»Aller Unfug erledigt sich auch eines Tages«
Seit ein paar Wochen beleidigt die SZ die intelligenteren ihrer Leser mit einer Beilage »SZ WOCHENENDE«, die sinnfällig vor allem zeigt, was man dort unter dem angesichts der gegebenen Verhältnisse angesagten Sparkurs versteht: Zeilenhonorar sparen durch möglichst wenig Text! Das wird erreicht durch die Wahl BILD-würdiger überdimensionierter Größen der Überschriften und durch riesige Fotos mit einer Flächendeckung von bis zu 50 bis 80 % schätzungsweise. Von den Motiven her sind diese eine solche Großdarstellung wirklich nicht wert: Boris Becker, Ausschnitt der Wasserfläche eines Schwimmbeckens vom Sprungbrett aus, Ausschnitt einer Zwiebackpackung der Marke Brandt (geistreich gemeint zu einem Artikel über den jüngsten Sohn unseres ehemaligen Bundeskanzlers) und, damit der Sex nicht zu kurz kommt, eine knapp gehaltene Version eines Damenschlüpfers, usw.
Seit das süddeutsche Intelligenzblatt tagtäglich vorexerziert, daß diese Bezeichnung nur mit gewissen, sehr bedauerlichen Einschränkungen zutreffend ist, lese ich es eigentlich sowieso nicht mehr. Nur wenn meine Frau ruft: »Aber das mußt du jetzt wirklich einmal lesen« und mir dann wieder eine orthographisch so verballhornte Stelle zeigt, wie sie inzwischen schon Normalität geworden zu sein scheint »hier zu Lande«, mache ich hin und wieder eine Ausnahme. Anfangs habe ich fast täglich die verrücktesten »Blüthen der Thorheit« empört an die SZ-Redaktion gefaxt, teilweise mit hämischen, dann wieder mit um Einsicht werbenden freundlichen Bemerkungen, so könne man als vernünftiger schreibkundiger Mensch die Orthographie nun doch wirklich nicht malträtieren und es würde doch ganz gewiß als Beweis der intellektuellen Höhe der SZ gewertet, wenn auch sie sich von diesem ganzen Humbug ein für allemal distanzieren und wieder normal und wie wir es alle gewöhnt waren schreiben würde. Da reagierte natürlich keiner.
Also jetzt die neue SZ WOCHENENDE. Man kann im Kornhaus in Dessau offenbar recht gut essen in Bauhaus-Atmosphäre. Unter anderem ein Menü namens »Mazdaznan«. Es wird beschrieben, was das ist. Wenn der Gast seinen Teller »leer gegessen« hat, erntet er ein anerkennendes Lächeln der Wirtin (vielleicht ist das klüger als mit Mazdaznan drauf, Seite V).
Ingo Mocek gibt auf Seite VIII eine Unterhaltung mit John Cleese wieder. Der ehemalige Fernsehproduzent konstatiert die völlige Verdummung unserer »Eliten«, hier im besonderen bei den Medien. Er sagt auch: »Was mir auffällt entschuldigen Sie, falls ich Sie beleidigen sollte , ist das insgesamt sinkende Niveau von Tageszeitungen.« Nun bezieht er diese Kritik zwar auf die Qualität der Berichterstattungen, aber im Umfeld der neu dahergepeppten SZ WOCHENENDE diesen Satz zu lesen, ist dennoch nicht ohne Pikanterie.
Im allgemeinen Teil auf Seite 7 dieser Wochenendausgabe findet man ein lesenswertes Interview mit dem langjährigen Chefkorrespondenten der SZ Hans Ulrich Kempski. Hat es einen tieferen Sinn, wenn im Layout das Kempski-Zitat »Aller Unfug erledigt sich auch eines Tages« wie ein Sinnspruch hervorgehoben wird? Will der unfreiwillig zu minderwertiger Schreibleistung vergatterte Journalist damit ein Signal geben an seine Leser, sie mögen nicht verzweifeln an ihm, auch der Rechtschreib-Unfug werde sich eines Tages erledigen? Glauben möchte man es schon, und es gibt ja auch nicht wenige Anhaltspunkte dafür, denn auch in der SZ scheinen die Alt-Neu-Konvertierprogramme immer nachlässiger gehandhabt zu werden, manches liest sich wieder ganz normal bis zum nächsten Orthographie-Schocker, der bleibt nicht aus.
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Walter Lachenmann
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