiger Besinnung sagt: Also eigentlich müßte das ja klein geschrieben werden, aber es ist nun mal der Usus, es groß zu schreiben?
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Th. Ickler
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