Chamois
Ob das Schlußwort zu diesem Thema schon gesprochen ist, sei dahingestellt. Die Diskussion hat immerhin zu dem gewünschten Bekenntnis geführt. Ein »Denkanstoß« ist also der Vorschlag, die »Farbe braun nicht aus dem Farbkreis zu tilgen«. Die Frage »Wo steht die DSW-Seite?« ist mit dieser Erwähnung einer bestimmten Stelle im Farbkreis eigentlich beantwortet. In diesem Bereich liegt ja auch die Farbe chamois, also: nicht so richtig doll braun.
Der Vorschlag, diese Diskussion abzuschließen, weil es zu dem Thema »nichts Neues« zu sagen gebe, ist nicht unproblematisch. Mit dieser Begründung wird in der Justiz oft aus einer Machtstellung heraus befunden, daß ein Prozeß nicht wieder aufgenommen werden soll, zu dem andere, Betroffene, sehr wohl meinen, noch einiges Wesentliche zu sagen zu haben.
Mit derselben Begründung wird ja auch die Diskussion um die Rechtschreibreform in der Öffentlichkeit regelmäßig abgewürgt. »Die Reformgegner haben keine neuen Argumente...«, heißt es da. Um sich diesem öffentlichen Verhindern entgegenzustemmen, wurde doch wohl diese Informations- und Diskussionsseite der rechtschreibreform.com eingerichtet. Und so wahnsinnig viel »Neues« wird ja auch hier nicht immer diskutiert, sondern es wird das Thema »Rechtschreibreform« am Laufen gehalten, und das ist auch sehr in Ordnung.
Die Überlegung, mit wem man in der Reformgegnerschaft gemeinsame Sache macht, sollte nie vernachlässigt werden, wobei es nicht in erster Linie um Personen geht. Die Leitartikel, die die Schriftleitung der DSW-Seite veröffentlicht, (gemeint sind hier also nicht die von Gästen ohne Zutun der »Schriftleitung« eingebrachten Texte) zeugen immer wieder von einer Gesinnung, die auf viele potentielle Reformgegner abstoßend wirken muß. Die Gefahr besteht also, wie Herr Streich sehr klar dargestellt hat, daß eine beträchtliche Anzahl von Menschen, die die Reform im Prinzip ablehnen, sich für dieses Thema nicht engagieren wollen, um nicht in einen Topf geworfen zu werden mit »Gesinnungsgenossen«, mit denen sie nun wirklich niemals etwas am Hut haben wollen. Alle diese gehen so für dieses Anliegen verloren, dabei wären sie die sympathischeren und überzeugenderen Partner.
Zur »Spaltungsmanier«: Es ist sehr gut vertretbar, daß sich kompetente Vertreter des Anliegens RSR-Gegnerschaft auch in Publikationen zu Wort melden, die an den äußeren Rändern des politischen Meinungsspektrums angesiedelt sind. Es ist sogar wünschenswert, denn dort ist es besonders wichtig, daß das Denken in vernünftige und gemäßigte Bahnen gelenkt wird. Es kommt schließlich weniger darauf an, wo man etwas sagt, sondern darauf, was man sagt (auch was man nicht sagt, kann allerdings verhängnisvoll sein). Voraussetzung für eine kontroverse Diskussion ist aber, daß man eine solche auch aushält, wenn sie energisch wird. Wer das nicht aushält, stattdessen kritische Beiträge vernichtet oder den Kritiker ohne jegliche inhaltliche Äußerung nur andonnert, gibt damit zu erkennen, daß er die Auseinandersetzung nicht will oder sich ihr nicht gewachsen fühlt.
Ob das Thema dieser Rubrik von den Reformgegnern weiterhin behandelt wird, muß man selbstverständlich der Eigendynamik der Diskussion überlassen, auch der Gewichtung der Interessenlagen der einzelnen Diskussionsteilnehmer. Jeder hält seinen Aspekt für wesentlich. Aber vielleicht gibt es ja wirklich wichtigeres, etwa daß man intellektuellen Fremdsprachenmuffeln erklärt, welcher Zusammenhang zwischen der Farbbezeichnung »chamois« und der »Gämse« besteht.
– geändert durch Walter Lachenmann am 19.06.2001, 08:48 –
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Walter Lachenmann
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