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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
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Theodor Ickler
08.03.2003 16.16
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Zwei Erklärungen der DASD

Erklärungen der Deutschen Akademie zur Rechtschreibreform




Erklärung (1)

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung würde es begrüßen, wenn Zwischenstaatliche Kommission und Duden bereit wären, mit dem Rückbau der Rechtschreib-reform zu beginnen. Es ist höchste Zeit!
Die in zahlreichen Publikationen zum Ausdruck kommende Unsinnigkeit, Widersprüchlichkeit und Unverständlichkeit vieler der neuen Regeln ist für den sensiblen Leser schwer erträglich. Hausorthographien verringern zwar manchen Schaden, tragen aber in ihrer Vielfalt zur Verwirrung bei.
Wir halten es für ungut, daß immer mehr Verlage die neue Schreibung mit immer neuen Varianten übernehmen. Wir vermögen nicht einzusehen, warum den zuständigen Ministern so viel daran liegt, sich weiterhin dem Gespött der Sprachgemeinschaft auszusetzen.
Wir empfehlen dringend, die nach Meinung der Kommission „unumgänglich notwendige“ Reform schleunigst in Angriff zu nehmen. Da dies jedoch aus politischen Gründen nur insgeheim, und indem man sich von Kompromiß zu Kompromiß forthangelt, möglich wäre, scheint der bessere Weg der der Selbsthilfe, anders gesagt, der Zivilcourage der Zivilgesellschaft angesichts staatlicher Hilflosigkeit zu sein. Warum kehrt nicht mindestens eine große Tageszeitung zur alten, rechten Schreibung zurück? Das wäre ein Signal. Damit wäre ein neuer Ausgangspunkt gegeben.
Sich in neuer Schreibung über die neue Schreibung aufzuregen, gerät leicht ins Ridiküle.

Wir bitten herzlich, diesen Text, gegebenenfalls, nur in der Schreibung, in der er abgefaßt ist, abzudrucken.

Darmstadt, den 26. Juli 2000



Erklärung (2)

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung appelliert an alle Zeitungen, Verlage, Betriebe und staatliche Stellen, der Rechtschreibreform endlich, und ohne lange zu fackeln, das wohlverdiente Ende zu bereiten.
Diese Reform war von Anfang an eine Mißgeburt. Man braucht das nicht eigens zu begründen. Das einhellige Votum der führenden Fachleute, wonach sie auf den Schrotthaufen gehöre, genügt. Doch kann man auch die von den Ministern eingesetzte Kommission zitieren, für die wesentliche Änderungen der Reform „unumgänglich notwendig“ sind.
Die einzige veröffentlichte Untersuchung über die Auswirkungen auf die Schule kommt zu einem negativen Ergebnis. Nach all den Manipulationen, die man im Laufe der Zeit erlebt hat, kann man gegenüber anderslautenden Bekundungen aus den Ministerien nur mißtrauisch sein: zumindest haben sie der Öffentlichkeit die Belege dafür vorenthalten. Und jedenfalls können die Erleichterungen beim Erlernen der Schrift bestenfalls minimal sein.
Ob der Staat wirklich – im Gegensatz zur gesamten deutschen Tradition mit Ausnahme des NS-Ministers Rust – die Kompetenz beanspruchen darf, tiefer in die Rechtschreibung einzugreifen, mag zu fragen sein. Aber daß es ein Unding war, gegen den in vielen Umfragen eindeutig zum Ausdruck kommenden Willen der weit überwiegenden Mehrheit der Sprachteilnehmer eine Änderung der Schrift per Octroi durchzusetzen, ist nicht zu bezweifeln.
Angesichts der schlechten Qualität des neuen Regelwerks war eine Vielfalt verschiedener Hausorthographien abzusehen, ein langfristiges Nebeneinander unterschiedlicher Schreibungen, also eine Menge Verwirrung, gerade auch für die Schüler. Denn Schreiben lernt man ja weitgehend in der Praxis des Lesens.
Wenn jetzt von seiten der Ministerien behauptet wird, bei Rücknahme der Reform entstünde Verwirrung an den Schulen, so kann es sich nur um ein kurzfristiges Durcheinander handeln. Das aber ist allemal einem langfristigen vorzuziehen.
Wenn bei Rücknahme der Reform Schüler ihre eigenen Schulbücher zunächst korrigieren müssen, so ist erstens Freude damit verbunden, zweitens lernen sie dabei das Schreiben besser, drittens aber fördert es die demokratische Kompetenz, wenn ihnen früh die Erkenntnis beigebracht wird, daß der Staat, wo er seine Kompetenz überschreitet (indem er meint, dem Volk diktieren zu können, daß es etwa hunderte von Wörtern nicht gibt oder das Schneuzen von Schnauze kommt), scheitern muß. Man kann auch nicht zu früh darauf gebracht werden, daß nicht Reformen als solche gut sind, sehr wohl aber solche, die Verbesserungen bringen – und sei es dadurch, daß ein vernünftiger Zustand wiederhergestellt wird.
Wenn schließlich Minister veranlassen, daß Kindern eine Schreibweise beigebracht wird, von der abzusehen ist, daß sie spätestens 2005 stark verändert wird, so ist das, gelinde gesagt, auffällig.
Da sich die Minister aber einmal verrannt haben, muß ihnen die – von Bundeskanzler Schröder so gern beschworene – Zivilgesellschaft zu Hilfe kommen. Indem die, die schon umgestellt haben, die alte, bewährte Schreibung wieder einführen, hätten die Minister, wenn sie klug sind (womit man doch rechnen sollte) die Chance, unter dem Motto „Der Klügere gibt nach“ die Reform aufzugeben. Damit wäre deren Agonie abgekürzt.
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Debatte um die Reform, daß man weithin gar nicht für möglich gehalten hat, was man auch nicht für möglich halten sollte, daß nämlich Kultusminister derart auf Abwege geraten können. Doch war und ist es der Fall. Solch ein Mißstand gehört aufgehoben; so rasch wie möglich. Daher unser dringender Aufruf, die Einheit der deutschen Schreibung zu retten.

