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Konrad-Duden-Preis
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Manfred Riebe
25.03.2002 14.41
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Eroms' Schreibweise als untrügliches Merkmal

Übrigens: Professor Ickler meinte, Professor Hans-Werner Eroms gehöre zu den Kritikern der Rechtschreibreform (Ickler: „Da ich aus anderen Quellen weiß, wie Eroms wirklich über die Rechtschreibreform denkt, ...“). Anhand welcher Merkmale kann man beurteilen, ob jemand ein Reformbefürworter oder ein Reformkritiker ist?

Es gibt ein sicheres Kennzeichen, nach dem man beurteilen kann, auf welcher Seite jemand steht. Das ist seine Schreibweise. Der Mannheimer Vortrag von Hans-Werner Eroms ist aber in Neuschrieb verfaßt, in „einer Art Sklavensprache“, wie Reinhard Markner es ausdrückt. ...

Wer wie Hans-Werner Eroms Mitglied des ehemaligen Kuratoriums und des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim, sowie Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift 'Deutsche Sprache' des IDS ist, kann sich aus diesen Fesseln der Abhängigkeit nicht so einfach befreien, sondern steckt in einer tiefgreifenden Interessenkollision. Es gibt zwar das Grundrecht auf Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Entscheidend ist dabei, ob man seine wahre Meinung in der Öffentlichkeit oder nur hinter vorgehaltener Hand im privaten Kreis äußert.

Eroms lobt zwar die Debatte im Internet, aber weder er noch die meisten anderen Sprachprofessoren haben sich bis auf wenige Ausnahmen aus dem Elfenbeinturm gewagt und im Internet mitdiskutiert.

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Reinhard Markner
18.03.2002 09.41
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Hartnäckiger Muff unter Talaren

Ich bin da etwas anderer Meinung als mein Vorredner, da ich eine sentimentale Anhänglichkeit an die überholte Auffassung empfinde, daß Wissenschaft allein der Wahrheit und nicht anderen Mächten wie z. B. einem Preisauslober verpflichtet ist. Insbesondere sehe ich nicht, wieso Leute, die auf einer satt bezahlten Lebensstelle sitzen und keinerlei Risiko eingehen, wenn sie das Maul aufmachen, sich einer Art Sklavensprache bedienen müssen. Vielleicht wirken da bei Menschen aus Eroms' Generation noch frühkindliche Prägungen nach.

Auch sachlich liegt Eroms ähnlich daneben wie mancher schlecht instruierte Kultusminister. Allein schon das Gerede von der »Behutsamkeit« zeigt hinlänglich, daß er sich nicht ausgiebig genug auf jener legendären Seite herumgetrieben hat, auf der eine der großen geisteswissenschaftlichen Debatten unserer Tage geführt wird (*hüstel*).

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Walter Lachenmann
18.03.2002 00.02
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Ätzender Weihrauch

Der Festvortrag Hans-Werner Eroms' hat nun wahrhaftig nichts Rätselhaftes an sich. Helmut Jochems hat die Kernaussagen in seinem Beitrag auf dem Nachrichtenbrett vom 14. März 2002 ganz ausgezeichnet herausgeschält. Wer den Vortragstext nachliest, findet die Feststellungen von Helmut Jochems durchgängig bestätigt. Daß ein Preisträger seinen Mannheimer Gönnern im feierlichen Festakt und in den Weihrauchdünsten des hl. Duden keine Straf- und Bußpredigt entgegenschleudert, sollte auch der ungehaltenste IDS-Hasser einsehen können. Wir lernen hier – und können die Lektion brauchen – wie Kritik sich sanft und dennoch entschieden artikulieren kann.

Kluge Menschen machen im Umgang untereinander manchmal den Fehler, daß sie sich nicht darüber freuen wollen, einen anderen klugen Menschen gefunden zu haben, mit dem sie sich herrlich und mit gegenseitigem Gewinn unterhalten können, sondern sie ärgern sich darüber, daß es da noch einen gibt, der vielleicht sogar noch ein bißchen klüger sein könnte. Spätestens in dieser Situation sind dann beide so töricht wie der Durchschnittsgescheite. So mußte Eroms unbedingt den Sprachwissenschaftler, der sich in diesen linguistischen Dürrezeiten, wo der Einäugige eben der keiser unter Blinden ist, nolens volens als der gescheiteste offenbart, ein bißchen mit seinem schlappen Florett unterm Kinn kitzeln: die Geschichte mit der Satzklammer. Ickler macht manchmal im Vertrauen auf den gesunden Menschenverstand und die Redlichkeit seiner Mitmenschen etwas schräge Äußerungen, von denen jeder Verständige – erst recht, wenn er mehr von ihm vernommen hat und sein Sprachverständnis einigermaßen einschätzen kann – weiß, daß diese in fundamentalistischer Buchstäblichkeit nicht gemeint sein können. Hier greift PISA bis in den wissenschaftlichen Diskurs, und es wird wohl Zeit, auch in diesen intellektuellen Höhen mit den in der e-Mail-Kultur notorischen Grinsemännchen zu arbeiten, der daktylographischen Umsetzung der Lachschleife ins ANSI- respektive HTLM-Format, damit auch der verbiestertste Erbsenzähler sich nicht auf angeblich präzises Zitieren berufen kann. Aber das war von Eroms ja nur ein etwas ungeschickter Seitenhieb, um zu verstehen zu geben, daß er sehr wohl weiß, wo der Feind des Hausherrn steht, und um sozusagen solidarisch die Faust zu ballen: Na, mit dem nehm' ich es noch allemal auf!

