Hamburger Abendblatt zum Cent
Aus dem Hamburger Abendblatt vom 4. 1. 2002
Zent oder Ssent?
Auch das noch: Das Euro-Problem eines
Sprachwissenschaftlers
Von Peter Schmachthagen
Hamburg Die Einführung des Euro als gemeinsames
Zahlungsmittel war nicht nur ein Festakt auf höchster
politischer Ebene mit Beethovens Neunter und Feuerwerk
zur Jahreswende, sondern erforderte auch eine lange
Vorbereitung im Detail. Wir als Laien, die vor allem die
langen Schlangen an den Bankschaltern im Auge haben,
können uns gar nicht vorstellen, welche Überlegungen von
der Konzeption (Planung) bis zur Emission (Ausgabe) der
neuen Münzen zu bewältigen waren.
Man lernt dabei ganz neue Wörter kennen,
Denomination (Stückelung) zum Beispiel, oder erfährt,
dass die Dreischichtlegierung umfangreiche medizinische
Gutachten erforderte, um ein Allergie-Risiko wegen des
Nickelanteils auszuschließen.
Befragt wurden die Blindenverbände sowie die
Automatenhersteller, und Luc Luycx, der junge Grafiker
der Königlichen Münze von Belgien, der die Vorderseiten
entworfen hatte, bekam Ärger, weil weder die Shetland-
noch die Kapverdischen Inseln so recht darzustellen
waren, während Österreich
Es gibt Leute, die in jeder Suppe ein Haar finden,
weil sie, wenn sie davor sitzen, so lange den Kopf
schütteln, bis eins hineinfällt.
Friedrich Hebbel (1813-1863)
uns auf der nationalen Rückseite eine eigenartige
Mischung von der Pazifistin Bertha von Suttner über
Mozart bis zum Alpenveilchen zumutete.
Der Europäische Rat legte 1995 den Namen Euro fest,
die Finanzminister beschlossen, den Euro in 100 Cent zu
unterteilen, so dass alles zur allgemeinen Zufriedenheit
laufen könnte . . .
. . . wenn, ja, wenn man nicht vergessen hätte,
Gerhard Müller von der Gesellschaft für deutsche Sprache
zu befragen, der jetzt verlangt, das Wort Cent nicht
englisch, sondern deutsch wie Zent auszusprechen. Das
musste natürlich noch gesagt werden, obwohl das Wort
sowieso nicht aus dem Englischen, sondern vom
lateinischen centum (hundert) abgeleitet ist. Aber
vielleicht will er Cent demnächst sogar mit Z schreiben?
Höchste Wachsamkeit scheint angebracht: Zentner
(100 Pfund) und das englische strike zu Streik seien
schließlich auch eingedeutscht worden, sagt Müller.
Wer sich die Freude über den Euro nicht nehmen lassen
will, halte sich fern von Etymologen und
Sprachgesellschaften.
Kommentar von Th. I.: Peter Schmachthagen ist falsch informiert, kommt sich aber sehr überlegen vor.
Natürlich ist es völlig legitim und sogar naheliegend, sich über solche alltäglichen Sprachfragen Gedanken zu machen. Es war aber gar nicht Gerhard Müller (viele Jahre lang Schriftleiter der Muttersprache, jetzt Nachfolger von Uwe Förster als Leiter der Sprachberatung, ein ausgezeichneter Mann!), der diese Frage aufgefordert oder gar irgend etwas verlangt hat. Natürlich steht es Schmachthagen frei, sich dafür nicht zu interessieren, aber damit dürfte er ziemlich allein stehen.
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Th. Ickler
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