Darmstadt, 3. August 2000



Stand: 17. Dezember 2002
Fragen oder Stellungnahmen zur Arbeit der Deutschen Akademie richten Sie bitte an das Sekretariat. Adresse unter Organisatorisches, e-mail:
sekretariat@deutscheakademie.de – zum Aufbau der Homepage bitte an Michael Assmann, email: webmaster@deutscheakademie.de

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Th. Ickler

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Martin Reimers
08.03.2003 11.31
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Teurer

Nun, dann können wir in der Hoffnung auf eine größere öffentliche Auseinandersetzung schon einmal die Federn spitzen. Das ist in jedem Fall ein Lichtblick.

Die Hauptargumente zu dem „Kompromist“ (R. Markner) hat Theodor Ickler schon benannt – eine abermalige Kostenlawine und die vorauszusehende geringe Akzeptanz. Die Umfragen zeigen ja, daß eine (offizielle) Reform der Reform am allerwenigsten gewünscht wird. Die Vorstellung, daß auf diesem Wege eine einheitliche und allgemein akzeptierte Rechtschreibung zustande kommt, ist vollkommen abwegig.

Wie Herr Markner ja schon vor längerer Zeit anregte, sollten wir uns jetzt vor allem auf die Nachteile der reformierten S-Schreibung konzentrieren, die voraussichtlich im Zentrum der neuerlichen Revision steht – bzw. auf ihren einzigen unstrittigen Vorteil: sie ist und bleibt das für jedermann erkennbare Kennzeichen schlecht redigierter und mißverständlicher Texte und sollte das bis zur endgültigen Rücknahme des Experiments auch bleiben.

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Martin Reimers

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Theodor Ickler
07.03.2003 18.58
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Inzwischen

Ob dies nun die große Stunde Peter Eisenbergs wird, steht dahin. Aufs neue wird klar, daß die DASD ihr ursprüngliches Konzept verlassen hat und nicht mehr den Duden „auskämmen“ will (wie Meier einst so schön gesagt hat), sondern die Neuregelung als Ausgangspunkt akzeptiert. Das geht auf Eisenberg zurück, der als frischgebackenes Akademiemitglied offenbar den damaligen Präsidenten Meier von seiner Position überzeugen konnte.
Ich will diesen sonderbaren Punkt etwas herausarbeiten: Im Einladungsschreiben heißt es, „inzwischen“ sei eine Rückkehr nicht mehr möglich. Im ersten Kompromißvorschlag 1999 hatte es aber schon fast genauso geheißen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1998 verkündete Eisenberg in der Lehrerzeitschrift „Praxis Deutsch“ (153, 1998), „jetzt“ komme es darauf an, mit der Neuregelung zu leben – die er im gleichen Aufsatz in Grund und Boden kritisierte. Und bei der Mannheimer Anhörung im Januar 1998 behauptete Eisenberg, eine Rückkehr sei nicht möglich, weil sie eine „kulturpolitische Katastrophe“ (!) bedeuten würde. Ja, sogar schon Anfang 1996, zweieinhalb Jahre vor dem Inkrafttreten, schärfte Eisenberg den deutschen Lehrern in einer Cornelsen-Broschüre ein, die Reform sei nicht mehr abzuwenden und „jetzt“ komme es nur noch darauf an, sie möglichst glimpflich umzusetzen – wozu er denn auch gleich einen tüchtigen Beitrag leistete.

Wenn unter „Status quo ante“ auch das Duden-Privileg und die ganze Duden-Haarspalterei zu verstehen ist, dann will niemand die Rückkehr. Aber die DASD hat auf der Frühjahrstagung 1997 in Passau auf Anregung ihres Präsidenten einmütig beschlossen, sich für die Beibehaltung der bisherigen Rechtschreibung – jedoch ohne Duden-Privileg und nach besagter Auskämmung – einzusetzen. Bezeichnenderweise wird diese Möglichkeit seit dem Hinzukommen Peter Eisenbergs überhaupt nicht mehr erwähnt.

Wie hier nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, läuft jeder „Kompromiß" auf eine weitere Reform hinaus und ist daher die kostspieligste Lösung, dabei durchaus ohne Gewähr allgemeiner Akzeptanz. Warum die bewährte Rechtschreibung, wie sie von seriösen Verlagen (z. B. Wallstein!) noch weithin benutzt wird, auf einmal nicht mehr taugen und eine „Rückkehr“ nicht möglich sein sollte, wird mit keinem Wort begründet.
– geändert durch Theodor Ickler am 10.03.2003, 15.04 –
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
07.03.2003 18.42
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Zweiter Kompromißvorschlag der DASD

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

Einladung zur Buchvorstellung

„Zur Reform der deutschen Rechtschreibung. Ein Kompromißvorschlag“
Hrsg. v. d. Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Wallstein Verlag, Göttingen

Sehr geehrter Herr ...

sechs Jahre, nachdem die neue Rechtschreibung im Schulunterricht eingeführt, dreieinhalb Jahre, nachdem sie in den meisten Tages- und Wochenzeitungen übernommen worden ist, wird man eines feststellen können: Es sieht nicht danach aus, daß sie in irgend absehbarer Zeit das Feld behaupten wird.
Vielmehr scheint, wenn man den Dingen ihren Lauf läßt, das Nebeneinander von herkömmlicher Schreibung, neuer Schreibung und verschiedenen Hausorthographien sich zu verstetigen – um von den verschiedenen Mischungen abzusehen, die sich ziemlich oft dort finden, wo nicht Rechtschreibprogramme für Konsequenz sorgen.
Die Deutsche Akademie hält dies für ungut. Sie meint, daß man versuchen sollte, wieder zu einer einheitlichen Schreibung zu gelangen. Dazu bedarf es, ihrem Urteil zufolge, eines Kompromisses.
Da es uns inzwischen unmöglich zu sein scheint, einfach zum Status quo ante zurückzukehren, müßte er zum einen darin bestehen, alles, was an der neuen Schreibung sinnvoll oder ohne nennenswerten Schaden hinnehmbar ist, zu übernehmen. Zum andern müßte er überall dort, wo die neuen Regeln gravierende Mängel aufweisen – etwa sinnvolle Differenzierungsmöglichkeiten, Freiheiten der Schreibung und Wortbildungsmuster beseitigen wollen oder mit der Grammatik auf Kriegsfuß stehen –, einen Rückbau respektive neue, bessere Lösungen vorsehen.
Einen Vorschlag dazu (samt Wörterliste) hat die Akademie erarbeitet. Er wird vorgestellt auf der

Leipziger Buchmesse
am 21. März, 12.00 Uhr
Messegelände
„Pressekonferenzraum im Verwaltungsgebäude“

Wir möchten Sie herzlich dazu einladen. Da die Fronten zwischen Verfechtern und Gegnern der Reform (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen) sehr verhärtet sind, wird viel darauf ankommen, wie der Vorschlag in der Öffentlichkeit aufgenommen wird.