Wer ansonsten über diese Rede rätselt, sei auf den eingangs erwähnten hervorragenden Beitrag von Helmut Jochems verwiesen. Hervorheben möchte ich aber die Aussage der Rede, wo Eroms auf das Internet zu sprechen kommt. Im Zusammenhang mit der Rechtschreibdiskussion – und um die ging es in diesem Teil seiner Rede – kommt als Diskussionsort im Internet nur diese »unsere« Seite rechtschreibreform.com ernstlich in Frage. Auf keiner anderen wird das Thema so intensiv und – mal mehr, mal weniger, aber immerhin – sachlich und kompetent erörtert. Eroms sagte:

»Und so kann ich nur vor allgemeinen Aussagen, Patentlösungen, Wunderrezepten warnen. Noch sehr gut im Ohr haben wir die nun endlich sachlich verlaufende öffentliche Diskussion um die Rechtschreibreform. Ich gehe hier nicht auf die inhaltliche Seite ein ... Die Debatte wurde und wird öffentlich ausgetragen. Waren es zunächst Berichte, Kommentare und Leserbriefe vor allem in den Printmedien, so ist es jetzt das Internet, wo sich das manifestiert. Diese Seite des neuen Mediums ist es, die noch viel zu wenig untersucht ist. ... Die Internetdebatten lassen sich durchaus mit den großen geistesgeschichtlichen Debatten früherer Jahrhunderte vergleichen ... « [Also da melde ich doch Bedenken an, aber sei's drum. WL].
Undsoweiter.

Was heißt dies anderes als: Liebe Sprachlaboranten in Eurem weltfremden und selbstverliebten Alchimistenwahn – schaut Euch doch mal die Dräger-Seite an, und laßt Euch gründlich durch den Kopf gehen, was man da, wo die Leute ungeniert darüber reden können, von Eurem Jahrhundertwerk hält.

Das war kein Sieg nach Punkten, Herr Jochems, das war eine sehr freundlich vermittelte Bescheinigung grundsätzlichen Versagens, und die konzilianten Bemerkungen in Richtung der Mannheimer Gastgeber und Preisstifter waren in einer rhetorisch hinreißenden Ironie ganz allerliebst so gewählt, daß man – wie bei den vorgenannten Icklerschen Aussagen – nicht viel Mühe aufwenden muß, um zu erkennen, daß sie beileibe nicht buchstäblich zu verstehen sind.

__________________
Walter Lachenmann

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Manfred Riebe
17.03.2002 21.30
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Konrad-Duden-Preisträger: "Klavierqualität kontra Krähwinkel"

Die Ausschnitte aus dem Festvortrag des Konrad-Duden-Preisträgers, Professor Eroms, die die Rechtschreibreform betreffen und Kommentare dazu findet man hier im Rechtschreibforum im Strang „VRS“. Vgl. insbesondere Eroms: Die Rechtschreibreform als „Sprachspiel“? „Klavierqualität kontra Krähwinkel“ vom 18.03.2002, 00.15 Uhr.

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Manfred Riebe
13.03.2002 13.55
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Präsident des IDS Siegfried Grosse

Siegfried Grosse erinnert in dem unten genannten Interview daran, daß er Präsident des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim war. Das ist bemerkenswert.

Es wäre sinnvoll, hier weitere Beiträge der Träger des Konrad-Duden-Preises zur Rechtschreibreform zu sammeln.
Vgl. http://www.duden.de

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Manfred Riebe
13.03.2002 13.41
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Quelle: RUBENS vom 1. Dezember 1996

Siegfried Grosse: Germanist Prof. Grosse zur neuen Rechtschreibung. „Inkonsequente Reform“. Interview von Jens Wylkop. In: RUBENS – Die Zeitschrift der RUB Ruhr-Universität Bochum, Nummer 21, 1. Dezember 1996, Seite 3
Quelle: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubens/rubens21/8.htm

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Theodor Ickler
13.03.2002 04.46
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Grosse über RSR

Der folgende Text ist undatiert, stammt wohl von Ende 1996/Anfang 1997:

Germanist Prof. Grosse zur neuen
Rechtschreibung

„Inkonsequente Reform“

”Philosophie“, „Philosofie“ oder gar „Filosofie“? Daß/ss die Rechtschreibreform nicht das Gelbe vom Ei ist, steht mittlerweile kaum noch zur
Debatte. Prof. em. Dr. Siegfried Grosse (Germanistisches Institut der RUB) hat eine eigene Sicht der Dinge und nennt im RUBENS-Interview
Aspekte, die in der bisherigen Diskussion um die Regeländerungen kaum bedacht wurden.
RUBENS: Herr Professor Grosse, welche Kritikpunkte haben Sie gegen die Rechtschreibreform vorzubringen?
Grosse: Zunächst einmal etwas Positives: Eine Reform mußte durchgeführt werden. Die Rechtschreibregeln sind seit 1901, der ersten und
bisher einzigen Reform, nicht geändert worden. Damals gab es 36 Regeln, die vom Duden weitergeschrieben wurden. 1967 waren es schon
314, bis 1990 hat der Duden diese Zahl auf etwa 240 reduziert. Jetzt sind es noch 112 Regeln.
RUBENS: Aber der Duden hat nach der ersten Reform die Rechtschreibregeln sozusagen in Eigenregie ausgeweitet?
Grosse: Ja. Zunächst mal ist er das einzige Rechtschreibebuch gewesen. Und nach 1950 hat der Duden eine Ermächtigung von der
Kultusministerkonferenz bekommen, bis zur Verabschiedung einer Reform die Rechtschreibung allein regeln zu dürfen.
RUBENS: Wie ist es denn nun zu der jetzigen Reform gekommen, nachdem bereits 1950 daran gedacht wurde?
Grosse: Die ganze Reform ging 1954 von den Dozenten und Professoren der Pädagogischen Hochschulen aus. Man muß jedoch bedenken,
daß es sehr schwierig ist, eine Reform für das ganze deutsche Sprachgebiet durchzuführen. Deutschland, Österreich, die Schweiz,
Liechtenstein, Luxemburg und Länder mit großen deutschsprachigen Minderheiten mußten unter einen Hut gebracht werden. Die Schweiz war
immer daran interessiert, die gemäßigte Kleinschreibung einzuführen, Österreich für eine vermehrte Großschreibung.
RUBENS: Der Kompromiß beseitigt aber bei weitem nicht alle Schwierigkeiten unserer Rechtschreibung?
Grosse: Es gibt Probleme, die der Laie gar nicht sieht. Das lateinische Alphabet ist ungeeignet für unsere Sprache: Es gibt dort Laute, die wir
nicht unterscheiden, z.B. „V“ und „F“. Ob es nun „Vater“ heißt oder „Folge“, in der gesprochenen Sprache wird der Unterschied nicht
deutlich. Ein weiters Problem sind unsere Zischlaute. Nimmt man einen Satz wie „Charlotte ißt acht wachsweiche Eier“, hat man viermal das
„ch“, das immer gleich geschrieben, aber viermal unterschiedlich ausgesprochen wird. Das zweite Grundproblem sind die Dialekte. Ihre
Transposition in die Hochsprache erschwert die Rechtschreibung zusätzlich. Abgesehen von der komplizierten Groß- und Kleinschreibung
kommt viertens hinzu, daß die Sprach- und Schreibgesellschaft unglaublich konservativ ist und sich gegen jede Änderung sperrt.
RUBENS: Welche Bereiche bedürfen denn einer Änderung?
Grosse: Die Bereiche, die wirklich geändert werden müßten, werden diesmal überhaupt nicht berührt. Denken Sie mal an das lange „i“: „Gib“,
„Dieb“, „Ihn“, „Vieh“ – das ist ein einziger Laut, der jeweils anders geschrieben wird.
RUBENS: Also ist die Reform inkonsequent?
Grosse: Die Reform wirbelt viel Staub auf, dabei werden nur 0,5 Promille unserer Rechtschreibung verändert. Die Hauptänderung betrifft das
„ß“. Ansonsten finde ich die Entscheidung, etymologisch vorzugehen, sehr inkonsequent. Man empfiehlt, Wörter, die einer Sprachfamilie
angehören, gleich oder ähnlich zu schreiben. „Stengel“ wird künftig mit „ä“ geschrieben, weil er eine kleine Stange ist. Dann müßte man auch
„Eltern“ mit „ä“ schreiben, weil es von „alt“ kommt. Dagegen schreibt man jetzt „Quentchen“ mit „ä“: Das ist Unsinn, denn das kommt nicht
von „Quantum“, sondern von „Quintus“, dem fünften Teil eines Gewichtes. Darüber hinaus sehe ich nicht ein, warum man den „Friseur“ mit „ö“
schreibt, während der „Ingenieur“ nicht verändert wird. Es ist zudem problematisch, Fremdwörter in dem Moment anders zu schreiben, wo
Europa zusammenwächst.
RUBENS: Ihre Beispiele zeigen, daß mit der Reform kaum Vereinfachungen erreicht werden.
Grosse: Mit Ausnahme der „ß“- und „ss“-Regelung. Da hat man Versuche gemacht und gesehen, daß dies zu viel weniger Fehlern führt. Ich
hätte mir eine kräftigere Reform gewünscht, vor allem die Einführung der gemäßigten Kleinschreibung.
RUBENS: Inkonsequent ist scheinbar nicht nur die Reform selbst, sondern auch ihre Umsetzung. Vor einigen Wochen hat „Der Spiegel“
erklärt, die alte Rechtschreibung beizubehalten, „Fo-cus“ und viele Tageszeitungen wollen die Entwicklung abwarten, die Reform im Endeffekt
aber notgedrungen mitmachen. Müßten die Printmedien nicht geschlossen die Reform umsetzen, um die festgelegten Änderungen der
Rechtschreibung dauerhaft zu etablieren?
Grosse: Ich denke, wenn die Printmedien nicht mitziehen, wird das so schnell niemand merken: Wir haben mal durchgezählt: Auf fünf großen
Druckseiten wären im Ganzen etwa 37 Änderungen nötig gewesen – von denen betrafen 34 die „ß“-Regelung.
RUBENS: Sie kritisieren auch die Schriftsteller, die erst jetzt, nachdem die Reform verabschiedet ist, lauthals gegen die neuen Regeln
protestieren.
Grosse: Deren Protest halte ich für völlig unverständlich. Ich weiß, da ich zu der Zeit Präsident des Instituts für Deutsche Sprache war, daß den
Schriftstellern in den letzten fünf Jahren kontinuierlich die Vorschläge zur Rechtschreibreform vorgelegt wurden, mit der Bitte um
Stellungnahme. Sie haben darauf nie geantwortet, waren sich einfach zu gut dazu. Die jetzt geschwungenen Reden, daß die deutsche Sprache
ihren Wert verliert, sind vollkommener Unsinn. Es handelt sich um technische Änderungen im Zeichensystem, die deutsche Sprache wird
dadurch überhaupt nicht berührt.
RUBENS: Ist dies jetzt auf lange Sicht die letzte Reform der Rechtschreibung?
Grosse: Das glaube ich nicht. Es wird eine Kommission beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim eingesetzt, in der Vertreter aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz die Erfahrungen der Probephase beurteilen und weitere Verbesserungsvorschläge machen sollen.
Also werden wir wohl nicht noch mal hundert Jahre auf eine Reform warten müssen.
Die Fragen stellte Jens Wylkop
__________________
Th. Ickler

