Re: Dem Schreibgebrauch anpassen
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Niemand wird gezwungen sich umzustellen, und kaum jemand kann etwas falsch machen. Ob sich's durchsetzt, wird man sehen.
Das wäre meines Erachtens eine zwar waghalsige, aber gangbare Möglichkeit gewesen, die Rechtschreibung zu vereinfachen, ohne in dem hierzulande (manchmal auch zu Wasser und in der Luft ) eingetretenen Chaos zu landen. Anstatt Haupt- und Nebenvarianten einzuführen, die beide als regelkonform gelten, aber bei denen man genau wissen muß, in welchen Fällen es sie gibt, hätte man eine separate Liste von Alternativschreibungen aufstellen können, die zwar als »nicht richtig« angestrichen werden, jedoch nicht als Fehler gezählt werden. (Z. B. würde das von Uwe zu Beginn der Diskussion in dieser Rubrik erwähnte »nummerieren« sehr gut in diese Liste passen.)
Das ist der waghalsige Aspekt: Man streicht etwas als falsch an (und es soll auch weiterhin als falsch gelten) und verlangt eine Korrektur, ohne daß es sich auf die Benotung auswirkt. Solcher Umgang mit Fehlern ist natürlich nicht bei allen schriftlichen Arbeiten möglich (bei Abschlußarbeiten und in der Oberstufe sollten alle Fehler mitzählen), und er ist keineswegs verallgemeinerbar. Dieses Verfahren hätte aber viele Vorteile: Die Lernenden »leiden« nicht unter einer Benotung, die sie als deprimierend empfinden können (ich kann mich an meine Schulzeit noch recht gut erinnen; Französisch als dritte Fremdsprache hatte am Anfang viel mit einem Haufen Rechtschreibfehlern zu tun, und obwohl ich »eigentlich alles gewußt« hatte, kam doch eine ziemlich schlechte Note dabei heraus), es bleibt das Bewußtsein für die Einheitlichkeit und die (weitgehende) Eindeutigkeit der Rechtschreibung erhalten, es erleichtert den Lernenden, sich an die richtige Schreibung zu gewöhnen, weil sie weiterhin auch in den Zweifelsfällen auf das hingewiesen werden, was richtig ist, und es bleibt klar, daß auch diese Fehler irgendwann als solche gezählt werden und man also durchaus lernen muß, wie es richtig geschrieben wird.
Das bedeutet natürlich weiterhin, daß die schlechte Note (wie bei mir damals in Französisch) den Anlaß gibt, es zu lernen; zwar nicht die Note, die ich aktuell bekomme, sondern jene, die ich mir ausmalen kann, daß ich sie bekomme, wenn... ja, wenn ich meine Schreibfähigkeiten noch etwas verbessere, kann ich auch am Ende die Note bekommen, die ich jetzt schon habe. (Hoffentlich ist die Note schon so gut, daß das motivierend wirkt; wenn nicht, dann gibt sie hoffentlich wirklich meinen Leistungsstand wider.) Allerdings kann man einwenden, daß die Lernenden aufgrund der durch das Nicht-Werten besser ausfallenden Zensuren darüber getäuscht werden, wie gut sie wirklich sind, wenn es im Zweifelsfall ja doch darauf ankommt, alles richtig zu schreiben. Stimmt; ich habe keine Ahnung, ob es vermittelbar und jedem Schüler klarzumachen ist, daß er sich nicht daran gewöhnen darf, einen Haufen unbewerteter Fehler zu machen. An die strenge Bewertung kann man sich aber gewöhnen, wenn einmal pro Halbjahr eine Arbeit »auf examensrelevante Weise« korrigiert und benotet wird. Und vielleicht zeigt ja dieser neue Modus in GB, inwieweit man auch in Prüfungen gezielt Ausnahmen zulassen kann.
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Jan-Martin Wagner
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