Re: Re: getrennt oder zusammen?
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Georg Zemanek
Algorithmen sind präzise Verfahren. ... Die in einer Sprachgemeinschaft gewachsenen Muster einer Sprache sind im allgemeinen keine Algorithmen.
Zunächst einmal: Sie haben mir ganz schön zu knacken gegeben, indem Sie eine Menge Begriffe in den Ring geworfen haben.
Vereinfacht gesagt ist der Algorithmus wie ein Fadenschiffchen, das sich in einem Webstuhl auf bestimmte Weise präzise bewegt. Aus dem Ergebnis dieser Bewegung entsteht das gewünschte Muster.
Ein Algorithmus kennt definitionsgemäß keine Ausnahmen. Da aber keine Regel der Sprache ohne Ausnahme ist, müssen wir eher von Mustern sprechen
Hier sollten wir zwischen dem Algorithmus und der Regel unterscheiden. Ich will wieder bei den gemeinverständlichen Dingen bleiben. Ein Algorithmus ist ein getaktetes endliches Verfahren, dessen Wirken z. B. beim Fortschreiten der Ziffern einer Uhr beobachtet werden kann. Das Ergebnis ist die präzise Zeitanzeige. Ein Algorithmus steckt auch in den Rechenoperationen, die uns z. B. das Apfelmännchen auf dem Computerbildschirm bescheren. Das Merkmal eines Algorithmus ist sein Anfangswert und die Endlichkeit seiner Operationen, die es auch ermöglicht, mit dem aus der Fertigstellung der Operationen gewonnenen Ergebnis die bekannten Operationen ständig zu wiederholen (sog. Iteration). Das Muster aus dem jeweils letzten Ergebnis wird dadurch immer deutlicher aber auch feinfransiger. In einem herstellenden System, wie es unser Gehirn ist, können viele Algorithmen vorhanden sein, die jeweils einen unterschiedlichen Anfangswert benutzen. Jeder dieser Algorithmen erschafft als Funktionssystem andere Muster. Bei Algorithmen kann es sich sowohl um solche der Verarbeitung als auch der Bewertung handeln.
Eine Regel ist kein Funktionssystem sondern die Beschreibung des Verhaltens eines Funktionsbestandteiles. Sie kann nicht definiert werden, wenn sie keine Ausnahme kennt. Eine Regel ist z. B. das Ergebnis, das der kleine Zeiger einer Uhr produziert. Der kleine Zeiger alter Uhren ruht, bis der große Zeiger die 12 erreicht hat. Dann springt der kleine Zeiger auf die nächste Stunde, z. B. von der 11 auf die 12. Man kann also sagen, die Regel ist, daß der kleine Zeiger still steht, bis er springt. Die präzise Regel ist, daß der kleine Zeiger 60 Minuten still steht, weil dann die Ausnahme erscheint, daß er springt. Eine andere Beschreibung derselben Erscheinung ist, daß der kleine Zeiger um eine Ziffer weiter springt, wenn der große Zeiger 60 Minuten Laufzeit hinter sich hat. Doch das ist keine Regel, sondern eine Verhaltensbeobachtung. Auf eine Verhaltensbeobachtung kann man eine Regel nur gründen, wenn man ihre Funktion nachweist. Regeln beschreiben nicht den Algorithmus, sondern dessen Schritte.
Dies vorausgeschickt kann man sagen, daß zwei Worte zusammen geschrieben werden, wenn eine Bedeutungsergänzung eintritt. Diese wenn-Aussage muß als weil-Aussage wiederholt werden können, um eine Regel zu bilden. Wir können sagen, weil eine Bedeutungsergänzung eines Wortes eintreten soll, wird das Wort mit einem anderen Wort oder einer Silbe zusammengeschrieben. Das können wir sowohl bei Adverbien, Tätigkeiten als auch bei Substantiven feststellen (reu-mütig, fallen-lassen, Königs-Thron). Die Regel gilt aber anscheinend nicht für (mit jemandem) radfahren versus (mit jemandem mit dem) Rad fahren. Das Wort radfahren hat eine vollkommen neue Bedeutung erfahren. Es muß also eine andere Regel gelten oder ein Algorithmus wirken.
Ob Sprache einen Algorithmus hat, ist aber bei der Diskussion auch nicht wichtig, da wir Regeln finden wollen.