Mit besten Grüßen

gez.

Prof. Dr. Klaus Reichert
(Präsident)
Prof. Dr. Christian Meier
Prof. Dr. Peter Eisenberg

März 2003

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Th. Ickler

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Reinhard Markner
11.04.2002 11.23
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Erledigt

Die Zwischenstaatliche Kommission, vertreten durch ihren Vorsitzenden, hat nun die inkriminierte Behauptung »mit Bedauern« zurückgezogen und die Empfänger ihres Berichts davon in Kenntnis gesetzt. Damit ist die Angelegenheit für uns erledigt.

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Manfred Riebe
26.03.2002 23.13
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1998

„bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 12. Mai 1988“???
Richtig: am 12. Mai 1998.

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Reinhard Markner
26.03.2002 22.48
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Keine »Auftragsarbeit«

Herrn Prof. Dr. Gerhard Augst, dem Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, ist heute folgender Text zugegangen, verbunden mit der Aufforderung, die durch diese Erklärung als falsch erwiesene Behauptung im 3. Bericht der Kommission zu widerrufen :

***

DEUTSCHE AKADEMIE FÜR SPRACHE UND DICHTUNG
DER PRÄSIDENT

Erklärung

Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner haben weder die Forschungen, deren Ergebnisse sie in ihrem Buch »Rechtschreibreform und Nationalsozialismus« vortragen, im Auftrag der Akademie unternommen, noch haben sie ihr Buch im Auftrag der Akademie geschrieben.

Ich habe vielmehr von ihren Untersuchungen und ihrem Buch (und ihrer Existenz) erst erfahren, als das Buch im wesentlichen fertig war. Da haben sie es mir zur Kenntnis gegeben, wobei sie die Frage anschlossen, ob ich ihnen bei der Suche nach einem Verlag behilflich sein könnte. Ihr Schreiben datiert vom 15. April 2000, meine Antwort vom 19. April 2000. Ich fand die Ergebnisse ihrer Untersuchungen hochinteressant, weit über die Rechtschreibreform hinaus, und habe der Publikationskommission am 23. Juni 2000 vorgeschlagen, das Buch unter die Veröffentlichungen der Akademie aufzunehmen. Ich habe den Autoren kritische Bemerkungen und redaktionelle Hinweise geschickt, sie haben auch selbst nachträgliche Funde in das Manuskript eingearbeitet. Es ist im einzelnen also noch verbessert worden. Aber auch dabei hat es keinerlei Auftrag der Akademie, geschweige denn einen Vertrag oder eine Honorierung der Autoren gegeben (was bei Aufträgen doch eigentlich üblich ist). Dies alles ist aktenkundig und leicht nachzuweisen. Ich wäre aber auch bereit, es zu beeiden.

Anfügen möchte ich, daß ich es sehr interessant finde, daß mir von verschiedenen Seiten aus dem Umkreis der »Reformer« ein »Rehabilitationsbedürfnis«, ein Wunsch nach »Wiederherstellung meiner Ehre« oder gar nach »Rache« unterstellt wird, etwa in einer Presseerklärung des Herrn Zabel oder einer Rezension des Herrn Knobloch. Offenbar meint man, daß ich bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 12. Mai 1998 in meiner Ehre verletzt worden sei. Es ging mir in meiner Stellungnahme dort darum, daß (von einem vorübergehenden Einzelfall [Hannover] abgesehen) in Deutschland staatlicherseits nie tiefere Eingriffe in die Rechtschreibung unternommen worden sind – außer 1944 und 1996. Diese Aussage war damals so richtig wie heute, nur daß man dank Birken-Bertsch und Markner inzwischen manches etwas genauer weiß. Daß sie der Vorsitzenden der KMK unbequem war, ist verständlich. Aber es ist mir völlig unbegreiflich, daß man – außer als braver Untertan, als der ich mich aber nie gefühlt habe – sich zu rehabilitieren bemüßigt sehen könnte, wenn man den Unwillen einer Kultusministerin erweckt hat. Und ehrenrührig sollte es schon gar nicht sein, etwas zwar Unbequemes, aber Richtiges vor einem deutschen Gericht gesagt zu haben. Für mich jedenfalls war dieser Gedanke, als ich von ihm erfuhr, überraschend. Um es zu wiederholen: Ich finde es sehr interessant, daß mir dergleichen von diesen Herren unterstellt wird!

gez. Prof. Dr. Christian Meier, 28. Februar 2002
– geändert durch Reinhard Markner am 28.03.2002, 10.56 –

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Theodor Ickler
30.12.2001 02.36
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Keine Reaktion