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Theodor Ickler
13.03.2002 03.17
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Na, ja

Eroms erwähnt meinen Weimarer Vortrag in der Kurzfassung der „Süddeutschen Zeitung“, und das zeigt immerhin (ebenso wie das Programm der IDS-Jahrestagung), daß meine Frage „Wie gut ist die deutsche Sprache?“ nicht ganz unaktuell ist. Das war übrigens auch der Titel meines Beitrages, der Wäscheleinentitel stammt nicht von mir, sondern von der Redaktion. Wenn Eroms häufiger für die Zeitung arbeiten würde, wäre ihm dieser Irrtum nicht unterlaufen. Auch war mein Beitrag kein „Rückblick zum europäischen Jahr der Sprachen“, sondern die Dankrede bei der Verleihung des Deutschen Sprachpreises 2001. Und was die Satzklammer betrifft, so weiß ich natürlich auch, daß sie eine Strukturgesetzlichkeit des Deutschen ist. Eroms selbst nennt sie ein „schweres“ Erbe; mehr habe ich auch nicht sagen wollen. Und die Sache mit dem Ethischen hat er ganz mißverstanden. Ich finde natürlich nicht die Satzklammer unmoralisch, sondern habe aus einigen Zitaten geschlossen, daß der Wunsch, es dem Hörer nicht zu leicht zu machen, auf ein befremdliches sprachliches Ethos hindeute. (Ich hatte allerdings, ohne den Verfasser zu nennen, einen Satz aus Eroms' Syntax zitiert: „Der Hörer wird gezwungen ...“, so daß Eroms sich natürlich wehren mußte.) Eroms sagt auch nicht einfach, daß ich eine Eigenschaft des Deutschen kritisiere (genauer: seine Kritisierbarkeit erwäge), sondern daß Ickler ungnädig „mit dem jahrhundertealten Erbe seiner Muttersprache“ umgehe. Motherfucker (oder Orest) Ickler – das ist die Suggestion der überraschenden Wortwahl.
Man könnte noch manches anmerken. Anstößig ist zum Beispiel nicht, daß Volksetymologien wie belämmert, einbläuen anerkannt werden, sondern daß sie als allein richtig vorgeschrieben werden. Darüber geht Eroms hinweg und nennt die RSR sogar noch „behutsam“ – ein Zuckerl für die anwesenden Stickel usw., nach dem Grundsatz, niemandem weh zu tun. (Aber ein klitzekleines bißchen kriegt Stickel auch ab, denn daß die Reformkritiker Sprache und Schrift irrigerweise gleichsetzen, war ja sein stehendes Argument.) Aber nicht einmal das Lob kommt direkt, sondern eingekleidet: "ähnlich behutsam“ habe man in anderen Sprachen zu reformieren versucht.
Da ich aus anderen Quellen weiß, wie Eroms wirklich über die Rechtschreibreform denkt, finde ich dieses taktische Reden nicht so begeisternd. Im Hintergrund steht wohl auch der Schmerz über die Ruinierung des Magnum opus, der „Syntax der deutschen Sprache“, die wohl wegen der reformbedingt katastrophalen Orthographie schon bald ein zweites Mal erscheinen muß. Im Vortrag kommen ja auch grammatisch falsche Neuschreibungen vor (wie Recht haben). Mal sehen, was die Dudenredaktion beim Abdruck daraus macht.
Und das Passiv ist beschlossen worden ist eine wohltätige Verklausulierung; würde man die Namen der Reformer nennen, könnte im Publikum vielleicht der eine oder andere Lacher aufkommen.
– geändert durch Theodor Ickler am 14.03.2002, 19.06 –
__________________
Th. Ickler

