Ja aber, mein werter Herr, Sie sollten dann auch wirklich erst einmal den Gedanken nachvollziehen, in dessen Rahmen das Dritte Reich genannt wurde. Ich habe außerdem erklärt, daß mir eben wegen dieser Assoziation das Lachen im Halse stecken bleibt. Es ging ums gedankenlose Mitmachen, weil die anderen dies und jenes ja auch jetzt soundso machen. Das kann sich im Harmlosen zeigen und im Katastrophalen enden, deswegen ist es so brisant. Natürlich würde ich niemals behaupten, daß die Rechtschreibreform genauso oder auch nur annähernd so schlimm sei wie das Dritte Reich. Ich habe geschrieben, ich hätte das Dritte Reich für abschreckend genug gehalten. Für eine so brutale Lektion, daß man auch die nachfolgenden Generationen gewissenhaft darauf sensibilisieren würde, sich bloß nicht vom Sog des Herdentriebs beeinflussen zu lassen.
Aber was ist denn der Grund, aus dem diejenigen den Neuschrieb übernehmen, die es tun? Weil sie genau sagen können, daß und warum diese Orthographie besser ist als die bisher gebrauchte? Weil sie etwa aus eigener Anschauung und so kritischer wie gründlicher Prüfung zu diesem Urteil gelangt wären? Dabei würde man unweigerlich auf Fakten stoßen, die die Reform so miserabel zeigen, wie sie hinter dem Blendwerk eben nun einmal ist. Die Mitmacher machen aber nun eben mit, was (in den Medien hauptsächlich) als neuer Trend propagiert wird: Das macht man jetzt so. Wer nicht mitmacht, ist veraltet, anachronistisch, ewiggestrig, erzkonservativ, lernunfähig, unflexibel, fortschrittsverweigernd. Oha. Wer will das schon sein? Womöglich machen sich die Leute dann über einen lustig, wäre ja doch unangenehm irgendwie. Wenn sich Menschen schon zu einer unsinnigen Rechtschreibveränderung so leicht überreden lassen (zu deren Durchsetzung immerhin auf eklatanteste Weise die Demokratie verraten wurde, Sprachlenkung gegen den Volkswillen, so eine Lappalie ist das nun auch wieder nicht), dann ist es doch nicht abwegig, davon an Zeiten erinnert zu werden, in denen es eben in wurde, den deutschen Gruß" zu zeigen, Hakenkreuzflaggen zu schwenken, einem Führer zuzujubeln usw. (Man konnte da ja noch nicht wissen, auf was für unglaubliche Greuel das alles später hinauslaufen würde.) Meinetwegen hänge ich noch ein harmloseres Beispiel an: Ist es nicht unglaublich, wie Scharen von Jugendlichen auf Kommando irgendwelche ganz offen künstlich zusammengebauten RTL2-Popgruppen toll finden und fleißig deren CDs und Fantinnef kaufen? Genauso bedenklich, aber hier handelt es sich nur um Kommerz, während die Rechtschreibreform ein Politikum ist, dessen Tragweite leider oft unterschätzt wird. Man muß sich vergegenwärtigen, was da überhaupt passiert ist, autoritär den Untertanen aufgezwungene künstliche Sprachlenkung, so etwas hat man sich nicht einmal zu Zeiten Kaiser Wilhelms erlaubt. Und heute, heißt es doch zumindest, ist Deutschland doch ein demokratischer Bundesstaat. Wie wenig er das in Wirklichkeit ist, wird an Vorgängen wie der Rechtschreibreform offenbar, und ich finde schon, daß einen das alarmieren sollte.
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