Mir ist keine Reaktion bekannt. (Meine eigene steht jetzt in „Regelungsgewalt“.)
Inzwischen hat die Akademie ja für den Herbst 2001 einen neuen Kompromißvorschlag angekündigt, der wohl auf der Linie des alten liegen sollte, aber der Herbst ist verstrichen und keine Vorlage erschienen.
Die seinerzeit gegründete eigene Rechtschreibkommission der Akademie hat sich alsbald selbst demontiert und besteht wohl gar nicht mehr.
Die Akademie hatte sich im Frühjahr 1998 zunächst meinen (auf der Frühjahrstagung in Passau vorgetragenen) Vorschlag zu eigen gemacht, ein Akademie-Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung herauszubringen; daraufhin wurde auch jene Kommission gegründet. Einige Zeit danach entschied sie sich jedoch, die Sache dem neugewählten Mitglied Peter Eisenberg zu übertragen. Dessen Handschrift ist im Kompromißvorschlag ja auch deutlich zu erkennen.
Warum so wenig daraus geworden ist? Teils liegt es am Zauber des Wortes „Kompromiß" – man verstand nicht, daß die vollständige Wiederherstellung der bisherigen Rechtschreibung die sanftere Lösung wäre. Teils auch an den gespaltenen Loyalitäten einzelner Personen, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Die Akademie wird ihrem Namen nicht gerecht. Sie ist und bleibt ein träger Haufen meist älterer Herrschaften, der außer zu den rountinierten Preisverleihungen kaum in Erscheinung tritt. Die Veranstaltungen sind spärlich besucht, irgendwelche größeren Projekte werden nicht betrieben. Der tatkräftige Präsident steht ziemlich allein.

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Th. Ickler

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Jörg Metes
29.12.2001 23.21
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Gab's Reaktionen?

Von seiten der Reformer? Oder der Kultusminister? Hat irgendwer damals Stellung genommen? Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ist ja keine x-beliebige Institution.
__________________
Jörg Metes

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Theodor Ickler
28.12.2001 14.25
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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Darmstadt, im Februar 1999

Vorschlag zur Neuregelung der Orthographie

Angesichts des nach wie vor lebhaften Streits um die künftige deutsche Rechtschreibung sowie der weiterhin bestehenden großen Unsicherheit legt die Deutsche Akademie hier einen Vorschlag vor, der zum Ziel hat, die Einheit der deutschen Rechtschreibung wiederherzustellen.

Wir teilen viele der Einwände gegen die „Reform“. Wir finden, daß dem Staat die Legitimation zu tieferen Eingriffen in die Rechtschreibung, wie sie in der Neuregelung zum Teil versucht werden, fehlt. Wir meinen, daß die seit Jahren unvermindert dokumentierte Ablehnung der Reform durch mehr als zwei Drittel der Wählerschaft, wie sie auch im Volksentscheid in Schleswig-Holstein zum Ausdruck kam, hätte respektiert werden müssen. Und wir haben Verständnis dafür, daß man sich als Bürger durch diesen Oktroi, dessen Nutzen überdies zumindest zweifelhaft ist, verletzt fühlt.

Doch finden wir auch, daß die Einheit der deutschen Rechtschreibung hoch zu schätzen ist, eine Einheit, die nie vollständig gegeben sein kann, bisher aber sehr weitgehend verwirklicht war. Und wir meinen, daß das Problem der Rechtschreibung nicht weiterhin so viel Aufmerksamkeit und Kraft absorbieren sollte wie in den letzten Jahren; sei es im Streit, sei es in der Ratlosigkeit vieler Schreibender, nicht zuletzt von Lehrern und Schülern, angesichts zahlreicher Widersprüche und Mängel der neuen Regeln. Es ist Zeit für einen Versuch, dem Konflikt ein Ende zu setzen.

Unser Vorschlag geht angesichts der Machtverhältnisse von der Neuregelung aus und übernimmt von ihr nicht nur, was sinnvoll, sondern auch, was ohne nennenswerten Schaden hinnehmbar ist. Andererseits bezeichnet er aber das, was nicht akzeptiert werden kann, was also zurückgebaut werden muß.

Die deutsche Rechtschreibung ist sich auch in unserm Jahrhundert nie ganz gleichgeblieben. Stets war es notwendig, die Schreibnorm bei einzelnen Wörtern an Veränderungen des Schreibgebrauchs anzupassen. Freilich waren diese Veränderungen von einer Auflage des Dudens zur andern sehr gering; sie richteten sich im allgemeinen nach weitverbreiteten beobachtbaren Tendenzen in der Schreibgemeinschaft, die, im Zweifel eher zögernd, von Fall zu Fall bestätigt wurden.

Angesichts einiger Widersprüchlichkeiten und Spitzfindigkeiten, die sich im Laufe der Zeit in den Duden eingeschlichen haben, kann es geboten sein, einmal etwas mehr zu tun, nämlich in einem Akt diese Widersprüche und Spitzfindigkeiten auszukämmen und auch die Regeln neu zu formulieren. In diesem Sinn enthält die „Reform“ nach unserm Urteil durchaus brauchbare Ansätze. Es wäre falsch, sie nicht zu übernehmen.

Doch halten wir es für unangebracht, der „Reform“ auch dort zu folgen, wo sie gravierende Mängel aufweist, nicht zuletzt deswegen, weil das wenig Aussicht hätte, angenommen zu werden. Wohlvertraute Wörter (wie Handvoll) können nicht abgeschafft (und aus den Lexika, schon gar nicht aus denen für Fremdsprachige eliminiert) werden. Sinnvolle Ausdrucksmöglichkeiten, ja Wortbildungsmuster dürfen nicht aufgegeben werden. Unnötige Widersprüchlichkeiten, die die Reform ihrerseits hervorbringt, sollten beseitigt, bisherige Freiheiten der Schreibung dort aufrechterhalten werden, wo neue Festlegungen unsinnig wären. Auch evidente Dummheiten muß sich eine Sprachgemeinschaft vom Staat nicht auferlegen lassen. Schließlich sollte die Schrift nicht unnötig die Gebote der Ästhetik und Leserfreundlichkeit verletzen.

Der Vorschlag, der sich auf diese Weise ergibt, übertrifft zwar das Ausmaß der Veränderungen, die gewöhnlich von einer Auflage des Dudens zur andern vorgenommen worden sind. Doch halten sie sich im Rahmen vorsichtiger Korrekturen und stehen nicht im Widerspruch zu langfristigen Tendenzen des Schreibgebrauchs. Insbesondere sind sie nicht so groß, daß man sich daraufhin veranlaßt sehen könnte, vorliegende Texte (Schöne Literatur, wissenschaftliche Abhandlungen, Gesetzestexte und Kommentare etc.) bei Neuauflagen zu verändern.