Jedenfalls sehe ich die zwingende Notwendigkeit eines strukturorganisierenden Mechanismus nicht ein: Muster, die sich in der Sprachgemeinschaft bewährt haben, werden wiederverwendet
Bei jeder Beschreibung existiert die Schwierigkeit, mit Begriffen, mit denen wir die gegenständliche Welt darzustellen gewohnt sind, mangels passenderer Begriffe in anderen Gegenwartsbereichen operieren zu müssen. Hinzu kommt der Unterschied einer engen Begrenzung der Begriffe in Fachkreisen und die erweiterte Bedeutungsübertragung der Begriffe in das Denken von Laien.
Muster entstehen nicht von ungefähr. Sie werden von irgendetwas erzeugt, hergestellt und vervollkommnet. Jeder Algorithmus erzeugt Muster. Muster entstehen allein durch Bewegung, deren grobe Umrisse ein geschultes Auge beim Gleiten des Weberschiffchens auch ohne Faden erkennen kann. Algorithmische Bewegungen haben eine bestimmte Reihenfolge. Diese könnte in Bezug auf Sprachbildung grob gesagt sein: klassifiziere was gegeben ist, kombiniere was paßt, binde was zusammengehört, das heißt, klassifiziere alle Laute, kombiniere A mit B, binde AB usw., neue Reihe: klassifiziere alle Bindungen, wenn neuer Anfangswert AB, dann binde A, wenn Anfangswert BA, dann binde B. Wenn alle möglichen 2er-, 3er- und 4er-Bindungen kombiniert und klassifiziert sind, dann Sprung zu neuer Ebene, z. B. dem Satzbau. Der Algorithmus bleibt derselbe, auch sein Ergebnis. Es wird nur genauer und facettenreicher: Bei der Wortbildung bindet er Laute unterschiedlicher Stimmlage im Verhältnis ihrer Bedeutung zusammen, und grenzt ein Wort vom anderen Wort ab, beim Satzbau setzt er mehrere abgegrenzte Worte in ein Verhältnis der Bedeutung und grenzt den Satz von einem anderen Satz ab. In jedem Fall entstehen Muster, aus Kombination der etwa 20 bis 40 Laute mit Lautungen nach einem 3er-, 4er- oder 5er-Pack (Haus(4)-halt(4), Samm-(4)lung(4), ehe(3)-lich(3)).
Das Muster verweist auf seine Bedeutungskörper selbst. Bedeutung erschließt sich bereits über rudimentäre Muster, wenn man mit den zugrundeliegenden Strukturkörpern Erfahrung hat (Die Bedeutung eines Strich-Häuschens mit Spitzdach kann derjenige nicht erkennen, der in Kugelhäusern wohnt. Die Bedeutung des Wortes Haus kann derjenige nicht erkennen, der nur französisch spricht). In der Praxis müssen Muster zudem vom Hintergrund abstrahiert werden, um aus der Bedeutung Sinn zu erzeugen (z. B. das Muster in einem Stoff gibt nur dann Sinn, wenn es farblich oder strukturmäßig vom Untergrund abgehoben ist. Ohne diese Abgrenzung könnten wir es nicht erkennen. Gleiches gälte für Sätze, die keine Lautunterbrechungen hätten).
Wir können zwar vom Muster einer Sprache sprechen; aber wichtig ist, herauszufinden, wie es zu diesen Mustern kommt.
Was die Refomer (früher oft auch der Duden) nicht begreifen: Die Verwendung(shäufigkeit) in der Schriftsprache bestimmt die Regel, nicht umgekehrt!
Das sähe ich genauso, wenn Sie anstatt Regel das Wort Schreibung benutzen. Zu dumm, daß der Auftrag der KMK (sofern das stimmt) die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Schreibung war. Die RSK war also gezwungen, Vereinfachungsregeln zu finden. Da man aber Regeln nicht leicht finden kann, wurden sie kurzerhand gesetzt. Wie aber oben dargelegt, kann man Regeln nicht einfach setzen, da sie entweder Bestandteil eines bestehenden Funktionssystems sind, oder zwischen bestehenden Systemen als flexible Puffer oder Schutzzonen sorgfältig eingesetzt werden müssen.
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Monika Chinwuba
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