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Manfred Riebe
12.03.2002 23.15
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Passagen über die Rechtschreibreform

Von http://www.duden.de/presse/ (im Kästchen rechts) kann man die Rede von Hans-Werner Eroms herunterladen.
Eine Bitte an die Teilnehmer: Bitte vergleichen Sie, ob darin die Passagen über die Rechtschreibreform in vollem Umfang enthalten sind. Vielleicht hat das Flugblatt des VRS, das allen Gästen im Rittersaal des Mannheimer Schlosses vorlag, ein Abweichen von der geplanten Rede bewirkt.

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Stephanus Peil
12.03.2002 22.42
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Die "babylonische" Schriftsprachverwirrung

... nimmt immer groteskere Ausmaße an. Das große Werk Konrad Dudens, die Einheitsorthographie des Deutschen, wurde von den „Reformern“ zerschlagen.

Heute ist es so wie zur Zeit Konrad Dudens in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, als die Rechtschreibung in den einzelnen deutschen Ländern durch Uneinheitlichkeit, Willkür und Verwirrung gekennzeichnet war. Jeder Lehrer schrieb seine eigene Rechtschreibung. Auch heute sind sich (wie damals) oft zwei Lehrer derselben Schule und zwei Journalisten der gleichen Zeitung nicht mehr in allen Einzelheiten über die Rechtschreibung einig, selbst Rechtschreibprogramme können uns nicht helfen. Nun gibt es keine Autorität mehr, die man anrufen könnte. Heute haben Verlage und Agenturen ihre eigenen Hausorthographien, weil die neuen „amtlichen“ und „Toleranz-Metaregeln“ des dritten Berichts der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung nur Verwirrung stiften. Heute ist die Wirrnis infolge der willkürlichen Schriftänderung so groß, daß niemand genau sagen kann, wie viele verschiedene deutsche Rechtschreibungen gegenwärtig existieren. Dieser Zustand ist ein schwerwiegendes Problem nicht nur für die Schulen, sondern für die gesamte Schreibgemeinschaft. Was wird die nächste Pisa-Studie bringen?

Die „neuen“ Regeln fordern geradezu auf, Kommas wegzulassen, alle möglichen Wörter mit „ss“ statt "ß" zu schreiben, und man muß auch nicht mehr darüber nachdenken, ob man „kennenlernen“ zusammen oder auseinander schreibt. Das persönliche Fürwort „du“ und dessen Ableitungen dürfen klein geschrieben werden, und wenn man ahnt, daß „setzen“ gemäß der überarbeiteten Stammprinzipregeln von „Satz“ kommt, sollte sogar „sätzen“ erlaubt sein. Der Neuschrieb nimmt auf die Belange des Lesenden keine Rücksicht, und so dürfen wir nun munter drauflosschreiben; der Lesende wird schon sehen, wie er zurechtkommt.

Die sogenannte Rechtschreibreform bringt der Sprachgemeinschaft nur Nachteile und droht, unser Deutsch für immer zu verderben. Wenn wir miteinander schriftlich kommunizieren wollen, brauchen wir dafür eine möglichst genaue, eindeutige und vor allem einheitliche Rechtschreibung. Das Lernen nimmt uns keiner ab. Im Zuge der Diskussion um eine Bildungsreform sollte darüber nachgedacht werden, wie sich unsere durchaus nicht einfache Rechtschreibung einfacher vermitteln läßt.

Die Politiker sollten den Mut aufbringen, den gegenwärtigen Reformversuch abzubrechen und den deskriptiven Weg einschlagen, lediglich den allgemeinen Sprachgebrauch – wie bisher der Duden – aufzuzeichnen, was auch der freiheitlich-demokratischen Ordnung am besten entspräche. Der Staat sollte sich von Sprachlenkungsversuchen grundsätzlich fernhalten, die gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit erfolgen. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den Beschluß des Deutschen Bundestags, der am 26. März 1998 feststellte, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: „Die Sprache gehört dem Volk.“

VRS – Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V., Veltheimstraße 26, D-22149 Hamburg, http://www.vrs-ev.de

___________________________


Anläßlich der Verleihung des Konrad-Duden-Preises 2001 an Prof. Dr. Hans-Werner Eroms, Universität Passau, wurde ein Flugblatt mit dem obigen Text am 13.3.2002 an die Gäste des Festaktes (größtenteils Teilnehmer der 38. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache – IDS) am Eingang des Mannheimer Schlosses verteilt. Das Original ist aufrufbar unter http://www.vrs-ev.de (Babylon in Mannheim).