Die größte Zahl von Veränderungen gemäß der „Reform“ bringt der Wechsel von ß zu ss nach kurzem Vokal mit sich. Das wäre hinnehmbar. Übernimmt man diese Regelung, so würde sich in neu gesetzten Schulbüchern eine große Zahl von Korrekturen erübrigen, andererseits wäre es nicht nötig, die nach der herkömmlichen Schreibung gesetzten Bücher bei Neuauflagen zu verändern. Denn das Nebeneinander der deutschen ß- und der – noch weitergehenden – schweizerischen ss-Schreibung hat ja auch bisher keine größeren Schwierigkeiten bereitet. Hier müßte sich also zwar der Schreibgebrauch in eher kurzer Frist ändern, alles übrige aber könnte man der Zeit überlassen.

Im übrigen aber sind die vorgeschlagenen Neuerungen so geringfügig, daß sie, was das alltägliche Schreiben angeht, kaum über die ohnehin stets gegebene Variationsbreite hinausgehen. Zudem betreffen sie weithin Fälle, über die schon bisher keine völlige Klarheit bestand.

Daher hoffen wir, daß unser Vorschlag von den verschiedensten Seiten übernommen werden kann. Diese von der Sache her verantwortbare Lösung sollte sowohl dem Grundanliegen einer Reform wie den Interessen der Leser und Schreiber, aber auch denen der Verlage und nicht zuletzt der Steuerzahler gerecht werden.

Wir empfehlen, die neue amtliche Schreibung, so weit sie schon eingeführt ist, in kurzer Frist im Sinne dieses Vorschlags zu revidieren. Damit würden vielerlei ganz unnütze Irritationen erspart, weitere Auseinandersetzungen – und Volksbegehren – erübrigt und das Erlernen der komplizierten Teile der Rechtschreibung, das erfahrungsgemäß vor allem anhand von Lektüre erfolgt, erleichtert. Und es würde eine empfindliche Störung der Einheit der deutschen Rechtschreibung beseitigt.

Der Text richtet sich aber vor allem an die Öffentlichkeit, Zeitungen, Verlage, nicht zuletzt die Beamten und Angestellten von Behörden, die vor der Frage stehen, wie weit sie die hoheitlich angeordnete, in sich vielfach widersprüchliche, wenig sinnvolle, also nicht leicht anzueignende neue Schreibung übernehmen sollen.

Insgesamt ist zu berücksichtigen, daß die neuen amtlichen Regelungen nur begrenzte Bereiche der Rechtschreibung betreffen, dort freilich zum Teil einschneidend sind. Der Text nimmt auf fast alle Fragen Bezug, die umstritten sind. Er folgt im Aufbau dem neuen Regelwerk. Gegebenenfalls korrigiert er dessen Anordnungen respektive schlägt er andere Lösungen vor.

So wie der Vorschlag jetzt vorgelegt wird, enthält er das Konzept. Es soll demnächst durch eine Wörterliste ergänzt werden, aus der hervorgeht, welche der vorgesehenen Neuschreibungen zu übernehmen sind und welche nicht. Wir halten es aber für richtig, dieses Konzept schon jetzt zu veröffentlichen, um eine Fortsetzung des Streits, eine Verlängerung der Ratlosigkeit und vorschnelle Umstellungen auf eine Schreibung, die kaum einem einleuchtet, vermeidbar zu machen.




1. Buchstabenschreibung

1.1 Einzelfälle

Wenn die Neuregelung die Schreibung einzelner Wörter ändert, wird das zumeist mit dem Hinweis auf die „Stärkung der Grundregeln“ gerechtfertigt. Man nimmt in Anspruch, auf diese Weise Ausnahmen zu beseitigen. Es geht um drei Gruppen von Änderungen.

1. Analogie zu andern Wörtern. Hierher gehören Fälle wie Känguru statt Känguruh analog zu Marabu, Kakadu oder rau statt rauh analog zu blau, genau. Diese Fälle sind selten. Man hat sogar Mühe, weitere wirklich häufig verwendete Wörter zu finden, deren Schreibung geändert werden soll (außer rauh gibt es im Kernwortschatz keine Wörter, die auf auh enden; ein Unterschied in der Aussprache zwischen rauhes und blaues ist nicht nachweisbar). Es wird vorgeschlagen, die neuen Schreibungen zuzulassen.

2. Sichtbarmachung von Wortverwandtschaften. Diese Gruppe umfaßt weniger als ein Dutzend Änderungen. Typische Fälle sind Ass statt As wegen Asse; behände statt behende, Bändel, Gämse, Stängel, überschwänglich. Hier sind Unterschiede zu machen. Während gegen Ass und überschwänglich nichts einzuwenden ist, bleibt eine Wiederbelebung etymologischer Bezüge wie bei behände oder Stängel problematisch. Für die meisten „naiven“ Schreiber besteht der Zusammenhang nicht mehr. Folglich sollte man Ass und überschwänglich übernehmen, die anderen Änderungen könnten allenfalls als Nebenvarianten zur Wahl gestellt werden. Für die Einzelfälle ist auf die Wörterliste zu verweisen.

3. Herstellung von Wortverwandtschaften. Etwas zahlreicher sind die Fälle, in denen Bezüge zwischen Wörtern durch Neuschreibungen erst hergestellt werden. Die aufeinander bezogenen Wörter haben etymologisch entweder nichts miteinander zu tun (die berüchtigten volksetymologischen Schreibungen vom Schlage Tollpatsch, Quäntchen, belämmert, schnäuzen) oder sie sind nur weitläufig verwandt wie insbesondere Fremdwortstämme, die zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedlichen Wegen ins Deutsche gelangt und unterschiedlich weit integriert worden sind. Beispiele solcher Neuschreibungen sind platzieren, nummerieren, Stuckatur. Einige weitere wie Packet wurden im letzten Moment verhindert.

Die meisten dieser Änderungen, insbesondere die „Volksetymologien“, sind abzulehnen. Bei vielen von ihnen wird der normale Schreiber überhaupt keine Beziehung sehen (etwa zwischen Tolpatsch und toll), andere sind evident falsch (wer schneuzt sich schon durch die „Schnauze“, die Menschen ja eigentlich auch gar nicht haben?). In Einzelfällen, etwa platzieren, nummerieren, könnte man die neuen Schreibungen neben den alten als Nebenvarianten zur Wahl stellen und abwarten, welche sich im allgemeinen Gebrauch durchsetzen. Mit anderen Worten: Eine Änderung wäre nur dann zulässig, wenn sie dem Usus folgte. Die Beweislast läge dann bei denen, die verändern wollen. Es geht aber nicht an, künftigem Usus Vorgaben zu machen. Zu Einzelfällen (etwa Quentchen, Mesner) ist auf die Wörterliste zu verweisen.

4. Neuschreibungen wie Mopp, Tipp und Karamell anstelle von Mop, Tip und Karamel sind abzulehnen. Sie verstoßen gegen die im Deutschen gängige Regel, daß Doppelkonsonantbuchstaben ihre Quelle in der Abfolge von betonter und unbetonter Silbe haben. Die Schreibung Boss mit ss ist korrekt, weil die Pluralform zwei Silben hat (Bosse). Bei Mop und Tip ist das nicht der Fall. Es heißt die Tips, nicht die Tippe.





1.2 Wortstämme

1. ß. Die Ersetzung des ß nach Kurzvokalbuchstaben durch ss ist weder systematisch geboten noch ist sie unproblematisch, was das Schreibenlernen betrifft. Sie führt nachweislich dazu, daß die Schüler dazu neigen, nur noch ss zu schreiben. Es finden sich vermehrt Schreibungen vom Typ Landstrasse, Blumenstrauss, d.h. hier tritt ein neuer Rechtschreibfehler auf. Andererseits ist die Ersetzung des ß durch ss gewissermaßen das Herzstück der Reform, sie ist ihr sichtbarster Bestandteil und im großen und ganzen systematisch. Wer sie akzeptiert, gibt zu erkennen, daß er die Neuregelung nicht grundsätzlich bekämpft. Das Umgekehrte gilt ebenfalls. Im Interesse einer Beilegung des Streites, zugunsten einer Wiederherstellung des „Rechtschreibfriedens“ wird vorgeschlagen, die Änderung zu übernehmen. Es sollte nur eine Ausnahme gemacht werden: in Fällen, wo auf eine mit ss auslaufende Silbe eine solche folgt, die mit s beginnt, wird ß geschrieben (z.B. Mißstand statt Missstand, Streßsituation statt Stresssituation). (vgl. 2)

2. Betttuch. Die Verdreifachung von Konsonantbuchstaben anstelle der bisherigen Beschränkung auf zwei Buchstaben ist nicht nur überflüssig, sondern sie führt auch zu teilweise grotesken Wortbildern (Schlammmasse, Schwimmmeister). Da die Fälle häufiger vorkommen und zum großen Teil das Auge verletzen, sollte diese Regel nicht übernommen werden. (vgl. 4)

3. Rohheit. Die Beibehaltung des h am Ende eines Stammes vor -heit (Jähheit, Rohheit) betrifft weniger als ein halbes Dutzend Wörter. Sie kann ohne größeren Schaden hingenommen werden.

4. geschrien. Noch seltener sind Änderungen, die das Weglassen eines e nach ie oder ee fordern, also jetzt geschrien statt geschrieen. Die Neuschreibung ist analog zu die Knie, die Seen. Sie ist durchaus sinnvoll (genau wie die Ablehnung unnützer Verdreifachungen von Konsonanten nach 2.)

5. potenziell/potentiell. Vor Fremdwortendungen wie iell, ial, iös darf künftig mit z und mit t geschrieben werden, wenn eine entsprechende morphologische Basis vorhanden ist. Wegen Potenz und potent also sowohl potenziell als auch potentiell. Gegen diese Regelung ist nichts einzuwenden.


1.3 Bemerkung zur Fremdwortschreibung

Die Neuerungen in der Fremdwortschreibung sind insgesamt weniger dramatisch als häufig angenommen wird. Nicht selten werden der Neuregelung Formen zugeschrieben, die es schon lange gibt (Majonäse, Frisör) oder die sie nicht vorsieht (Filosofie, Fysik oder gar Fysick). Die Polemik hat vieles übertrieben.

Fast durchweg werden Neuschreibungen bei den Fremdwörtern neben den bisher erlaubten eingeführt, d.h. es wird keine der bisher möglichen Schreibungen verboten. Die Änderungen selbst sind überwiegend unproblematisch (Typ Kreme, Panter), wenn auch teilweise willkürlich.

Problematisch bezüglich der Leseaussprache sind teilintegrierte Schreibungen wie Bravur, Ketschup statt der bisher allein möglichen Bravour, Ketchup. Solche Neuerungen können ungewollte Folgen für die Aussprache haben.

Ein Problem von anderer Art stellen die schon erwähnten „Eindeutschungen“ wie Tipp, Mopp, Krepp (für Crêpe) dar. Warum die Reform überhaupt zum Anlaß genommen wird, über die in den Rechtschreibwörterbüchern stets präsente Integrationsbewegung hinaus Schreibungen neu zu regeln, ist nicht bekannt. Manches ist im Zeitalter zunehmender internationaler Begegnungen geradezu kontraproduktiv und sollte sich durch den Respekt gegenüber den anderen Sprachen verbieten (Krepp, Spagetti).

Wir empfehlen, neue Schreibungen nur zu übernehmen, wenn sie nachweislich durch
den Schreibgebrauch gerechtfertigt sind. Zur Klärung der Einzelfälle wird auf das Wörterverzeichnis verwiesen.

Ein strukturelles Problem für die Neuregelung der Fremdwortschreibung besteht in der Verallgemeinerung der wenigen im amtlichen Wörterverzeichnis enthaltenen Beispielschreibungen (insgesamt 12.000 Einträge) auf den Gesamtwortschatz eines Rechtschreibwörterbuches (insgesamt 120.000 Einträge). Die Neuregelung gibt keinerlei Auskunft darüber, welche von den Zehntausenden von Fremdwörtern für den Beispielwortschatz herausgegriffen wurden.