Bedanken möchte sich der VRS bei der Deutschen Sprachwelt, die Herrn Dr. Jürgen Langhans, Pressesprecher des VRS, akkreditierte, mit dem Preisträger Eroms ein Interview zu führen. Zu diesem Gespräch für die DSW kam es aus zeitlichen Gründen nach der Preisverleihung nicht, Herr Langhans konnte jedoch mit Herrn Prof. Eroms einen Telephontermin für ein nachträgliches Interview vereinbaren.

– geändert durch Stephanus Peil am 17.03.2002, 17.28 –

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Manfred Riebe
12.03.2002 21.55
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Laudator Siegfried Grosse

http://www.duden.de/presse/ enthält keine neuen, sondern nur sehr geringe, bereits bekannte Informationen.
Aber die Rede des Konrad-Duden-Preisträgers Hans-Werner Eroms kann man herunterladen.

Meine Recherchen zum Laudator ergaben:
Laudator von Professor Hans-Werner Eroms war Prof. Dr. Dr. hc. mult. Siegfried Grosse, Unterfeldstr. 13, 44797 Bochum, Germanistisches Institut der RUB, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, Tel.: 0234/791842, Siegfried.Grosse@ruhr-uni-bochum.de
http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/siegfried.grosse/

Siegfried Grosse erhielt am 15.03.2000 den Duden-Preis der Stadt Mannheim. Thema seines Festvortrags am 15. März 2000: „Fremde deutsche Wörter“. Rede anlässlich der Verleihung des Konrad-Duden-Preises der Stadt Mannheim am 15. März 2000. Mannheim 2000 (= Duden, Beiträge zu Fragen der Rechtschreibung, der Grammatik und des Stils. H. 55).
Bereits 1964 wurde Siegfried Grosse Mitglied des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim.

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Christian Stang
12.03.2002 19.54
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Konrad-Duden-Preis

Näheres zum Konrad-Duden-Preis finden Sie im Netz unter http://www.duden.de/presse

Mit freundlichen Grüßen

Christian Stang

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Manfred Riebe
12.03.2002 16.53
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Rechtfertigung der Rechtschreibreform bei der Verleihung des Konrad-Duden-Preises

Zum Germanisten Hugo Steger als Laudator Reiffensteins vgl. Theodor Ickler: Ein Germanist wird vorgeführt, 23.09.2001, 19.15 Uhr. In: http://www.rechtschreibreform.com/, Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn

Bereits 1959 hatte die Münchner Bayerische Akademie der Wissenschaften mit dem Salzburger Linguisten und Altgrammatiker Ingo Reiffenstein (Dorfbeuren/Österreich), den ersten hauptamtlichen Chefredaktor des Bayerischen Wörterbuchs eingestellt.
http://grimm.adw-goettingen.gwdg.de/wbuecher/index.php?4
Ingo Reiffenstein: Zur Geschichte, Anlage und Bedeutung des Bayerischen Wörterbuches, in: ZBLG 48, 1985, S. 17-39

Professor Ingo Reiffenstein erhielt vor dem denkwürdigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk“ und der Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 12. Mai 1998 im Rahmen der Jahrestagung des staatlich finanzierten „Instituts für deutsche Sprache“ (IDS), Mannheim, im März 1998 den Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim. In seiner Rede rechtfertigte er eine Regelungskompetenz des Staates für die Rechtschreibung:
„Die Diskussion über die Rechtschreibreform ist ein wenig erfreuliches, aber ein nicht untypisches Beispiel für das gestörte Verhältnis zwischen einer nichtfachlichen Öffentlichkeit und der Sprachwissenschaft. Am bedrückendsten daran ist vielleicht, daß die Themen und die Argumente der Diskussion samt ihren Mißverständnissen seit weit über 100 Jahren die gleichen geblieben sind. 1984 ist in den Schriften des IdS eine bei Hugo Moser entstandene Bonner Dissertation von Hans­Georg Küppers über „Orthographiereform und Öffentlichkeit“ erschienen, in der über die Bemühungen und Auseinandersetzungen zwischen 1876 und 1982 berichtet wird. Nicht nur in diesen gut 100 Jahren, sondern auch in den seither verstrichenen 15 Jahren dreht sich die Diskussion ständig im Kreis. Neu ist lediglich, daß sich jetzt auch Gerichte mit dem Kasus befassen müssen. [...]
Zum Schluß möchte ich einem möglichen Mißverständnis vorbeugen. Mein Vortrag ist natürlich kein Plädoyer für staatliche Eingriffe in die Sprache. Lediglich die Rechtschreibung, von der ich ausgegangen war, ist ein Bereich, dessen Regelung durch den Staat vernünftig ist und erwünscht sein sollte.“

Quelle: http://www.mannheim.de/fundgrube/lesenswertes/reiffenstein.html

Es war sicher ein geschickter Schachzug des IDS, der Agitationszentrale der Rechtschreibreform, Professor Ingo Reiffenstein den Konrad-Duden-Preis zu verleihen und ihn eine solche Rede halten zu lassen. Es wäre denkbar, daß seine Stellungnahme die Richter des Bundesverfassungsgerichtes darin bestärkte, den Kultusministern ein Eingriffsrecht in die Schriftsprache auf dem Erlaßwege an den Parlamenten vorbei zuzubilligen. Im Lichte dieser Rede erweckt auch der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk“ noch mehr den Eindruck der Unverbindlichkeit.

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Theodor Ickler
12.03.2002 15.49
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Schmachvoll

Die anbiedernde, erstaunlich oberflächliche Dankrede von Ingo Reiffenstein kann nachgelesen werden: http://www.mannheim.de/fundgrube/lesenswertes/reiffenstein.html (allerdings in einer sonderbaren Orthographie). Was dem ebenso bedeutenden Germanisten Hugo Steger als Laudator im gleichen Heft der Duden-Beiträge angetan wurde, habe ich im Forum bereits gezeigt („Ein Germanist wird vorgeführt“).
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Th. Ickler

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Manfred Riebe
12.03.2002 14.57
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Worüber wird Hans-Werner Eroms sprechen?

Wird Hans-Werner Eroms nur allgemein über Sprachpflege und Sprachkritik sprechen oder auch über die aktuelle Rechtschreibreform?

Hier folgt ein Überblick über Sprachpreise, die mitunter als Krönung wissenschaftlichen Streites betrachtet werden. „Bei Preisen von Städten, die an Autoren vergeben werden, folgt auf die Lobrede (Laudatio) die Rede des Autors, an den dieser Preis verliehen wurde.“ Folglich kann man damit rechnen, daß auch Professor Hans-Werner Eroms bei der Verleihung des Konrad-Duden-Preises der Stadt Mannheim heute eine Rede halten wird. Auch auf diese darf man neugierig sein.
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Prof. Dr. Fee-Alexandra Haase: Kritik

1.2.3 Kritik als Begriff der Streitkultur an Akademien und Organisationen der Neuzeit

Antike Preisschriften loben die Gerechtigkeit des Sieges in einem Wettstreit. So beschreibt Pindar den Gewinner eines Wagenrennens, Arkesilas von Kyrene, in einer ihm gewidmeten Ode als Sieger, der den Pfad der Gerechtigkeit (δíκ&eta) als König der großen Städte beschreitet. (102) Der Streit im Gespräch und in schriftlichen Abhandlungen ist als eine Form des Wettstreits (certamen) an Universitäten in der Epoche der Aufklärung zu finden. In diesen Lehranstalten wird der Wettstreit zwischen den Fakultäten nach Reihen (ordines) in einem Literaturstreit (certamen litterarium) ausgetragen. Neu erschienene Schriften werden in Abhandlungen der Gelehrten nach ihren Themen in verschiedenen Gattungen der Kritik behandelt. In der Philologie werden verschiedene Begriffe für die Gattungen von Beschreibungen und Reden verwendet. Das deutsche Schulwesen und die philologischen Institute an den Universitäten nutzen als Bezeichnungen für die mündliche und schriftlichen Kritik die Bezeichnung Unterredung in den Ausdrücken disputatio critica und disputatio philologico-critica. Die Verteilung von Preisen (praemia), die nach dem Urteil (iudicium) ausgeteilt werden, ist bei der Verleihung von Autorenpreisen zu finden. Den nicht mehr verbal ausgefochten Streit von Kritikern über die Literatur eines Gebietes ermöglichen Journale und spezielle Zeitschriften für Publikationen auf wissenschaftlichem Gebiete.

Dokumente des Wettbewerbs im 19. Jahrhundert sind die Gekrönten Preisschriften und Urkunden für Preise der Germanistik. Die von der Fürstlich Jablonowiskischen Gesellschaft in Leipzig gekrönte Preisschrift Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden von Max Vancsa beinhaltet im Jahre 1895 eine Beilage mit juristischen Schriften des Prozesses der Vansdorffer gegen den Erzbischof von Salzburg, die in einer Schlußformel mit dem Ort und der Zeit das Dokument vom 17. April des Jahres 1303 als brief bezeichnet, in dem eine Urteile genannt wird. (103)

Von Vertretern der Moderne werden im 20. Jahrhundert die Druckmedien für den Streit über die Literatur genutzt. Diskussion finden zur Unterhaltung auch in anderen Medien und Kommunikationsmitteln statt. Politische Streitkultur ist Gegenstand der in diesen Medien ausgetragenen öffentlichen Kritik. In Georg Rauschs Preisschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins mit dem Titel Goethe und die deutsche Sprache sind im Jahre 1909 im Anhang zu den Begriffen
συγκρíνειν und διακρíνειν
Ausführungen Goethes zur Farbenlehre erwähnt. Goethe stellt hier zu ihrer Übersetzung fest:
„Wir finden keinen so geistig-körperlichen Ausdruck für das Pulsiren, in welchem sich Leben und Empfinden ausspricht. Überdies sind die griechischen Ausdrücke Kunstworte, welche bei mehrern Gelegenheiten vorkommen, wodurch sich ihre Bedeutsamkeit jedes Mal vermehrt.“
Als Worte in deutschen und französischen Übersetzungen schlägt Goethe die Begriffe zusammenziehen, ausdehnen, sammeln, entbinden, fesseln, lösen, rétrécir und développer vor. (104)