Trotz alledem: Das Hauptproblem für eine konsequente „Durchregelung“ der Fremdwortschreibung – die um jeden Preis vermieden werden muß – liegt weniger bei den Buchstaben als bei der Wortgliederung (Getrennt- und Zusammenschreibung, s. 2.2).


2. Wortgliederung

2.1 Silbentrennung

Die wichtigsten Änderungen sind die Trennbarkeit des st (Küs-te) und die Nichttrennbarkeit des ck (Ba-cke). Außerdem hat man erlaubt, daß bei Fremdwörtern Verbindungen von Konsonantbuchstaben mit l, n oder r getrennt werden. Daraus ergeben sich vielzitierte unsinnige Trennungen wie ext-ra, Kast-rat, Lust-ration, Hyd-rant).

Die Trennbarkeit des s-t und die Nichttrennbarkeit von c-k sind ohne weiteres akzeptabel. Dagegen ist die alte Regel zur Trennung der Fremdwörter wieder herzustellen.

Regelungen zur Silbentrennung sind von einiger Bedeutung für die Wörterbuchmacher. Unter ihnen wird vor allem lebhaft darüber diskutiert, ob sämtliche Trennmöglichkeiten anzugeben seien. Die orthographische Norm sollte indes eher weniger Festlegungen zur Silbentrennung enthalten. Je mehr man regelt, desto mehr Problemfälle treten in Erscheinung, die für die Schreib-, teilweise auch für die Lesepraxis so gut wie bedeutungslos sind.


2.2 Getrennt- und Zusammenschreibung

Nur was zusammengeschrieben wird, ist im allgemeinen ein Wort. Was getrennt geschrieben wird, kann eine Wortgruppe sein. Beispielsweise handelt es sich bei der Schreibweise mit Hilfe um eine Wortgruppe aus Präposition und Substantiv, bei der Schreibweise mithilfe um ein Wort. Man muß sich lediglich diesen trivialen Tatbestand vor Augen führen, um zu verstehen, warum es bei der Neuregelung der Getrennt- und Zusammenschreibung besonders viele Probleme gibt.

Die Neuregelung sieht wesentlich mehr Getrenntschreibungen vor, als wir sie bisher hatten, d.h. sie macht in zahlreichen Fällen aus einem Wort zwei Wörter. Ein Wort wie auseinandersetzen verschwindet, wenn nur noch auseinander setzen geschrieben werden darf. Daß man sich nicht unbedingt auseinander setzt, wenn man sich auseinandersetzt, geht dabei verloren. Dieser bedeutsamen Tatsache ist von der Neuregelung nicht genügend Rechnung getragen worden. Noch heute meinen einige ihrer Verfechter, es sei doch zweitrangig, ob man „ein Wort getrennt oder zusammen schreibt“. So ist es dazu gekommen, daß dem Deutschen in der Schrift, damit aber auch im Bewußtsein der Sprechenden mehrere hundert Wörter verloren gehen sollen.

Hinzu kommt, daß manchmal schwer oder gar nicht zu entscheiden ist, ob etwas nur ein Wort oder nur eine Wortgruppe oder beides sein kann. Deshalb hat es in der bisherigen Rechtschreibung gerade hier viele Freiheiten gegeben, d.h. Unentschiedenheiten, scheinbare Inkonsequenzen und darüber hinaus große Bereiche ohne Regelung.

Die Neuregelung möchte diese Bereiche eingrenzen, um „Schreibunsicherheiten“ zu beseitigen. Den „Reformern“ ist nicht oder zu spät klar geworden, daß es sich nicht um unklare Regeln respektive Schreibunsicherheiten, sondern um sprachliche Varianten oder aber um die Möglichkeit eines differenzierten Wortgebrauchs handelt.

Das Nebeneinander von einem Wort (Zusammenschreibung) und zwei Wörtern (Getrenntschreibung) kann unterschiedliche Ursachen haben. So kommt es vor, daß Wörter, die im laufenden Text häufig gemeinsam und in derselben Abfolge auftreten, zu einem Wort zusammenwachsen. Man spricht dann von 'Univerbierung'. In der Phase des Zusammenwachsens sollten beide Schreibweisen zugelassen werden. Bekannte Beispiele sind Fügungen wie infrage/in Frage, zutage/zu Tage und komplexe Präpositionen wie anstatt/an Statt, aufgrund/auf Grund. Die Neuregelung bezieht hier einige Einheiten mehr ein, u.a. auch die Konjunktion sodass neben so dass. Das ist akzeptabel.

Anders zu bewerten sind Fälle, in denen die Neuregelung versucht, im Gang befindliche Prozesse der Univerbierung aufzuhalten oder zurückzudrehen wie bei so genannt (künftig nicht mehr sogenannt) oder bei Bildungen mit anheim wie anheim fallen, anheim stellen usw. Diese sind aber analog zu fehlgehen, feilbieten respektive bereithalten, festsetzen zu behandeln. Auch wenn der Bestandteil anheim, wie es das neue Regelwerk ausdrückt, selbst „zusammengesetzt ist“, muß die Zusammenschreibung von anheimfallen erlaubt sein.

Einen in manchem ähnlichen Fall, den die Neuregelung gerade umgekehrt löst, stellen Formen mit irgend dar. Sie werden alle zu einer Form erklärt (irgendwer, irgendwie genauso wie irgendwelche und irgendjemand). Diese Lösung ist radikal, aber übersichtlich. Man sollte sie akzeptieren.

Von anderer Art als Univerbierung sind Wortbildungsprozesse. Zusammensetzungen wie Fensterrahmen oder dunkelrot kommen nicht dadurch zustande, daß ihre Bestandteile allmählich zusammenwachsen, sondern aus den Bestandteilen werden nach festen Regeln neue Wörter geformt.