Bei Preisen von Städten, die an Autoren vergeben werden, folgt auf die Lobrede (Laudatio) die Rede des Autors, an den dieser Preis verliehen wurde. Die Jury für den Friedrich Hölderlin-Preis läßt auf die Verleihung eine Rede zur Preisverleihung am 7. Juni des Jahres 1998 an Christoph Ransmayr folgen. Dur Grünbeins Rede Den Körper zerbrechen zur Entgegennahme des Georg-Büchner-Preises wird im Jahre 1995 zusammen mit der Laudatio und dem Portrait des Künstlers als junger Grenzhund von Heiner Müller vorgetragen.

In einer Urkunde anläßlich der Verleihung des Hegel-Preises 1979 wird Hans-Georg Gadamer am 13. Juni des Jahres 1979 eine Auszeichnung zuteil als „dem Philosophen, dessen Hermeneutik für die Verständigung über Sprache, Geschichte und Kunst neue Horizonte erschloß, dem denkenden Interpreten der philosophischen Tradition Griechenlands und der Werke der Dichter; dem Gründer der Internationalen Hegel-Vereinigung; dem wirkungskräftigen Lehrer zur Freiheit des Gedankens.“ (105) In der Urkunde anläßlich der Verleihung des Lessing-Preises des Jahres 1968 wird Walter Jens am 12. Dezember 1967 die Würdigung „seiner auf eine zeitgerechte politische und sittliche Aufklärung zielenden schriftstellerischen Werke, insbesondere seiner kritischen Beiträge zur Literaturwissenschaft und Rhetorik sowie seiner mutig ins öffentliche Bewußtsein wirkende Tätigkeit als vielseitiger Publizist; in Anerkennung aber auch seiner vorurtheilsfreien Bemühungen um die Neugestaltung des Lehrbetriebes an den deutschen Universitäten“ zuteil. (106) Gerhard Helbig schreibt in seiner Rede Grammatik im Kreuzfeuer bei der Verleihung des Konrad-Duden-Preises am 16. März 1994: „Einer berechtigten Kritik ausgesetzt war nicht nur eine zu enge, sondern auch eine zu weite Auffassung der Grammatik, die Grammatik letztlich mit der Sprache bzw. mit der Sprachwissenschaft identifiziert.“ (107) Ein Beispiel für eine Rede, die direkt auf die Rechtfertigung der Rechtschreibreform abzielt, ist die Rede Sprachpflege und Sprachgeschichte von Ingo Reiffenstein, die er am 11. März des Jahres 1998 bei der Verleihung des Konrad-Duden-Preises der Stadt Mannheim hielt und in der er von der Schicht der litterati im Mittelalter spricht. (108) Diese Autoren haben die Erforschung der Sprache zum Gegenstand in der Wissenschaft gemacht. Die Preise sind Auszeichnungen zum Ausdruck der Bewertung ihrer Werke in der Öffentlichkeit.

102. Pindar: Olympian Odes. Pythian Odes. Edited and translated by William H. Race. Cambridge und London 1997. Zeile 14 und 15. S. 300.

Vgl. auch: Braswell, Bruce Karl: A commentary on the forth Pythian ode of Pindar. Berlin und New York 1988. S. 369-376.

103. Vancsa, Max: Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden. Unveränderter Nachdruck der Originalausgabe 1895. Leipzig 1963. S. 134-135. Zitat S. 134.

104. Rausch, Georg: Goethe und die deutsche Sprache. Gekrönte Preisschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Leipzig und Berlin 1909. S. 260-261.

105. Ein Faksimile der Urkunde vor dem Textteil befindet sich in: Das Erbe Hegels. Zwei Reden aus Anlaß der Verleihung des Hegel-Preises 1979 der Stadt Stuttgart an Hans-Georg Gadamer am 13. Juni 1979. Jürgen Habermas. Urbanisierung der Heideggerschen Provinz. Laudatio auf Hans-Georg Gadamer. Hans Georg Gadamer. Das Erbe Hegels. Frankfurt am Main 1979. O. S.

106. Ein Faksimile der Urkunde vor dem Textteil befindet sich in: Feldzüge eines Redners. Rede auf Gotthold Ephraim Lessing und Laudatio anläßlich der Verleihung des Lessing-Preises an Walter Jens am 8. März 1968. Hamburg 1968. O. S.

107. Helbig, Gerhard: Grammatik im Kreuzfeuer. Rede Gerhard Helbigs anläßlich der Ehrung mit dem Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim am 16. März 1994. Mannheim, Leipzig, Wien und Zürich 1994. S. 11.

108. Reiffenstein, Ingo: Sprachpflege und Sprachgeschichte. Rede anlässlich der Ehrung mit dem Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim am 11. März 1998 mit der Laudatio von Hugo Steger. Mannheim, Leipzig, Wien und Zürich 1998. S. 25.
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Quelle: http://www.fachpublikationen.de/dokumente/01/1a/01011.html

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