Die Neuregelung möchte nun durch einen Zwang zur Getrenntschreibung Hunderte von Wörtern ausschließen, die nach solchen Wortbildungsregeln gebildet sind oder gebildet werden können. Ausgeschlossen werden also nicht nur vorhandene, sondern auch mögliche Wörter. Die kritischen Fälle betreffen vor allem Zusammensetzungen, deren zweiter Bestandteil ein Verbstamm ist. Paradebeispiele sind die folgenden Typen:
a) Verb+Verb spazierengehen, kennenlernen, stehenbleiben, sitzenlassen
b) Adj+Verb schwerfallen, festhalten, freisprechen, blankputzen
c) Subst+Part ratsuchend, fleischfressend, eisenverarbeitend, notleidend
d) Subst+Verb eislaufen, kopfstehen, maßhalten, nottun

Die in a)-d) angeführten und vergleichbare Wörter soll es in Zukunft, wenn es nach den „Reformern“ geht, nicht mehr geben. Das kann auf keinen Fall hingenommen werden. Wir schlagen vor, eindeutig lexikalisierte Wörter (wie die oben zu a)-d) aufgeführten, aber auch etwa leidtun u.v.a.) ins Wörterverzeichnis aufzunehmen und über alle anderen nichts auszusagen. Der Schreiber muß in Zweifelsfällen selbst wissen, was er meint und wie er das am besten schreibt.


3. Groß- und Kleinschreibung
Bei der Groß- und Kleinschreibung liegen die Dinge in mancher Hinsicht ähnlich wie bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, sie hängen ja teilweise auch unmittelbar mit diesen zusammen.
Abzulehnen ist die Verfügung, wonach zwar das Anredepronomen Sie samt dem Possessivum Ihr groß geschrieben werden soll, dagegen Du, Ihr (2.Ps Pl), Dein, Euer klein. Diese Änderung stellt einen so unnötigen und willkürlichen Eingriff in die im Deutschen gültige Sprach- und Höflichkeitspraxis dar, daß sie schon aus diesem Grund verworfen werden sollte.

Die weitaus meisten Änderungen betreffen die Großschreibung der Substantive. Nachdem die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung nicht durchsetzbar war, hat man versucht, mit teilweise mechanischen Regelungen zu einfachen Lösungen zu kommen.

1. Zeitangaben. Begrenzt im Umfang ist die Großschreibung des zweiten Bestandteils von Zeitangaben wie heute Morgen, gestern Nachmittag. Der alten Regelung lag die Fehlanalyse zugrunde, es handle sich bei diesem Bestandteil um ein Adverb. Zwingend ist die Neuregelung nicht, weil Großschreibung der besondere, Kleinschreibung der allgemeine Fall ist. Wenn man nicht genau weiß, ob es sich um ein Substantiv handelt, ist klein zu schreiben. Also sollte man es auch in diesen Fällen tun.

2. Zusammengesetzte Fremdwörter. In Formen wie Corned Beef, Ultima Ratio soll der zweite Bestandteil künftig groß geschrieben werden, wenn er – und sei es nur in der Herkunftssprache – ein Substantiv ist. Es gibt überhaupt keinen Anlaß für die Abschaffung von Schreibungen wie Corned beef, Ultima ratio. Auf völlig ungeklärte Weise ist außerdem eine Reihe von Wörtern durch Zusammenschreibung von Adjektiv+Substantiv frei erfunden worden, z.B. Bigbusiness, Blackpower, Freejazz. Solche Schreibungen sind abzulehnen.

3. Substantivierte Adjektive. Nicht akzeptabel ist die vorgesehene Großschreibung von Ausdrücken wie im allgemeinen, im wesentlichen, im folgenden, des weiteren. Zumindest zweifelhaft ist der Zwang zur Großschreibung bei Indefinita wie Verschiedenes, Einzelnes, wenn gleichzeitig die Kleinschreibung in das wenige, der eine vorgeschrieben wird. Wir sollen also schreiben die eine und Einzige sowie weniges, aber Verschiedenes. Hier müssen Freiheiten für Analogieschreibungen wie die Eine und Einzige oder weniges, aber verschiedenes erlaubt sein. Da die Abgrenzung von Pronomina und Adjektiven dieser Art schwierig ist, sollten generell mehr Freiheiten eingeräumt werden.

4. goethesches Gedicht. Früher wurde Goethesches Gedicht oder Goethisches Gedicht geschrieben. Jetzt soll es heißen goethesches/goethisches Gedicht. Großschreibung ist nur mit Apostroph erlaubt, also Goethe'sches Gedicht. Die von der Neuregelung vorgesehene Kleinschreibung kann akzeptiert werden, denn in der Tat handelt es sich bei goethesch wie bei goethisch um echte Adjektive. Völlig unverständlich ist Goethe'sch. Die Verwendung des Apostroph an dieser Stelle widerspricht den Regeln, denn hier wird nichts „ausgelassen“. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn man auf diese Weise Schreibungen wie frischer Lach's aus Helga's Stehimbis's den Weg bereitet.





4. Zeichensetzung
Die Änderungen in der Zeichensetzung sind mit Ausnahme des Kommas bei Infinitiv- und Partizipialgruppen nicht von großem Interesse, wenngleich von einer bisweilen niederschmetternden Mechanik, z.B. „Hast du gefragt: „Sind sie unglücklich?“?“.

Das Komma bei Infinitivgruppen (und entsprechend Partizipialgruppen) ist freigestellt.Es darf immer gesetzt werden, z.B. auch in Das Wetter droht, schlecht zu werden. Die Neuregelung führt nach Auskunft vieler Lehrer absehbar auch zum Zusammenbruch des Kommas bei Nebensätzen. Vorzuziehen wäre eine einfache Regelung, die die Kommata bei Infinitivgruppen so verteilt:

a) Das Wetter droht schlecht zu werden kein Komma
b) Franz glaubt zu träumen kein Komma
c) Immer zu verlieren (,) mißfällt ihr Komma fakultativ
d) Helga behauptet, alles getan zu haben Komma empfohlen
e) Paula lebt, ohne/um/anstatt zu arbeiten Komma obligatorisch

Die Fälle d) und e) sind die häufigsten. Die Hauptregel würde ungefähr lauten:

„Adverbiale Infinitivgruppen werden durch Komma abgetrennt, sonst ist das Komma in der Regel frei.“ Mit zwei weiteren Sätzen könnte man das Komma in a und b ausschließen.

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Th. Ickler

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